Zwar erreicht er nur zwei Drittel des weltweiten Umsatzes des Brauseherstellers Coca Cola, aber immerhin 26 Mrd. € schwer soll er sein, der europäische Markt für Zierpflanzenprodukte. Verteilt auf die 213 Mio. Haushalte, die derzeit die Europäische Union bevölkern, macht das im Jahr 121,50 € pro Haushalt – dass das noch nicht das Ende der Fahnenstange sein kann, wird einem spätestens dann klar, wenn man sich bewusst macht, dass dies gleichzeitig bedeutet, dass pro Haushalt weniger als 2,50 € in der Woche für Zierpflanzen ausgegeben werden.

Am einfachsten aufpolieren ließe sich die Statistik, wenn es gelingen würde, das in Umfragen ermittelte Drittel der Bevölkerung, das in den letzten drei Monaten weder Schnittblumen noch Zimmer- oder Gartenpflanzen gekauft hat, als Kunden zu gewinnen. Schließlich sollte es gar nicht allzu schwierig sein, auf in Umfragen ungestützt vorgebrachte Gründe wie `zu teuer´, `zu kurz haltbar´, `keine Zeit für den Einkauf´ oder `kein Anlass, jemanden zu beschenken´ eine passende florale Antwort zu finden.

Geht man der Preisfrage auf den Grund, fällt auf, dass dies hauptsächlich von der Damenwelt so empfunden wird – mitunter könnte dies eine Folge davon sein, dass Frauen vergleichsweise oft Blumen geschenkt bekommen und nur selten selbst als Kundinnen im Laden stehen. Ganz falsch kann Mann mit so einem Blumengeschenk statistisch gesehen ja auch gar nicht liegen: rund zwei Drittel der in einer ABN AMRO Studie befragten Damen gaben an, sich über blumige Mitbringsel zu freuen.

Dahingegen scheint nur jeder zehnte Mann regelmäßig Blumen geschenkt zu bekommen; angesichts dessen, dass mehr als ein Drittel der befragten Herren angibt, sich über Blumengeschenke zu freuen, ist damit auch gleich die nächste unterversorgte Zielgruppe entdeckt. Und auch die Jüngeren, denen oft nachgesagt wird, mit Tradition nichts am Hut zu haben, scheinen in Wirklichkeit ganz anders zu ticken: knapp die Hälfte der befragten Youngsters gab an, sich über Blumen zu freuen und erreichen als eigene Alterskohorte damit fast die Umfragespitzenwerte der über 50-Jährigen.

Um den Vorwurf der mangelnden Haltbarkeit zu entkräften, bräuchte man nur wenige Stunden: während Verbraucher erwarten, dass Blumensträuße statistisch errechnete 9,28 Tage vorzeigbar bleiben, erreichen sie im Schnitt nur 8,99 Tage. Interessant dabei ist, dass Verbraucher beim Einkauf im Supermarkt ihre Haltbarkeitserwartung im Gegensatz zum Einkauf im Fachhandel deutlich niedriger ansetzen und die dort verfügbare Ware diese Erwartung dann auch nahezu zu erfüllen scheint.

Wollte man nun den Absatz ankurbeln, bräuchte man wahrscheinlich gar nicht allzu viel zu verändern: Wenn Frische alles entscheidend ist, führt kein Weg daran vorbei, die Effizienz der Vermarktungskette weiter zu steigern, auch wenn dies kaum mehr möglich zu sein scheint. Um aber die Erwartungshaltung der Konsumenten zu übertreffen, kann die Kette letztendlich gar nicht kurz genug sein. Netter Nebeneffekt: je früher Ware präsentiert werden kann, desto länger ist der mögliche Verkaufszeitraum und desto weniger müsste weggeworfen werden.

Und die Freude beim Konsumenten wird immer größer, denn auch ein anderer, immer wieder genannter Blumenkaufsverhinderungsgrund lässt sich mit modernen Warenwirtschaftssystemen leicht ausräumen: Wenn es nun einmal so ist, dass Kunden auch im Blumenladen gerne Schnäppchen schießen wollen, warum nicht aus dem Ärgernis eine Tugend machen? Ware, die dringend verkauft werden muss, wird mit deutlichem Preisabschlag angeboten. Bisher funktioniert das sog. Dynamic Pricing so richtig gut nur in die andere Richtung und sorgt für Preisaufschläge an Blumenschenktagen wie dem 14. Februar – dass die Vorratshaltung in Vorbereitung auf diese Großkampftage in Verbindung mit erhöhten Preisen dann beim Konsumenten oft für lange Gesichter sorgt, betont nur noch einmal, dass der Kunde gerne ernst genommen werden möchte.

Verteilt auf die 213 Mio. Haushalte, die derzeit die Europäische Union bevölkern, macht das im Jahr 121,50 € pro Haushalt

Tim Jaocbsen

Und selbst wenn neun Zehntel der Befragten im Laufe des letzten Jahres zum Teil wegen grundsätzlicher Bedenken oder auch, weil die Ware nicht im herkömmlichen Sinne sichtbar ist und deshalb verstärkt Qualitätsprobleme vermutet werden, keine Zierpflanzenprodukte online gekauft haben, steckt in diesem Vermarktungsweg eine Vielzahl von Möglichkeiten, mit denen sich dann die Blumenkaufverhinderungsgründe drei und vier ausräumen lassen.

Und das geht ganz ohne mit Kundenkarten, sozialen Medien, dem Internet oder Big Data gewonnenen Erkenntnissen: Maßgeschneiderte Blumen- oder Pflanzenabos können helfen, im übertragenen Sinne Zeit für den Einkauf und den passenden Anlass, jemanden zu beschenken, zu finden – und auch danach nicht wieder zu vergessen. Denkt man noch einen Schritt weiter, werden mit Sicherheit unter Zuhilfenahme von Kundendaten in nicht allzu ferner Zukunft unter der Onlinehändlerkategorie „Dann haben wir die folgende Auswahl für Sie“ auch Zierpflanzen auftauchen.

Natürlich könnte man sich auch zurücklegen und darauf vertrauen dass kein Ende der gesellschaftlichen Entwicklung, die seit 2005 zu einem Zehntel mehr an Haushalten, gleichbedeutend mit einem Zehntel mehr an Fensterbänken, Gärten und Balkonen, geführt hat, in Sicht ist und uns die Zukunft wahrscheinlich fast automatisch mehr und mehr potentielle Kunden bescheren wird.

Dennoch ist deutlich mehr möglich – packen wir es an!

Tim Jacobsen

Zitat:

Verteilt auf die 213 Mio. Haushalte, die derzeit die Europäische Union bevölkern, macht das im Jahr 121,50 € pro Haushalt