Rund 15 000 kg schwer soll die Bockshornkleesamenlieferung gewesen sein, von der ein verschwindend kleiner Teil auf dem Bienenbütteler Gärtnerhof zum Keimen gebracht wurde. Angesichts dessen, dass der Rest dieser Samenlieferung von Ägypten aus in über 12 europäische Länder verteilt wurde, ist es doch mehr als erstaunlich, dass sich von wenigen Fällen in Frankreich abgesehen das EHEC-Ausbruchsgeschehen hauptsächlich in Deutschland abspielte.

Nicht weniger verwunderlich ist es, dass dem Nachweis des Erregers auf einer Gurke nicht weiter nachgegangen wurde – unter dem Hinweis darauf, dass die Probe einer Mülltonne entnommen wurde – während eine ebenfalls einer Mülltonne entnommene, mit dem Erreger befallene Sprossenprobe als schlüssiger Beweis für die Vermutung herhalten musste, die Biobauern aus Bienenbüttel seien Verursacher der ganzen Misere.

Da spielte es dann auch keine Rolle mehr, dass in keiner der vielen hundert auf dem Betrieb genommenen Proben EHEC nachgewiesen werden konnte und seitdem sogar die beiden Hofhunde offiziell als EHEC-frei gelten können. Die vom niedersächsischen Landwirtschaftsminister als „Spinne im Netz“ bezeichneten Bienenbütteler Gärtner werden den Ruf, Verursacher der EHEC-Epidemie gewesen zu sein, wohl nie wieder los.

Im Nachhinein waren sich dann ja auch alle schnell darüber einig, dass der Erreger über befallene Sprossen in die Nahrungskette gelangt sein musste. Schließlich waren doch erst vor fünfzehn Jahren neuntausend japanische Schulkinder nach dem Verzehr von Rettichsprossen an EHEC erkrankt und sind nicht überhaupt die Keimbedingungen für Samen und Erreger gleichermaßen optimal?

Schnell in Vergessenheit geriet dagegen der EHEC-Fund in einem Bachlauf im Hessischen, und auch über die im Zuge der großflächigen Untersuchungen auf Gemüse gefundenen EHEC-Erreger anderen Typs sprach schon bald niemand mehr. Stringentes Krisenmanagement sieht anders aus.

Da erstaunt es dann kaum mehr, dass auch die Abwicklung der Krise Besonderheiten aufweist. Grundsätzlich ist die einvernehmlich europäisch getroffene Entscheidung, das Volumen des Krisenfonds dem Antragsvolumen der Mitgliedsstaaten anzupassen, ja zu begrüßen. Und dass die spanischen Gärtner Anrecht auf Entschädigung haben, bezweifelt wahrscheinlich auch niemand – schließlich waren sie neben dem Bienenbütteler Gärtnerhof die einzigen, die von offizieller Seite jemals namentlich als mögliche Auslöser der Epidemie angeführt wurden.

Stringentes Krisenmanagement sieht anders aus

Tim Jacobsen

Schwieriger wird es dann schon, zu verstehen, warum Paprika, für die zu keinem Zeitpunkt eine Verzehrswarnung bestanden hat, es in die `Verordnung zur Durchführung von Sondermaßnahmen im Sektor Obst und Gemüse´ geschafft haben. Bei Zucchini lässt sich ja noch argumentieren, dass sie den Gurken in gewisser Weise ähnlich sehen und deshalb auch entschädigt werden sollten. Warum dann aber Feldsalat, der den Salat ja sogar im Namen führt, außen vor blieb, wissen wohl nur diejenigen, die in Brüsseler Hinterzimmern den drohenden Handelskrieg zwischen Spanien und Deutschland entschärften.

Gänzlich unübersichtlich wird die Lage, versucht man einen Grund dafür zu finden, warum Polen mit 46 395 480 € (s. Übersicht Seite 517) über ein Fünftel der EU-Hilfen bekommen soll – und damit mehr als einen Euro pro Einwohner. Zwar lag der Produktionswert der polnischen Landwirtschaft im Jahr 2010 offiziell bei 21,4 Mrd. €, wovon die pflanzliche Produktion rund 54 % beisteuerte – bekannt sind die polnischen Landwirte aber hauptsächlich als Kartoffel- und weniger als intensiv wirtschaftende Tomaten- und Gurkenproduzenten.

Und auch den Griechen sei eine gesunde Ernährung gegönnt – gerade auch angesichts des Damoklesschwertes in Form des unausweichlich erscheinenden Staatsbankrotts. Und obwohl der Primärsektor in Griechenland in der Vergangenheit immer stärker an Bedeutung verloren hat, sorgt die Landwirtschaft mit über 6 % ja auch immer noch für einen vergleichsweise großen Anteil an der Wirtschaftsleistung des Landes. In den entsprechenden Statistiken findet man dann auch schnell Produktionszahlen für Wein, Tabak und Oliven. Kuckt man etwas genauer hin, gibt es auch Angaben für Grapefruit, Avocado und Spargel. Bei Tomaten, Gurken, Paprika, Zucchini und Salaten wird die Datenlage dagegen rasch sehr dünn.

Mit weniger als 20 ct pro Einwohner wirken die etwas mehr als 16 Mio. € für die deutschen Gärtner etwas gar bescheiden – gerade auch angesichts dessen, dass dem Wortlaut nach empfohlen wurde, „bis auf weiteres Tomaten, Salatgurken und Blattsalate insbesondere in Norddeutschland nicht roh zu verzehren“. Von den 21 anderen EU-Mitgliedsstaaten, die knapp 93 % der „Unterstützung“ in Höhe von 226 209 556 € beantragt und bewilligt bekommen haben, war eigentlich nie die Rede.

Tim Jacobsen