Luxusprodukte sind eine Welt für sich: Wer sich schon einmal auf die Suche nach einem möglicherweise Generationen überspannenden Erbstück gemacht hat, wird im Uhrenladen erst einmal belehrt worden sein, dass diese Dinger zum Gegenwert eines Mittelklassewagens eben keine Mitnahmeartikel sind, sondern die Möglichkeit zum Erwerb eines solchen Schmuckstücks überhaupt erst nach dem Absitzen einer Warteliste in Reichweite kommt.
Außer vielleicht, Sie sind Erling Haaland und versüßen ihren ehemaligen Arbeitskollegen den eigenen Weggang mit einer in tickende Armbänder umgesetzten halben Million. Als Beschenkter haben Sie dann allerdings das kleine Problem, dass Ihr Name eingraviert ist, was den Wiederverkaufswert unter Umständen schmälert – während Sie als Otto Normalverbraucher mit dem Verlassen des Uhrenladens ein sehr gutes Geschäft gemacht haben, schließlich liegt der Straßenpreis schnell beim Doppelten dessen, was auf der Preisliste ausgewiesen ist.
War Mangel über viele Jahre im wahrsten Sinne des Wortes eher ein Luxusproblem, hat uns der 24. Februar vor Augen geführt, dass wir uns wohl in unserer Wohlfahrtsblase ein bisschen zu wohl gefühlt haben. Die deutsche Wirtschaft ist keinesfalls so krisenfest, wie uns suggeriert wurde – und das nicht nur bei der Versorgung mit fossilen Brennstoffen.
Praktisch war es ja: wir haben eingekauft, was wir brauchten, und der billigste Anbieter bekam den Zuschlag. Dass damit allerdings erhebliche Risiken einhergingen, wurde geflissentlich ausgeblendet. Corona bescherte uns, ohne, dass wir es so richtig gemerkt hätten, dann einen Vorgeschmack auf das, was das leichtfertige Vertrauen auf der-Markt-wird-es-schon-richten auch bedeuten kann. Auf einmal gingen in einem der reichsten Länder der Welt Medizinprodukte zur Neige.
Die Invasion der Ukraine öffnete dann in gewisser Weise die Büchse der Pandora und offenbarte die Systemrisiken vieler Lieferketten. Das immer wieder geforderte Diversifizieren ist dabei nicht in jedem Fall zielführend: Deutschland bezog bis vor kurzem gut ein Fünftel seines Rohaluminiums aus Russland, ein etwas kleineres Fünftel trugen die Niederländer bei. Nur bekamen die wiederum ihr Aluminum, Sie ahnen es bereits, aus Russland.
Japan hat, was seine Rohstoffarmut angeht, ähnlich wenig zu bieten wie wir – stellt sich aber irgendwie schlauer an. Hinter dem etwas sperrigen Wirtschaftssicherheitsgesetz verbirgt sich die Erkenntnis, dass sich wirtschaftliche Stärke und nationale Sicherheit in Zukunft noch mehr als heutzutage bereits gegenseitig bedingen.
Schnell ist man dann bei den Technologien, ohne die es keine Energiewende geben wird – und die es dann gewissermaßen beide ohne Bor, Graphit, Kobalt, Lithium, Magnesium, Niob, Silicium, Titan oder andere seltene Erden und Metalle nicht geben wird. Nur ist die Anzahl der Anbieter dieser so genannten kritischen Rohstoffe eher überschaubar und nicht alle der Herkunftsländer entsprechen unserem Verständnis von Menschenrechten.
Würde China den Rohstoff-Hahn in Folge eines was-auch-immers zudrehen, brächte dies aktuellen Schätzungen zufolge Halb-Industriedeutschland zum Erliegen. Knapp neun Zehntel des weltweit gehandelten Magnesiums stammen von dort, ohne Magnesium keine Autos, Flugzeuge und Elektronikartikel.
Bei Penicillin hat China gemeinsam mit Indien einen ähnlich großen Marktanteil, bei Arzneiwirkstoffen insgesamt liegt er marginal niedriger. Neon wurde knapp, als die Stahlwerke in Mariupol und Odessa nicht mehr produzieren konnten. Zwar werden unter der Sächsischen Schweiz bedeutende Vorkommen an seltenen Erden und Metallen, bis damit China die Stirn geboten werden kann, wird aber noch viel Wasser die Elbe hinabfließen.
Es bleibt sportlich.
Tim Jacobsen
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