Was den Verbraucher freut, wird für die Produzenten zunehmend zum Problem. Nur um die Milch geht es dabei schon lange nicht mehr. Auch bei Fleisch, Teigwaren, Pflanzenöl, Reis, Tiefkühlpizzen, Limonaden und Säften purzeln die Preise auf breiter Front. Fünf Preissenkungsrunden seit Jahresbeginn sind Zeugen eines gnadenlosen Preiskampfes, der den Lebensmittelhandel seit dem Zusammenbruch der landwirtschaftlichen Märkte im Sommer letzten Jahres in Atem hält.

Für die Discounter werden die unerwünschten Nebenwirkungen des hausgemachten Preisverfalls dabei zunehmend selbst zum Problem. Vier Monate in Folge wurden nun bereits rückläufige Umsatzzahlen gemeldet. Es zeigt sich, dass die Discounter mit ihren Prognosen, sie werden zu den Gewinnern der Krise zählen, nicht unbedingt richtig lagen. Nicht nur bieten Preissenkungen anscheinend nur wenig Anreiz, mehr als unbedingt nötig einzukaufen, auch der verstärkte Zustrom von Käufern, die Discounter bisher gemieden hatten, konnte die allgemeine Kaufzurückhaltung nicht wettmachen.

Nach Gründen dafür, dass die Verbraucher auch angesichts nie da gewesener Preise nicht in Freudentaumel ausbrechen, braucht nicht lange gesucht werden. Immer mehr Menschen bekommen die Wirtschaftskrise am eigenen Leib zu spüren. Firmenpleiten und Entlassungen sind keine reinen Schreckgespenster mehr. Und auch unter denen, die noch Arbeit haben, wächst die Angst davor, sie zu verlieren. Gekauft wird nur noch, was für die nächsten Tage gebraucht wird – Vorratshaltung wäre sowieso angesichts stets sinkender Preise ökonomisch wenig sinnvoll.

Es ist jedoch wenig wahrscheinlich, dass die Discounter letztendlich als Verlierer aus der Krise hervorgehen werden. Schlimmstenfalls wird ihr Umsatzrückgang zu Gewinneinbussen führen. Schließlich reichen sie den wachsenden Druck einfach an ihre Lieferanten weiter. Wenn deren Einnahmen nun allerdings kaum mehr reichen, die Produktionskosten zu decken, legt dies den Schluss nahe, dass das Schlimmste noch lange nicht überstanden ist.

Vorratshaltung wäre sowieso angesichts stets sinkender Preise ökonomisch wenig sinnvoll

Tim Jacobsen

Auf staatliche Unterstützung wie die Autobauer können die Lebensmittelproduzenten allerdings auch in Zukunft nicht setzen. Eine Abwrackprämie für mehrere Tage altes, durchaus noch verzehrsfähiges Obst oder Gemüse wird sich wohl kaum durchsetzen lassen – auch wenn im Sinne der Volksgesundheit der direkte Verzehr von Frischprodukten durchaus wünschenswert wäre.

Die Zukunft wird zeigen, ob das durch den Preiskampf der Discounter angefachte und durch die Preispolitik anderer Ketten weiter verbreitete Feuer tatsächlich in einem Flächenbrand enden wird. Die Gemüseerzeuger müssen zum Saisonstart auf schmerzhafte Weise erfahren, was Wetterkapriolen, Angebotsdruck und Preiskampf im Handel für Folgen haben. Die Aufforderungen zur Qualitätssicherung, zur Wahrung der sozialen Standards oder zur Nachhaltigkeit wirken vor dem Hintergrund dieses Preiskampfes fast wie leere Worthülsen.

Es sind mit Sicherheit jedoch nicht nur wahlkampftaktische Überlegungen, wenn nun manche Politiker Konjunkturprogramme für die Lebensmittelbranche fordern. Schließlich finden in der Landwirtschaft samt ihrer vor- und nachgelagerten Bereiche weit mehr Menschen ihr Auskommen als beispielsweise in der Autoindustrie.

Tim Jacobsen