Unter den Kommentatoren der großen deutschen Tageszeitungen wurde die Aussage der Kanzlerin, nicht alle Flüchtlinge könnten in Deutschland bleiben, als typisch Merkelsche Volte interpretiert, die ihr alle möglichen Rückzugsoptionen sichert – und gleichzeitig als eine Neuinterpretation des „wir schaffen das“ in ein „Flüchtlinge werden aufgenommen mit dem Ziel ihrer baldigen Rückkehr“. Klar ist aber auch, dass das mit dem Wollensollen so eine Sache ist – und dass, selbst wenn jeder zweite Flüchtling mehr oder weniger unverzüglich in seine Heimat zurückkehren sollte, die Bevölkerung Deutschlands dem Geburtenrückgang zum Trotz bis Ende 2016 den gängigen Prognosen zufolge dennoch um eine Million angewachsen wäre.
Und auch wenn Gewerkschaften, Regierung und Arbeitsagenturen Stein und Bein schwören, dass von Konkurrenz zwischen Neubürgern und heimischen Arbeitslosen keine Rede sein kann, liegt die Frage auf der Hand, wo ein Großteil der Flüchtlinge denn Fuß fassen soll, wenn nicht in Jobs, die auch für Langzeitarbeitslose in Frage kommen – selbst wenn naturgemäß signifikante Unterschiede zwischen diesen beiden Personengruppen bestehen:
Der Großteil der Flüchtlinge sind Männer unter 30 Jahren. Und obwohl man den meisten von ihnen wahrscheinlich zu Recht unterstellen kann, möglichst schnell Geld verdienen zu wollen – sei es, um in der Heimat verbliebene Menschen unterstützen oder Hilfestellung bei der Bewältigung des Fluchtweges vergüten zu wollen – sprechen die meisten Syrer und Iraker nicht allzu überraschend nun einmal kein oder kaum Deutsch. Auch Bildung und Ausbildung entspricht nur selten den hierzulande üblichen Erfordernissen.
Zu den Langzeitarbeitslosen wiederum – den Statistikern zufolge ebenfalls eine Bevölkerungsschicht mit der Größenordnung von etwa einer Million – zählen ältere Menschen, die in Auswahlverfahren nicht mehr zum Zuge kommen, sowie Menschen, denen es an Mobilität mangelt und Menschen, die sich nicht in einen strukturierten Arbeitsalltag eingliedern können oder möchten. So unterschiedlich die Ausgangslage, so ähnlich der Befund: die mangelnde Konkurrenzfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt verhindert eine Eingliederung in diesen.
„Wenn wir ehrlich sind, haben wir nicht Integration betrieben, sondern Obdachlosigkeit vermieden“
Aydan Özoguz
Deshalb ist es kein allzu großes Geheimnis, dass es für die 350 000 offenen Stellen, die der Vorstand Arbeitsmarkt der Bundesagentur für Arbeit, Detlev Scheele, jährlich mit Flüchtlingen besetzen möchte, vielleicht gar keine passenden Bewerber gibt. Auch die Erhöhung des Mindestlohns von 8,50 € auf 9 € wird die Einstiegshürden in den Arbeitsmarkt nicht weiter senken. Dazu kommt dann noch, dass die Kommunen durch den permanenten Zuzug überfordert sind – oder wie die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz, die Situation der Flüchtlinge Anfang Februar charakterisierte: „Wenn wir ehrlich sind, haben wir nicht Integration betrieben, sondern Obdachlosigkeit vermieden.“
Es ist eine relativ simple Rechenaufgabe, die zur Erkenntnis führt, dass es keine einfache Lösung geben kann – dass es für die Hunderttausenden von Flüchtlingen weder genug Lehrer für dringend benötigte Deutschkurse gibt, noch genug Kitaplätze oder weiterführende Ausbildungsmöglichkeiten. Bezeichnend, dass die Antwort der Politik auf Langzeitarbeitslosigkeit und Integration von Flüchtlingen ähnlich ist: staatlich unterstützte Förderprogramme sollen es auf lange Sicht richten. Nur schießt das vielleicht über das Ziel hinaus: wenn nun jemand gar nicht jahrelang ausgebildet werden mag, sondern lieber möglichst schnell möglichst viel Geld verdienen möchte, sollte dies auch auf offiziellem Weg möglich sein.
Und wenn sich jemand tatsächlich auf die Reise durch die Bildungsinstitutionen begeben will, sollten dem Tür und Tor geöffnet werden. Initiativen wie der von den „Experten für Garten & Landschaft“ ins Leben gerufene BGL-Lotse -„eine Schaltstelle zwischen Behörden, Unternehmen und Asylsuchenden“- oder dem vom ZVG entwickelten Ausbildungskonzept „Gärtner 1+3“ gebührt deshalb jedwede Unterstützung. Und mit Sicherheit hat Zentralverbandspräsident Jürgen Mertz vollkommen Recht, wenn er zu bedenken gibt: „Eine Integration in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt ist wichtig. Diese müsse aber mit Augenmaß vorgenommen werden“ und im September letzten Jahres noch vor „blindem Aktionismus“ warnt. Das ZVG-„Instrument für eine erfolgreiche Integration in den Ausbildungs- und damit Arbeitsmarkt“ datiert aber aus dem Jahr 2013 – so lange sind nicht einmal Afrikanische Elefanten schwanger.
Tim Jacobsen
Neueste Kommentare