Fast genauso einfach, wie dem Lebensmitteleinzelhandel vorzuwerfen, für das in vielen Fällen ruinöse Preisniveau verantwortlich zu sein, ist es, zu überprüfen, ob sich diese Vorwürfe auch mit Zahlen belegen lassen.

Gewinnt zum Beispiel eine Supermarktkette durch Fusion oder erfolgreiche Verdrängung eines Mitkonkurrenten an Marktmacht hinzu, stärkt das ihre Verhandlungsposition gegenüber dem Großhandel. Hat der Großhändler dem nun nichts entgegenzusetzen, muss er bei gleichbleibender Nachfrage und unveränderten Konsumentenpreisen einen Teil seiner Marge an den Supermarkt abtreten.

Kommt es zu einer Missernte und kann diese nicht durch Importe ausgeglichen werden, stärkt das die Verhandlungsposition der Produzenten: Schließlich wird dann bei unverändertem Preisniveau eine konstante Nachfrage auf ein begrenztes Angebot treffen. Produzenten können also Preise realisieren, die deutlich über ihren Produktionskosten liegen. Auch der Großhandel muss dann den Supermärkten höhere Preise in Rechnung stellen. Die Supermärkte wiederum werden versuchen, diese Preise an die Konsumenten weiterzugeben, wodurch dann allerdings auch die Nachfrage sinken und sich ein neuer Gleichgewichtspreis einstellen wird.

Die reine Marktlehre besagt, dass Preisschwankungen bei Obst und Gemüse hauptsächlich durch Schwankungen der Produktpreise auf Erzeugerebene zustande kommen

Tim Jacobsen

Veränderungen im Nachfrageverhalten können aber auch andere Ursachen haben. Wird beispielsweise der gesundheitsfördernde Aspekt des Verzehrs eines für eine bestimmte Anbauregion typischen Gemüses in einer Fernsehsendung besonders hervorgehoben, werden als Folge davon die Supermärkte die Preise für dieses Produkt anziehen. Gleichzeitig werden sie versuchen, über den Großhandel möglichst große Mengen dieses Produktes zu bevorraten. Kein Wunder, wird nun auch der Großhandel versuchen, möglichst viel dieser Ware umzuschlagen, was den Produzenten wiederum erlaubt, dafür mehr in Rechnung zu stellen.

Die reine Marktlehre besagt, dass Preisschwankungen bei Obst und Gemüse hauptsächlich durch Schwankungen der Produktpreise auf Erzeugerebene zustande kommen, da davon ausgegangen werden kann, dass die sonstigen Kosten sowohl auf Ebene des Großhandels als auch des Lebensmitteleinzelhandels relativ konstant sind. Werden Preissenkungen oder -erhöhungen nun verzögert oder nur zu einem bestimmten Teil an Konsumenten bzw. Produzenten weitergegeben, sprechen Ökonomen von asymmetrischer Preisanpassung.

Auf Drängen des gärtnerischen Berufsstandes untersuchte das niederländische Pendant zum Bundeskartellamt, die Nederlandse Mededingingsautoriteit (NMA), ob es in den Niederlanden Anzeichen solcher asymmetrischer Preisanpassungen im Lebensmittelbereich gibt, die Beleg für eine Übervorteilung sein könnten. Zumindest für den Zeitraum der Jahre 2005 bis 2008 gab die NMA nun Ende letzten Jahres Entwarnung. Die Wettbewerbswächter konnten in ihren Untersuchungen keine Anzeichen für ein Preisdiktat des Lebensmitteleinzelhandels finden.

Anders, als von so manchem vermutet, sind es laut NMA nach wie vor die Produzentenpreise, die den größten Einfluss auf die Konsumentenpreise haben. Die Wettbewerbshüter räumen ein, dass die Preise im Einzelhandel ein Vielfaches der Produzentenpreise ausmachen. Die Schuld hierfür suchen sie jedoch nicht beim Einzelhandel, vielmehr entstehe laut NMA ein Großteil dieser Kosten auf Ebene des Großhandels. Im Sinne des eigenen Betriebsergebnisses könne der Großhandel daraus allerdings nur wenig Nutzen ziehen: Die größten relativen Gewinnspannen würden produktabhängig entweder der Einzelhandel oder die Produzenten selbst einstreichen.

Eines der Produkte, das die Wettbewerbshüter in ihre Untersuchungen miteinbezogen, waren Äpfel der Sorte `Elstar´. Die Antwort des NMA-Vorsitzenden Pieter Kalbfleisch auf die Frage, ob die gegenwärtige Preismisere bei `Elstar´-Äpfeln nicht vielleicht doch Beweis dafür sein könnte, dass nicht alles mit rechten Dingen zugeht, stieß nicht nur den betroffenen Obstbauern sauer auf: „Zur Marktwirtschaft gehören nun einmal Verlierer.“

Rabobank Westland Geschäftsführer Fred van Heyningen schätzt, dass mehr als die Hälfte der niederländischen Unterglasbetriebe in finanziellen Schwierigkeiten verkehrt und rund ein Viertel eigentlich Konkurs anmelden müsste. Dennoch werde die Rabobank auch diesen Betrieben durch den Winter helfen, so van Heyningen. Schließlich bestehe die nicht ganz unbegründete Hoffnung, dass das Jahr 2010 mit besseren Preisen für positive Betriebsergebnisse sorgen könnte.

Tim Jacobsen