"Now, here, you see, it takes all the running you can do, to keep in the same place. If you want to get somewhere else, you must run at least twice as fast as that!"

Kategorie: Europa (Seite 8 von 9)

Patentierbarkeit von Pflanzen und Tieren: Frau Aigner, übernehmen Sie

Lange bevor der mehrere Milliarden teure Bahnhofsumbau in der baden-württembergischen Landeshauptstadt weite Teile des deutschen Volkes in Nah- und Fernverkehrslogistikexperten verwandelte, gab es neben der friedlichen Nutzung der Atomenergie eigentlich nur ein Thema, dessen radikale Ablehnung zur Bildung recht skurriler Allianzen führte.

Als im April 2009 die Einspruchsfrist gegen die Patentierung eines Verfahrens zur Zucht von für die Fleischproduktion besonders geeigneten Mastschweinen endete, rief das nicht nur die üblichen Verdächtigen wie den Bund Naturschutz, die Aktivisten von Greenpeace sowie die Landtagsfraktion der bayerischen Grünen auf den Plan. „Ja zum Leben, Nein zum Patent“ forderte beispielsweise auch der Bayerische Staatsminister für Umwelt und Gesundheit Markus Söder auf dem Münchner Marienplatz.

Etwas mehr als ein Jahr später spielten sich ähnliche Szenen in der Münchner Innenstadt ab. Eine breite Allianz von Landwirten über Ökoaktivisten bis hin zu Kirchenleuten forderte mit Plakaten und Trillerpfeifen „Stoppt die Enteigung von Bauern und Züchtern“ und „Mein Patent gehört dem Schöpfer“. Aufhänger des Protestzuges zum Europäischen Patentamt war der Streit um den Fortbestand der beiden Patente EP 1069819 und EP 1211926.

Zwar schließt Artikel 53 b des Europäischen Patentübereinkommens Patente auf `Pflanzensorten und Tierrassen´ genauso aus wie die Patentierbarkeit von `im Wesentlichen biologischen Verfahren zur Züchtung von Pflanzen und Tieren´ – dies hielt das Europäische Patentamt aber nicht davon ab, Züchtungsverfahren, bei denen neben den Methoden Gregor Mendels auch so genannte Markergene genutzt wurden, als technische und damit patentierfähige Verfahren zu betrachten.

`Verfahren zur Zucht von Tomaten mit niedrigem Wassergehalt und Produkt dieses Verfahrens´

Patent EP 1211926

Als Markergene werden eindeutig identifizierbare DNA-Abschnitte bezeichnet. Die Entdeckung solcher Marker gehört mittlerweile zum molekularbiologischen Standardprogramm von Erstsemestern. Einmal gefunden, ist es mehr oder weniger nur noch eine Fleißarbeit, den Markern bestimmte Eigenschaften zuzuordnen: Ähnlich wie Leuchttürme die Navigation erleichtern, lässt der molekularbiologische Nachweis des Markers dann Rückschlüsse auf das Vorhandensein bestimmter Eigenschaften zu. Klar, dass das den Züchtungsfortschritt erheblich beschleunigt, schließlich kann unter Zuhilfenahme der Marker über Erfolg oder Misserfolg einer Kreuzung anhand minimaler Mengen von Pflanzenmaterial routinemäßig innerhalb weniger Stunden befunden werden.

Im Jahr 2003 wurde dem israelischen Landwirtschaftsministerium das Patent EP 1211926 auf – wie es offiziell heißt – ein `Verfahren zur Zucht von Tomaten mit niedrigem Wassergehalt und Produkt dieses Verfahrens´ erteilt. Im Jahr zuvor war der englischen Plant Bioscience mit EP 1069819 bereits ein `Verfahren zur selektiven Erhöhung des anticancerogenen Glucosinolate bei Brassica Sorten´ patentiert worden. Während es im Fall der Tomaten eineinhalb Jahre dauerte, bis sich mit der niederländischen Unilever jemand fand, der die Rechtmäßigkeit dieses Patentes anzweifelte, wurde im Fall des Brokkolis drei Monate nach Ankündigung der Patenterteilung im Abstand von nur zwei Tagen sowohl von der schweizerischen Syngenta als auch der französischen Limagrain Einspruch gegen die Erteilung des Patentes eingelegt.

Aus Sicht der Beschwerdeführer waren in beiden Fällen Selektionsverfahren patentiert worden, die `im Wesentlichen biologische Verfahren´ darstellen und deshalb gar nicht patentierbar sein dürften. Die mit der Klärung betraute Technische Beschwerdekammer entschied, dass zur Feststellung der Patentfähigkeit zuerst die Frage geklärt werden müsste, wie der Begriff `im Wesentlichen biologisches Verfahren zur Züchtung von Pflanzen und Tieren´ überhaupt zu verstehen sei und legte diese Frage im Jahr 2007 deshalb der Großen Beschwerdekammer vor.

Anfang Dezember letzten Jahres kam die Große Beschwerdekammer nun zum Schluss, dass die bloße Verwendung technischer Verfahrensschritte den Ausschluss der Patentierbarkeit nicht aufhebt. Eine erste konkrete Anwendung dieser Grundsatzentscheidung wird nun wiederum in der für `Brokkoli´ und `Tomaten´ zuständigen Technischen Beschwerdekammer erfolgen. Der von den Demonstranten befürchtete `Ausverkauf der Schöpfung´, also die Patentierbarkeit von Pflanzen und Tieren, wurde durch diese Entscheidung nicht berührt und stand auch zu keinem Zeitpunkt zur Diskussion.

Schließlich ist es nicht am Europäischen Patentamt, darüber zu entscheiden, ob Pflanzen oder Tiere patentfähig sind. Diese Entscheidung wurde im Jahr 1998 auf EU-Ebene in der Richtlinie über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen getroffen. Und in der heißt es nun einmal: `Patentierbar sind neue Erfindungen, die auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind, und zwar auch dann, wenn sie ein Erzeugnis aus biologischem Material enthalten oder sich auf biologisches Material beziehen´.

Deshalb ist auch die Politik gefragt, soll es darum gehen, den `Ausverkauf der Schöpfung´ zu stoppen. Die Patentrechtler als ausführendes Organ setzen lediglich Vorgaben um.

Tim Jacobsen

Lokal, regional, national – die Herkunft zählt; aber zahlt sie sich auch aus?

Es gibt weltweit wahrscheinlich nur eine gute handvoll Länder, deren Nationalflagge einen eigenen Namen bekommen hat. Das Schweizerkreuz und Frankreichs Tricolore gehören genauso zu diesem erlesenen Club wie Dänemarks Dannebrog, die US-amerikanischen Stars and Stripes und der britische Union Jack. Während Eidgenossen, Franzosen und Amerikaner sich bei der Namensfindung wohl hauptsächlich von Äußerlichkeiten leiten ließen, steht bei den Dänen und Briten der einigende Charakter des Nationalsymbols im Vordergrund.

Daraus abgeleitet könnte dann schon ein Funken Wahrheit an der Behauptung sein, dass sich die Bewohner dieser Länder angeblich nicht lange mit der Frage aufhalten, warum sie denn überhaupt einheimische Erzeugnisse kaufen sollten, sondern vielmehr wissen wollen, wo es diese Produkte denn zu kaufen gibt.

Zehnjähriges Jubiläum feierte dieses Jahr der kleine rote Traktor, mit dem die Briten im Jahr 2000 das gordische Siegelwirrwarr durchhackten und für landwirtschaftliche Produkte eine einheitliche Kennzeichnung schufen, die neben einem Qualitätsversprechen auch einen Herkunftsnachweis enthält. Produkte im Wert von derzeit jährlich über 10 Mrd. £ zieren sich mittlerweile mit dem Logo, das Untersuchungen zufolge zu den bekanntesten Marken im Vereinigten Königreich gehört.

„So frisch wie nur irgendwie möglich. Das sieht man nicht nur, sondern schmeckt es vor allem“

Willem Treep und Drees Peter van den Bosch

Vielen Konsumenten soll mittlerweile allerdings national bereits schon wieder zu global geworden sein, will man den Trendforschern glauben. Anzeichen dafür, dass dahinter mehr als nur heiße Marketingluft stecken könnte, gibt es zuhauf. Internetdatenbanken, die einem beispielsweise in Belgien beim Aufspüren regionaltypischer Köstlichkeiten unterstützen, erfreuen sich großer Beliebtheit. Und die Möglichkeit, Landwirten und Gärtnern auch einmal im echten Leben von Angesicht zu Angesicht gegenüber stehen zu können, zählt mittlerweile an der Kühltheke so mancher englischen Supermarktkette zum Standardprogramm.

Ganz ohne schulmeisterhafte CO2-Fußabdrücke kommt auch die Erfolgsgeschichte von Willem Treep und Drees Peter van den Bosch aus. Statt auf Überzeugungstäter setzen die beiden Niederländer auf die Überzeugungskraft des Produktes selbst. „So frisch wie nur irgendwie möglich“ lautet ihr Geschäftsgeheimnis. „Das sieht man nicht nur, sondern schmeckt es vor allem“ heißt ihr Versprechen. Über die gesamten Niederlande verteilt, versorgen Willem&Drees gut ein Jahr nach der Geschäftsgründung bereits über 100 Supermärkte mit ihrem stark saisonal ausgerichteten Obst- und Gemüsesortiment.

Vom Produktionsbetrieb bis in den Supermarkt soll dabei kein Produkt mehr als 40 km zurücklegen müssen, Unterglas darf nicht geheizt werden und auch der Rest der selbstauferlegten Regeln wirken wie aus einer vergangenen Zeit. Aus einer Zeit wohl gemerkt, in der Zusammenarbeit auch tatsächlich noch vertrauensvolles Miteinander bedeutete. Van den Bosch selbst kennzeichnet dieses Miteinander als Dreiecksbeziehung zwischen Produzenten, Händler und Konsumenten.

Mit „Ein M regionaler“ wirbt die schweizerische Migros für ihr umfassendes Sortiment an Produkten „Aus der Region“. Das Beeindruckende dabei ist, dass in den Filialen des Lebensmittelgrossisten rund 1 400 verschiedene Artikel erhältlich sind, die dieses Label tragen. Damit hat Migros weitaus mehr Artikel regionalen Ursprungs im Sortiment, als durchschnittliche Discountketten überhaupt im Angebot haben.

Diesseits der Grenze erhielten die nordrhein-westfälischen Obst- und Gemüsebauern unlängst Schützenhilfe von der Edeka Regionalgesellschaft Rhein Ruhr: Auch deren neu geschaffene Regionalmarke „Mein Land“ setzt auf „Frisches aus der Region“. Dem Vernehmen nach sollen die Absatzzahlen belegen, dass die Kampagne vom Verbraucher gut angenommen wird. Insgesamt zwölf nordrhein-westfälische Obst- und Gemüseproduzenten stehen bei Edeka derzeit mit ihrem Namen ein für die Einhaltung des Versprechens „4 mal anders, 4 mal mehr wert“.

Paradoxerweise fällt die bessere Verfügbarkeit von Produkten aus der Region zeitlich zusammen mit dem Abflauen des Biobooms. Waren zu Anfangszeiten der Öko-Bewegung Obst, Gemüse, Milch und Fleisch aus ökologischem Anbau noch das Nonplusultra für umweltbewusste Verbraucher, hat der viel zitierte peruanische Bio-Spargel seinen Teil zu einem Umdenken auf Konsumentenseite beigetragen und die Biobranche insgesamt dem Anschein nach in eine Sinnkrise geführt.

Produkte aus der Region versprechen im Vergleich zu Ökoprodukten mit langen Transportwegen nicht nur ein erhöhtes Maß an Authentizität und ökologischer Nachhaltigkeit, sondern eben auch einen Verbleib der Wertschöpfung in der Region. Bei all der gegenwärtigen Begeisterung über das Erstarken regionaler Vertriebskonzepte sollte aber nicht vergessen werden, dass Regionalität beileibe nicht der einzige Weg ist, Mehrwert zu generieren.

Tim Jacobsen

Wege in die Zukunft

Deutschland ist größter Milchproduzent der EU. Nahezu jeder dritte landwirtschaftliche Betrieb erzeugt hierzulande Milch. Die Milchpreise bestimmen das Bild, dass die Medien in der Öffentlichkeit von der Landwirtschaft zeichnen. Fast täglich kann man hören und lesen: Die Lage auf dem deutschen Milchmarkt ist ernst.

Mancher Gärtner wäre allerdings froh gewesen, hätte er letztes Jahr wenigstens das Betriebsergebnis eines durchschnittlichen Milchviehbetriebes erreicht. Und die Prognosen sind düster: Folgen auf das nur in Teilbereichen überhaupt positiv abgeschlossene 2009 ein paar bessere Jahre, können die Betriebe wieder Reserven aufbauen, heißt es. Bleiben diese besseren Jahre aus, wird ein Teil der Betriebe notgedrungen aufgeben müssen.

Prunkbauten in den deutschen Hansestädten legen Zeugnis ab vom Reichtum der großen Reedereien zu Beginn des 19ten Jahrhunderts. Als in den 20er Jahren ein Aufkommen des Luftverkehrs zu beobachten war, schafften es nur wenige Reeder, ihr Geschäftsmodell den neuen Möglichkeiten anzupassen. Der Name Lufthansa verweist noch stets an die Weitsicht zweier norddeutscher Reeder.

Als die Digitalisierung Einzug in den Alltag hielt, stellte sie das Geschäftsmodell von Plattenfirmen in Frage. Mit Feldzügen gegen Raubkopierer wurde letztendlich erfolglos versucht, das Unausweichliche aufzuschieben. Heutzutage kann man auf Sellaband Musik kaufen, die noch nicht einmal aufgenommen worden ist, und gleichzeitig verdienen Bands mit Livekonzerten mehr als mit dem Verkauf von Musikträgern.

Im Agrarbereich verlief die Entwicklung gegenläufig. Anders als in der Musikindustrie, entfernten sich Produktion und Verbraucher in den letzten Jahrzehnten zusehends voneinander. Die Ursachen hierfür sind in der Professionalisierung der Nahrungsmittelkette zu suchen, die auf gesellschaftliche Entwicklungen wie beispielsweise die zunehmende Verstädterung einspielte.

Einfach so weiterzumachen wie bisher, ist aus Produzentensicht keine Lösung

Tim Jacobsen

Nicht wenige Planspiele, die derzeit unternommen werden, um aus der Preismisere herauszufinden, gehen in die Richtung, den Abstand zwischen Produzenten und Konsumenten erneut zu verkleinern. Manche meinen, klassisches Marketing und damit einhergehend der Aufbau von Marken könne den Gartenbau retten. Die Kosten hierfür sind jedoch immens – und geht das Konzept nicht auf, ist das Geld verloren. Andere suchen die Lösung in breiter angelegten Strategien, die die Verbraucher vom Mehrwert der jeweiligen Produkte überzeugen sollen.

Bei Erdbeeren könnte dies Geschmack sein, bei Mandarinen, dass Kernlosigkeit mehr ist als nur ein Versprechen. Die Liste ließe sich endlos fortsetzen, allerdings ist der Kundenkreis, der Wertigkeit auch beim Einkauf an der Frischetheke obenan stellt, demgegenüber sehr überschaubar. Einen ähnlich überschaubaren Kundenkreis, aber große Strahlkraft könnte die Einrichtung so genannter Bauernmärkte haben: Modern ausgestattete Läden mitten in der Stadt, in denen es ein Komplettangebot von Frisch- und weiterverarbeiteten Produkten ohne falsche Romantik direkt vom Produzenten zu fairen Preisen zu kaufen gibt.

Einfach so weiterzumachen wie bisher, ist aus Produzentensicht keine Lösung – zu mindest so lange es keine gefühlte oder echte Versorgungsknappheit auf dem Markt gibt. Auch nationale Alleingänge im Sinne einer Reduktion von Anbauflächen oder der Vernichtung von Ernteprodukten würden am Marktgefüge nur wenig ändern. Dafür sind die Frachtraten für den Import von Produkten aus den Mittelmeeranrainerstaaten schlichtweg zu günstig. Gedankenspiele wie eine grenzübergreifende Bündelung des europäischen Warenangebots werden nicht nur angesichts verschiedenster nationalstaatlicher Interessen voraussichtlich nur schwer umsetzbar sein.

Zielführender könnte da schon die Etablierung kettenübergreifender Strukturen in bis vor kurzem noch unvorstellbaren Ausmaßen sein, wie sie beispielsweise im Fleischbereich zu beobachten ist. Allerdings können auch im Fleischbereich Schlagwörter wie ausgefeiltes Qualitätsmanagement und hohe Transparenz nicht darüber hinweg täuschen, dass Kostenführerschaft in einem Wettkampf des Fressen oder Gefressenwerdens letztendlich immer nur auf Kosten der Produzenten möglich ist.

Tim Jacobsen

Rudern gegen den Strom – David Hughes gibt Nachhilfe

All diejenigen, die Emeritus David Hughes bei der Australian Seafood Convention in Perth verpasst haben, ihn weder bei der letztjährigen Onion & Carrot Conference im englischen Peterborough noch beim World Pork Congress im benachbarten Birmingham erleben konnten und zudem auch beim Frische Forum Anfang Februar in Berlin gefehlt haben, bekommen Anfang September mit dem International Strawberry Congress im belgischen Hoogstraten eine neue Chance. Eine Chance darauf, nach Ende der Veranstaltung mit neuem Selbstbewusstsein in den Alltag zurück zu kehren.

Denn David Hughes ist so etwas wie der Dr. Feelgood des Agrar- und Ernährungssektors. Ihm gelingt es nicht nur, dank seines trockenen Humors auch äußerst ernste Themen nie aussichtslos erscheinen zu lassen, er hat immer Botschaften im Gepäck, die im wahrsten Sinne des Wortes erleuchtend wirken. Dabei ist es einigermaßen erstaunlich, dass er mit rund 90 Vorträgen im Jahr eine thematische Bandbreite abdecken kann, aus der die eingangs genannten Veranstaltungen nur einen kleinen Ausschnitt darstellen.

Erleichtert wird Hughes´ Arbeit dadurch, dass die äußeren Rahmenbedingungen in gewisser Weise für alle gleich sind. Angesichts des Auf und Abs der weltweiten Agrarmärkten macht es aus der Vogelperspektive heraus ja kaum einen Unterschied, ob es um Erdbeeren, Schweinefleisch, Meeresfrüchte oder Zwiebeln geht. So ist es beispielsweise gerade einmal zwei Jahre her, dass Menschen in Dritte-Welt-Ländern bei Protesten gegen plötzlich stark gestiegene Nahrungsmittelpreise zu Tode kamen, Vietnam den Export von Reis verbot und Argentinien den von Rindfleisch. Auch der so genannte Westen blieb seinerzeit von dieser Entwicklung nicht verschont. Mit dem Fallen des Getreidepreises löste dann allerdings auch bei uns die ausufernde Staatsverschuldung wieder den Preisanstieg bei Lebensmitteln als größte Inflationsgefahr ab.

„Vier Dollar für einen Kaffee zu bezahlen ist bescheuert“

MC DonalDs Antwort auf Starbucks

Alles, was Hughes also tun muss, ist, das jeweilige Produkt in makroökonomische Zusammenhänge einzuordnen. Mit Sätzen wie „Sie sind gesegnet, da Sie [hier bitte nun ein beliebiges Produkt einsetzen] produzieren“, verdeutlicht er seinen Zuhörern die jeweiligen produktspezifischen Vorteile. Mit Praxisbeispielen regt er darüber hinaus zum Nachdenken an. So wird die polarisierende Werbebotschaft eines Steakhouses im US-amerikanischen South Carolina mit Sicherheit nicht jedermann gleichermaßen überzeugen können: „Es gibt genug Platz für alle Geschöpfe Gottes – direkt neben dem Kartoffelpüree“.

Hughes will aber nicht nur helfen, zu verhindern, im Eifer des Gefechtes über das Ziel hinaus zu schießen, er nutzt besonders gelungene Werbebeispiele auch dafür, zu zeigen, wie es richtig geht. So traf Ende des Jahres 2008 die McDonald´s-Kampagne „Vier Dollar für einen Kaffee zu bezahlen ist bescheuert“ genau den Geist dieser Zeit und spielte perfekt ein auf sich verändernde ökonomische Voraussetzungen. Diese machten Premiumkonzepten von Kaffeehausbetreibern wie Starbucks zunehmend das Leben schwer. Der Slogan wurde dann auch medienwirksam direkt in Sichtweite des Starbucks-Hauptquartier im US-amerikanischen Seattle plakatiert.

Ähnlich wie in Fabeln stecken in Hughes´ Anekdoten tiefschürfende Weisheiten. So ist beispielsweise McDonalds unter den Systemgastronomen derzeit die große Ausnahme, weil die weltweit umsatzstärkste Fastfood-Kette ihren Marktanteil unter den gegenwärtigen schwierigen ökonomischen Bedingungen sogar noch deutlich auszubauen vermag. Dies, und das ist die eigentliche Botschaft Hughes´, gelingt aber nur, da keine andere Schnellrestaurantkette ihr Ohr näher an den Bedürfnissen und Wünschen ihrer Kunden hat.

Dies alleine sichert das unternehmerische Überleben aber noch keineswegs, wie Hughes anhand anderer Beispiele erfolgreicher Unternehmen zeigt. Zwar klingt es wie die tausendste Wiederholung, die Tatsache aber, dass Hughes bereits seit Jahren diese Schlagwörter predigt und es trotzdem immer noch auf 90 Vorträge im Jahr bringt, beweist geradezu, dass die Umsetzung dieser Ratschläge von der Theorie in die Praxis gar nicht so einfach ist: Niemals die Produktionskosten aus den Augen verlieren, ständig versuchen, die Effizienz zu steigern, eine Unternehmenskultur leben, in der Kreativität und Innovation Platz haben und dabei den Begriff Innovation nicht auf Produktinnovationen allein beschränken.

So schwierig die Umsetzung dieser Ratschläge in die Praxis auch sein mag, so banal ist letztendlich ihre Aussage. David Hughes würde wahrscheinlich auch nicht von sich behaupten, als einziger im Besitz des Steins der Weisen zu sein. Vielleicht liegt es ja daran, dass der sprichwörtliche Prophet im eigenen Land nichts gilt. Vielleicht scheitert die Umsetzung aber auch daran, dass in den oftmals mit viel Herzblut von Gartenbauverbänden, Absatzorganisationen, Forschungsanstalten und Hochschulen organisierten Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen zwar genau diese Themen problematisiert werden, aber nur selten die gärtnerische Praxis erreicht wird.

Tim Jacobsen

Preisbildung auf dem Prüfstand: Niederländisches Kartellamt legt Untersuchungsbericht vor

Fast genauso einfach, wie dem Lebensmitteleinzelhandel vorzuwerfen, für das in vielen Fällen ruinöse Preisniveau verantwortlich zu sein, ist es, zu überprüfen, ob sich diese Vorwürfe auch mit Zahlen belegen lassen.

Gewinnt zum Beispiel eine Supermarktkette durch Fusion oder erfolgreiche Verdrängung eines Mitkonkurrenten an Marktmacht hinzu, stärkt das ihre Verhandlungsposition gegenüber dem Großhandel. Hat der Großhändler dem nun nichts entgegenzusetzen, muss er bei gleichbleibender Nachfrage und unveränderten Konsumentenpreisen einen Teil seiner Marge an den Supermarkt abtreten.

Kommt es zu einer Missernte und kann diese nicht durch Importe ausgeglichen werden, stärkt das die Verhandlungsposition der Produzenten: Schließlich wird dann bei unverändertem Preisniveau eine konstante Nachfrage auf ein begrenztes Angebot treffen. Produzenten können also Preise realisieren, die deutlich über ihren Produktionskosten liegen. Auch der Großhandel muss dann den Supermärkten höhere Preise in Rechnung stellen. Die Supermärkte wiederum werden versuchen, diese Preise an die Konsumenten weiterzugeben, wodurch dann allerdings auch die Nachfrage sinken und sich ein neuer Gleichgewichtspreis einstellen wird.

Die reine Marktlehre besagt, dass Preisschwankungen bei Obst und Gemüse hauptsächlich durch Schwankungen der Produktpreise auf Erzeugerebene zustande kommen

Tim Jacobsen

Veränderungen im Nachfrageverhalten können aber auch andere Ursachen haben. Wird beispielsweise der gesundheitsfördernde Aspekt des Verzehrs eines für eine bestimmte Anbauregion typischen Gemüses in einer Fernsehsendung besonders hervorgehoben, werden als Folge davon die Supermärkte die Preise für dieses Produkt anziehen. Gleichzeitig werden sie versuchen, über den Großhandel möglichst große Mengen dieses Produktes zu bevorraten. Kein Wunder, wird nun auch der Großhandel versuchen, möglichst viel dieser Ware umzuschlagen, was den Produzenten wiederum erlaubt, dafür mehr in Rechnung zu stellen.

Die reine Marktlehre besagt, dass Preisschwankungen bei Obst und Gemüse hauptsächlich durch Schwankungen der Produktpreise auf Erzeugerebene zustande kommen, da davon ausgegangen werden kann, dass die sonstigen Kosten sowohl auf Ebene des Großhandels als auch des Lebensmitteleinzelhandels relativ konstant sind. Werden Preissenkungen oder -erhöhungen nun verzögert oder nur zu einem bestimmten Teil an Konsumenten bzw. Produzenten weitergegeben, sprechen Ökonomen von asymmetrischer Preisanpassung.

Auf Drängen des gärtnerischen Berufsstandes untersuchte das niederländische Pendant zum Bundeskartellamt, die Nederlandse Mededingingsautoriteit (NMA), ob es in den Niederlanden Anzeichen solcher asymmetrischer Preisanpassungen im Lebensmittelbereich gibt, die Beleg für eine Übervorteilung sein könnten. Zumindest für den Zeitraum der Jahre 2005 bis 2008 gab die NMA nun Ende letzten Jahres Entwarnung. Die Wettbewerbswächter konnten in ihren Untersuchungen keine Anzeichen für ein Preisdiktat des Lebensmitteleinzelhandels finden.

Anders, als von so manchem vermutet, sind es laut NMA nach wie vor die Produzentenpreise, die den größten Einfluss auf die Konsumentenpreise haben. Die Wettbewerbshüter räumen ein, dass die Preise im Einzelhandel ein Vielfaches der Produzentenpreise ausmachen. Die Schuld hierfür suchen sie jedoch nicht beim Einzelhandel, vielmehr entstehe laut NMA ein Großteil dieser Kosten auf Ebene des Großhandels. Im Sinne des eigenen Betriebsergebnisses könne der Großhandel daraus allerdings nur wenig Nutzen ziehen: Die größten relativen Gewinnspannen würden produktabhängig entweder der Einzelhandel oder die Produzenten selbst einstreichen.

Eines der Produkte, das die Wettbewerbshüter in ihre Untersuchungen miteinbezogen, waren Äpfel der Sorte `Elstar´. Die Antwort des NMA-Vorsitzenden Pieter Kalbfleisch auf die Frage, ob die gegenwärtige Preismisere bei `Elstar´-Äpfeln nicht vielleicht doch Beweis dafür sein könnte, dass nicht alles mit rechten Dingen zugeht, stieß nicht nur den betroffenen Obstbauern sauer auf: „Zur Marktwirtschaft gehören nun einmal Verlierer.“

Rabobank Westland Geschäftsführer Fred van Heyningen schätzt, dass mehr als die Hälfte der niederländischen Unterglasbetriebe in finanziellen Schwierigkeiten verkehrt und rund ein Viertel eigentlich Konkurs anmelden müsste. Dennoch werde die Rabobank auch diesen Betrieben durch den Winter helfen, so van Heyningen. Schließlich bestehe die nicht ganz unbegründete Hoffnung, dass das Jahr 2010 mit besseren Preisen für positive Betriebsergebnisse sorgen könnte.

Tim Jacobsen

Die weiteren Aussichten: heiter bis wolkig

Ein Kilogramm Zwiebeln kostet den Supermarkt im Einkauf gegenwärtig um die zwei Cent. Dennoch kosten die günstigsten Zwiebeln im Supermarkt immer noch an die 0,89 € pro kg. Anfang Oktober wurden Tomaten aus dem Unterglasanbau zu Kilogrammpreisen von 0,15 € gehandelt. Im Supermarkt gab es sie hingegen nur selten unter 2 €. Auch bei knapp 2 €, die eine Packung Kartoffelchips kostet, erhält der Bauer weniger als zwei Cent. Die Frage drängt sich also geradezu auf, ob Verpackungs- und Fertigungsprozesse tatsächlich solch hohe Aufschläge rechtfertigen.

Drei Entwicklungen macht der Niederländer Dick Veerman dafür verantwortlich, dass die Supermärkte heutzutage die Spielregeln bestimmen, Weiterverarbeiter kurz gehalten und Bauern dazu gezwungen werden, unter kostendeckenden Preisen zu verkaufen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg musste die Agrarpolitik in den westlichen Staaten für möglichst niedrige Lebensmittelpreise sorgen, um so der allgemeinen Ökonomie auf die Sprünge zu helfen. Um den Absatz von Autos, Elektronikartikeln oder Kleidung zu fördern, wurde Veermann zufolge mit Hilfe von Subventionen und Marktbarrieren ein System geschaffen, in dem Landwirte viel zu viel an vollkommen identischen Produkten erzeugen. Der spätere Wegfall der Subventionen führte dann dazu, dass sich die Landwirte auf einmal in einer für sie ungewohnten Konkurrenzsituation wiederfanden. Überleben konnte nur, wer größer wurde und vor allem billiger produzierte als sein Berufskollege.

Dazu kommt, dass Supermärkte nicht mit Margen bezogen auf einzelne Artikel kalkulieren, sondern sich überlegen, wie viel von der gesamten Einkaufssumme beim Supermarkt verbleiben sollte. Ihr Produktspektrum teilt sich deshalb ein in Lockangebote, Grundversorgung und renditeträchtige Artikel. Bier, Kaffee und andere Markenartikel werden oftmals unter kostendeckendem Preis angeboten, dieser Verlust wird dann aber von den Gewinnen in anderen Bereichen mehr als wettgemacht. Auffallend dabei ist laut Veerman, dass Gewinne hauptsächlich in den Obst- und Gemüseabteilungen und an den Fleisch- und Wursttheken erzielt werden. In den Bereichen also, die der landwirtschaftlichen und gärtnerischen Urproduktion am nächsten stehen.

Wenn nun aber Einkäufer statt zwei vier Cent pro Kilogramm Zwiebeln bezahlen würden, würde das weder für eine Preisexplosion im Supermarkt noch für das Anheizen der Inflationsrate sorgen

Tim Jacobsen

Selbst mit den unter maximalem Kostendruck industriell hergestellten Lebensmitteln ist es schwierig, Gewinn zu erzielen. Deshalb seien auch die Lebensmittelgiganten geradezu dazu gezwungen, Produkte zu entwickeln, die streng genommen nichts kosten, an der Supermarktkasse dennoch für große Umsätze sorgen. Veerman bezweifelt angesichts der vielen dicken Menschen, dass Gesundheitsclaims beispielsweise etwas anderes sind, als der Versuch, Produkte mit wenig Inhalt zu maximalen Renditen an den Mann bringen zu können.

Veerman gibt zu, dass es wenig sinnvoll ist, diese Zustände zu beklagen, schließlich hätten sich die Dinge nun einmal so entwickelt. Dies sollte jedoch nicht davon abhalten, darüber nachzudenken, was es eigentlich bedeutet, wenn die Produzenten der Macht der Einkäufer nichts mehr entgegenzusetzen haben. Gibt es denn in Almeria nur transport- und lagerstabile Erdbeeren mit fadem Geschmack, wie es das Supermarktangebot diesen Frühling glauben machen wollte? Nein, auch in Almeria gibt es Erdbeeren in Spitzenqualität. Nur fanden die Einkäufer anscheinend, dass die Qualität der importierten Erdbeeren gut genug ist für den deutschen Konsumenten.

Könnte denn nun ein streng regulierter Markt für Entlastung auf dem Obst- und Gemüsemarkt sorgen, wie das gegenwärtig viel zitierte Beispiel der kanadischen Milchviehhalter glauben machen will? Der gleichbleibend hohe kanadische Milchpreis von umgerechnet 50 ct pro Liter ist allerdings teuer erkauft. Schließlich führte der künstlich stabil gehaltene Milchpreis nicht nur zu ineffizienten Produktionsstrukturen, die Kosten der Quote sorgten zudem genau für das, was eigentlich verhindert werden sollte: Kahlschlag und Strukturwandel.

Wenn nun aber Einkäufer statt zwei vier Cent pro Kilogramm Zwiebeln bezahlen würden, würde das weder für eine Preisexplosion im Supermarkt noch für das Anheizen der Inflationsrate sorgen. Insofern sind Forderungen nach einem fairen Miteinander durchaus berechtigt. Allerdings ist es noch gar nicht so lange her, da gab es allerorten regionale Produkte, die zu nachhaltig existenzsichernden Preisen angeboten wurden. Damit war dann aber Schluss, als das so genannte moderne Leben Einzug hielt: die Milch wurde nicht mehr in der Flasche direkt bis an die Haustür geliefert, dem Obst- und Gemüseladen an der Ecke wurde der Rücken gekehrt, die Eier nicht mehr auf dem Markt gekauft, und wer kann es sich heutzutage überhaupt noch leisten, in ein Fleischereifachgeschäft zu gehen?

Ganz schön unverschämt, die Preise.

Tim Jacobsen

Entscheidungen treffen, flexibel bleiben

Gibt es auf Youtube einen Film über das was Sie machen? Wissen Sie, womit Sie Ihren Mitarbeitern eine Freude bereiten können? Und wann haben Sie sich zum letzten Mal mit dem Abnehmer eines Ihrer Produkte unterhalten?

Unzusammenhängend wie diese Fragen auf den ersten Blick auch erscheinen mögen, sind sie allesamt Teil eines Fragenkataloges, der am Ende eines von der niederländischen Rabobank initiierten Projektes namens `De wereld van Jip´ stand. Was aber hat nun diese niederländische Kunstperson Jip mit Ihnen zu tun? Um es kurz zu machen: eigentlich alles. Auch Jip lebt in einer Welt, die niemals stillsteht.

Anders als bei seinem Urgroßvater Cor endet Jips Welt nicht am eigenen Betriebstor. Anders als noch sein Großvater Kees dient er nicht seine ganze Ware der Versteigerung an. Und anders als sein Vater, sucht er sein Glück nicht in einer Gruppe Gleichgesinnter. Als Jip 2013 den Betrieb übernimmt, bestimmen Trends und Hypes in viel größerem Umfang das Einkaufsverhalten als heutzutage. Jips Abkehr von der Kostpreisstrategie, wie sie noch sein Vater durchaus erfolgreich verfolgte, ist dabei auch eine Antwort auf die Verschiebungen im weltweiten Marktgeflecht, die sich im ersten Jahrzehnt des 21ten Jahrhunderts abzuzeichnen begannen.

Jips Antwort auf die unternehmerischen Herausforderungen der Zukunft ist dabei nur eine von vielen möglichen Antworten auf die Frage aller Fragen: „wie verändert sich die Welt und was hat das für Auswirkungen auf mich und meinen Betrieb?“

Indirekt profitieren konnte Jip von den Auswirkungen der Globalisierung. Je näher all das kommt, was fernab passiert, umso mehr suchen die Menschen nach Sicherheiten, die sie glauben in dem zu finden, was aus ihrer Nähe stammt. Regionale Produkte mit einem erkennbaren Absender können dabei ihren emotionalen Mehrwert ausspielen.

Was kann man noch glauben, wenn jeder alles über das Internet verbreiten kann? Und was bleibt übrig von Intimsphäre, wenn jeder Einkauf genauestens analysiert wird? Dieselbe Technik hilft aber auch dabei, positive Botschaften zu verbreiten. Und die Menschen wollen keine anonymen Produkte mehr, sondern ein gutes Gefühl, eine schöne Geschichte.

„Wie verändert sich die Welt und was hat das für Auswirkungen auf mich und meinen Betrieb?“

Jip

In dem Maße, in dem die Gesellschaft pluriformer, multikultureller und diverser wird, nimmt die Suche nach Identität und Herkunft zu. Öffentliche Trauerveranstaltungen beim Tod berühmter Persönlichkeiten, Schleier und Kopftuch im öffentlichen Raum und die ausschweifenden Feiern bei Siegen der eigenen Nationalmannschaft verdeutlichen dies. Wo jetzt noch der Fokus auf uniformen Qualitäten liegt, werden in wenigen Jahren Unterscheidbarkeit, Authentizität, Ehrlichkeit über den Erfolg von Produkten entscheiden. Das Massenprodukt wird nicht verschwinden, aber seine Bedeutung wird abnehmen.

Die genannten Beispiele sind Bausteine, aus denen die Zukunft aufgebaut sein könnte. Was fehlt, ist der Zement, um diese Bausteine zusammenzufügen. Die eigentliche Herausforderung liegt also darin, an den einzelnen Fragmenten vorbeizuschauen. Dann wird ein größeres Ganzes sichtbar.

Bisher sind Neuerungen im Gartenbau hauptsächlich technischer Art. Diese führen im Regelfall zu einer Verringerung der Produktionskosten. Snackgemüse, die Wiederentdeckung verlorengegangen geglaubter Kulturen oder die Entstaubung vergessen geglaubter Obst- und Gemüsesorten sind Beispiele für neue Ideen, die vielleicht ihren Teil dazu beitragen, Kostenreduktion als Allheilmittel abzulösen. Der Billigste zu sein wäre dann nicht mehr das Alleinseligmachende. Die Rechnung geht allerdings nur auf, wenn Mehrwert beim Konsumenten dann auch etwas anderes bedeutet als günstige Preise.

Starre Produktionsketten werden in ein paar Jahren wahrscheinlich ihre beste Zeit hinter sich haben. Sie machen Platz für flexible, dynamische Formen der Zusammenarbeit. Während in starren Produktionsketten jeder eine genau definierte Funktion zu erfüllen hat, haben nun ständig wechselnde Partner miteinander zu tun.

Die Lebensdauer von Produkten wird kurz sein und die Anforderungen an den Umweltschutz und die korrekte Beantwortung sozialer Fragestellungen groß. Ethische und soziale Verantwortbarkeit werden Lebensmittelsicherheit und Umweltbewusstsein als Leuchttürme in der Konsumwelt ablösen. Die Begriffe Wasserverbrauch, Food und Flower miles werden sich mit Bedeutung füllen.

In diesem Spannungsfeld wird es für die Unternehmer unerlässlich sein, den eigenen Standpunkt zu bestimmen und Position zu beziehen. Jeder Unternehmer wird dabei die Rolle suchen, die am Besten zu ihm passt. Dem einen passt die Rolle als so genannter Innovator. Ein anderer wird sein Glück in der Massenproduktion suchen. Die Entscheidung für eine bestimmte Betriebsgröße wird zukünftig stärker in Langzeitstrategien eingebunden sein. Groß wird dabei nicht unbedingt gut, genauso wenig, wie klein nicht unbedingt schlecht sein wird.

Entscheidend wird aber sein, dass Unternehmer bewusst wählen, Entscheidungen treffen, und dabei trotzdem flexibel bleiben.

Tim Jacobsen

Macht der Unlogik

Die Sorge der Investoren vor einem weiteren Abrutschen der Weltwirtschaft ließ die Ölpreise Mitte Oktober auf ihren niedrigsten Stand seit 13 Monaten fallen. Mit deutlich unter 75 US$ lag der Preis für diesen in 159 l-Einheiten gehandelten Energieträger unter der Hälfte des noch im Sommer dieses Jahres herrschenden Rekordpreises von fast 150 US$. Aber auch 75 US$ sind viel, zu mindest verglichen mit den Preisen von vor fünf Jahren. 2003 wurden die Erdölfässer noch für weniger als 30 US$ gehandelt. Trotz einer Verdreifachung des Preises innerhalb von fünf Jahren gilt Öl im Augenblick gerade als billig.

Würde er nicht hehre Ziele verfolgen, müsste man Dan Ariely als Schwindler bezeichnen. Er verteilt beispielsweise Vitamin-C-Tabletten an Versuchspersonen und behauptet, es handle sich dabei um ein sehr wirksames neues Schmerzmittel. Die Ergebnisse dieser Schwindeleien rechtfertigen diese auf den ersten Blick ethisch kaum vertretbaren Handlungen. Das vermeintliche Schmerzmittel lindert tatsächlich den Schmerz der Probanden. Der Versuch mit den Vitamin-C-Tabletten bringt aber nicht nur die an sich wenig neue Erkenntnis, dass Placebos eine positive Wirkung auf die Gesundheit der Patienten haben können. Ariely fügte diesem Experiment, auch eine ökonomisch bedeutsame Variante hinzu:

Die Versuchspersonen bekamen nicht nur Vitamin C als Schmerzmittel aufgeschwatzt, es wurden ihnen auch unterschiedliche Preise suggeriert. Je teurer das Vitamin-C-Schmerzmittel war, umso stärker linderte es den Schmerz der Versuchspersonen. Mit anderen Worten: Je teurer etwas ist, umso besser ist es in unserer Erwartung, und umso besser ist es auch in unserer Wahrnehmung – obwohl der Preis nicht notwendigerweise immer etwas mit der Qualität des Produktes zu tun hat.

Ariely ist einer der Gründerväter einer neuen Forschungsrichtung, die das mechanistische Menschenbild der Ökonomie mit Erkenntnissen der Psychologie verbindet. Die dabei erzielten Ergebnisse belegen, dass wir Menschen eben doch keine rationalen kalten Rechenmaschinen sind und nur wenig mit dem vielen Wirtschaftstheorien zugrunde liegenden Menschenbild des Homo Oeconomicus gemein haben. In Wirklichkeit, so Ariely, verhalten wir uns im Alltag, im Beruf und in der Liebe hochgradig irrational.

„Je teurer etwas ist, umso besser ist es in unserer Erwartung, und umso besser ist es auch in unserer Wahrnehmung“

Dan Ariely

So irrational sogar, dass diese Irrationalität vorhersehbar ist. Ariely zufolge begehen wir nicht nur immer die gleichen Fehler, sondern machen sie auch immer und immer wieder, ohne viel daraus zu lernen. Einer Gruppe von amerikanischen Studenten präsentierte Ariely mehrere Weinflaschen, einen Trackball, eine Tastatur mit Maus, ein Buch und eine Pralinenschachtel und fragte sie, wie viel sie jeweils dafür bezahlen würden. Vor Abgabe der Gebote mussten die Probanden die letzten beiden Nummern ihrer Sozialversicherungsnummer notieren und bei jedem Produkt angeben, ob sie diesen Betrag in Dollar dafür ausgeben würden.

Nur welcher vernünftige Mensch lässt sich nun von den letzten beiden Zahlen seiner Sozialversicherungsnummer beeinflussen? Das verblüffende Ergebnis: fast jeder. Die Studenten mit den höchsten Endziffern gaben signifikant höhere Gebote ab als diejenigen mit niedrigen Endziffern. Solange Kaufentscheidungen durch willkürliche Einflüsse manipuliert werden können, argumentiert Ariely, dürfe man sich nicht darauf verlassen, dass das Wechselspiel von Angebot und Nachfrage automatisch zu Marktpreisen führe, die den größten Nutzen für alle Beteiligten widerspiegelten – wie es die traditionelle Wirtschaftstheorie voraussagt.

Eindrucksvoll sind auch die Experimente, mit denen er zeigt, wie sehr sexuelle Erregung Kaufentscheidungen beeinflussen kann. Nach dem Betrachten von Fotos attraktiver Frauen waren Männer durchgängig bereit, beispielsweise deutlich mehr Geld für Geschenke auszugeben. Der Mensch neige in emotional aufgeladenen Zuständen eben zu falschen Entscheidungen, folgert Ariely. Niemand, so seine beruhigende Botschaft, sei allerdings der Macht der Unlogik hilflos ausgeliefert. Wer wachsam ist und begreife, wann und wo er sich irrational entscheide, dem könne es gelingen, vorhersehbar irrationales Handeln zu vermeiden.

Die Finanzkrise und die abflauende Weltwirtschaft haben den Ölpreis in den vergangenen dreieinhalb Monaten stetig fallen lassen. Weder die Tropenstürme Gustav und Ike und die damit verbundene erhebliche Einschränkung der Ölförderung im Golf von Mexiko noch die Rettungsmaßnahmen für die Finanzbranche konnten diesem Preisverfall Einhalt gebieten. Wie sich der Ölpreis in Zukunft weiter entwickeln wird, ist eine gute Frage, auf die es keine seriöse Antwort gibt. Schließlich gerät die Öl verbrauchende Wirtschaft erst jetzt gerade ins Schlingern.

Tim Jacobsen

Schlechte Preise, gute Preise

Gerne bestätigen wir uns gegenseitig in Umfragen, das Gute tun und das Böse lassen zu wollen. Gerne üben wir verbal Verzicht, besonders dann, wenn es darum geht, die Zerstörung der Umwelt stoppen oder all denen helfen zu wollen, denen es schlechter geht als uns. Dennoch scheint kaum jemand von uns in der Lage zu sein, der Sogwirkung zu entkommen, die Billigangebote ausüben.

Dabei braucht es nicht allzu viel Fantasie, herauszufinden, wie es denn sein kann, dass die Taxifahrt zum Flughafen heutzutage oftmals teurer ist als der Flug selbst. Stellenabbau, Niedriglöhne und die großzügige Umlage der Umweltkosten auf die Allgemeinheit machen es möglich.

Um preiswertes auch in Zukunft günstig einkaufen zu können, ruft die planmäßige Bespitzelung von Mitarbeitern kaum Empörung hervor. Auch die Verweigerung allgemein üblicher Rechte wird stillschweigend in Kauf genommen, um weiterhin zu Ladenpreisen einkaufen gehen zu können, die den Produzenten nicht nur das allerletzte abverlangen, sondern auch eine umweltgerechte Produktion in vielen Fällen weitgehend verunmöglichen.

Die Schändung von Menschenrechten finden wir entsetzlich. Auf in China produzierte Waren wollen wir allerdings allenfalls verzichten, wenn wieder einmal Schwermetalle in Kinderspielzeug nachgewiesen werden. Nur wenig unterscheidet uns also von den Strategen in den Chefetagen der Multinationals. Auch dort werden letztendlich nur Preise verglichen und im Regelfall Entscheidungen zu Gunsten des günstigsten Angebots gefällt.

Wehe aber, die Einschläge nähern sich unserer Haustür. Der Aufschrei war groß, als Anfang des Jahres mit der Schließung des Nokiawerkes in Bochum nach BenQ und Motorola der letzte Mobiltelephonhersteller Deutschland verließ und damit innerhalb weniger Monate über 10 000 Menschen ihren Arbeitsplatz verloren. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers eilte damals umgehend nach Bochum, entrüstete sich, versprach den versammelten Mitarbeitern Hilfe und geißelte den Nokia-Konzern als „Subventionsheuschrecke“.

Letztendlich unterscheidet uns allerdings nur die Höhe des Einsatzes von den Konzernlenkern international tätiger Großkonzerne, denen wir Stellenabbau und Sozialdumping vorwerfen. Schließlich drücken wir durch unser Konsumverhalten die Preise, bis als Produktionsstandort nur noch Billiglohnländer in Frage kommen. Anders als noch vor wenigen Jahren befürchtet, sind es nicht die Ausländer im Inland, die uns die Arbeit wegnehmen, sondern die Ausländer im Ausland.

Ohne Billigboom hätte es aber wahrscheinlich den Bioboom nie gegeben

Tim jacobsen

Es ist ein leichtes, die Industriepolitik der Bushadministration zu kritisieren. Allerdings sind es nicht die USA, sondern die privaten Haushalte, die in ihrer Gesamtheit in den letzten Jahren die größten Steigerungsraten beim Energieverbrauch aufweisen. Es ist ja auch nur zu einfach. Wenn uns kalt wird, schalten wir die Heizung ein und abends bleiben nur die wenigsten Zimmer dunkel. Steigen dann die Energiepreise, kommt beinahe augenblicklich eine breite Protestfront zustande, die nicht einmal vor politischen Gegensätzen Halt macht.

Fast scheint es, als ob wir das Gegenteil tun von dem, was wir zu wollen vorgeben. Seit zwei Jahren können Österreichs Konsumenten zwischen Milchprodukten aus konventioneller, ökologischer und einer so genannten fairen Produktion wählen. Von einem Erfolgsmodell zu sprechen, hieße die Realität auf den Kopf zu stellen. In Deutschland verlor im selben Zeitraum die Bio-Rakete deutlich an Fahrt. Das im letzten Halbjahr verzeichnete Ausgabenplus im Frischebereich entspricht beispielsweise nur noch in etwa der allgemeinen Preissteigerung in diesem Marktsegment.

In demselben Maße, in dem über die Jahre hinweg unser Bewusstsein für weltweite Ungerechtigkeit und die Grenzen des Wachstums wuchs, wurde es schwieriger, den Verführungen der Billiganbieter zu entkommen. Ohne Billigboom hätte es aber wahrscheinlich den Bioboom nie gegeben. Das an der einen Stelle ausgegebene muss schließlich anderenorts eingespart werden. Heutzutage wird wie beim Metzger eingekauft: neben dem Billigsten, darf es immer auch ein bisschen vom ökologisch sinnvollsten gewürzt mit einer Prise vom Besten sein.

In einer perfekten Welt gäbe es keinen Anlass, über die Höhe angemessener Erzeugerpreise zu diskutieren. Da die Welt allerdings nicht so perfekt ist und Nachhaltigkeit, Fairness und Gerechtigkeit allenfalls erstrebenswerte Ideale darstellen, bleibt als einziger Ausweg, die Kaufentscheidung emotional aufzuladen. Sollen sich die Portmonees an der Gemüsetheke weiter öffnen, wird das keine rationelle Entscheidung der Konsumenten sein. Was wir brauchen, sind professionelle Marketingkonzepte, die sowohl Konsumenten als auch die Entscheider in den Einkaufsgremien der Supermärkte ansprechen. Zu argumentieren, dass die Preise zu niedrig sind, überzeugt nur diejenigen, die das sowieso schon immer gewusst haben.

Tim Jacobsen

Zukunft der Productschap Tuinbouw ungewiss

Die meisten Drehbuchautoren wären wahrscheinlich überfordert, müssten sie sich eine Geschichte ausdenken, in der eine Handvoll rebellischer Gärtner aus der nicht nur geographisch regierungsfernen Provinz Nordholland innerhalb weniger Jahre die Fundamente der umsatzstärksten aller niederländischen Productschappen, der Productschap Tuinbouw (PT), ins Wanken bringt.

Rund 40 % ihres Budgets von zuletzt über 70 Mio. € steckt die öffentlich-rechtliche PT jährlich in generische Marketingmaßnahmen. Und genau an diesem Punkt setzt die Kritik an: Finanziert wird die PT nämlich über ein feingestaffeltes Abgabensystem, dem diesseits der Legalität nicht zu entkommen ist. Betriebe, die jährlich mehr als 200 000 € Abgaben an die PT entrichten, sind keine Seltenheit.

Nicht unbedingt ein Wunder, dass sich da so mancher Betriebsinhaber denkt, es wäre besser, das Marketing selbst in die Hand zu nehmen. Immerhin würde dies erlauben, genau zu den Zeiten auf den Märkten tätig zu werden, die dann auch tatsächlich von Interesse sind.

Das Bloemenbureau Holland (BBH) als einer der Nutznießer dieser Aufwendungen für Gemeinschaftsmarketing argumentiert, dass nur in Ländern, in denen die Niederlande mehr als 50 % Marktanteil haben, entsprechende Werbemaßnahmen durchgeführt würden. Und da Blumen ja keine Markenartikel seien, wäre dem BBH zufolge kollektive Reklame ganz besonders vonnöten: Schließlich müsse man die wahre Konkurrenz für Blumen ja in den Bereichen Schokolade und Parfum suchen und nicht bei Blumen aus anderen Ländern.

Worauf die Kritiker dann wiederum auf die Rolle der Niederlande als Drehscheibe des Handels mit Gartenbauprodukten verweisen. Deswegen könne man die 50 % Hürde wahrscheinlich nur in den seltensten Fällen mit Gartenbauprodukten überspringen, die auch tatsächlich aus den Niederlanden stammen. Und wenn man dann noch Schokolade und Parfums dazu rechne, komme man nie und nimmer über die 50 %-Marke.

Generische Reklame für Produkte zu machen, von denen über die Hälfte nicht aus den Niederlanden stammen, sei wenig sinnvoll, solange dafür nur die niederländischen Produzenten bezahlen, lautet ein in der Auseinandersetzung immer wiederkehrendes Motiv.

Hauptinitiator der Kritik ist die so genannte Nieuwe Vrije Agrarische Federatie (NVAF). Ihr Vorsitzender Clemens Fischer und dessen Mitstreiter verstanden es, die öffentliche Diskussion über die Zukunft des Productschap-Wesens durch großen persönlichen Einsatz, geschickte Medienarbeit und spektakuläre Aktionen in Gang zu setzen – und zu halten.

Dabei wurde nicht nur mit scharfen Worten geschossen: Das Gebäude der Productschap Tuinbouw in Zoetermeer (NL) wurde Ende Januar 2005 besetzt – von Sympathisanten, wie NVAF meldete, um jede Verantwortung für diese Aktion von sich weisen zu können. Der Hauptsitz des Kontrollorgans der Productschappen wurde am 8. März 2005 von der Außenwelt abgeschlossen und seine Zugänge besetzt. Auslöser für diese Aktion war eine am selben Tag stattfindende Parlamentsdebatte über die Zukunft der Productschappen.

Hauptinitiator der Kritik ist die so genannte Nieuwe Vrije Agrarische Federatie

Tim Jacobsen

Vorläufig letzter Höhepunkt der Auseinandersetzung um das Wohl und Wehe der Productschap Tuinbouw war eine Mitte April dieses Jahres äußerst kontrovers geführte Debatte im niederländischen Parlament, die deutlich machte, dass die althergebrachte Pro-Productschap-Mehrheit des Parlaments bröckelt und zukünftige Abstimmungen keine reine Formsache mehr sein werden.

Seit ihrer Gründung im Jahre 2004 stellen die Wortführer der NVAF in regelmäßigen Abständen die Legitimität des Vertretungsanspruchs des niederländischen Bauernverbandes LTO mit dem Verweis darauf in Frage, dass weniger als die Hälfte der agrarischen Unternehmer Mitglied in dieser berufsständischen Vertretung seien.

Mehr als auf den ersten Blick deutlich wird, zielt dieses Argument auch in Richtung Productschap: Da aus der Productschap selbst nicht ausgetreten werden kann, ist neben der Totalverweigerung der Entrichtung der parafiskalischen Abgaben der Austritt aus der LTO die einzige Möglichkeit, Unmut zu äußern.

Noch in diesem Jahr will das niederländische Parlament über die Zukunft auch der Productschap Tuinbouw entscheiden. Der Ausgang dieses Verfahrens gilt als weitgehend offen. Obwohl die kritischen Stimmen rein rechnerisch in der Mehrheit sind, wird wahrscheinlich am Ende der Abstimmung ein Kompromiss stehen. Dieser könnte zu einer weiteren Demokratisierung dieser in vielen Dingen im Verborgenen operierenden Organisation führen.

Tim Jacobsen

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