War es in der Elterngeneration der sich heutzutage auf halbem Wege zwischen Schule und Verrentung befindlichen Mittvierziger der Siegeszug des PCs, der beruflich und privat so manchen überrollte, gelten die Kinder dieser auch Generation X genannten Altersgruppe als erste echte `Digital Natives´: Schon im zartesten Kindesalter unausweislich mit Smartphones und Tablets konfrontiert, unterscheidet sich der Umgang der nach 2000 geborenen mit der mobilen Allverfügbarkeit von Computergeräten gravierend von der `etwas´ reservierteren Haltung ihrer Altvorderen.

Von daher könnten die Internetpropheten durchaus Recht haben, die behaupten, dass die Jüngeren und Jüngsten die Deutungshoheit über das Internet schon längst übernommen haben. Weshalb Entwicklungen wie die Quantified Self-Bewegung einhergehend mit dem permanenten, öffentlichen Erbringen von Leistungsnachweisen zwar vielleicht bei denen mit den ersten grauen Haare ein sicherlich nicht unberechtigten Kopfschütteln führen, als Ganzes aber eine wahrscheinlich unumkehrbare Richtung vorgeben.

Gleichzeitig passiert im mehr oder weniger Verborgenen etwas, was die Einführung neuer Technologien seit jeher begleitet hat: es werden haufenweise Dinge entwickelt, deren praktischer Nutzen zumindest auf den ersten Blick zweifelhaft ist. Dabei ist es aber in gewisser Weise so, dass es ohne den letztendlichen Entwicklungsschritt unmöglich wäre, über den tatsächlichen Nutzen dieser Erfindungen Aussagen treffen zu können. Und natürlich gehen die Entwicklungen oft in eine Richtung, aus der auch das große Geld winkt. Und das ist dann gemeinhin häufig der Pharmabereich.

So stand auch bei den Touchables, die Mitte Februar auf den Markt kamen, ursprünglich ein Projekt Pate, das Menschen mit Gedächtnisschwierigkeiten dabei helfen sollte, ihren Alltag mit Hilfe funkchipcodierter Buttons und der Gedächtnisstütze in Form eines Smartphones einfacher meistern zu können. Allerdings zeigte sich, dass die Generation, die hauptsächlich mit Erinnerungsverlusten zu kämpfen hat, eben auch nicht die technikaffinste Bevölkerungsschicht ist. Viel eher lassen sich von so etwas dann die Jüngeren begeistern.

Und die bringen dann ja auch eine Menge Vorteile mit sich: Zum einen haben sie überhaupt keine Scheu vor der Nutzung technischer Innovationen, zum anderen ist ihnen der permanente Einsatz von mobilen Endgeräten bereits derart in Blut und Fleisch übergegangen, dass sie es in keinster Weise seltsam finden, von ihrem Telefon daran erinnert zu werden, Obst zu essen oder die Blumen zu gießen. Und genau das ist, was die Touchables neben Dingen wie Autos wieder zu finden oder den Süßigkeitenkonsum zu zügeln können.

Ursprünglich stand bei den Touchables ein Projekt Pate, das Menschen mit Gedächtnisschwierigkeiten dabei helfen sollte, ihren Alltag mit Hilfe funkchipcodierter Buttons und der Gedächtnisstütze in Form eines Smartphones einfacher meistern zu können

Julian Pye

Und das funktioniert so: Buttongroße Aufkleber werden beispielsweise an der Obstschale oder  dem Blumentopf befestigt. In diesen Aufklebern sitzen nun Antennen, die mit dem Smartphone kommunizieren können. In erster Linie liest das Telefon in einem begrenzten Umkreis dann eine Art Identifikationsnummer des Buttons aus. Und diese lässt sich mit Hilfe der dazugehörigen App mit weiterer Information füllen. So kann beispielsweise der Blumentopf mit der Information „Bitte alle drei Tage gießen“ verknüpft werden. Denkbar ist auch eine Obstschale mit „Fünf am Tag“ oder die Bonbonniere mit „Nicht mehr als fünf am Tag“.

Ist es dann soweit, dass die Blumen wieder einmal gegossen werden müssen oder die gesundheitsfördernde Mindestanzahl von Obst und Gemüsen noch nicht erreicht bzw. die Süßigkeitenanzahl überschritten ist, bekommt der Nutzer einen freundlichen Hinweis auf sein Display. Im Fall der Blumen und der Obstschale kann der Warnhinweis mit dem Scannen des entsprechenden Buttons abgestellt werden, im Fall der Süßigkeiten hilft wohl nur, zumindest den Button aus der Funkreichweite des Telefons zu halten.

Und das muss dann ja bei weitem noch nicht das Ende der Fahnenstange sein: Warum nicht beispielsweise die Codierung mit Informationen zum Produkt spicken? So könnte beispielsweise der Blumentopfbutton auf Informationen in einer Datenbank zurückgreifen, die sortenspezifisch mit Standortdaten und Wetterprognosen verknüpft eine zumindest semiprofessionelle Bewässerungssteuerung auf der Fensterbank erlauben würde – und dies ganz ohne kostspielige Sensoren.

Genauso ließe sich auch der Diätplan unter Einbeziehung persönlicher Vorlieben, Aktivitätsmuster und Gesundheitsrisiken spielend leicht in Richtung Obst- und Gemüseverzehr lenken. Natürlich sollte man datenschutzrechtliche Bedenken nicht auf die leichte Schulter nehmen – die kaum vorstellbare Anzahl von innerhalb eines Zeitraums von nur sieben Jahren weltweit verkauften 650 Mio. iPhones, die ja dann in den meisten Fällen doch hauptsächlich als Zugangsportale zu den sozialen Medien genutzt werden, zeigt aber, dass diese Bedenken generell weniger schwer wiegen, zumal die Marke mit dem angebissenen Apfel ja auch nur einen kleinen Teil des Smartphonemarktes abdeckt und es die gesamte Produktkategorie vor 2007 ja auch noch überhaupt nicht gab.

Tim Jacobsen