Das Kölner Dreigestirn ist während der Karnevalssession offizieller Regent über das närrische Volk in der Stadt am Rhein: „Seine Tollität“ und „Seine Deftigkeit“ werden dabei komplettiert von „Ihrer Lieblichkeit“, die als beschützende Mutter Colonia traditionell von einem Mann dargestellt wird. Das Ganze hat System: der Elferrat, der die Karnevalssitzungen eines Vereins organisiert und meist auch auf der Bühne leitet, besteht in der Regel allein aus Männern. Jahrzehnte lang war den Frauen sogar die Teilnahme am Rosenmontagszug untersagt, erst seit den 1970ern hat sich das allmählich geändert.

Ursprünglich waren auch die Tanzmariechen Männer. Den Nationalsozialisten war das allerdings ein Dorn im Auge: Männer in Frauenkleidung könnten dem Ansehen des starken deutschen Mannes schaden und auf einmal mussten Tanzmariechen mit jungen Frauen und Mädchen besetzt werden und auch „Ihre Lieblichkeit“ wurde kurzerhand eine Frauenrolle. Aber während auch heute noch Frauen in kurzen Röcken auf den Bühnen der Karnevalssitzungen die Beine nach oben schwingen, wurde aus der Jungfrau als Frau schnell wieder ein Mann.

Anfang des Jahres machte nun ausgerechnet Kölns Oberbürgermeisterin mit der Überlegung „der Karneval ist ja eine Männerdomäne und zuweilen ist das schon surreal, wenn man so sieht, wer da aufmarschiert“ Schlagzeilen. Aus ihrer Sicht dürfte nicht nur die Jungfrau eine Frau sein, auch gern der Prinz oder sogar alle drei. Ein wahres Wespennest: „Was für ein Blödsinn! Soll das Christuskind bald auch ein Mädchen sein!? Das ist doch schließlich Tradition! Kann man Sachen nicht mal so lassen, wie sie seit Jahrhunderten sind?! Immer dieser Feminismus-Wahn!“ waren in gewisser Weise erwartbare Reaktionen. Ende Juli hatte eine knapp zwei Wochen zuvor ins Leben gerufene Petition, Amt und Titel der Pfälzischen Weinkönigin zu bewahren, bereits knapp 6000 Unterschriften gesammelt.

Hitzige Emotionen auch hier. Und wie so oft, wenn die Empörung groß ist, haben die Empörten schlichtweg verpasst, sich zum Zeitpunkt, an dem sich noch alles geräuschlos regeln hätte lassen, entsprechend einzubringen: der Suchaufruf des Pfalzwein e.V. nach „Bewerber:innen“, die als „#teampfalz“ die Nachfolge von Weinkönigin und -prinzessinnen antreten möchten, stammt von vor einem halben Jahr. Vielleicht hatte auch einfach niemand geglaubt, dass tatsächlich ein Mann in die Endauswahl kommen könnte. Aber tatsächlich soll es nicht nur beim Pfalzwein, sondern in einem Drittel unserer 13 Weinanbaugebiete männliche Bewerber um die Regentschaft geben. Da können die niederbayerischen Zwiebelproduzenten nur mit dem Kopf schütteln: die hatten bereits zu Beginn des Jahrtausends einen fachkundigen König – zu einer Zeit, als in der Pfalz die Krone noch deutlich mehr als das Produkt zählte.

Tim Jacobsen