Es ist ein bisschen schwierig geworden, die Frage, wie es einem so geht, in voller Überzeugung positiv zu beantworten. Der Grund für die schlechte Laune sind dabei dann nicht unbedingt die kleinen oder großen Zipperlein, von denen die einen von uns mehr, die anderen weniger geplagt sind. Auch die ersteinmal vielleicht etwas gar hohen Spargelsaisoneinstiegspreise haben daran keine Schuld, genau so wenig wie der Temperaturdipp, der den Beginn der Beet- und Balkonsaison auf nach Ostern vertagt.
Wenn bei unserem ehemals fünftwichtigsten Exportpartner Gefangenen Körperteile abgeschnitten werden und das Ganze dann staatlich orchestriert in den sozialen Medien stattfindet, dann ist unseren ehemaligen russischen Freunden einmal mehr gelungen, was kaum möglich schien, nämlich für Fassungslosigkeit zu sorgen.
Putins in Zweckgemeinschaft verbundener Diktatorkollege Kim macht derweil mit einem simulierten Angriff auf sein Nachbarland auf sich aufmerksam und eine „militärische Sonderoperation“ Chinas in Taiwan scheint nur mehr eine Frage der Zeit zu sein. Die Luftbrücke in den Gazastreifen verhilft einmal mehr den Stärkeren zu ihrem „Recht“ und unsere Fregatte „Hessen“ wird im Roten Meer umdrehen müssen, sobald die Munitionsschränke leer sind.
„Wer sich nicht in Gefahr begibt, der kommt darin um“
Herbert Achternbusch
Wie auch im Fall unserer militärischen Unterstützung der Ukraine stellt sich hier berechtigterweise die Frage, wem eigentlich damit gedient ist, wenn unsere Verteidigungsfähigkeit bis ins kleinste Detail in aller Öffentlichkeit diskutiert wird? So reicht dann das kleine Einmaleins, um den Tiger zahnlos werden zu lassen: wenn bis zu 20 Taurus Marschflugkörper benötigt werden, um die Kertschbrücke nennenswert zu beschädigen, dann bleiben von den kolportierten einsatzbereiten 150 bei uns nicht mehr viele über.
Bei den Luftverteidigungssystemen wie dem mit dem klangvollen Namen „Patriot“ sieht es noch ernüchternder aus und wenn dann der französische Staatspräsident – zugegebenermaßen etwas unkoordiniert – Bodentruppen für die Ukraine ins Rennen wirft, dann wirkt das zwar deutlich wehrhafter als die Angst unseres Bundeskanzlers vor der russischen Bombe, zeigt aber auch, dass wir in Zeiten, in denen europäische Einigkeit wichtiger wäre als vieles andere, wir eher dabei sind, uns Bedeutungs-mäßig selbst zu atomisieren.
Umfragewerte der AfD unter dem magischen Verfassungs-relevanten-Drittel werden bereits als Erfolg gefeiert und dann haben wir Donald Trump und den Klimawandel an dieser Stelle auch nur einmal kurz der Vollständigkeit halber erwähnt. Dabei ist Angst eigentlich etwas ganz praktisches, mit erhöhtem Puls und Blutdruck reagieren wir schneller und sind leistungsfähiger als im Normalzustand. Anders verhält es sich aber mit der Angst vor eher abstrakten Dingen wie dem Verlust von Sicherheit oder der diffusen Gefahr kriegerischer Auseinandersetzungen.
Patentrezepte zum Umgang mit dem Gefühl der Hilflosigkeit gibt es leider nicht. Aber nur, weil wir nicht mit einem Handstreich den Klimawandel aufhalten oder uns in die zumindest in unseren Breiten äußerst überschaubare Welt der Kohl-Jahre zurückkatapultieren können, bedeutet das nicht, dass wir nichts machen können. Wer schon einmal während der spoga+gafa durch die Hallen der Messe Köln gewandelt ist, wird bei so manchem Produkt zumindest still und heimlich Nutzen und vielleicht auch Sinn hinterfragt haben.
Vom 16. bis 18. Juni 2024 hat sich die größte Garten- und BBQ-Messe der Welt das Leitthema „Responsible Gardens – verantwortungsvolle Gärten“ auf die Fahnen geschrieben; angesichts des Konsumaufrufs, der mit den meisten der dort gezeigten Artikel einhergeht, eine auf den ersten Blick überraschende Wahl. Auch Aussteller und Besucher aus so gut wie allen Herren Ländern in der Domstadt zusammen zu bringen, scheint erst einmal wenig nachhaltig. Nachhaltig wird das Ganze dann aber genau dadurch, dass eben alle an einem Ort zusammenkommen.
In „verantwortungsvollen Gärten“ ist das Substrat dann vielleicht noch nicht vollkommen Torf-frei und es wird an heißen Sommertagen auch einmal der Wasserhahn aufgedreht, aber bitte nicht vergessen: auch die längste Wanderung beginnt mit einem ersten Schritt. Rechtsstaatlichkeit können wir von Deutschland aus nicht per Dekret in Russland einführen, wohl aber können wir dafür Sorge tragen, dass die Fundamente unserer eigenen Gesellschaft nicht erschüttert werden, sei es nun von rechts, von links oder durch pure Gleichgültigkeit. Ähnlich wie torf-reduziertes Substrat keinen großen Aufwand darstellt, sollte die Europawahl am 9. Juni 2024 mindestens genau so dick wie GreenTech und FlowerTrials in Woche 24 im Kalender markiert sein.
Tim Jacobsen
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