Es gab einmal eine Zeit – und die ist streng genommen noch gar nicht so lange her – da waren Substrate noch grundsätzlich Erden und Substrathersteller hatten wenig mehr als aufbereiteten Waldboden im Angebot. Und so war es dann wahrscheinlich alles andere als ein Zufall, dass der aus Thüringen stammende Erdenproduzent Paul Patzer nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs im hessisch-bayerischen Grenzgebiet ein neues zu Hause fand, denn Wald gibt es, wo Rhön und Spessart aufeinandertreffen, genug.
Klar gab es seinerzeit auch schon Torf, der aber wurde in Moorgebieten hauptsächlich zum Heizen oder als Einstreu im Stall verwendet. Gärtner produzierten in mit Komposten und Stalldung veredelten Lauberden, bis, nun ja, Anton Fruhstorfer 1934 in Weihenstephan erst zum Geschäftsführer des Torfhumusdienstes ernannt wurde, ihm 1943 dann ein Patent auf „durchgefrorenen Schwarztorf“ und zwei Jahre später schließlich eines für die von ihm erfundene „Einheitserde“ erteilt wurde.
Am Anfang stand die Einheitserde
Mit dem Bad Zwischenahner Rezeptvorschlag für ein Kultursubstrat auf der Basis von Torf, Ton, Kalk und der Zugabe von Nährstoffen schlug 1952 dann gewissermaßen für die kommenden Jahrzehnte dem Ende von dem wieder so modern gewordenen „torffrei“ im Gartenbau die Stunde. Pauls Söhne Herbert und Erich, Namensgeber für die Gebr. Patzer KG bekamen den Zuschlag für die Verkaufsgebiete Bayern und Baden-Württemberg und produzierten fortan im osthessischen Jossa „Einheitserde“.
Zupass kam dabei, dass der Produktionsstandort nicht nur Mitten im Wald lag, sondern auch einen Bahnanschluss hatte und die Geomorphologie vor Ort äußerst abwechslungsreich ist. Der Torf kam mit der Bahn, auch heute lässt sich der Schienenverlauf auf dem einem Bahnsteig nicht ganz unähnlich schmalen, rund einen Kilometer langen Betriebsgelände erahnen.
Es war nicht weit bis zur Tongrube und auch heute noch wird einmal im Jahr der Oberboden auf der Tonlagerstätte für zwei Wochen auf die Seite geräumt, genügend Ton für das kommende Jahr 20 km weit in das Erdenwerk gefahren und anschließend hüben wie drüben wieder zugedeckt. Traditionell werden dafür die heißesten und trockensten Tage des Jahres ausgesucht, denn in Verbindung mit Wasser ähnelt die Konsistenz des Naturprodukts eher Schmierseife.
Der Ton macht das Substrat
Dem Ton fällt im Gewächshaus des Gärtners genauso wie im Blumentopf auf der Fensterbank im weiteren Verlauf die fast alles entscheidende Rolle zu: bringt der Torf oder auf gut modern die Holzfaser Struktur ins Substrat, sorgt der Tonanteil für eine ausgeglichene Wasser- und Nährstoffversorgung. Der Ton ist das Bindeglied zwischen den einzelnen Substratbestandteilen. Dabei ist Ton alles andere als gleich Ton, wie Leiter Fachhandel & Export Christian Günther weiß.
Das in der eigenen Tongrube abgebaute Dreischichtmineral Montmorillonit passt nicht nur dank seines pH-Werts von 5,5 sehr gut für die Substratproduktion, auch, was die Ionenaustauschkapazität und die Wasserspeicherfähigkeit angeht, ist der naturbelassene und naturfeucht eingelagerte Ton eigentlich unschlagbar. Denn anders als das in vielen Erdenwerken verwendete Tonmehl setzt sich der mit den Fasern in einem ersten Schritt vermischte frische Ton im weiteren Kulturverlauf nicht ab.
Was für die Gartenbau-Profis gerade gut genug ist, wollen natürlich auch die Amateure gerne haben und so wurde Mitte der Fünfziger Jahre bereits die erste Anlage für Kleinpackungen in Betrieb genommen, heutzutage halten sich der Absatz an den Produktionsgartenbau und an den Fachhandel in etwa die Waage.
Unter Herwig Patzers Ägide fällt die Einführung der unter Gärtnern auch heute noch wohlbekannten Einheitserde ED73 in genau diesem Jahr, möglich wurde sie durch die Erfindung des Langzeitdüngers Plantosan. Einmal Fußballweltmeister später gilt das Waldsterben in den 1980er Jahren allgemein als einer der Wegbereiter für den Aufstieg der Partei „Die Grünen“, gleichzeitig kann ihre Etablierung auch als Ausdruck eines insgesamt kritischeren Blicks auf den Umgang mit unseren natürlichen Ressourcen gelesen werden.
Ökobewegung führt zum Umdenken
Bemerkbar machte sich dies auch daran, dass Abbaugenehmigungen stets kritischer hinterfragt wurden und es sich abzuzeichnen begann, dass Torf als Rohstoff für die Substratproduktion langfristig zumindest nicht mehr in der gewohnten Form zur Verfügung stehen könnte. Der Einheitserde Werkverband reagierte, brachte 1990 mit der GS90 ein Substrat mit einem Torfanteil von nur noch 60 % auf den Markt, Substrate der Produktlinie Eurohum brachten es dank „natürlich, nachwachsender, heimischer Rohstoffe“ auf einen Anteil von nur noch 40 %.
Mit der frux Öko-Blumenerde bewies Patzer dann im Jahr 1992, dass auch in kommerziell verfügbaren Substraten nicht unbedingt Torf enthalten sein muss, gewissermaßen eine Umkehr der Ausgangslage von nur knapp vierzig Jahren zuvor, als die frux-Kleinpackungen Hobbygärtnern erstmals ein Torfsubstrat bescherten. Der Fall des Eisernen Vorhanges änderte dann erneut die Ausgangslage. Auf einmal stand auch das Baltikum als Rohstofflieferant bereit.
Die Substratindustrie ließ sich das nicht zweimal sagen und von Torfersatz war lange nichts mehr zu hören, bis 2015 auf der Pariser Weltklimakonferenz ein letzter Versuch unternommen wurde, die drohende Klimaerwärmung auf weniger als zwei Grad zu reduzieren. Angela Merkel forderte nach ihrer Rückkehr die einzelnen Fachministerien dazu auf, zu überprüfen, welchen Anteil sie jeweils zur Reduktion des CO2-Ausstoßes beitragen könnten.
Das Pariser Abkommen
Im 2016 beschlossenen Klimaschutzplan 2050 tauchte dann erstmals der Schutz der Moore zum Erhalt wichtiger CO2-Senken auf und schnell gab es kaum eine Gärtnerveranstaltung mehr, in der nicht die von der großen Koalition beschlossenen Torfreduktionsstrategie gleichgesetzt worden wäre mit dem Ausverkauf des Abendlandes. Bis zum Ende der Dekade soll laut Klimaschutzprogramm 2030 im Erwerbsgartenbau ein weitgehender Ersatz von Torf stattfinden, im Hobbybereich soll ab 2026 vollständig auf Torf verzichtet werden.
Mit Stephan Patzer hatte zu dieser Zeit bereits die vierte Generation im Sinntal das Ruder übernommen. Vielleicht, weil er ja nun einmal in einer sehr waldreichen Region groß geworden war; vielleicht, weil torfreduziert oder sogar torffrei schon immer ein Patzerthema war oder vielleicht auch einfach nur, weil er sich als angehender Vater stärker mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigte, hatte er im Jahr 2015 die erste von mittlerweile vier Holzfaseranlagen in Betrieb genommen.
Das Holz dafür stammt aus einem wenige Kilometer entfernt gelegenen Palettenwerk. Nach dem Entrinden der Stämme bleiben immer Randbretter über, aus denen sich keine Paletten bauen lassen, diese werden in die gewünschte Chipgröße zerkleinert, aus denen dann mithilfe der Extruder Holzfasern gewonnen werden, die dann wiederum in verschiedene Fraktionen sortiert gemeinsam mit dem sowieso vorhandenen Ton den Ausgangsstoff für die Substratpro- und Torfreduktion darstellen.
Sortimentsneuaufstellung in Orange, Blue und Red
2020 wurde aus den Gebrüdern Patzer im Namen Patzer Erden, gleichzeitig wurden die „Patzer Erden“ neben den Einheitserden in das Sortiment aufgenommen. Mit den Farben Orange, Blue und Red wurden die verschiedenen Substratvarianten leicht wiedererkennbar als torfbasierend, mindestens 50 % torfreduziert und mindestens 70 % torfreduziert gekennzeichnet, dazu noch Green als organisch vegan gedüngte Erde für den ökologischen Landbau.
Knapp dreißig Jahre nach der frux Öko-Blumenerde kam 2021 dann auch wieder ein komplett torffreies Biosubstrat für Endverbraucher auf den Markt – mit dem kleinen, aber feinen Unterschied, dass dieses Mal seiner Zeit nicht weit voraus war, sondern genau passte in eine gesellschaftliche Grundstimmung, in der, auch als Folge der Coronapandemie manche Konsumentscheidung hinterfragt wurde und zumindest für kurze Zeit „Geiz ist geil“ in Vergessenheit geriet.
So gab es auf einmal in manchen Gartencentern Erde unverpackt zum Selbstabfüllen, andere nahmen gleich die ganzen torfhaltigen Substrate aus dem Sortiment. Und der ehemalige „Revisionsverband der Westkaufgenossenschaften“, heute eher bekannt unter Rewe Group, hatte ja auch schon Jahre zuvor angekündigt, ab 2025 keine torfhaltigen Produkte mehr verkaufen zu wollen.
Und sie dreht sich doch
Ein Blick in die Super-, Bau- und Heimwerkermärkte des Touristik- und Handelsunternehmens beweist, dass weder das Pflanzensortiment unter der Selbstverpflichtung gelitten hätte, noch gab es Berichte über Proteste von Konsumenten, die unbedingt ihr Torfsubstrat zurück hätten haben wollen. Christian Günther weiß noch von einem anderen Beispiel zu berichten, in dem die gärtnerische Praxis mit ihrer Innovationskraft eine Antwort auf sich verändernde Rahmenbedingungen gefunden hat.
Zwar exportiere Patzer Erden nicht selbst Substrate nach England, da dies infolge des Brexits einen unvergleichbar hohen bürokratischen Aufwand bedeute, über Baumschulen, die ins Vereinigte Königreich exportieren, würden aber gleichwohl Patzers torffreie Substrate auf die Insel gelangen, nur dann eben gewissermaßen in Begleitung von Pflanze und Topf. Die Hashtags #PeatFreeHeroes und #PeatVillains geben einen Eindruck davon, wie die Diskussion dort geführt wird.
Aber auch die Vielzahl von Projekten hierzulande, die infolge des Klimaschutzprogramms 2030 angestoßen wurden, kommen zu keinem anderen Schluss: Von sehr wenigen Spezialanwendungen wie den Presstöpfen für die Anzucht abgesehen, gibt es außer dem „haben wir schon immer so gemacht“ kein Argument dafür, dass Torf unbedingt Bestandteil von Substraten sein muss.
Noch nicht ganz am Ziel
Damit schließt sich dann auch wieder der Kreis zu den frühen Neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts, in denen viele Doktor- und Diplomarbeiten zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen waren. Über die ganze Branche hinweg schätzt Günther, dass die Substrate im Jahr 2025 im Hobbybereich noch zu etwa 50 % aus Torf bestehen, bis 2030 könnte der Torfanteil auf rund 30 % sinken. Im Profigartenbau bestehen die Substrate derzeit noch zu rund 80 % aus Torf, bis 2030 könnte dieser Anteil auf 70 % zurückgehen.
Sein eigenes Unternehmen sieht er dem Ziel des kompletten Torfverzichts schon wesentlich näher. Von derzeit 30 % werde der Torfanteil in den Hobbysubstraten bis 2030 auf 10 % zurückgehen, bei den Profisubstraten von derzeit 50 % auf 30 %. Das Ganze stehe und falle allerdings mit der Zuverlässigkeit der Rohstoffversorgung.
Wenn der Suezkanal blockiert ist oder Schiffe wegen des Beschusses von Huthi-Rebellen um das Kap der guten Hoffnung fahren müssen, zahle sich aus, nicht auf Kokosprodukte sondern auf Holzfasern, Substratkomposte und Rindenhumus aus eigener Produktion gesetzt zu haben. Aber auch mit regional erzeugten Rohstoffen ist nicht immer alles planbar: lautet die politische Vorgabe wie bspw. Anfang des Jahrhunderts Holzpellets statt Erdgas, dann stellt das auch langjährige Geschäftsbeziehungen auf die Probe.
Der Aufwand steigt
Und dann ist da ja auch noch das kleine Detail, dass es unvergleichbar aufwendiger ist, ein torffreies Substrat zu produzieren, als Torf mit Ton und ein paar Nährstoffen zu mischen. Günther zeigt dies anschaulich an zwei Gläsern, in denen jeweils schichtweise übereinander die einzelnen Komponenten zu sehen sind. Torffrei bedeutet ganz einfach, dass verschiedenste Zutaten aufeinander abgestimmt gemeinsam dann ein dem gewohnten Torfsubstrat ebenbürtiges Ergebnis liefern müssen.
Dafür braucht es jede Menge technisches und gartenbauliches Knowhow. Oder wie Günther es formuliert: die Schere zwischen den Qualitäten der verschiedenen Substratanbieter wird zukünftig weiter auseinandergehen, je größer der Anteil an Torfersatz sein wird. Denn, und das fasst es vielleicht am allerbesten zusammen: „Es steckt nicht nur viel drin, es steckt auch viel dahinter.“
Eine Menge Platz braucht es auch, wie beim Besuch am Produktionsstandort in Sinntal Jossa schnell deutlich wird. Beziehungsweise eine Menge mehr Platz, wie an den Aussiedlungsplänen von Patzer Erden deutlich wird. Ab 2027 sollen die torffreien Substrate in Schildeck auf der bayerischen Seite der Bundesländergrenze produziert werden.
Neues Mitglied der „Erdschöpfungskette“
Das hat nicht nur für die Beschäftigten den Vorteil, das Überangebot an katholischen Feiertagen in Bayern für sich in Anspruch nehmen zu können, das Ganze wird dank der Autobahnauffahrt Wildflecken auch den Verkehr innerorts entlasten. Während der Saison sind doch schnell Tag für Tag 50 vollbeladene LKW Richtung Kunden unterwegs – und wo viel rausgeht, muss natürlich auch einiges rein, was die Belastung schnell verdoppelt.
Der größte Vorteil des Neubaus wird Günther zufolge aber sein, dass endlich genug Platz sein wird für all die verschiedenen Fraktionen, aus denen torffreie Substrate bestehen. Reichten zu Beginn der Torfsubstratära im Prinzip zwei Beschicker, können es heutzutage fast gar nicht genug sein: allein die Holzfasern werden in grob, fein, mittel fraktioniert, um dann eben ein möglichst gut auf den Einsatzzweck zugeschnittenes Substrat beim Kunden abliefern zu können.
Fährt heute Alfred, das bei jungen und alten Betriebsbesuchern gleichermaßen beliebte Fotomotiv, mit dem Radlader wegen des dem Talverlauf folgenden Betriebsgeländes unzählige Male zwischen den Vorratsschüttungen und der eigentlichen Substratmischanlage hin und her, wird künftig die Anlage von außen beschickt werden, was nicht nur einiges an Kilometern sparen wird, sondern auch die Arbeitsabläufe deutlich vereinfachen.
Drei Standorte sorgen für kurze Lieferwege
Derzeit ist die kleinstmögliche Bestellmenge einer genau nach Wunsch gefertigten Substratmischung 15 m3, für abgesackte Ware gilt das Doppelte. Der allergrößte Teil der ausgelieferten Ware wird gewissermaßen frisch auf Bestellung angefertigt.
Da es von den Beschickern direkt auf das Förderband vorbei an Düngedosierern, Befeuchtern und was es sonst noch so alles gibt über verschiedene Mischvorrichtungen bis hin zur Absackanlage, dem Jumbobalebefüller oder dem Förderband für die lose Befüllung geht, kann in Jossa kontinuierlich produziert werden.
Der Vorteil der vielen Produktvarianten, die in Altengronau und Jossa noch fertig im Palettenlager stehen, ist, dass bei einer Bestellung dann schnell auch noch andere Artikel, egal ob für den Profi- oder Hobbybereich oder den Galabau, hinzugefügt werden können. Die beiden Sinntal-Standorte werden noch ergänzt von Buchenberg und Warngau im Süden der Republik und Gubkow Richtung Ostsee.
Tim Jacobsen
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