Es ist ein bisschen, wie wenn alle bereits wüssten, dass bald wieder landesweit Stubendienst angesagt ist: Da harrt die muntere Tennisrunde am Freitagabend dann noch einmal besonders lange aus, schließlich gelten die verschärften Versammlungsregeln ja erst ab Samstag. Ein Schelm, wer denkt, dass es epidemiologische Erkenntnisse waren, die dazu geführt haben, den Niederlanden in ihrer Gesamtheit ausgerechnet ebenfalls genau zum 17.10.20 hin den Status Risikogebiet zu verleihen, mit samt all der damit zusammenhängenden Quarantäneauflagen. So konnten die Urlauber aus den alten Bundesländern bis zum turnusmäßigen Wechsel zumindest noch eine Herbstferienwoche lang die vielleicht überhaupt letzten Tage ohne Alltagsmaske genießen.
Nach all dem, was sich gegenwärtig abzeichnet, wird auch der erste Coronawinter nicht unser letzter sein
Tim Jacobsen
Da wird im spärlich möblierten Norden noch umarmt und geherzt, im Süden der Republik lautet dagegen in den Pendlervororten Münchens die Losung, dieses Jahr nicht mehr ins Büro in die Landeshauptstadt zu kommen – so unterschiedlich die Bedrohungslage, so unterschiedlich auch der Umgang damit. Das Frühwarnsystem leere Toilettenpapierregale spricht allerdings eine deutliche Sprache, genauso wie die Zahlen des Robert Koch Instituts. Wer aber jemals die Quarantäneanordnung des Gesundheitsamtes nach Ablauf ebendieses Quarantänezeitraums bekam, bekommt Zweifel, ob wir tatsächlich noch Herr der Lage sind.
Die Zweifel werden dann nicht kleiner, wenn sich das Ganze innerhalb von sechs Wochen noch einmal wiederholt. Nun mag dies ein Bonner Spezifikum sein, warum aber jemand bspw. Halligallidrecksauparty auf dem Balkan feiern, sich dann mit einem zumindest in Bayern auf Kosten der Gemeinschaft gehenden Coronatest die Absolution erteilen lassen kann und Kinder, die für eine Kursstunde das Klassenzimmer mit einem später positiv getesteten Mitschüler teilten, ohne Pardon vierzehn Tage in Quarantäne, also dem Gesundheitsamtwortlaut nach in ihr Zimmer eingesperrt werden müssen, ist zumindest schwierig nachzuvollziehen.
Es lag mit Sicherheit auch an der der Land- und Forstwirtschaft wenig zuträglich durchweg äußerst freundlichen Wetterlage, dass viele der im Frühjahr eingeführten Einschränkungen kaum jemanden sauer aufstießen. Was aber passiert, wenn Lockdown und miesepetriges Wetter die Menschen nicht mehr aus dem Haus kommen lässt? Demonstrationen in Berlin und anderswo haben gezeigt, wie schnell der gesellschaftliche Diskurs gegenwärtig eskalieren kann. Im März hat sich niemand vorstellen können, dass der November nun bereits unser neunter Monat unter Coronavorzeichen ist. Nach all dem, was sich gegenwärtig abzeichnet, wird auch der erste Coronawinter nicht unser letzter sein.
Tim Jacobsen
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