Von wegen Spießerparadies: eine Kleingartenparzelle, ohne die es keine deutsche Wiedervereinigung gegeben hätte wird zur Operationsbasis eines Terrornetzwerkes und irgendwie erinnert alles gleichzeitig auch noch an die aktuelle geriatrische Linksterroristengroßfahndung: In einem top gepflegten Schrebergarten kippt erst eine Pächterin um, wenig später liegen noch zwei Nagetiere neben ihr. Und so viel sei an dieser Stelle verraten: in dem Mitte März erst-ausgestrahlten Tatort werden das lange nicht die einzigen Toten sein, und das mit der Strahlung wird auch noch eine Rolle spielen.
Wer am 17.03.2024 keine Zeit hatte, findet den sehr sehenswerten Münsteraner Tatort noch bis zum 17.03.2025 in der ARD Mediathek
Misstrauisch könnte man schon werden, angesichts von Schwarzer Tollkirsche, Herbstzeitlose und Engelstrompeten im Garten ist Boernes Reaktion „Hat diese Dame irgendwas angepflanzt, was nicht tödlich ist?“ durchaus verständlich. Und auch im vielleicht schönsten Dialog des klassischen 90-Minüters steckt viel Wahrheit: „Überfallen im Schrebergarten? Das waren einmal proletarische Oasen hemdsärmeliger Kameradschaft, wo fleißige Arbeiter liebevoll Spalierobst schnitten und dem kargen Boden die Rüben für den abendlichen Eintopf abrangen. Und was ist heute los? Da sind irgendwelche Wohlstandsverwahrlosten und betreiben Urban Gardening.“
Thiel: „Sie überraschen mich doch immer wieder, Boerne. Dass ausgerechnet Sie sich zum Fürsprecher des kleinen Mannes aufschwingen.“ Boerne: „Wenn der kleine Mann weiß, wo seine Scholle endet, dann hat der große Mann auf dem Golfplatz des Lebens seine Ruhe.“ Kein Vorurteil wird in diesem Tatort ausgelassen, in dem stockbiederen Paradies verwandelt sich so manch ein Verdächtiger entweder zur Leiche oder zum harmlosen Schmuckkörbchen-, Möhren- und Kopfkohlzüchter. Die Suche nach dem Täter bleibt spannend und flach ist höchstens das Gemüsebeet.
Tim Jacobsen
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