Ein Kilogramm Zwiebeln kostet den Supermarkt im Einkauf gegenwärtig um die zwei Cent. Dennoch kosten die günstigsten Zwiebeln im Supermarkt immer noch an die 0,89 € pro kg. Anfang Oktober wurden Tomaten aus dem Unterglasanbau zu Kilogrammpreisen von 0,15 € gehandelt. Im Supermarkt gab es sie hingegen nur selten unter 2 €. Auch bei knapp 2 €, die eine Packung Kartoffelchips kostet, erhält der Bauer weniger als zwei Cent. Die Frage drängt sich also geradezu auf, ob Verpackungs- und Fertigungsprozesse tatsächlich solch hohe Aufschläge rechtfertigen.

Drei Entwicklungen macht der Niederländer Dick Veerman dafür verantwortlich, dass die Supermärkte heutzutage die Spielregeln bestimmen, Weiterverarbeiter kurz gehalten und Bauern dazu gezwungen werden, unter kostendeckenden Preisen zu verkaufen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg musste die Agrarpolitik in den westlichen Staaten für möglichst niedrige Lebensmittelpreise sorgen, um so der allgemeinen Ökonomie auf die Sprünge zu helfen. Um den Absatz von Autos, Elektronikartikeln oder Kleidung zu fördern, wurde Veermann zufolge mit Hilfe von Subventionen und Marktbarrieren ein System geschaffen, in dem Landwirte viel zu viel an vollkommen identischen Produkten erzeugen. Der spätere Wegfall der Subventionen führte dann dazu, dass sich die Landwirte auf einmal in einer für sie ungewohnten Konkurrenzsituation wiederfanden. Überleben konnte nur, wer größer wurde und vor allem billiger produzierte als sein Berufskollege.

Dazu kommt, dass Supermärkte nicht mit Margen bezogen auf einzelne Artikel kalkulieren, sondern sich überlegen, wie viel von der gesamten Einkaufssumme beim Supermarkt verbleiben sollte. Ihr Produktspektrum teilt sich deshalb ein in Lockangebote, Grundversorgung und renditeträchtige Artikel. Bier, Kaffee und andere Markenartikel werden oftmals unter kostendeckendem Preis angeboten, dieser Verlust wird dann aber von den Gewinnen in anderen Bereichen mehr als wettgemacht. Auffallend dabei ist laut Veerman, dass Gewinne hauptsächlich in den Obst- und Gemüseabteilungen und an den Fleisch- und Wursttheken erzielt werden. In den Bereichen also, die der landwirtschaftlichen und gärtnerischen Urproduktion am nächsten stehen.

Wenn nun aber Einkäufer statt zwei vier Cent pro Kilogramm Zwiebeln bezahlen würden, würde das weder für eine Preisexplosion im Supermarkt noch für das Anheizen der Inflationsrate sorgen

Tim Jacobsen

Selbst mit den unter maximalem Kostendruck industriell hergestellten Lebensmitteln ist es schwierig, Gewinn zu erzielen. Deshalb seien auch die Lebensmittelgiganten geradezu dazu gezwungen, Produkte zu entwickeln, die streng genommen nichts kosten, an der Supermarktkasse dennoch für große Umsätze sorgen. Veerman bezweifelt angesichts der vielen dicken Menschen, dass Gesundheitsclaims beispielsweise etwas anderes sind, als der Versuch, Produkte mit wenig Inhalt zu maximalen Renditen an den Mann bringen zu können.

Veerman gibt zu, dass es wenig sinnvoll ist, diese Zustände zu beklagen, schließlich hätten sich die Dinge nun einmal so entwickelt. Dies sollte jedoch nicht davon abhalten, darüber nachzudenken, was es eigentlich bedeutet, wenn die Produzenten der Macht der Einkäufer nichts mehr entgegenzusetzen haben. Gibt es denn in Almeria nur transport- und lagerstabile Erdbeeren mit fadem Geschmack, wie es das Supermarktangebot diesen Frühling glauben machen wollte? Nein, auch in Almeria gibt es Erdbeeren in Spitzenqualität. Nur fanden die Einkäufer anscheinend, dass die Qualität der importierten Erdbeeren gut genug ist für den deutschen Konsumenten.

Könnte denn nun ein streng regulierter Markt für Entlastung auf dem Obst- und Gemüsemarkt sorgen, wie das gegenwärtig viel zitierte Beispiel der kanadischen Milchviehhalter glauben machen will? Der gleichbleibend hohe kanadische Milchpreis von umgerechnet 50 ct pro Liter ist allerdings teuer erkauft. Schließlich führte der künstlich stabil gehaltene Milchpreis nicht nur zu ineffizienten Produktionsstrukturen, die Kosten der Quote sorgten zudem genau für das, was eigentlich verhindert werden sollte: Kahlschlag und Strukturwandel.

Wenn nun aber Einkäufer statt zwei vier Cent pro Kilogramm Zwiebeln bezahlen würden, würde das weder für eine Preisexplosion im Supermarkt noch für das Anheizen der Inflationsrate sorgen. Insofern sind Forderungen nach einem fairen Miteinander durchaus berechtigt. Allerdings ist es noch gar nicht so lange her, da gab es allerorten regionale Produkte, die zu nachhaltig existenzsichernden Preisen angeboten wurden. Damit war dann aber Schluss, als das so genannte moderne Leben Einzug hielt: die Milch wurde nicht mehr in der Flasche direkt bis an die Haustür geliefert, dem Obst- und Gemüseladen an der Ecke wurde der Rücken gekehrt, die Eier nicht mehr auf dem Markt gekauft, und wer kann es sich heutzutage überhaupt noch leisten, in ein Fleischereifachgeschäft zu gehen?

Ganz schön unverschämt, die Preise.

Tim Jacobsen