Weitaus nachhaltiger als durch nicht beerntete Erdbeerfelder oder ins Laub geschossene Spargeläcker könnte der deutsche Gartenbau in nicht allzu ferner Zukunft durch einen Mangel an qualifizierten Arbeitskräften Schaden erleiden. Sinkende Ausbildungszahlen im grünen Bereich setzten einen Teufelskreislauf in Gang, in Folge dessen Bildungseinrichtungen für den Gartenbau geschlossen wurden, was wiederum dazu führte, dass jungen Leuten die Wahl gärtnerischer Berufe zusätzlich unattraktiv erschien. In manchen Bereichen übersteigt heute bereits die Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften das Angebot deutlich.
Der fortschreitende Strukturwandel im Gartenbau und die technische Weiterentwicklung tun ihr Übriges dazu, die Nachfrage nach hochqualifiziertem Personal weiter ansteigen zu lassen. Dabei geht es nicht unbedingt nur um Arbeitskräfte mit gärtnerischem Hintergrund. Allerdings steht der Gartenbau mit anderen Wirtschaftsbereichen in Konkurrenz um die klügsten Köpfe und hat dabei nicht immer das beste Blatt auf der Hand. Es tut dringend Not, in der Selbstdarstellung des Gartenbaus die Dynamik des Sektors deutlich voran zu stellen. Nur wenn die Anziehungskraft des Gartenbaus als Arbeitgeber zunimmt, kann die Abwärtsspirale durch Arbeitskräftemangel gestoppt werden.
Weitergehende Mechanisierung wird schwere Arbeiten zwar vereinfachen, der Kampf um Arbeitskräfte wird aber auch im Niedriglohnbereich mit deutlich schärferen Waffen gefochten werden
Tim Jacobsen
Gründe für Flächenausweitung oder Produktionsintensivierung gibt es viele. Die Folgen dieser Entwicklung sind jedoch stets die Gleichen. Arbeitsprozesse werden schwerer durchschaubar, Personalführung und innerbetriebliche Organisation nehmen einen größeren Stellenwert ein. Mitarbeiter spezialisieren sich, Aufgaben werden verteilt. Mit den gestiegenen Ansprüchen wächst auch die Verantwortung jedes Einzelnen. Der Fort- und Weiterbildung von Mitarbeitern sollte deshalb gerade vor dem Hintergrund rückläufiger Ausbildungszahlen mehr Platz eingeräumt werden.
Dies sollte nicht zuletzt auch aus Eigennutz des Unternehmers geschehen. Schließlich wird der formalen Qualifikation der Mitarbeiter im Rahmen von Qualitätszertifizierungsprozessen wie QS, QS-GAP, Eurep Gap oder BRC eine besondere Bedeutung zugemessen. Erstaunlicherweise nehmen deutsche Arbeitnehmer im europaweiten Vergleich Weiterbildungsmaßnahmen nur in äußerst geringem Ausmaß in Anspruch.
Die demographische Entwicklung wiederum trägt bereits heute spürbar dazu bei, dass die Mitarbeiter in den Betrieben im Schnitt älter werden. Mit dem Ausscheiden altgedienter Mitarbeiter aus den Betrieben in Zukunft wird auch ein Großteil des zuvor vorhandenen Wissens verloren gehen. Es ist dringend an der Zeit, Strukturen zu etablieren, die diesen Erfahrungsschatz sichern. Dies kann nur über die frühzeitige Einbindung junger Mitarbeiter in Entscheidungsprozesse funktionieren. Die verstärkte Bindung von Mitarbeitern an die Unternehmen sollte deshalb höchste Priorität besitzen.
Ein wichtiger Teil der unternehmerischen Tätigkeit ist die Personalführung. Konsequenz im Anleiten von Mitarbeitern sorgt dafür, dass jeder seinen Fähigkeiten entsprechend beschäftigt wird. Der Selektion und dem Anwerben von Mitarbeitern wird in Zukunft noch mehr Aufmerksamkeit zukommen. In größeren Betrieben liegt die Leitung bereits heute oftmals in Händen von Managern, die teilweise weit entfernt vom Produktionsprozess stehen. In diesen Betrieben wird der Produktionsfaktor Arbeit weniger als Kostenpunkt gesehen, sondern als strategische Gestaltungsmöglichkeit.
Um in Zukunft als Betrieb konkurrenzfähig zu bleiben und gleichzeitig ein attraktiver Arbeitgeber zu sein, werden neben Rahmenbedingungen wie der Lohnstruktur und Arbeitszeitmodellen auch soziale Aspekte und nicht zuletzt die Arbeitsumstände eine wichtige Rolle spielen. Der Kommunikation zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmerseite wird in Zukunft ebenfalls mehr Platz eingeräumt werden. Der Typ Boss, der alles kann und alles in der Hand hat, ist angesichts vielfältigster Anforderungen heutzutage ein nicht mehr zeitgemäßes Auslaufmodell.
Der Anteil der Lohnkosten an den Produktionskosten ist von Kultur zu Kultur und von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich. Über den ganzen Gartenbau hinweg betragen sie durchschnittlich ein Drittel. Daran wird sich auch in Zukunft voraussichtlich wenig ändern. Weitergehende Mechanisierung wird schwere Arbeiten zwar vereinfachen, der Kampf um Arbeitskräfte wird aber auch im Niedriglohnbereich mit deutlich schärferen Waffen gefochten werden. Patentrezepte dafür gibt es keine. Einmal in Gedanken die Seiten zu wechseln, könnte aber den Unterschied ausmachen.
Tim Jacobsen
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