Gäbe es jemanden, der vorhersehen könnte, welche Entwicklung die Wirtschaft im Großen wie im Kleinen demnächst nehmen wird, würde diese Person sicher einen Teufel tun und das an die große Glocke hängen. So bleibt uns armen, nicht zum Hellsehen befähigten Normalsterblichen dann auch nur das Skizzieren wahrscheinlich anmutender Szenarien, um besser vorbereitet zu sein auf das, was da kommen mag.
In einer unlängst im Rahmen der Floriade vorgestellten Publikation mit dem Titel IN2030 entwickelten Ökonomen der Rabobank Szenarien für die zukünftige Entwicklung des Gartenbaus, die mal düsterer, mal freudvoller stimmen. An der Benennung der Szenarien, die analog zum Lauf der Jahreszeiten erfolgte, lässt sich bereits erahnen, was uns erwartet, falls bis zum Jahr 2030 tatsächlich alles so kommen sollte:
An der Benennung der Szenarien, die analog zum Lauf der Jahreszeiten erfolgte, lässt sich bereits erahnen, was uns erwartet
im Rahmen der Floriade vorgestellte Publikation mit dem Titel IN2030
– Optimismus wohin man guckt, die ökonomischen Vorzeichen auf Wachstum – mit einem Wort: `Sommer´. Alles, was sich der Gartenbau im Jahr 2012 vorgenommen hat, wurde bis 2030 erreicht: Verschiedene Absatzorganisationen wurden gegründet, die Massenproduktion nahm zugunsten teuer bezahlter Spezialitäten ab und auch, was Nachhaltigkeit angeht, hat sich einiges verbessert. Nur der technologische Fortschritt stellt sich langsamer als erhofft ein. Die größten Geschäftserfolge verbuchen diejenigen, die gemeinsam mit Berufskollegen innovative Produkte und Konzepte auf den Markt bringen: Anstatt über den Preis konkurrieren sie über den Mehrwert.
– Missgunst und Protektionismus bestimmen dagegen das Szenario `Herbst´. Die Macht im europäischen Gartenbau liegt in der Hand einiger weniger Unternehmen, die ihre Position im Kampf um Produktionsfaktoren wie Energie und natürliche Ressourcen ausnutzen. Aufgrund geopolitischer Spannungen sind die internationalen Warenströme weitgehend versiegt. Obst, Gemüse und Schnittblumen finden als Regionalprodukte starken Absatz. Die großen Gartenbaubetriebe überleben Preissenkungsrunden und Naturkatastrophen nicht zuletzt dank ihres Zugangs zu Marktinformation, neuen Technologien und Kapital. Der Rest der Betriebe sucht sein Heil in Kreativität und Flexibilität.
– `Winter´ ist eine Welt ohne nennenswertes ökonomisches Wachstum. Regulierungswut, Protektionismus, hohe Inflationsraten und Rohstoffpreise führen zu Stillstand. Viele Möglichkeiten bleiben aus einem Mangel an Entschlussfreudigkeit und fehlender Bereitschaft zur Kooperation ungenutzt. Strukturkonservatismus hat sich breit gemacht – in ihrer Angst vor Risiken setzen die Gartenbaubetriebe einseitig auf alte Rezepte wie die Senkung der Gestehungskosten. Aus Mangel an Innovationskraft geht die gartenbaulich genutzte Fläche stets mehr zurück. Konzepte wie Local-for-local finden großen Anklang.
– Turbulent, nachhaltig und international präsentiert sich dagegen `Frühling´. Veränderungen am laufenden Band sorgen stets wieder für Überraschungsmomente und verhelfen vielen Ideen zum Wachstum. Sowohl die großen Produktionsbetriebe als auch die kleinen Spezialisten stürzen sich auf allerlei Nischen- und Premiumprodukte. Flexible Mitarbeiter sorgen für die richtigen Beziehungen und wissen, an welchen Knöpfen gedreht werden muss, um erfolgreich zu sein. Gefragt sind aber auch Spezialisten, die ihr Fach vollkommen unter Kontrolle haben, sei es nun Kulturführung, Verkauf oder Personalmanagement. Häufig arbeiten sie für verschiedene Auftraggeber und können dadurch ihr Wissen stets erweitern.
Egal, in welche Richtung das ökonomische Pendel auch ausschlagen wird – klar ist, dass es ein paar einfache Schritte gibt, die bei der Bewältigung dieser Herausforderungen helfen:
– Viele Gärtner beklagen, dass die geschäftlichen Rahmenbedingungen, innerhalb derer sie sich bewegen, stets unvorhersehbarer werden. Diesem Tatbestand lässt sich nur mit erhöhter eigener Flexibilität begegnen. Hilfreich dabei kann es beispielsweise sein, Mitarbeiter mit einem ganz anderen als dem eigenen Hintergrund zu beschäftigen, Vortragsveranstaltungen hauptsächlich für den intensiven Meinungsaustausch mit den Berufskollegen zu nutzen und innerbetrieblich für eine angenehme Arbeitsatmosphäre zu sorgen. Regelmäßige Gespräche mit Lieferanten und den Abnehmern der Ware sollten genauso zur Betriebskultur gehören wie die Kontaktaufnahme mit dem Endkunden.
– Veränderungen sollten aufmerksam studiert werden und in erfolgreiche nächste Schritte übersetzt werden. Das erfordert auf Seiten des Managements jedoch einen guten Überblick und ein breites Wissen. Dabei müssen vielleicht auch einmal die gewohnten Pfade verlassen werden – alles ist möglich; was es braucht sind Träume, Intuition und Durchsetzungsvermögen. Wer sich das selbst nicht zutraut, kann professionelle Hilfe zu Rate ziehen.
– Wenn sich abzeichnet, dass geringe Margen ein Kennzeichen des eigenen geschäftlichen Umfelds sind, sollte das Gewinnstreben im Vordergrund stehen. Eine Möglichkeit kann beispielsweise sein, den Betrieb zu vergrößern oder zu verkleinern, um ihn der für die jeweiligen Strukturen optimalen Größe anzupassen. Stellt sich die Gewinnsituation dann noch immer unzufriedenstellend dar, muss das Ruder umgeworfen werden. Produktionsverlagerung, die Umstellung auf Exklusivsorten oder neue Produkt-Marktkombinationen können neben einer kompletten Neuorientierung mögliche Wege sein.
– Auch ein Zuviel an Flexibilität kann hinderlich sein. Diese Betriebe könnte dann beispielsweise ein verstärktes Risikomanagement weiter nach vorne bringen. Das zeitweise Aufgeben von Flexibilität kann zu Kosteneinsparungen führen. Die Einführung von Innovationen und die Entwicklung neuer Markt-Produktkombinationen kosten nun einmal zwangsläufig Geld und bringen das Risiko des Scheiterns mit sich. In einem Umfeld, in dem vieles vorhersehbar erscheint und sich nur weniges weiter entwickelt, sollten Experimente gut bedacht werden.
Die Welt steht nicht still – genauso wenig wie der Gartenbau. Den eigenen Standort zu bestimmen, und die eigenen Ziele auf ihre Umsetzbarkeit hin zu überprüfen, ist dann auch keine einmalige Sache. Flexibel zu bleiben und regelmäßig die richtigen Schlüsse zu ziehen, könnte der Schlüssel zum Erfolg sein – egal, welches Szenario bis zum Jahr 2030 Wirklichkeit wird.
Tim Jacobsen
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