"Now, here, you see, it takes all the running you can do, to keep in the same place. If you want to get somewhere else, you must run at least twice as fast as that!"

Kategorie: Cannabis

Cannabis Legalisierung: kein Ende in Sicht?

Der derzeit wohl interessanteste Beitrag zur Debatte um die bereits erfolgte und dann wieder rückabgewickelte, die anstehende oder wie auch immer Legalisierung von Cannabis stammt vom britischen Kultregisseur Guy Ritchie: Eddie Horniman tritt im Netflix-Achtteiler das Erbe seines Vaters an, der ihm – ganz das Titel gebende „The Gentlemen“ – allerdings nicht nur ein herrschaftliches, leicht baufälliges Anwesen inklusive Finanzprobleme vermacht hat, sondern auch eine riesige Cannabis-Plantage. Ganz unverhofft gerät Eddie so in Kontakt mit der Londoner Unterwelt, die er mit seinen eigenen Waffen schlagen und sich aus den Geschäftsbeziehungen zurückziehen will.

Soweit der Plan, mit der Zeit findet der Aristokraten-Sohn allerdings Gefallen am Gangster-Dasein.  So flott, wie sich die Handlung in wenigen Worten erzählen lässt, so turbulent, rasant und voller Irrungen und Wirrungen stellt sich das Ganze dann am Bildschirm dar. Natürlich endet der Schlamassel dann auch anders, als wie wo man denkt. Nur wenige Tage nach der Weltpremiere laufen die sozialen Medien heiß mit Spekulationen darüber, wie das in Staffel 2 weitergehen könnte. Wem acht Folgen als Einstieg erst einmal zu lang sind, kann auch mit dem gleichnamigen Spielfilm aus dem Jahr 2019 beginnen, wird dann aber unweigerlich am Ende der achten Folge landen.

Tim Jacobsen

Nachhaltigkeit muss in allen Facetten nachhaltig sein

Eigentlich ist der Rosenanbau ja eine einfache Sache, wie die meisten von Ihnen wahrscheinlich aus eigener Erfahrung wissen. Schwierig wird es, wenn Sie versuchen wollen, damit auch Geld zu verdienen. Und weder Regionalität noch Saisonalität sind ganz neue Erfindungen, vielmehr haben sie bereits den Speiseplan der Jäger und Sammler bestimmt. Relativ neu dagegen ist, dass sesshaft gewordene Menschen zumindest in den sehr wohlhabenden Ländern dieser Welt dann Trick 17, 53 und 86 bedacht haben, um möglichst niemals auf gar nichts verzichten zu müssen.

Und so hat uns die großtechnische Ausbeutung von Erdöllagerstätten nicht nur Nylonstrümpfe und jede Menge anderen Verpackungsmüll beschert, sie machte auch den vor Wetterkapriolen und Klimaperikeln geschützten geschützten Anbau von Schnittrosen überhaupt erst möglich. Befeuert von günstiger Energie und der wirtschaftlichen Prosperität der Wirtschaftswunderjahre schossen die Gewächshäuser in den Nachkriegsjahren wie CDU-geführte Bundesregierungen aus dem Boden. Auf die erste große Koalition unter Kiesinger folgten die Sozialliberalen und der Ölpreisschock. Vier autofreie Sonntage manifestierten, dass die Limits to Growth auf betrieblicher Ebene schneller sichtbar wurden als die Tinte des Clubs of Rome trocknen konnte.

Ein paar pfiffige Gärtner schifften daraufhin nach Teneriffa aus, die ganz Wagemutigen verschlug es nach Ecuador. Hier trafen sie in gewisser Weise auf den Rosengarten Eden. Cayambe liegt auf 3000 Metern ziemlich exakt auf dem Äquator. Die einzigartigen Lichtverhältnisse, die gemäßigten Temperaturen und die fruchtbaren Böden haben Cayambe gewissermaßen zur Welthauptstadt der Rosen gemacht. Manche sagen, dass Rosen nirgends besser gedeihen als dort – und dies mit vergleichbar geringem Aufwand: stehen bei uns High-Tech-Gewächshäuser industriellen Produktionsanlagen in nichts nach, genügen dort ein paar Dachlatten und Plastikfolie. Ein kleines Problem sind die Distanzen. Nun werden Rosen zwar nicht aus Flugscham rot, ein bisschen ein Spaßverderber ist die Entfernung allerdings allemal. Zweites Problem sind die nur aus unserer Sicht niedrigen Löhne in Ecuador.

Kolumbien nahm den Arbeitskosten-Unterbietungshandschuh gerne auf, genauso wie die Berufskollegen in Kenia, die dann wiederum mit Äthiopien einen Billiganbieter in direkter Nachbarschaft hatten. Ganz verschwunden ist der Schnittrosenanbau allerdings auch bei uns nicht. Mit Leidenschaft und zuweilen auch Leidensfähigkeit halten bei uns auf rund 125 ha Gärtnerinnen und Gärtner die Rosen-Stellung, jenseits der deutsch-niederländischen Grenze sind es noch ein paar mehr, von ehemals knapp vierstelligen Anbauzahlen fehlt allerdings auch hier jede Spur. Energie ist auch fünfzig Jahre nach der Ölpreiskrise Aufregerthema Nummer eins, dazu kommt die eher noch weiter auseinandergegangene Lohnpreisschere zwischen uns und dem globalen Süden. Einige haben aufgerüstet, bei Marjoland beispielsweise kommt der Berg zum Propheten.

Manches ist hingegen auch über all die Jahre hinweg relativ stabil geblieben: Neben Sergei Lawrow und Jean Asselborn im Außenministeramt beispielsweise auch die dominierende Rolle der genossenschaftlichen Koninlijke Floraholland, des größten Blumenhändlers der Welt. Bis 2008 war das 700 mal 740 Meter große Aalsmeerer Versteigerungsgebäude mit direktem Flughafenanschluss nichts weniger als das größte Gebäude der Welt – und gleichzeitig der globale Flaschenhals für Ex- und Importe im Zierpflanzenbereich. Es war über viele Jahre eher die Regel als die Ausnahme, dass Blumen aus Südamerika statt der Direttissima über Mittelamerika zweimal Weltmeere überfliegen mussten, bevor sie in Nordamerika Herz und Sinne erfreuen konnten.

Auch wenn die Frage „brauchen wir das oder kann das weg“ für sich genommen spannend zu diskutieren wäre, lässt sich das Ganze auch weniger hoch aufhängen: Wäre denn nicht allen gedient, wenn sich in Absatzmarktnähe unter ähnlichen Umständen wie in Ecuador Rosen produzieren ließen? Die Niederlande sind damit schon einmal raus und auch der Alpennordkamm bei uns kommt an das Tageszeitenklima des nullten Breitengrades nicht einmal Ansatz-weise heran. Luiz Corella ließ sich davon nicht entmutigen. Im fernen Mexiko vom Heimweh nach Spanien und dem Wunsch, die besten Rosen der Welt anbauen zu wollen, gepackt, fand er zwei Autostunden nördlich von Madrid am Oberlauf des Dueros in 1100 Metern Höhe Licht- und Temperaturverhältnisse, die zumindest in Europa ihresgleichen suchen. Dazu die perfekte Anbindung an das europäische Autobahnnetz: 19 Stunden brauchen LKWs von Soria nach Aalsmeer.

Der Businessplan stand 2013. 2015 begannen die Bauarbeiten und im September des Folgejahres wurden die ersten Rosen gepflanzt. 14 ha ist der Neubau groß, verschlungen könnte er um die 50 Mio. € haben. Eine mögliche Verdoppelung der Anbaufläche war von Anfang an Teil des Plans. Es dauerte weniger als zweieinhalb Jahre, bis sich im Januar 2019 mit der Einführung der Premiumsortierung Aleia Máxima die Produktionsprozesse offensichtlich eingespielt hatten. Nahezu zeitgleich mit der Optimierung der Produktionsprozesse begann sich allerdings auch der Himmel über den ansonsten wolkenfreien, Schnee bedeckten Berggipfeln Nordspaniens zunehmend zu verdüstern. Im Sommer 2019 machten Gerüchte die Runde, dass es bei der Entlohnung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Unregelmäßigkeiten gekommen sei.

Am 16. Oktober 2019 dann die Beantragung des Voluntary Creditor Contests, der trotz Zahlungsschwierigkeiten eine Fortführung der Geschäftstätigkeit erlaubt. Als Ursache für die unternehmerische Schieflage wurde der Rückzug eines Großinvestors benannt. Die US-amerikanische Full Moon übernahm schließlich im Sommer 2020 für wahrscheinlich unwesentlich mehr als ein Zehntel der mutmaßlich ursprünglich investierten Summe den nordspanischen Rosenproduzenten. Am 12. März 2021 wurden an der Veiling Rhein Maas die allerletzten `Red Naomi´-Rosen aus Soria versteigert.

Die letzten Nachrichten, die aus Soria zu hören waren, klingen insgesamt eher nach einer Investitionsruine im ländlichen Raum. Full Moon Investments hatte und hat offensichtlich größere Schwierigkeiten, eine der begehrten Lizenzen für den Anbau von medizinischem Cannabis in Spanien zu bekommen. Zwischenzeitlich waren drei von vier vergebenen Lizenzen in den Händen von Mitgliedern des spanischen Königshauses. Begründet wurde dies damit, dass befürchtet wurde, die Lizenzen könnten reine Handelsware werden, sobald sie in ausländischen Besitz kämen.

Im Fall von Aleia Roses noch viel mehr als bei der „vertically integrated cannabis business development group“ war die gute Idee Vater und Mutter des Gedankens. Einmal mehr zeigte sich aber, dass Nachhaltigkeit aus drei Dimensionen besteht, auf mindestens drei Säulen beruht: Neben Ökologischem und Sozialem darf eben auch die Ökonomie nicht zu kurz kommen. Und vielleicht, aber auch nur ganz vielleicht, war das Ganze zumindest eine etwas waghalsige Geschäftsidee, also das eine wie das andere.

Tim Jacobsen