"Now, here, you see, it takes all the running you can do, to keep in the same place. If you want to get somewhere else, you must run at least twice as fast as that!"

Kategorie: Gemüse (Seite 4 von 6)

Zukunft 2.0

„Nicht schon wieder“ wird sich so mancher wohl gedacht haben, als in den Medien über Wochen hinweg kaum ein anderes Thema diskutiert wurde als die Frage, wer wohl bei der auch offiziell Kanzlerduell genannten Fernsehdiskussion zwischen der Amtsinhaberin und ihrem Herausforderer besser abschneiden wird. Auch Wochen später steht eigentlich nur eines fest: wahlentscheidend werden die 90 Minuten wohl nicht gewesen sein. Wie schon 2005 und 2009 wurde auch dieses Jahr live aus den Studios in Berlin Adlershof gesendet. Und wie auch 2009 fand dieses Jahr in sowohl zeitlicher als auch räumlicher Nähe zum Kanzlerduell ein Zukunftskongress Gartenbau statt. War das Ziel 2009 noch der Gartenbau 2020, sollten 2013 bereits Visionen für die Zeit bis 2030 entwickelt werden.

Um es kurz zu machen: in zumindest dieser Hinsicht verfehlten die Organisatoren das Klassenziel. Was ihnen jedoch sehr wohl gelang, und dafür gebührt ihnen zu Recht vollstes Lob und bester Dank, ist, mit dem so genannten Bericht der Forschergruppe zum Zukunftskongress Gartenbau die bisher umfassendste Zusammenstellung der Rahmenbedingungen und zukünftigen Herausforderungen des deutschen Gartenbausektors vorgelegt zu haben – selbst wenn, wie in Berlin bemängelt wurde, für die gärtnerische Praxis durchaus relevante „Details“ wie etwa das Streitthema Pflanzenschutz nicht ausreichend berücksichtigt wurden.

Zwei Jahre Vorbereitungszeit waren dem Bericht vorausgegangen. Zwei Jahre, in denen in Umfragen, einem Internetportal, diversen Workshops und weiteren Treffen der „Forschungsbegleitenden Arbeitsgruppe“ Antworten auf die Leitfrage gesucht wurden, welche Szenarien für die zukünftige Entwicklung des Gartenbaus vorstellbar sind.

Zukunftskongress 2.0: Wissenschaftlich fundiert hellsehen

Tim Jacobsen

Diese Diskussion fand jedoch leider nicht den breiten Widerhall, den man ihr gerne gewünscht hätte: kaum jemand verirrte sich in das Diskussionsportal im Internet; auch die Expertentreffen fanden abgeschieden genug statt, um bei der eigentlich auf den Bericht der Forschergruppe aufbauenden Diskussion im Rahmen des Zukunftskongresses in Berlin dann in vielen Punkten doch wieder bei null beginnen zu müssen. Auch, da sich nicht alle Teilnehmer im Vorfeld intensiv genug mit der Diskussionsgrundlage auseinandersetzten.

So glich die Diskussion in vielerlei Hinsicht dem Kanzlerduell: Eine häufig unmoderierte Aneinanderreihung hauptsächlich gegenwartsbezogener Aussagen. Vielleicht war ja einfach nur das Themenspektrum eine Nummer zu groß geraten – schließlich sollte kein Zukunfts-Aspekt unbeachtet bleiben. Vielleicht fehlten aber auch die Jungen, über deren Zukunft ja eigentlich diskutiert werden sollte. Vielleicht mangelte es aber auch nur an einer für eine solche Diskussion eigentlich benötigten Gesprächskultur: So lange jeder Aussage droht, schubladenartig als zu banal oder emotional aufgeladen disqualifiziert zu werden, kann wohl keine Diskussion mit visionärem Anspruch aufkommen.

So wurde am Ende viel über die geringe Attraktivität der grünen Branche als Arbeitgeber oder das für Produzenten oftmals unbefriedigende Leistungs-/Preisverhältnis geredet. Wobei sich die sprichwörtliche Katze dann natürlich schnell in den Schwanz beißt: können die Löhne nicht steigen, da die Produktpreise so niedrig liegen und könnte vielleicht nicht doch generische Werbung all diesen Problemen den Garaus machen? Diskussionen also, für die es nicht unbedingt einen zweiten Zukunftskongress gebraucht hätte. Obwohl der Vorschlag, Warenmengen künstlich dadurch zu verknappen, indem das so genannte dritte Drittel der Betriebe von der Produktion ausgeschlossen wird, durchaus etwas Visionäres hatte – nur vielleicht nicht ganz zur Gegenwart passte.

Dass es dem Gartenbausektor angesichts der zukünftigen Herausforderungen nicht bang sein muss, betonte Ilse Aigner in ihrer Videobotschaft eingangs der zweitägigen Veranstaltung. Die Initiatorin der „Zukunftsstrategie Gartenbau“ ließ keine Zweifel daran aufkommen, dass der gärtnerische Berufsstand dank seiner ausgeprägten Innovationsfreude und hohen Einsatzbereitschaft in der Lage sein wird, die Zukunft zu meistern. Es lässt sich vorzüglich darüber spekulieren, wie die Diskussionen verlaufen wären, hätte mit einer größeren Anzahl von Unternehmern tatsächlich ein repräsentatives Spiegelbild des Berufsstandes im Publikum gesessen.

Tim Jacobsen

Erfolgsgeschichte Bio?

Zum Nürnberger Bio-Branchentreff jagt mit fast schon erstaunlicher Regelmäßigkeit ein Rekord den anderen – so auch dieses Mal: Wie Mitte Februar zu erfahren war, erreichte der weltweite Umsatz mit Biolebensmitteln zuletzt noch nie dagewesene 62,9 Mrd. US$, immerhin ein Plus von knapp 7 % gegenüber dem Vorjahr.

Von den 21,5 Mrd. €, die dabei in Europa mit Biolebensmitteln umgesetzt werden, entfällt knapp ein Drittel auf Deutschland. Das heißt aber nicht, das wir auch diejenigen wären, die Pro-Kopf am meisten für Biolebensmittel ausgeben würden: Die Verbraucher in unseren Nachbarländern Schweiz und Dänemark kommen auf rund doppelt soviel.

Zwar wurden die unter Bundeskanzler Gerhard Schröder für Deutschland geforderten 20 % Bio-Flächenanteil im Jahr 2010 außer auf den Falklandinseln und im Fürstentum Lichtenstein nirgendwo erreicht, ganz abgekommen von diesem Ziel ist aber auch die Regierung Merkel nicht. Im aktuellen Nachhaltigkeitsbericht stehen die 20 % noch immer als Zielmarke, wenn auch ohne Jahresangabe. Schriebe sich der Trend der letzten Jahrzehnte fort, sollte diese auch irgendwann erreicht werden – schließlich hat sich seit 1990 die Biofläche in Deutschland verzwölffacht, während sich gleichzeitig die Anzahl Biobetriebe versiebenfachte.

Hinter diesen Erfolgsziffern versteckt sich aber auch eine andere Zahl, wie aus einer Ende Februar veröffentlichten Studie des Thünen-Institutes in Braunschweig hervorgeht. So stellten zwischen 2003 und 2010 zwar 7 500 konventionelle Betriebe auf Bio um, im gleichen Zeitraum kehrten jedoch auch 3 000 Biobauern der Ökolandwirtschaft den Rücken – auf fünfzehn neue Biobetriebe kamen also sechs Betriebe, die just in diesem Geschäftsmodell keine Zukunft mehr sahen.

Und obwohl es im Sinne der nachhaltigen Förderung des Bioanbaus schon immer interessant gewesen wäre, nicht nur der Frage nachzugehen, warum Betriebsleiter auf Bio umstellen, schien es angesichts der Erfolgsmeldungen allerorten bisher kaum jemanden so richtig zu interessieren, warum gar nicht so wenige von diesem Weg auch wieder abkommen.

Einem Autorenteam um Dr. Jürn Sanders gelang es nun, diese Informationslücke zu schließen: Nicht weiter verwunderlich, spielen bei der Rückumstellung oft mehrere Faktoren eine Rolle. Kleinere Betriebe führen Dokumentationspflichten und Kontrollen als unverhältnismäßig an. Auch die gefühlte Praxisferne so mancher Ökorichtlinie ließ Produzenten in der Vergangenheit am eingeschlagenen Weg zweifeln.

Nicht weiter verwunderlich, spielen bei der Rückumstellung oft mehrere Faktoren eine Rolle. Kleinere Betriebe führen Dokumentationspflichten und Kontrollen als unverhältnismäßig an. Auch die gefühlte Praxisferne so mancher Ökorichtlinie ließ Produzenten in der Vergangenheit am eingeschlagenen Weg zweifeln. Zentral stand bei vielen Befragten jedoch die wirtschaftliche Situation ihres Betriebes

Dr. Jürn Sanders

Zentral stand bei vielen Befragten jedoch die wirtschaftliche Situation ihres Betriebes. Neben einem insgesamt zu niedrigen Einkommen waren dies häufig Vermarktungsprobleme, gekürzte Ökoprämien oder zu geringe Preisunterschiede zwischen konventioneller und Bioware. Dass der ökonomische Druck allerdings kein Bio-Spezifikum ist, beweist, wenn auch ungewollt, die Bild-Schlagzeile `Jetzt Betrug mit Bio-Eiern!´ vom 25. Februar – schließlich wurde im Sinne der Skandal-Maximierung geflissentlich übersehen, dass Ende Februar weit mehr konventionelle als Bio-Betriebe Gegenstand der behördlichen Untersuchungen waren.

Die Studie bestreitet nicht, dass es wohl auch immer Rückumsteller geben wird. Ihre Autoren weisen aber unmissverständlich darauf hin, dass die Anzahl Rückumsteller deutlich abnehmen könnte, könnten sich die Betriebe auf eine stimmige und vor allem konstante Förderpolitik verlassen. Dazu gehört dann beispielsweise, dass die einzelnen Bundesländer auf Sonderwege verzichten sollten. Auch sollten sich Agrarpolitik und andere Politikbereiche nicht widersprechen.

So können Landwirte seit geraumer Zeit ein Vielfaches verdienen, wenn sie Biogasanlagen statt ökologischem Landbau betreiben. Nicht zuletzt verspricht das Erneuerbare-Energien-Gesetz mit seiner zwanzig Jahre umfassenden Förderzusage auch finanziell etwas mehr Nachhaltigkeit, als wenn Bio-Prämien im einen Jahr um ein paar Euros steigen, um bei der nächsten Gelegenheit wieder zum Spielball politischer Interessen zu werden.

Es scheint kaum vorstellbar, dass dies- oder jenseits der kommenden Bundestagswahl jemand am Erneuerbaren-Energien-Gesetz rütteln könnte – selbst wenn trotz historisch niedriger Preise an der Strombörse derzeit die Rechnungen der Versorger dank EEG-Umlage so üppig wie nie zuvor ausfallen: Zu groß ist der Kreis an Profiteuren, die sich dank staatlich garantierter Traumrenditen beruhigt zurücklehnen und wahrscheinlich selten darüber nachdenken, welchen Unfug es darstellt, wenn sie an wind- oder sonnenreichen Tagen Geld dafür bekommen, keinen Strom einzuspeisen und wenn wir für unseren teuer produzierten Ökostrom sogar Aufpreis bezahlen, um ihn im Ausland loszuwerden.

Tim Jacobsen

Ungeheuer Mehrwertsteuer – droht neues Ungemach?

Eine leise Vorahnung, dass der Vorstoß der Europäischen Kommission, bis Ende 2013 einen Weg hin zu einem „einfacheren, robusteren und effizienteren MwSt.-System“ zu finden noch so manche Fallstricke bergen wird, beschleicht einen spätestens beim Blick auf den Kassenzettel der Feiertagseinkäufe: Für die französische Gänseleber, den Apfel vom Bodensee und die Garnelen aus dem arktischen Ozean wird der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent berechnet; für Erdbeeren in Marmeladenform und den Birnensaft vom Direktvermarkter ums Eck sind hingegen volle 19 % fällig.

Kein Wunder, dass auch der Bundesrechnungshof dem gesunden Menschenverstand beipflichtet und der Bundesregierung im Jahr 2010 mit auf den Weg gab: „Der Katalog der begünstigten Gegenstände ist unübersichtlich und teilweise widersprüchlich. … Bei einer Reihe von Gegenständen ist zudem nicht zu begründen, warum der ermäßigte Steuersatz gewährt wird. Teilweise mutet die Abgrenzung willkürlich an.“

Die Bundesregierung nahm sich seinerzeit der Aufgabe an und setzte, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, eine Kommission ein, „die sich mit … dem Katalog der ermäßigten Mehrwertsteuersätze“ befassen sollte. Neben einer nicht gerade überraschenden Meinungsvielfalt in der Koalition führten die Machtverhältnisse im Bundesrat im weiteren Verlauf dazu, dass das noch im Februar 2011 vom damaligen Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle lauthals als „Flurbereinigung bei den Steuersätzen“ postulierte Projekt bereits im Laufe des darauf folgenden Sommers still und heimlich wieder in den Schubladen verschwand. Glück im Unglück, möchte man meinen angesichts von Vorschlägen, die nicht weniger als eine Abschaffung aller Vergünstigungen einhergehend mit einer Senkung des regulären Steuersatzes forderten. Zudem es ja auch wenig wahrscheinlich scheint, dass die Bundesregierung mit ähnlich gearteten Slogans in den Wahlkampf ziehen könnte.

„Flurbereinigung bei den Steuersätzen“

Forderung von Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle

Allerdings kann bis zum 22. September 2013 noch viel passieren und das schlimmstmögliche Szenario wäre dann auch vielleicht gar nicht einmal ein weitreichender Meinungsumschwung im Wahlvolk, sondern ein Abflauen der derzeit insbesondere den Deutschen günstig gewogenen Konjunktur: Unbarmherzig würde dies die Schieflage des Bundeshaushaltes entlarven und unweigerlich Kaskaden von Vorschlägen zur Stopfung der größten Haushaltslöcher in Gang setzen. „Schäubles Liste“, die passend zum Weihnachtsfest ihren Weg in das Nachrichtenmagazin Der Spiegel fand, gibt einen Vorgeschmack auf das, was uns möglicherweise erwartet.

Zwar würde aus dem dann einsetzenden Hauen und Stechen nicht unbedingt die Berufssparte mit der schlüssigsten Argumentation als Sieger hervorgehen, gleichwohl hätte der Zierpflanzenbau eine Reihe schlüssiger Argumente auf seiner Seite. Wurde bisher immer das mittlerweile schon etwas angestaubte Beispiel Frankreich herangezogen, steht nun mit den Absatzentwicklungen in den Krisenländern Südeuropas hochaktuelles Zahlenmaterial zur Verfügung.

So wurde beispielsweise in Spanien im September letzten Jahres der Mehrwertsteuersatz für Blumen dem Regelsatz angeglichen, was im Folgemonat zu einem Umsatzrückgang von rund 15 % führte. Einen Nettoumsatzrückgang in ähnlicher Größenordnung hatten die französischen Kollegen erlebt, nachdem der Gesetzgeber dort im Jahr 1991 die Ermäßigung des Mehrwertsteuersatzes für Zierpflanzenprodukte strich. Zwar stieg der Bruttoumsatz im Folgejahr leicht an, ob das vermehrte Steueraufkommen jedoch die Entlassung von weit mehr 10 000 Mitarbeitern kompensieren konnte, wird von Fachleuten zu mindest in Zweifel gezogen.

Schließlich sprechen die Zahlen, wie sie beispielsweise die Agrarökonomen des niederländischen LEI errechnet haben, für sich. Würden in allen EU-Ländern die ermäßigten Mehrwertsteuersätze für Zierpflanzenprodukte den regulären Sätzen angeglichen, hätte dies im europäischen Einzelhandel einen Umsatzrückgang von 3,5 Mrd. € zur Folge. Der europäische Großhandel müsste rund 2,7 Mrd. € kompensieren, auf Produktionsebene kämen noch einmal Umsatzverluste in Höhe von 1,7 Mrd. € hinzu.

Knapp 29 000 Arbeitsplätze gingen dadurch in der Produktion verloren, im Handel kämen noch einmal knapp 31 000 verlorene Arbeitsplätze dazu. Und nicht nur in Europa würde dieser Kahlschlag seine Spuren hinterlassen: Die afrikanischen Schnittblumenexporteure hängen beispielsweise nahezu vollständig vom europäischen Binnenkonsum ab.

Die Frist, bis zu der EU-Kommissar Algirdas Šemeta Vorschläge zur Reform des Mehrwertsteuersystems für die Ausarbeitung seines Rechtsvorschlags berücksichtigen wollte, lief am 3. Januar 2013 weitgehend unbemerkt ab. Ein Schicksal, das er mit seinem Kommissionskollegen Dacian Cioloş teilt: Als dieser die Bürgerinnen und Bürger Europas aufforderte, Vorschläge zur Gestaltung der zukünftigen gemeinsamen Agrarpolitik zu machen, kam er gerade mal auf 5 000 Einsendungen.

Tim Jacobsen

`Bio´ in aller Munde

So wenig, wie das Anfang September in der ARD-Reportage Fakt-Exklusiv gezeigte Fallbeispiel Missstände in der biologischen Fleischproduktion widerspiegelt, so wenig repräsentativ waren auch die mehreren hunderttausend Tonnen fälschlicherweise als Bioware vermarkteten Agrarprodukte, die zu Jahresbeginn für Aufruhr sorgten.

Während im ersten Fall die Aufregung über die mecklenburgisch-vorpommerschen Schweine schnell vergessen ließ, dass sich Ställe rechnen müssen und auch Bioproduzenten angesichts der allgemeinen Zahlungsbereitschaft keine Streichelzoos betreiben können, zeigte das zweite Beispiel, dass, wo immer es Geld zu verdienen gibt, stets auch ein Anreiz zum Betrug gegeben ist – wobei der Anreiz naturgemäß umso größer ist, je weniger involviert man selbst ist: Verliere ich mit der Lizenz zur Bioproduktion gleichzeitig meine Geschäftsgrundlage, liegt die Hemmschwelle höher als wenn ich heute mit gefälschten Bioprodukten handle, morgen mit irgendeiner anderen Art von Plagiat.

In die Hände spielte den Biofälschern der hohe Importanteil: Schätzungen gehen davon aus, dass in Deutschland das Biomarktvolumen rund doppelt so schnell gestiegen ist wie die Anbaufläche, was zwangsläufig dazu führte, dass in vielen Produktfällen Regionalität nicht gegeben sein kann. Rund die Hälfte der Biomöhren und –äpfel werden importiert, bei den -tomaten sind es sogar mehr als vier Fünftel.

In die Hände spielte den Exporteuren aus dem Süden mit Sicherheit auch das Wirrwarr an Siegeln: so wurde das vor zehn Jahren eingeführte grünweißschwarze Sechseck mit dem Schriftzug „Bio nach EG-Öko-Verordnung“ im Jahr 2010 um das EU-Bio-Logo mit seinen 12 weißen Sternen, die ein stilisiertes Blatt auf grünem Grund formen, ergänzt. Beide Siegel nehmen sich im Grunde nicht viel – mit dem Unterschied, dass bei Importware nicht Ilse Aigners Ministerium sondern die Kontrollbehörde des jeweiligen Herkunftslandes für die Einhaltung der Spielregeln bürgt.

Niemand bestreitet, dass es zwischen Bio- und konventioneller Produktion jede Menge klarer Unterschiede gibt: Inzwischen ist allgemein bekannt, dass in der Bioproduktion weder chemischer Pflanzenschutz noch Kunstdünger oder Gentechnik zum Einsatz kommen und auch gegen die Verwendung des nicht nur in Biokreisen vielgeschmähten Glutamats gibt es mehr als nur Vorbehalte.

Am Beispiel Geschmacksverstärker lässt sich dann auch veranschaulichen, warum die Diskussion für oder wider `Bio´ oft in einen Glaubenskrieg umschlägt. Zwar darf in der Weiterverarbeitung von Biolebensmitteln keines der Salze mit den wenig aussagekräftigen Bezeichnungen E 621 – 625 verwendet werden, die Zugabe von Hefeextrakt ist aber sehr wohl erlaubt – und in diesen Extrakten steckt dann wiederum jede Menge Glutamat.

„`Bio´ nur wenig gesünder“

Publikumspresse

Dass sich angesichts dieser oft kleinen aber feinen Unterschiede auch Kommunikationsprofis gar nicht so leicht tun, die Bio-Spreu vom Weizen zu trennen, zeigt die in den letzten Wochen auf so gut wie allen Kanälen geführte Diskussion über die Ergebnisse einer Studie, in der wieder einmal der Frage nachgegangen worden war, ob Biokost gesünder ist als konventionelle Ware. Der Hauptunterschied zu all den Vorgängerstudien, die `Bio´ seit jeher begleiten, ist, dass dieses Mal noch mehr Studien aus einem noch längeren Zeitraum als jemals zuvor miteinander verrechnet wurden.

Das ernüchternde Ergebnis: kaum Produktunterschiede bei den so genannten inneren Werten. Der Gehalt an Phenolen und Phosphor lag in den Bio-Varianten zwar etwas höher; allerdings scheint, was den Polyphenolgehalt angeht, Kaffeetrinken die zielführendere Alternative und auch die Bedrohung durch Phosphormangel ist in unseren Breiten überschaubar. Ebenfalls wenig überraschend wurden in der Metastudie relevante Unterschiede festgestellt, was Rückstände angeht. Allerdings wird die Bedeutung dieses Befundes mit dem Hinweis darauf relativiert, dass die Rückstände von Pflanzenschutzmitteln keine alarmierenden Größenordnungen erreichen, beide Varianten also im absolut sicheren Bereich liegen.

In der Lesart der Publikumspresse führte das zu Schlagzeilen wie „`Bio´ nur wenig gesünder“ und wurde je nach Glaubensrichtung als so genanntes Bio-bashing oder das Ende des Bio-Marketinghypes interpretiert. Wollte man der Sache tatsächlich auf den Grund gehen, müsste man die Frage zu beantworten versuchen, wie sich Bio- im Vergleich zu konventioneller Kost langfristig gesundheitlich bemerkbar macht. Dies scheint jedoch fast unmöglich, denkt man an weitere Einflussfaktoren wie Bewegung, Bildung, Einkommen oder Lebensstil. Diskutiert man die Studie mit Ernährungsfachleuten, wird schnell klar, dass die Fragestellung eigentlich auch ganz anders lauten sollte: Spielt denn nicht weniger die Herstellungsmethode sondern vielmehr die Auswahl der Lebensmittel die entscheidende Rolle? Und da zeigen Gemüse, Vollkorn- und ballaststoffreiche Kost kombiniert mit allenfalls moderatem Fleischkonsum signifikant lebensverlängernde Wirkung.

Tim Jacobsen

Die weiteren Aussichten: Heiter bis wolkig

Rob Baan ist schwer zu fassen: sobald man glaubt, jetzt müsste doch eigentlich der Moment gekommen sein, an dem er kurz innehält, verblüfft er sofort mit neuen Aktivitäten. Kurz nach Fertigstellung seines Gewächshausneubaus, der im Verbinder endlich einmal genug Platz für zumindest die spektakulärsten Auszeichnungen der letzten Jahre bietet, ging 24Kitchen on air, ein von ihm initiierter Fernsehsender, der Frischprodukte und ihre Verwendung zum Thema hat.

Vorläufig letzter Streich Baans war sein Auftritt bei TED x Binnenplein, der nicht nur den niederländischen Thronfolger und seine Frau begeistern konnte. Baan machte dabei auf das Missverhältnis aufmerksam, dass Schokoladenriegelfabrikanten ihre Produkte mit dem Energiegehalt bewerben können, die gesundheitsfördernde Wirkung von Brokkoli beispielsweise jedoch verschwiegen werden muss. Baan forderte dazu auf, dass, anders als bisher, nicht Gesundheitsrisiken und Krankheiten, sondern die positiven Auswirkungen gesunder Ernährung im öffentlichen Fokus stehen sollten. Sichtbares Zeichen könnte die Einrichtung eines Ministeriums für Ernährung und Gesundheit sein.

Vorläufig letzter Streich Baans war sein Auftritt bei TED x Binnenplein, der nicht nur den niederländischen Thronfolger und seine Frau begeistern konnte

Tim Jacobsen

Wenige Tage zuvor hatte Dr. Andreas Brügger vom Deutschen Fruchthandelsverband beim Deutschen Obst- und Gemüsekongress in Düsseldorf Zahlen präsentiert, die belegten, dass in Deutschland sowohl bei der Einkaufsmenge pro Haushalt als auch beim Pro-Kopf-Verbrauch von Obst und Gemüse die Trendlinien rückläufig sind und wir uns von der empfohlenen Verzehrsmenge weiter denn je entfernen.

Dies, obwohl Obst und Gemüse zu den Favoriten des Handels zählen, wie Helmut Hübsch vom Nürnberger Marktforschungsunternehmen GfK zuvor erläutert hatte. Nicht nur liegen Obst- und Gemüse fast gleichauf mit dem Spitzenreiter Molkereiprodukte, was ihren Anteil bei den so genannten Frische-Warengruppe-Artikeln mit großer Kaufhäufigkeit (FMCG) angeht.

Nimmt man neudeutsch Shoppertraffic als Maßstab, lag die Warengruppe Obst und Gemüse letztes Jahr sogar an erster Stelle. Im Frühjahr 2011 machte die Consumer Index für Obst und Gemüse genannte Kennzahl in den Monaten Januar bis April Hübsch zufolge selbst mit positiven Veränderungsraten sowohl gegenüber dem Vorjahr als auch gegenüber der Gesamtentwicklung für die Fast Moving Consumer Goods auf sich aufmerksam.

Die wenigen Wochen zwischen den Bildschlagzeilen „Lebensgefährlicher Erreger infiziert 20 Menschen!“ und „EHEC: Ist jetzt alles vorbei?“ genügten dann allerdings, die Absatzmengen bei Gurken, Tomaten, Salaten und Blattgemüsen von Woche 20 auf Woche 22 teilweise deutlich mehr als nur zu halbieren. Während sich bei Strauchtomaten beispielsweise dann die Situation ab Woche 26 deutlich entspannte, erreichte der Gurkenmarkt erst Ende August wieder das Niveau der vorangegangen Jahre. Salate und Blattgemüse kamen im von Hübsch präsentierten ConsumerScan Ende Juli wieder in den Bereich der Kennzahlen des langjährigen Mittels.

Interessant wird es, wenn man die monatlichen Durchschnittstemperaturen mit denen des langjährigen Mittels vergleicht und diesen Kurven dann wiederum die Abverkaufsentwicklung gegenüberstellt. Hübsch zeigte die Auswirkungen des im langjährigen Vergleich deutlich zu kühlen Monats Mai 2010 auf die Absatzentwicklung bei Erdbeeren und Spargel, die der vergleichsweise warme Juni im selben Jahr dann wiederum teilweise wettmachen konnte und verglich diese Entwicklungen mit den letztjährigen Wetterdaten. Ein vergleichsweise warmes Frühjahr führte 2011 dazu, dass die Abverkaufsentwicklung bei Erdbeeren im Mai 2011 knapp das Doppelte der Tonnage aus dem Jahr zuvor ergab.

Die Salate starteten im April 2010 mit einer im Vergleich zu 2011 rund 10 % niedrigeren Tonnage in die Frühjahrssaison. Ein Temperatursturz deutlich unter das langjährige Mittel führte im Mai 2010 wiederum zu einem Rückgang des Abverkaufs, ein Trend der sich im vergleichsweise warmen Juni fortsetzte und erst mit den hochsommerlichen Temperaturen im Juli 2010 wieder umkehrte. 2011 starteten die Salate bei salatfreundlichen Klimabedingungen, von April bis Juni kommt es Hübsch zufolge zu einer Halbierung des Absatzes. Im Juli 2011 wiederum, als die Temperaturen anders als im Jahr zuvor unter das langjährige Mittel fallen, kommt es zu einer Umkehr des Trends – im August schließlich stabilisiert sich der Absatz auf dem Niveau des Vorjahres.

Zu kämpfen hatten im letzten Jahr auch die traditionellen Sommerprofiteure in den Getränkemärkten und an den Frischfleischtheken, die zwischendurch Absatzrückgänge von 14 bzw. 30 % verzeichnen mussten. Aber ähnlich wie sich die letztes Frühjahr zwischendurch sprunghaft angestiegene Beliebtheit des Fachhandels als Einkaufsstätte für Obst und Gemüse wieder nivelliert hat, gleicht sich auch der bio-Kf-Index wieder den Zahlen des Vorjahres an.

Zum einen sind das gute Nachrichten, da es zeigt, dass die Gedanken der Konsumenten schnell wieder mit anderen Dingen beschäftigt sind und sich auch Extreme relativ schnell wieder einpendeln. Zum anderen beweist es einmal mehr, wie abhängig wir vom Wetter und anderen Variablen sind, auf die wir kaum Einfluss haben – genauso wenig wie auf das Konsumklima, das sich zwar seit Anfang 2010 stetig stabilisiert hat, die konsumfreundlichen Rahmendaten aber unter den gegenwärtigen Voraussetzungen jederzeit ein jähes Ende finden können.

Tim Jacobsen

Ein Blick in die Kristallkugel: Szenarien für die zukünftige Entwicklung des Gartenbaus

Gäbe es jemanden, der vorhersehen könnte, welche Entwicklung die Wirtschaft im Großen wie im Kleinen demnächst nehmen wird, würde diese Person sicher einen Teufel tun und das an die große Glocke hängen. So bleibt uns armen, nicht zum Hellsehen befähigten Normalsterblichen dann auch nur das Skizzieren wahrscheinlich anmutender Szenarien, um besser vorbereitet zu sein auf das, was da kommen mag.

In einer unlängst im Rahmen der Floriade vorgestellten Publikation mit dem Titel IN2030 entwickelten Ökonomen der Rabobank Szenarien für die zukünftige Entwicklung des Gartenbaus, die mal düsterer, mal freudvoller stimmen. An der Benennung der Szenarien, die analog zum Lauf der Jahreszeiten erfolgte, lässt sich bereits erahnen, was uns erwartet, falls bis zum Jahr 2030 tatsächlich alles so kommen sollte:

An der Benennung der Szenarien, die analog zum Lauf der Jahreszeiten erfolgte, lässt sich bereits erahnen, was uns erwartet

im Rahmen der Floriade vorgestellte Publikation mit dem Titel IN2030

– Optimismus wohin man guckt, die ökonomischen Vorzeichen auf Wachstum – mit einem Wort: `Sommer´. Alles, was sich der Gartenbau im Jahr 2012 vorgenommen hat, wurde bis 2030 erreicht: Verschiedene Absatzorganisationen wurden gegründet, die Massenproduktion nahm zugunsten teuer bezahlter Spezialitäten ab und auch, was Nachhaltigkeit angeht, hat sich einiges verbessert. Nur der technologische Fortschritt stellt sich langsamer als erhofft ein. Die größten Geschäftserfolge verbuchen diejenigen, die gemeinsam mit Berufskollegen innovative Produkte und Konzepte auf den Markt bringen: Anstatt über den Preis konkurrieren sie über den Mehrwert.

– Missgunst und Protektionismus bestimmen dagegen das Szenario `Herbst´. Die Macht im europäischen Gartenbau liegt in der Hand einiger weniger Unternehmen, die ihre Position im Kampf um Produktionsfaktoren wie Energie und natürliche Ressourcen ausnutzen. Aufgrund geopolitischer Spannungen sind die internationalen Warenströme weitgehend versiegt. Obst, Gemüse und Schnittblumen finden als Regionalprodukte starken Absatz. Die großen Gartenbaubetriebe überleben Preissenkungsrunden und Naturkatastrophen nicht zuletzt dank ihres Zugangs zu Marktinformation, neuen Technologien und Kapital. Der Rest der Betriebe sucht sein Heil in Kreativität und Flexibilität.

– `Winter´ ist eine Welt ohne nennenswertes ökonomisches Wachstum. Regulierungswut, Protektionismus, hohe Inflationsraten und Rohstoffpreise führen zu Stillstand. Viele Möglichkeiten bleiben aus einem Mangel an Entschlussfreudigkeit und fehlender Bereitschaft zur Kooperation ungenutzt. Strukturkonservatismus hat sich breit gemacht – in ihrer Angst vor Risiken setzen die Gartenbaubetriebe einseitig auf alte Rezepte wie die Senkung der Gestehungskosten. Aus Mangel an Innovationskraft geht die gartenbaulich genutzte Fläche stets mehr zurück. Konzepte wie Local-for-local finden großen Anklang.

– Turbulent, nachhaltig und international präsentiert sich dagegen `Frühling´. Veränderungen am laufenden Band sorgen stets wieder für Überraschungsmomente und verhelfen vielen Ideen zum Wachstum. Sowohl die großen Produktionsbetriebe als auch die kleinen Spezialisten stürzen sich auf allerlei Nischen- und Premiumprodukte. Flexible Mitarbeiter sorgen für die richtigen Beziehungen und wissen, an welchen Knöpfen gedreht werden muss, um erfolgreich zu sein. Gefragt sind aber auch Spezialisten, die ihr Fach vollkommen unter Kontrolle haben, sei es nun Kulturführung, Verkauf oder Personalmanagement. Häufig arbeiten sie für verschiedene Auftraggeber und können dadurch ihr Wissen stets erweitern.

Egal, in welche Richtung das ökonomische Pendel auch ausschlagen wird – klar ist, dass es ein paar einfache Schritte gibt, die bei der Bewältigung dieser Herausforderungen helfen:

– Viele Gärtner beklagen, dass die geschäftlichen Rahmenbedingungen, innerhalb derer sie sich bewegen, stets unvorhersehbarer werden. Diesem Tatbestand lässt sich nur mit erhöhter eigener Flexibilität begegnen. Hilfreich dabei kann es beispielsweise sein, Mitarbeiter mit einem ganz anderen als dem eigenen Hintergrund zu beschäftigen, Vortragsveranstaltungen hauptsächlich für den intensiven Meinungsaustausch mit den Berufskollegen zu nutzen und innerbetrieblich für eine angenehme Arbeitsatmosphäre zu sorgen. Regelmäßige Gespräche mit Lieferanten und den Abnehmern der Ware sollten genauso zur Betriebskultur gehören wie die Kontaktaufnahme mit dem Endkunden.

– Veränderungen sollten aufmerksam studiert werden und in erfolgreiche nächste Schritte übersetzt werden. Das erfordert auf Seiten des Managements jedoch einen guten Überblick und ein breites Wissen. Dabei müssen vielleicht auch einmal die gewohnten Pfade verlassen werden – alles ist möglich; was es braucht sind Träume, Intuition und Durchsetzungsvermögen. Wer sich das selbst nicht zutraut, kann professionelle Hilfe zu Rate ziehen.

– Wenn sich abzeichnet, dass geringe Margen ein Kennzeichen des eigenen geschäftlichen Umfelds sind, sollte das Gewinnstreben im Vordergrund stehen. Eine Möglichkeit kann beispielsweise sein, den Betrieb zu vergrößern oder zu verkleinern, um ihn der für die jeweiligen Strukturen optimalen Größe anzupassen. Stellt sich die Gewinnsituation dann noch immer unzufriedenstellend dar, muss das Ruder umgeworfen werden. Produktionsverlagerung, die Umstellung auf Exklusivsorten oder neue Produkt-Marktkombinationen können neben einer kompletten Neuorientierung mögliche Wege sein.

– Auch ein Zuviel an Flexibilität kann hinderlich sein. Diese Betriebe könnte dann beispielsweise ein verstärktes Risikomanagement weiter nach vorne bringen. Das zeitweise Aufgeben von Flexibilität kann zu Kosteneinsparungen führen. Die Einführung von Innovationen und die Entwicklung neuer Markt-Produktkombinationen kosten nun einmal zwangsläufig Geld und bringen das Risiko des Scheiterns mit sich. In einem Umfeld, in dem vieles vorhersehbar erscheint und sich nur weniges weiter entwickelt, sollten Experimente gut bedacht werden.

Die Welt steht nicht still – genauso wenig wie der Gartenbau. Den eigenen Standort zu bestimmen, und die eigenen Ziele auf ihre Umsetzbarkeit hin zu überprüfen, ist dann auch keine einmalige Sache. Flexibel zu bleiben und regelmäßig die richtigen Schlüsse zu ziehen, könnte der Schlüssel zum Erfolg sein – egal, welches Szenario bis zum Jahr 2030 Wirklichkeit wird.

Tim Jacobsen

Nach der Krise ist vor der Krise: Jetzt Kommunikationsstrukturen etablieren!

Ein bürokratisches Ungetüm namens „Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Durchführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften“ und darin enthalten eine „Beschleunigung des Meldewegs bei meldepflichtigen Infektionskrankheiten“ ist eine der wenigen konkreten Maßnahmen, die aus der Antwort der Deutschen Bundesregierung auf die Kleine Anfrage von Abgeordneten der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen nach „strukturellen und kommunikativen Konsequenzen aus der EHEC-Krise“ hervorgehen.

Viel konkreter ist dann schon der finanzielle Schaden, wie aus so gut wie allen europäischen Ländern berichtet wird: So führte beispielsweise in Belgien das Aufeinanderfolgen von anhaltender Trockenheit, EHEC-Krise und Unwetterschäden dazu, dass das durchschnittliche Betriebseinkommen in Landwirtschaft und Gartenbau im Vergleich zum ohnehin nicht üppig ausgefallenen Vorjahr nur mehr rund die Hälfte betragen wird. Dass diese Bilanz nicht noch verheerender ausfällt, ist einzig und allein der positiven Umsatzentwicklung im Bereich der tierischen Produktion zu verdanken, die in der Zahlenwelt der Statistiker einen Großteil des Umsatzrückgangs im Bereich der pflanzlichen Produktion wieder wettmacht.

„Beschleunigung des Meldewegs bei meldepflichtigen Infektionskrankheiten“

Antwort der Deutschen Bundesregierung auf die Kleine Anfrage von Abgeordneten der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen nach strukturellen und kommunikativen Konsequenzen aus der EHEC-Krise

In den Niederlanden hatte die EHEC-Krise sogar Auswirkungen auf die Tarifverhandlungen für die Beschäftigten im Obst- und Gemüsehandel. Während die Arbeitnehmerseite für einen Inflationsausgleich plädierte, verwies die Arbeitgeberseite auf eklatante Liquiditätsprobleme als Folge der EHEC-Krise. Und auch bei den Gemüsegärtnern in unserem westlichen Nachbarland sieht es alles andere als rosig aus. Die Statistiker rechnen für dieses Jahr mit einem Rückgang des Produktionswertes im niederländischen Gemüsebau um rund ein Fünftel, was immerhin etwa 375 Mio. € entsprechen wird.

Nicht viel anders die Situation in Österreich: der größte Gemüsevermarkter LGV erwartet für 2011 ein Umsatzminus von 5 %. Für LGV-Vorstand Gerald König fiel der Höhepunkt der EHEC-Krise mit dem russischen Importstop Anfang Juni zusammen: „Das hat einen katastrophalen Preisverfall ausgelöst.“ Am schlimmsten getroffen habe es dann aber gar nicht die Gurken, sondern die Tomaten. „Rispentomaten wurden teilweise um 44 Cent pro Kilo verschleudert“, kritisiert König und erklärt, dass die Folgen dieser Entwicklung noch gar nicht abzusehen sind: „Der Konsument kann ja gar kein Preisgefüge mehr haben.“

König erwartet allenfalls eine langsame Erholung des Gemüsemarktes: „Jetzt steigen die Preise zwar wieder, sie dürften aber nächstes Jahr bis zu 15 % unter dem Wert von 2010 liegen.“ Schließlich habe Russland zwar im August den Importstopp aufgehoben, sei aber in den Wochen zuvor auf Exporteure in Serbien, der Türkei und Georgien ausgewichen und dabei König zufolge auf den Geschmack gekommen. Einziger Lichtblick im Geschäftsjahr der LGV war das Premiumsegment: mit ausgewählten Tomatensorten, Minigurken, Auberginen und weiteren Spezialitäten konnte ein deutliches Umsatzplus erzielt werden.

Einen ähnlichen Ansatz verfolgte Miranda van Kester, als sie sich Ende September 2011 beim Westland Event im niederländischen Aalsmeer gewissermaßen in die Höhle des Löwen wagte. Vor den Augen und Ohren von ganz Unter-Glas-Niederlande stellte sie ihre Hypothese, „die Auswirkungen der EHEC-Krise hätten mit einer deutlichen Positionierung der Produkte abgemildert werden können“ zur Diskussion: „Nur weil die Produkte vom Konsumenten als miteinander austauschbar wahrgenommen werden, konnte während der EHEC-Krise so gut wie der gesamte niederländische Gartenbau auf einen Schlag unter Generalverdacht geraten.“

Van Kester räumt ein, dass Marketingbudgets im Gartenbau bisher kaum eine Rolle spielen. Sie weiß auch, dass die Schlagkraft der allermeisten Gartenbauunternehmen zu klein ist, um groß über Markenstrategien nachzudenken. Am Beispiel der so genannten Honingtomaatje und dem kleinen, aber feinen Siegeszug von Willem & Drees zeigte sie jedoch, dass Markenstrategien jenseits von Chiquita oder Kanzi möglich sind – ausreichend finanzielle Mittel, Einsatz und Wagemut vorausgesetzt.

Neben den 227 Mio. € an Entschädigungszahlungen stellte die Europäische Union im Rahmen des EHEC-Hilfsprogramms auch 17 Mio. € für vertrauensbildende Maßnahmen im Obst- und Gemüsebereich zur Verfügung. Es bleibt zu hoffen, dass Mitte November bei der Verteilung dieses Geldes mehr als 7 % nach Deutschland gehen – und damit der Grundstein für nachhaltig vertrauens- und damit konsumfördernde Maßnahmen gelegt wird, an deren Fortbestand auch nach Ablauf des Kampagnenzeitraums von drei Jahren keine Zweifel aufkommen.

Auf dass beim nächsten Krisenfall eine eventuell notwendige weitere Optimierung der innerbehördlichen Meldekette dann tatsächlich der einzig verbesserungswürdige Tatbestand ist.

Tim Jacobsen

Verzehrswarnung aufgehoben – Rätsel bleiben; Verteilung der EHEC-Entschädigungszahlungen wirft viele Fragen auf

Rund 15 000 kg schwer soll die Bockshornkleesamenlieferung gewesen sein, von der ein verschwindend kleiner Teil auf dem Bienenbütteler Gärtnerhof zum Keimen gebracht wurde. Angesichts dessen, dass der Rest dieser Samenlieferung von Ägypten aus in über 12 europäische Länder verteilt wurde, ist es doch mehr als erstaunlich, dass sich von wenigen Fällen in Frankreich abgesehen das EHEC-Ausbruchsgeschehen hauptsächlich in Deutschland abspielte.

Nicht weniger verwunderlich ist es, dass dem Nachweis des Erregers auf einer Gurke nicht weiter nachgegangen wurde – unter dem Hinweis darauf, dass die Probe einer Mülltonne entnommen wurde – während eine ebenfalls einer Mülltonne entnommene, mit dem Erreger befallene Sprossenprobe als schlüssiger Beweis für die Vermutung herhalten musste, die Biobauern aus Bienenbüttel seien Verursacher der ganzen Misere.

Da spielte es dann auch keine Rolle mehr, dass in keiner der vielen hundert auf dem Betrieb genommenen Proben EHEC nachgewiesen werden konnte und seitdem sogar die beiden Hofhunde offiziell als EHEC-frei gelten können. Die vom niedersächsischen Landwirtschaftsminister als „Spinne im Netz“ bezeichneten Bienenbütteler Gärtner werden den Ruf, Verursacher der EHEC-Epidemie gewesen zu sein, wohl nie wieder los.

Im Nachhinein waren sich dann ja auch alle schnell darüber einig, dass der Erreger über befallene Sprossen in die Nahrungskette gelangt sein musste. Schließlich waren doch erst vor fünfzehn Jahren neuntausend japanische Schulkinder nach dem Verzehr von Rettichsprossen an EHEC erkrankt und sind nicht überhaupt die Keimbedingungen für Samen und Erreger gleichermaßen optimal?

Schnell in Vergessenheit geriet dagegen der EHEC-Fund in einem Bachlauf im Hessischen, und auch über die im Zuge der großflächigen Untersuchungen auf Gemüse gefundenen EHEC-Erreger anderen Typs sprach schon bald niemand mehr. Stringentes Krisenmanagement sieht anders aus.

Da erstaunt es dann kaum mehr, dass auch die Abwicklung der Krise Besonderheiten aufweist. Grundsätzlich ist die einvernehmlich europäisch getroffene Entscheidung, das Volumen des Krisenfonds dem Antragsvolumen der Mitgliedsstaaten anzupassen, ja zu begrüßen. Und dass die spanischen Gärtner Anrecht auf Entschädigung haben, bezweifelt wahrscheinlich auch niemand – schließlich waren sie neben dem Bienenbütteler Gärtnerhof die einzigen, die von offizieller Seite jemals namentlich als mögliche Auslöser der Epidemie angeführt wurden.

Stringentes Krisenmanagement sieht anders aus

Tim Jacobsen

Schwieriger wird es dann schon, zu verstehen, warum Paprika, für die zu keinem Zeitpunkt eine Verzehrswarnung bestanden hat, es in die `Verordnung zur Durchführung von Sondermaßnahmen im Sektor Obst und Gemüse´ geschafft haben. Bei Zucchini lässt sich ja noch argumentieren, dass sie den Gurken in gewisser Weise ähnlich sehen und deshalb auch entschädigt werden sollten. Warum dann aber Feldsalat, der den Salat ja sogar im Namen führt, außen vor blieb, wissen wohl nur diejenigen, die in Brüsseler Hinterzimmern den drohenden Handelskrieg zwischen Spanien und Deutschland entschärften.

Gänzlich unübersichtlich wird die Lage, versucht man einen Grund dafür zu finden, warum Polen mit 46 395 480 € (s. Übersicht Seite 517) über ein Fünftel der EU-Hilfen bekommen soll – und damit mehr als einen Euro pro Einwohner. Zwar lag der Produktionswert der polnischen Landwirtschaft im Jahr 2010 offiziell bei 21,4 Mrd. €, wovon die pflanzliche Produktion rund 54 % beisteuerte – bekannt sind die polnischen Landwirte aber hauptsächlich als Kartoffel- und weniger als intensiv wirtschaftende Tomaten- und Gurkenproduzenten.

Und auch den Griechen sei eine gesunde Ernährung gegönnt – gerade auch angesichts des Damoklesschwertes in Form des unausweichlich erscheinenden Staatsbankrotts. Und obwohl der Primärsektor in Griechenland in der Vergangenheit immer stärker an Bedeutung verloren hat, sorgt die Landwirtschaft mit über 6 % ja auch immer noch für einen vergleichsweise großen Anteil an der Wirtschaftsleistung des Landes. In den entsprechenden Statistiken findet man dann auch schnell Produktionszahlen für Wein, Tabak und Oliven. Kuckt man etwas genauer hin, gibt es auch Angaben für Grapefruit, Avocado und Spargel. Bei Tomaten, Gurken, Paprika, Zucchini und Salaten wird die Datenlage dagegen rasch sehr dünn.

Mit weniger als 20 ct pro Einwohner wirken die etwas mehr als 16 Mio. € für die deutschen Gärtner etwas gar bescheiden – gerade auch angesichts dessen, dass dem Wortlaut nach empfohlen wurde, „bis auf weiteres Tomaten, Salatgurken und Blattsalate insbesondere in Norddeutschland nicht roh zu verzehren“. Von den 21 anderen EU-Mitgliedsstaaten, die knapp 93 % der „Unterstützung“ in Höhe von 226 209 556 € beantragt und bewilligt bekommen haben, war eigentlich nie die Rede.

Tim Jacobsen

Extreme zum Saisonbeginn 2011: Auf Trockenheit und schleppenden Absatz folgt EHEC

Einmal mehr bewahrheitet sich dieses Jahr, dass ein früher Erntebeginn nicht zwangsläufig zu einem erfolgreichen Saisonstart führt. So gab es unter den deutschen Spargelproduzenten wahrscheinlich niemanden, dem zu Jahresbeginn beim Blick in den Kalender nicht auch der Gedanke gekommen wäre, dieses Jahr doch einmal verstärkt vom Ostergeschäft profitieren zu können. Nur dass dann die späten Ernten in Griechenland und Spanien samt den Rekordimporten aus Peru auf eine mitteleuropäische Wetterlage stießen, die angesichts sommerhafter Temperaturen zum kalendarischen Frühlingsbeginn hierzulande für einen Turbostart in die Spargelernte sorgte, hatte wohl niemand geahnt. Genauso wenig wie, dass die Verbraucher nur langsam in Spargellaune kamen.

Schlimmer noch bei den Salaten: Hier traf das südeuropäische Saisonende auf die erste einheimische Freilandware. Damit nicht genug, blockierten Salate aus dem nordwesteuropäischen Unterglasanbau zusätzlich Absatzwege. Da halfen auch keine Feiertage: seit Mitte April befinden sich die Salatpreise im Sturzflug. Anfang April noch freudig begrüßt, wird die lang anhaltende Großwetterlage dabei zunehmend zum Fluch: Zu den ohnehin im Vergleich zum Vorjahr erneut gestiegenen Produktionskosten gesellen sich noch die teilweise beträchtlich hohen finanziellen und personellen Aufwendungen für den kaum zu deckenden Bewässerungsbedarf. Für diese Jahreszeit ungewöhnlich wird angesichts des Angebotüberhangs so mancher erntereife Schlag bereits untergepflügt.

Auch die weiteren Aussichten scheinen alles andere als rosig. Schließlich hat der letzte Sommer bewiesen, dass künstliche Beregnung immer nur die zweitbeste Lösung sein kann und extreme Witterungssituationen zwangsläufig einen Schatten auf den weiteren Saisonverlauf werfen. Aber auch der von vielen herbeigesehnte Temperatursturz wäre keine Lösung. Denn gerade auch bei kühlerer Witterung könnten Salate schnell zur Mangelware werden und der dann entstehende Nachfrageüberhang den Markt noch weiter aus dem Gleichgewicht bringen.

Wohl dem, der sein Geld nicht mit den ersten Sätzen verdienen muss, könnte man nun meinen. Wie falsch man damit allerdings liegt, wird einem spätestens dann klar, wenn man bedenkt, dass die normalerweise erst im Spätsommer zur niederbayerischen Gurkenernte anrückenden Saisonarbeitskräfte dieses Jahr bereits im Mai kamen: Ungewöhnlich niedrige Temperaturen hatten in der ersten Maihälfte zu teils dramatischen Ausfällen in den Gurkenkulturen gesorgt, die nun mühsam per Hand nachgesät werden mussten.

Immerhin können die Kollegen an Isar, Vils und Donau noch versuchen zu retten, was zu retten ist, werden sich die Meckenheimer Obstbauern denken. Schließlich führten ohne die anhaltende Trockenheit eigentlich kaum erklärbare Frostschäden Anfang Mai in der Voreifel zu teilweise existenzbedrohenden Ausfällen bei Äpfel und Birnen. Auch aus dem Land Brandenburg, der Pfalz, Rheinhessen, Württemberg und Franken werden Frostschäden gemeldet. Besonders betroffen sind neben dem Kernobst Erdbeeren, Kirschen und Rebstöcke.

„´Vorsorglich bis auf weiteres Tomaten, Salatgurken und Blattsalate insbesondere in Norddeutschland nicht roh zu verzehren“

Empfehlung Des das Robert-Koch-Instituts am 25.5.2011

Und als wäre das alles nicht schon schlimm genug, wurde in den Online-Medien am Abend des 21. Mai 2011 erstmals über Ursachen für das verstärkte Auftreten schwerer bakterieller Durchfallerkrankungen in Norddeutschland spekuliert. Wurde zu Beginn die Schuld noch bei den üblichen Verdächtigen wie mangelnder Hygiene, Rohmilchverzehr oder bakterienverseuchtem Rindfleisch gesucht, rückten einen Tag später Obst und Gemüse in den Fokus der Epidemiologen. Von da ab war es nur noch ein kleiner Sprung hin zu reißerischen Verzehrswarnungen, denen man ab dem 23.5.2011 kaum noch entkommen konnte und die bei Kantinen- und Supermarktkunden gleichermaßen zu einem Rohkostboykott führten.

Ungewollt markierte das Robert-Koch-Institut am 25.5.2011 den bisherigen Höhepunkt dieser Entwicklung. Verschiedene Presseagenturen deuteten die Empfehlung des Bundesinstituts „vorsorglich bis auf weiteres Tomaten, Salatgurken und Blattsalate insbesondere in Norddeutschland nicht roh zu verzehren“ um in ein „Tomaten, Salatgurken und Blattsalate aus Norddeutschland“. Da half es dann wenig, dass im Laufe des 26.05.2011 Import-Gurken aus Spanien als Träger des Erregers dingfest gemacht werden konnten. Der Appetit war den Verbrauchern da bereits vergangen.

Tim Jacobsen

Ohne Gemeinschaft kein Gemeinschaftsmarketing

Vom Einspruch dreier Unternehmen der Ernährungswirtschaft gegen auf Anfang 2003 datierte Abgabenbescheide bis zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit des Absatzfondsgesetzes dauerte es sechs Jahre, danach vergingen noch einmal gut zwei Jahre bis es Mitte März dieses Jahres im Landwirtschaftsausschuss zur Entscheidung darüber kam, was mit den übrig gebliebenen Millionen des Absatzfonds passieren soll. Zwar sollen diese so genannten nicht erstatteten Mittel fortan im Rahmen des Sondervermögens der Landwirtschaftlichen Rentenbank verwaltet werden, wie hoch der Betrag aber genau ist, lässt sich noch gar nicht abschätzen, da es für die Abwicklung des Absatzfonds als so genannte rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts derzeit noch gar keine Gesetzesgrundlage gibt.

Die weitreichenden Folgen der Entscheidung der Verfassungsrichter vom 3. Februar 2009 blieben nach der kurz darauf beschlossenen Einleitung der so genannten stillen Liquidation von ZMP und CMA nicht lange verborgen. So hinterließ das Ausbleiben von Informationen zur Marktlage und –entwicklung in der ersten Hälfte des Jahres 2009 nicht nur in der Monatsschrift Spuren. Während Anfang Juni 2009 die Agrarmarkt Informations-Gesellschaft ihren Geschäftsbetrieb aufnahm und diese Lücke füllte, zerfiel das zuvor fast 40 Jahre lang unter dem Dach der CMA gebündelte Gemeinschaftsmarketing zusehends.

Schnell zeigte sich aber, was Sektfabrikant Otto Henkell und Schokoladen-Tausendsassa Ludwig Stollwerck schon Anfang des 19. Jahrhunderts wussten, als sie 2000 M für den besten Entwurf von `Illustrationen zum Zweck der Propaganda für ihre Fabrikate Schokolade bzw. Kakao und Champagner´ auslobten. Die `bildlichen Empfehlungen, zu verwenden als Zeitungsanzeigen, Plakate und illustrierte Postkarten´ der beiden Erfinder des Gemeinschaftsmarketing verfehlten nämlich ihre Wirkung nicht: Während Henkell & Co 1909 in das Wiesbadener Henkell-Schlösschen einzieht, zeugen die Exponate im Kölner Schokoladenmuseum noch heute vom wirtschaftlichen Erfolg Stollwercks.

Die weitreichenden Folgen der Entscheidung der Verfassungsrichter vom 3. Februar 2009 blieben nach der kurz darauf beschlossenen Einleitung der so genannten stillen Liquidation von ZMP und CMA nicht lange verborgen

tim jacobsen

Es gibt wohl keinen Teilbereich der Agrarwirtschaft, der nicht in den beiden Jahren nach dem CMA-Aus versucht hätte, in, wie bescheidenem Umfang auch immer, ein System des Gemeinschaftsmarketings auf die Beine zu stellen. Manche Produktgruppen erwiesen sich in dieser Hinsicht besser organisiert als andere.

Ein Blick über unsere Landesgrenzen hinaus beweist, dass es kaum ein Land in Europa gibt, in dem das generische Marketing für Agrarprodukte nicht auch irgendwie gemeinschaftlich organisiert wäre. Der Blick nach Europa beweist aber auch, dass entsprechende Organisationen keine Selbstläufer sind. So vergeht in den Niederlanden beispielsweise kaum ein Tag, an dem nicht irgendjemand aus was für Gründen auch immer die Abschaffung des Productschap-Wesens fordern würde.

Auch die altehrwürdige Sopexa blieb in den letzten Jahren von gravierenden Einschnitten nicht verschont. Dennoch warfen die Franzosen nach knapp fünf Jahrzehnten Gemeinschaftsmarketing die Flinte nicht ins Korn, sondern besannen sich auf ihre Stärken und scheinen mittlerweile sogar frisch gestärkt aus der Krise hervorgekommen zu sein. Äußerst erfolgreiche Kampagnen aus dem Vereinigten Königreich beweisen zudem, dass keine Riesenbeträge bemüht werden müssen, um viel zu bewegen – egal, ob es sich dabei nun um Blaubeeren, Möhren, Erdbeeren oder Zwiebeln handelt.

Nur wenn niemand den Anfang macht, passiert auch nichts. Hätte Jack Turner vor 50 Jahren nicht nach ersten, wenig erfolgversprechenden neuseeländischen Exportversuchen die Artikelbezeichnung kurzerhand von Chinesische Stachelbeere in Kiwifurcht geändert, wären Kiwis wahrscheinlich für immer ein Nischenprodukt geblieben. Und hätten sich die neuseeländischen Kiwianbauer im Jahr 1997 gegen die Fortführung des Gemeinschaftsmarketings unter der Fahne von Zespri™ entschieden, würden Kiwifrüchte heutzutage wahrscheinlich nicht für rund die Hälfte des neuseeländischen Obst- und Gemüseexportwertes sorgen.

So gesehen ist die Einrichtung des Pressebüros Deutsches Obst und Gemüse mit Sicherheit ein Schritt in die richtige Richtung. Und guckt man einmal, was die Kollegen vom Obst- & Gemüsebüro Holland gegenwärtig so treiben, wird einem schnell klar, dass dies auch noch lange nicht das Ende der Fahnenstange sein muss – nur: ohne Gemeinschaft bleibt von Gemeinschaftsmarketing nun einmal wenig über. Und was passiert, wenn Gemeinschaft nicht auf Überzeugung beruht, sondern vom Gesetzgeber vorgeschrieben wird, wurde am 3. Februar 2009 vor dem Bundesverfassungsgericht aktenkundig.

Tim Jacobsen

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