Der Name Engelhorn ist in Mannheim allgegenwärtig. Anfang des Jahres 1890 eröffnete Georg Engelhorn sein erstes Ladengeschäft im an den Mannheimer Planken gelegenen Quadrat O 5 – bis heute ist der Familienname in der Region ein Synonym für gehobene Einkaufserlebnisse. Ein anderer Engelhorn war nichts weniger als der Namensgeber für das Mitte des 19. Jahrhunderts höchsten Hochhauses der Bundesrepublik Deutschland. Das Friedrich-Engelhorn-Hochhaus musste 2013 zwar wegen schwerer Bauschäden abgerissen werden, Engelhorns Verdienste, die auch auf das Jahr 1865 zurückgehen, ficht das allerdings in keinster Weise an: vor ziemlich genau 158 Jahren gründete der Goldschmied und spätere Bürgerwehroberbefehlsinhaber in Mannheim die Badische Anilin- & Soda-Fabrik AG (BASF), deren Werksgelände dann allerdings auf der anderen Rheinseite gelegenen pfälzischen Ludwigshafen am Rhein angesiedelt wurde.

Und das kam so: Da infolge der durch die 1848er Revolution ausgelösten Wirtschaftskrise Engelhorns Goldschmiedewerkstatt in Schwierigkeiten geriet, suchte er sich im Sommer desselben Jahres ein anderes Betätigungsfeld. Mit zwei Partnern gründete er ein Gaswerk, das ebenfalls im Jahr 1848 die Produktion aufnahm. Und statt sich über den bei der Herstellung von Leuchtgases unweigerlich entstehenden Steinkohlenteer zu ärgern, synthetisierte er kurzerhand Anilin-Violett und andere Farbstoffe daraus, was 1861 zur  Anilinfarbenfabrik Dyckerhoff, Clemm und Comp führte. Da für die Produktion der Anilinfarben verschiedene Säuren benötigt wurden, erkannte Engelhorn schnell, dass sich die Gewinne erheblich steigern ließen, wenn der gesamte Fertigungsprozess vom Rohstoff zum Endprodukt in einer Hand liegen würde. Nachdem die angestrebte Zusammenarbeit mit dem Verein Chemischer Fabriken scheiterte, entschied sich Engelhorn dazu, die Produktion der Ausgangsstoffe in Eigenregie vorzunehmen.

Zusammen mit acht Teilhabern gründete er im April 1865 die Badische Anilin- & Soda-Fabrik (BASF). Da das bisherige Produktionsgelände zu klein wurde, wollte Engelhorn ein Grundstück am linken Neckarufer, auf der Mannheimer und damit badischen Rheinseite erwerben. Der Stadtrat war einverstanden, doch das letzte Wort hatte ein Bürgerausschuss. 42 Stimmen waren für den Verkauf des Geländes an die BASF, 68 dagegen. Noch am Nachmittag des 12. April 1865 ging Friedrich Engelhorn bei den Bauern auf der Ludwigshafener Rheinseite auf Einkaufstour. Anschließend machte er sich zügig an den Aufbau der Fabrik. Ein Glücksfall, wie sich noch öfters bestätigen würde. Nicht nur gab es linksrheinisch Platz satt, vergleichsweise früh wurde Ludwigshafen auch Schienen-mäßig erschlossen. Heutzutage werden auf dem zehn Quadratkilometer großen Werksgelände um die 39 000 Menschen beschäftigt.

Hintern den sieben Rheinkilometer, über die sich das Produktionsgelände erstreckt, verbergen sich rund 106 km Straße, 230 km Schiene und drei Bahnhöfe. Nicht weniger als 2850 Kilometer oberirdische Rohrleitungen sind auf dem größten zusammenhängenden Chemieareal der Welt verlegt und sorgen für kurze Wege beim Transport von Produkten und Energie. Wie die Rädchen ineinander greifen lässt sich am besten auf der Werkrundfahrt „Nachhaltigkeit in der Chemiestadt BASF“ in Erfahrung bringen. Wer dann noch wissen will, wie die Frische in die Zahnpasta kommt und was Sofas weichmacht, ist im 2000 m2 Visitor Center mit all seinen Wow-Momenten gut aufgehoben. Wer gerne Wein trinkt, sollte einen Stop in der BASF-eigenen Weinkellerei machen. Seit 1901 versorgt die gutsortierte Auswahl edler Tropfen Gesellschafter, Gäste und Mitarbeitende gleichermaßen.

Sechs Buslinien und rund 13000 charakteristisch rote Fahrräder sorgen dafür, dass alle auch an ihre Arbeitsplätze kommen, ausgebremst werden können sie allenfalls von den sog. AGVs. Die 16,5 m langen automated guided vehicles können bis zu 78 t transportieren. Voll automatisch dann auch das TCL, das sog. Tank Container Lager. Im Jahr 2000 ging das KVT, also das Kombiverkehrsterminal in Betrieb, seitdem wurden dort deutlich mehr als 6 Mio. Container umgeschlagen. Wenig bekannt ist, dass Ludwigshafen und die auf der anderen Rheinseite befindliche Produktionsstätte auf der durch die Rheinbegradigung entstandenen Friesenheimer Insel mit einem sich in 13 m Tiefe liegenden, begehbaren und 770 m langen Tunnel miteinander verbunden sind – eine der wenigen Unterquerungen des Rheins.

Im Nordhafen, einem von drei Häfen am Standort Ludwigshafen, kommt ein Großteil der benötigten Rohstoffe an. Eine Druckluftölsperre verhindert im Fall der Fälle den Austritt von Öl aus dem Hafenbecken. Aus Naphtha wird dann in sog. Steamcrackern unter anderem Ethen gewonnen, ein wichtiger Ausgangsstoff. Ohne den Steam Cracker 2, der ungefähr 13 Fußballfelder groß ist, läuft in Ludwigshafen so gut wie nichts. Rund vier Fünftel allen Inputs findet sich in irgendeiner Art von BASF-Produkt wieder, das restliche Fünftel wird thermisch verwertet. Mehrere Kraftwerke sorgen für die Stromversorgung des Verbundwerks, rein rechnerisch verbraucht der Standort Ludwigshafen ein Prozent des deutschen Stroms. Bis 2050 soll das Werk klimaneutral werden, bis dahin wird noch der eine und andere Kubikmeter Gas in Strom und Dampf verwandelt werden.

Nicht weiter verwunderlich ist Energie dann auch ein heikles Thema. Als Reaktion auf die Energiepreiskrise hatte BASF Anfang des Jahres bekannt gegeben,  etwa zehn Prozent seiner Anlagen am Stammsitz in Rheinland-Pfalz stilllegen zu wollen. Etwa 2500 Stellen sollen allein in Ludwigshafen wegfallen. Eine energieintensive Ammoniak-Anlage und damit verbundene Düngemittelanlagen sollen den Saprmaßnahmen zum Opfer fallen, die Nachfrage soll künftig vom belgischen Antwerpen aus bedient werden. Auf der letzten Bilanzpressekonferenz verwies BASF-Chef Martin Brudermüller darauf, dass die gesamte Chemieproduktion in Europa im vergangenen Jahr zurückgegangen sei. Machte das Geschäft in Deutschland im Jahr 2015 noch etwa ein Drittel der Gewinne von BASF aus, sei es im zweiten Halbjahr 2022 infolge der hohen Energiekosten defizitär gewesen.

Bilanztechnisch ins Kontor geschlagen haben auch die milliardenschweren Abschreibungen auf die Beteiligung am Öl- und Gaskonzern Wintershall Dea. Statt 5,5 Mrd. € Euro Gewinn wie im Jahr zuvor 2022 dann ein Verlust von rund 1,4 Mrd. €. Gleichzeitig bekannte sich Brudermüller zum Stammsitz Ludwigshafen: „Wir bleiben dem Standort treu, allem Abwanderungsgerede zum Trotz und auch mit Mut zur Weiterentwicklung.“ BASF sei auf einem sehr guten Weg hin zu einer klimafreundlicheren Produktion, setze beispielsweise mehr und mehr erneuerbare Energien ein. „Doch dafür sind wir in hohem Maße von externen Faktoren abhängig“ und verwies auf den Ausbau erneuerbarer Energien und der Wasserstoffinfrastruktur. Dem Vernehmen nach investiert BASF derzeit allein zehn Milliarden Euro in einen neuen Verbundstandort im Süden Chinas – nach dem Vorbild des Werks in Ludwigshafen – oder wie Brudermüller es nennt: man könne nicht „halbschwanger“ sein.

Tim Jacobsen