Die Vorschauen auf die Fachmessen dieses Jahres vermitteln den Eindruck, als ob Produktivität und Effizienz Vokabeln seien, die erst seit kurzem Eingang in den Wortschatz der Gärtner gefunden hätten. Kostenreduzierung, Zeitersparnis und eine effiziente und verantwortungsvolle Bewirtschaftungsweise scheinen heutzutage zwar unabdingbarer denn je, wenn der eigene Betrieb auf nationalen und internationalen Märkten konkurrenzfähig bleiben soll. Aber war das streng genommen nicht schon immer so?
Wer erinnert sich heute noch daran, dass zu Beginn der fünfziger Jahre kaum die Versorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln gesichert war? Ziel der Gemeinsamen Agrarpolitik der europäischen Staaten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war es zunächst, die Produktivität der landwirtschaftlichen und gärtnerischen Produktion zu steigern. Neben einer ausreichenden Versorgung der Verbraucher und einer Stabilisierung der Märkte sollten Effizienz- und Produktivitätssteigerungen auch dazu dienen, ausreichende Einkommen in Landwirtschaft und Gartenbau zu sichern. Allerdings widersprach die Zielvorgabe der Belieferung der Verbraucher mit Lebensmittel zu angemessenen Preisen dem Ziel, den Produzenten, die an hohen Preisen zugunsten ihrer Einkommen interessiert sind, eine angemessene Lebenshaltung zu gewährleisten.
Butterberg und Milchsee waren Schlagwörter, die den Erfolg einer Politik kennzeichneten, die zu Effizienzsteigerung anhielt. Als Folge des Anstiegs der Produktivität wurde der Abbau von Überschüssen landwirtschaftlicher Produkte zu einem der zentralen Themen der europäischen Agrarpolitik. Die Änderung der politischen Rahmenbedingungen führte dazu, dass in denjenigen Betrieben, die das so genannte Höfesterben überlebten, intensiv über teils einschneidende Veränderungen nachgedacht werden musste, um weiterhin bestehen zu können.
Freuen wir uns auf Neuheiten, Ideen, Anregungen und Impulse, aber auch auf fachlichen Austausch und, nicht zu vergessen, Ermutigung, wo sie Not tut
Tim Jacobsen
Eine der großen Herausforderungen der Landwirtschaft des 19. Jahrhundert bestand darin, eine schnell wachsende Bevölkerung zu versorgen. Dass dies nicht nur gelang, sondern die Qualität der Ernährung erheblich gesteigert wurde, gehört zu den großen Leistungen des 19. Jahrhunderts. Bis etwa um die Jahrhundertwende war die wirtschaftliche Situation für die Landwirtschaft im Allgemeinen relativ günstig, danach verschlechterte sie sich nach und nach. Dies lag vorrangig daran, dass die deutsche Landwirtschaft sich plötzlich Konkurrenten gegenüber sah.
Wichtige Impulse gingen dabei von den USA aus. Nach dem Ende der Sezessionskriege wurden die Anbauflächen für Getreide erheblich ausgedehnt. Da es aber an ausreichend Arbeitskraft fehlte, gab es schon früh eine im Vergleich zu Deutschland viel stärkere Tendenz zur Mechanisierung, was wiederum zu einer erhöhten Produktivität führte. Für die steigenden Produktionsmengen gab es in den USA bald keinen ausreichenden Markt mehr. Mit dem Ausbau des amerikanischen Schienennetzes und des Aufkommens der atlantischen Dampfschifffahrt drängte amerikanisches, bald aber auch russisches und indisches Getreide auf den deutschen Markt
Darauf war die Landwirtschaft in Deutschland wenig vorbereitet. Erst mit der massiven Abwanderung vieler Landarbeiter zur Jahrhundertwende setzte eine stärkere Mechanisierung auf den landwirtschaftlichen Gütern ein. Der abnehmende Stellenwert des Agrarsektors im Laufe des industriellen Strukturwandels entspricht dabei einem allgemeinen volkswirtschaftlichen Entwicklungstrend, wie er in den meisten Industriestaaten in den letzten zwei Jahrhunderten zu beobachten war.
Dabei wird jedoch gerne übersehen, dass das Wachstum der landwirtschaftlichen Produktivität gleichzeitig auch Vorraussetzung für diese Entwicklung war. Zum einen musste eine wachsende Bevölkerung ausreichend ernährt werden, zum anderen mussten Arbeitskräfte aus der Landwirtschaft freigesetzt werden um an der Industrialisierung teilnehmen zu können. Überhaupt konnten erst die Wohlstandssteigerungen dank der Produktivitätszunahme die Voraussetzung für eine vermehrte Nachfrage nach industriellen Gütern schaffen.
Laut einer aktuellen Einschätzung des Bundestages handelt es sich bei Landwirtschaft und Gartenbau um einen leistungsfähigen und innovationsfreundlichen Sektor mit erheblicher volkswirtschaftlicher Relevanz, mehr noch, um einen Kernbereich der deutschen Wirtschaft. Die Steigerung der Bruttowertschöpfung im Agrarsektor lag in den vergangenen Jahren deutlich höher als in vielen anderen Branchen. Wahrscheinlich stellt das Agrobusiness sogar den Sektor der deutschen Wirtschaft mit der höchsten Produktivitätssteigerung dar. Es liegt an der Politik, dem Impulsgeber Landwirtschaft die bestmöglichen Rahmenbedingungen zu geben – und so einen unverzichtbaren Beitrag zu mehr Wachstum; Innovation und Arbeitsplätzen zu leisten.
Ende August zeichnete Renate Künast drei Preisträger mit dem Innovationspreis Gartenbau aus. Der mit insgesamt 10 000 € dotierte Preis wird seit 1997 an Unternehmen verliehen, die durch ihr Beispiel andere zum Nachahmen anspornen. Die diesjährigen Auszeichnungen wurden für Innovationen im Bereich der Pflanzenzüchtung, der Gewächshaustechnik und der überbetrieblichen Absatzkooperation vergeben. „Ich bin immer wieder erstaunt und erfreut über den Ideenreichtum im Gartenbau“, so die damalige Verbraucherschutzministerin bei der Preisverleihung.
Fortschritte in der Züchtung neuer Sorten, leistungsstärkere Pflanzenschutzmittel und verbesserte Produktionsmethoden sorgen im Gartenbau für stetigen Wandel. Elektronische Datenverarbeitung und Informationstechnologien veränderten viele Bereiche grundlegend. Drahtlose Datenübertragung und Positionierungstechniken werden auch in Zukunft dabei helfen, optimale Strategien mit bestmöglicher Präzision zu entwickeln. Moderne Landtechnik ist bodenschonend und kraftstoffsparend – weniger denn je stellen Umweltschutz und gärtnerische Produktion einen Gegensatz dar.
Blicken wir also mit Spannung auf den Messeherbst und freuen wir uns auf Neuheiten, Ideen, Anregungen und Impulse, aber auch auf fachlichen Austausch und, nicht zu vergessen, Ermutigung, wo sie Not tut.
Tim Jacobsen
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