Achtung, fertig, tanzt –wenn mehr als 8000 Menschen nach über fünf Stunden im prallen Sonnenschein lautschreiend minutenlang mit „Ich bin Bauer, Bauer“ ihre Sympathie für die Landwirtschaft bekunden, dann war das Ende Juni 2018 eher nicht die Publikumsreaktion auf die fast zeitgleich von Joachim Rukwied beim Deutschen Bauerntag gehaltene Grundsatzrede, zeigt aber gleichwohl, dass es in Deutschland mehr als nur die eine Landwirtschaften geben muss.

Während sich der Bauerpräsident in Wiesbaden fest davon überzeugt zeigte, dass „gerade wir Landwirte Verlässlichkeit in den agrarpolitischen Rahmenbedingungen brauchen, damit unsere Betriebe in zunehmend volatileren Märkten wettbewerbsfähig bleiben“ und mit „ländliche Räume brauchen Zukunftsperspektiven für die Landwirtschaft, aber auch für andere Wirtschaftsbereiche, vom Handwerk über Dienstleistungen bis hin zu Startups. Gerade für junge Menschen ist das wichtig“ auch noch gleich ein reichlich hypothetisches Patentrezept gegen die Landflucht ins Rennen warf, brauchte Stefan Dettl kein Brüssel, keine EU und auch keine subventionierten Exporte, um für ungleich mehr Begeisterung zu sorgen.

Der Chiemgauer Bandleader brachte auf dem Bonner Kunstraden augenzwinkernd auf den Punkt: Wie leicht zu sehen sei, esse und trinke er nun einmal gerne, seinen Bauchansatz nennt er liebevoll Weissbierspoiler. Nun sei es aber so, dass die leckersten Dinge Dettl zufolge ganz sicher nicht aus den Fabriken der Multinationals kommen, sondern mit Herzblut und Leidenschaft in den im verbandsolympischen „Höher, Schneller, Weiter“ allenfalls am Rande existierenden Unternehmen produziert werden. Und damit in eben jenen Unternehmen, die zwar auch, aber nicht nur von den agrarpolitischen Rahmenbedingungen abhängen und für die Volatilität eher ein Luxusproblem ist. Es seien dann auch genau diese landwirtschaftlichen Unternehmen, die tatsächlich Dienstleistung vor Ort nachfragen, dem Handwerk ein Auskommen sichern und Zukunftsperspektiven für den ländlichen Raum schaffen.

Im Internet kursieren zahlreiche Mitschnitte dieses von Labrassbanda meist als Rausschmeißer kurz vor dem Schlussapplaus intonierten Liedes. Die Videoclips beweisen, dass die Botschaft „klein ist fein und unterstützenswert“ auch über die deutschen Landesgrenzen hinweg auf deutlichen Zuspruch stößt und dies, obwohl sich ja schon gestandene Bayern mehr als nur schwertun, den in atemberaubender Geschwindigkeit abgefeuerten Songtext zu enträtseln.

„Ich bin Bauer, Bauer“

Stefan Dettel

Natürlich sind Grundsatzreden von Joachim Rukwied weder gerapt noch werden sie mit Blech-geblasenen Technobeats unterlegt, dennoch ist es auch bei Dettl weniger der Wortlaut oder das musikalische Brimborium, sondern vielmehr seine Authentizität, die die Dinge, die er von sich gibt, wie große Weisheiten erscheinen lassen. Und so glauben die nicht-Dialekt-Muttersprachler gerne Dettls Eingangs des Konzertes gegebenes Versprechen „es sind schon keine versauten Wörter dabei“.

Faszinierend auch, dass die Geschichte von Labrassbanda eine Geschichte ist, die es so eigentlich gar nicht geben dürfte. Es ist die Geschichte einer musikalischen Idee, die nicht in den großen Musikmetropolen Los Angeles oder London entstand, sondern dort, wo der Gamsbart noch freien Auslauf hat. Und da Dettl auch nach dem rasanten Aufstieg mitten rein ins Rampenlicht seinem Chiemsee die Stange hält, genießt er nicht nur unter der bayerischen Landjugend Heldenstatus: ein charismatischer Typ, der auf dem Dorf lebt, trotzdem cool ist und keiner Feier aus dem Weg geht. Und so ist Labrassbanda auch ein Sinnbild dafür, wie die Sehnsucht nach regionaler Identität gerade in Zeiten von Facebook, Billigflieger und Internet größer wird.

Und so bleibt zu hoffen, dass Julia Klöckners ebenfalls vom Bauerntag stammendes „Bauern erzeugen unsere Mittel zum Leben. Bauern pflegen unsere Kulturlandschaft. Sie sind Träger vieler Traditionen und Innovationen, die unsere Heimat und speziell die ländlichen Regionen prägen. Darauf bin ich stolz. Ich will dafür sorgen, dass wieder mehr Menschen unsere Bauern und unsere Landwirtschaft wertschätzen“ und ihr frommer Wunsch „Ich will eine Landwirtschaft, die stolz ist. Stolz darauf, wirtschaftlich tragfähig und gesellschaftlich akzeptiert zu sein. Die attraktiv ist für junge Menschen. Die sich selbstbewusst den gesellschaftlichen Debatten stellt“ mehr als nur ministrable Lippenbekenntnisse auf dem Bauerntag waren und in allerletzter Konsequenz dazu führen, dass sich Dettl und Konsorten demnächst an einem anderen unserer vielen ungelösten Problemen abarbeiten können.

Tim Jacobsen