Die große Inflationswelle ist vorbei. Im August blieb die Teuerungsrate mit 1,9 % erstmals seit mehr als drei Jahren wieder unter dem Zielwert von 2 %. Vor allem Energie ist billiger als vor einem Jahr. Im August waren das stattliche 5,1 %. Preistreiber sind aktuell Dienstleistungen, die um 3,9 % teurer waren. Hier wirken sich die hohen Lohn- und Gehaltssteigerungen der vergangenen Monate aus. Nahrungsmittel wurden im Jahresvergleich nur noch um 1,5 % teurer.

Wie hoch das Preisniveau für Nahrungsmittel allerdings ist, zeigt ein Vergleich der Preise über den gesamten Zeitraum der jüngsten Inflationswelle: Heute sind Nahrungsmittel laut Statistischen Bundesamt im Durchschnitt um mehr als 32 % teuer als vor vier Jahren. Für eine Flasche Olivenöl mussten Verbraucher im Juli mehr als doppelt so viel zahlen wie vor vier Jahren. Zucker ist fast doppelt deutlich teurer als 2020.

Wegen steigender Preise für Zucker, aber auch anderen wichtigen Zutaten wie Mehl und Fette, sind auch Kekse erheblich teurer geworden, genauso wie Milch und Milchprodukte, Ketchup, Gemüsekonserven und Sonnenblumenöl mit Aufschlägen zwischen 63 % bei den Konserven und 112 % beim Olivenöl.

Nur ein Lebensmittel ist nach Angaben des Statistischen Bundesamtes heute mit 2 % etwas billiger als damals: Zitrusfrüchte. Die geringsten Anstiege verzeichneten Birnen (0,8 %) und Äpfel (7,4 %). Bei den Äpfeln trafen 2021 und 2022 gute Ernten auf eine eher geringe Nachfrage, eine Preisumkehr scheint wahrscheinlich.

Für Verbraucher weniger schlimm sieht der Jahrespreisvergleich aus. Für einige Lebensmittel mussten Verbraucher im Juli nicht mehr so tief in die Tasche greifen wie noch zwölf Monate zuvor.

Die größten Preisrückgänge gab es bei Möhren (13,8 %), Zwiebeln und Knoblauch (13,7 %), tiefgefrorenem Obst (13,1 %), einmal mehr den Zitrusfrüchten (9,3 %), Sonnenblumenöl und Rapsöl (8,6 %) sowie Weizenmehl (8,3 %). Dabei nicht vergessen werden darf: Von den Zitrusfrüchten einmal abgesehen sind alle genannten Produkte immer noch teurer als im Jahr 2020, teilweise sogar deutlich.

Die Verbraucherzentrale forderte Ende August angesichts dessen, dass die Lebensmittelpreise in Deutschland seit dem Jahr 2021 insgesamt um rund 33 % gestiegen, während die Gesamtinflationsrate im gleichen Zeitraum bei 20 % liegt, einmal mehr die Einrichtung von Preisbeobachtungsstellen.

Diese sollen ihre Befunde jährlich dem Bundestag melden, damit der Gesetzgeber „gegebenenfalls politische Maßnahmen“ ableiten könne. Aber was könnten das für Maßnahmen sein? Vermutlich ist an Preiskontrollen und staatlich festgesetzte Preise gedacht.

Die Idee der Preisbeobachtung hat dabei mindestens zwei Haken. Da ist zunächst die Hoffnung, Informationsasymmetrien könnten durch Transparenzoffensiven eingeebnet werden. Aber was hat der Verbraucher davon, wenn die Kosten der Wertschöpfungskette für alle transparent gemacht werden?

Soll er daraus schließen, dass die Zwiebeln und Möhren möglicherweise ihr Geld nicht wert sind? Oder erleichtert die Transparenz womöglich nur den anderen Supermarktformaten die Suche nach noch billigeren Lieferanten? Und dann ist da ja noch die Sache mit dem „gerechten“ Preis. Hört sich gut an, aber wer bestimmt „was eine Sache wert ist“?

Und wenn es dann keinen objektiv gerechten Preis gibt, dann bleibt nur der Umkehrschluss: Ob ein Preis gerecht ist, bemisst sich daran, was Möhren, Zwiebeln und alles andere den Menschen subjektiv wert ist. Das wiederum heißt, dass Preise sich nicht mit den Herstellungskosten begründen lassen, sondern mit der Wertschätzung der Kunden.

Für sie und den Anbieter ist lediglich ihre subjektive Zahlungsbereitschaft von Relevanz. Daran muss der Händler dann seine Kosten ausrichten. Dass es dabei mit rechten Dingen zugeht, dafür sorgt seit der Währungsreform und dem Ende der Zwangswirtschaft in der für unser Deutschland typischen Sozialen Marktwirtschaft der Wettbewerb – notfalls im Zusammenspiel mit den Kartellbehörden.

Eines darf bei der ganzen Diskussion aber auch nicht übersehen werden: Zwar gibt es bei uns – anders als in der Deutschen Demokratischen Republik – zwar kein staatliches Amt für Preise; was im Vereinigten Königreich bei Tesco, Sainsbury’s, Asda und Morrisons unter „Aldi Price Match“ läuft, also dem Bewerben von Produkten damit, dass sie zum gleichen Preis wie bei Aldi zu haben sind, gibt es, wenn auch nicht ganz so explizit, auch bei uns.

Und das führt dann dazu, dass Preiseinstiegsartikel im gesamten LEH auf wundersame Weise ähnlich bepreist sind wie beim marktführenden Discounter.

Tim Jacobsen