"Now, here, you see, it takes all the running you can do, to keep in the same place. If you want to get somewhere else, you must run at least twice as fast as that!"

Kategorie: Gemüse (Seite 5 von 6)

Patentierbarkeit von Pflanzen und Tieren: Frau Aigner, übernehmen Sie

Lange bevor der mehrere Milliarden teure Bahnhofsumbau in der baden-württembergischen Landeshauptstadt weite Teile des deutschen Volkes in Nah- und Fernverkehrslogistikexperten verwandelte, gab es neben der friedlichen Nutzung der Atomenergie eigentlich nur ein Thema, dessen radikale Ablehnung zur Bildung recht skurriler Allianzen führte.

Als im April 2009 die Einspruchsfrist gegen die Patentierung eines Verfahrens zur Zucht von für die Fleischproduktion besonders geeigneten Mastschweinen endete, rief das nicht nur die üblichen Verdächtigen wie den Bund Naturschutz, die Aktivisten von Greenpeace sowie die Landtagsfraktion der bayerischen Grünen auf den Plan. „Ja zum Leben, Nein zum Patent“ forderte beispielsweise auch der Bayerische Staatsminister für Umwelt und Gesundheit Markus Söder auf dem Münchner Marienplatz.

Etwas mehr als ein Jahr später spielten sich ähnliche Szenen in der Münchner Innenstadt ab. Eine breite Allianz von Landwirten über Ökoaktivisten bis hin zu Kirchenleuten forderte mit Plakaten und Trillerpfeifen „Stoppt die Enteigung von Bauern und Züchtern“ und „Mein Patent gehört dem Schöpfer“. Aufhänger des Protestzuges zum Europäischen Patentamt war der Streit um den Fortbestand der beiden Patente EP 1069819 und EP 1211926.

Zwar schließt Artikel 53 b des Europäischen Patentübereinkommens Patente auf `Pflanzensorten und Tierrassen´ genauso aus wie die Patentierbarkeit von `im Wesentlichen biologischen Verfahren zur Züchtung von Pflanzen und Tieren´ – dies hielt das Europäische Patentamt aber nicht davon ab, Züchtungsverfahren, bei denen neben den Methoden Gregor Mendels auch so genannte Markergene genutzt wurden, als technische und damit patentierfähige Verfahren zu betrachten.

`Verfahren zur Zucht von Tomaten mit niedrigem Wassergehalt und Produkt dieses Verfahrens´

Patent EP 1211926

Als Markergene werden eindeutig identifizierbare DNA-Abschnitte bezeichnet. Die Entdeckung solcher Marker gehört mittlerweile zum molekularbiologischen Standardprogramm von Erstsemestern. Einmal gefunden, ist es mehr oder weniger nur noch eine Fleißarbeit, den Markern bestimmte Eigenschaften zuzuordnen: Ähnlich wie Leuchttürme die Navigation erleichtern, lässt der molekularbiologische Nachweis des Markers dann Rückschlüsse auf das Vorhandensein bestimmter Eigenschaften zu. Klar, dass das den Züchtungsfortschritt erheblich beschleunigt, schließlich kann unter Zuhilfenahme der Marker über Erfolg oder Misserfolg einer Kreuzung anhand minimaler Mengen von Pflanzenmaterial routinemäßig innerhalb weniger Stunden befunden werden.

Im Jahr 2003 wurde dem israelischen Landwirtschaftsministerium das Patent EP 1211926 auf – wie es offiziell heißt – ein `Verfahren zur Zucht von Tomaten mit niedrigem Wassergehalt und Produkt dieses Verfahrens´ erteilt. Im Jahr zuvor war der englischen Plant Bioscience mit EP 1069819 bereits ein `Verfahren zur selektiven Erhöhung des anticancerogenen Glucosinolate bei Brassica Sorten´ patentiert worden. Während es im Fall der Tomaten eineinhalb Jahre dauerte, bis sich mit der niederländischen Unilever jemand fand, der die Rechtmäßigkeit dieses Patentes anzweifelte, wurde im Fall des Brokkolis drei Monate nach Ankündigung der Patenterteilung im Abstand von nur zwei Tagen sowohl von der schweizerischen Syngenta als auch der französischen Limagrain Einspruch gegen die Erteilung des Patentes eingelegt.

Aus Sicht der Beschwerdeführer waren in beiden Fällen Selektionsverfahren patentiert worden, die `im Wesentlichen biologische Verfahren´ darstellen und deshalb gar nicht patentierbar sein dürften. Die mit der Klärung betraute Technische Beschwerdekammer entschied, dass zur Feststellung der Patentfähigkeit zuerst die Frage geklärt werden müsste, wie der Begriff `im Wesentlichen biologisches Verfahren zur Züchtung von Pflanzen und Tieren´ überhaupt zu verstehen sei und legte diese Frage im Jahr 2007 deshalb der Großen Beschwerdekammer vor.

Anfang Dezember letzten Jahres kam die Große Beschwerdekammer nun zum Schluss, dass die bloße Verwendung technischer Verfahrensschritte den Ausschluss der Patentierbarkeit nicht aufhebt. Eine erste konkrete Anwendung dieser Grundsatzentscheidung wird nun wiederum in der für `Brokkoli´ und `Tomaten´ zuständigen Technischen Beschwerdekammer erfolgen. Der von den Demonstranten befürchtete `Ausverkauf der Schöpfung´, also die Patentierbarkeit von Pflanzen und Tieren, wurde durch diese Entscheidung nicht berührt und stand auch zu keinem Zeitpunkt zur Diskussion.

Schließlich ist es nicht am Europäischen Patentamt, darüber zu entscheiden, ob Pflanzen oder Tiere patentfähig sind. Diese Entscheidung wurde im Jahr 1998 auf EU-Ebene in der Richtlinie über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen getroffen. Und in der heißt es nun einmal: `Patentierbar sind neue Erfindungen, die auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind, und zwar auch dann, wenn sie ein Erzeugnis aus biologischem Material enthalten oder sich auf biologisches Material beziehen´.

Deshalb ist auch die Politik gefragt, soll es darum gehen, den `Ausverkauf der Schöpfung´ zu stoppen. Die Patentrechtler als ausführendes Organ setzen lediglich Vorgaben um.

Tim Jacobsen

Lokal, regional, national – die Herkunft zählt; aber zahlt sie sich auch aus?

Es gibt weltweit wahrscheinlich nur eine gute handvoll Länder, deren Nationalflagge einen eigenen Namen bekommen hat. Das Schweizerkreuz und Frankreichs Tricolore gehören genauso zu diesem erlesenen Club wie Dänemarks Dannebrog, die US-amerikanischen Stars and Stripes und der britische Union Jack. Während Eidgenossen, Franzosen und Amerikaner sich bei der Namensfindung wohl hauptsächlich von Äußerlichkeiten leiten ließen, steht bei den Dänen und Briten der einigende Charakter des Nationalsymbols im Vordergrund.

Daraus abgeleitet könnte dann schon ein Funken Wahrheit an der Behauptung sein, dass sich die Bewohner dieser Länder angeblich nicht lange mit der Frage aufhalten, warum sie denn überhaupt einheimische Erzeugnisse kaufen sollten, sondern vielmehr wissen wollen, wo es diese Produkte denn zu kaufen gibt.

Zehnjähriges Jubiläum feierte dieses Jahr der kleine rote Traktor, mit dem die Briten im Jahr 2000 das gordische Siegelwirrwarr durchhackten und für landwirtschaftliche Produkte eine einheitliche Kennzeichnung schufen, die neben einem Qualitätsversprechen auch einen Herkunftsnachweis enthält. Produkte im Wert von derzeit jährlich über 10 Mrd. £ zieren sich mittlerweile mit dem Logo, das Untersuchungen zufolge zu den bekanntesten Marken im Vereinigten Königreich gehört.

„So frisch wie nur irgendwie möglich. Das sieht man nicht nur, sondern schmeckt es vor allem“

Willem Treep und Drees Peter van den Bosch

Vielen Konsumenten soll mittlerweile allerdings national bereits schon wieder zu global geworden sein, will man den Trendforschern glauben. Anzeichen dafür, dass dahinter mehr als nur heiße Marketingluft stecken könnte, gibt es zuhauf. Internetdatenbanken, die einem beispielsweise in Belgien beim Aufspüren regionaltypischer Köstlichkeiten unterstützen, erfreuen sich großer Beliebtheit. Und die Möglichkeit, Landwirten und Gärtnern auch einmal im echten Leben von Angesicht zu Angesicht gegenüber stehen zu können, zählt mittlerweile an der Kühltheke so mancher englischen Supermarktkette zum Standardprogramm.

Ganz ohne schulmeisterhafte CO2-Fußabdrücke kommt auch die Erfolgsgeschichte von Willem Treep und Drees Peter van den Bosch aus. Statt auf Überzeugungstäter setzen die beiden Niederländer auf die Überzeugungskraft des Produktes selbst. „So frisch wie nur irgendwie möglich“ lautet ihr Geschäftsgeheimnis. „Das sieht man nicht nur, sondern schmeckt es vor allem“ heißt ihr Versprechen. Über die gesamten Niederlande verteilt, versorgen Willem&Drees gut ein Jahr nach der Geschäftsgründung bereits über 100 Supermärkte mit ihrem stark saisonal ausgerichteten Obst- und Gemüsesortiment.

Vom Produktionsbetrieb bis in den Supermarkt soll dabei kein Produkt mehr als 40 km zurücklegen müssen, Unterglas darf nicht geheizt werden und auch der Rest der selbstauferlegten Regeln wirken wie aus einer vergangenen Zeit. Aus einer Zeit wohl gemerkt, in der Zusammenarbeit auch tatsächlich noch vertrauensvolles Miteinander bedeutete. Van den Bosch selbst kennzeichnet dieses Miteinander als Dreiecksbeziehung zwischen Produzenten, Händler und Konsumenten.

Mit „Ein M regionaler“ wirbt die schweizerische Migros für ihr umfassendes Sortiment an Produkten „Aus der Region“. Das Beeindruckende dabei ist, dass in den Filialen des Lebensmittelgrossisten rund 1 400 verschiedene Artikel erhältlich sind, die dieses Label tragen. Damit hat Migros weitaus mehr Artikel regionalen Ursprungs im Sortiment, als durchschnittliche Discountketten überhaupt im Angebot haben.

Diesseits der Grenze erhielten die nordrhein-westfälischen Obst- und Gemüsebauern unlängst Schützenhilfe von der Edeka Regionalgesellschaft Rhein Ruhr: Auch deren neu geschaffene Regionalmarke „Mein Land“ setzt auf „Frisches aus der Region“. Dem Vernehmen nach sollen die Absatzzahlen belegen, dass die Kampagne vom Verbraucher gut angenommen wird. Insgesamt zwölf nordrhein-westfälische Obst- und Gemüseproduzenten stehen bei Edeka derzeit mit ihrem Namen ein für die Einhaltung des Versprechens „4 mal anders, 4 mal mehr wert“.

Paradoxerweise fällt die bessere Verfügbarkeit von Produkten aus der Region zeitlich zusammen mit dem Abflauen des Biobooms. Waren zu Anfangszeiten der Öko-Bewegung Obst, Gemüse, Milch und Fleisch aus ökologischem Anbau noch das Nonplusultra für umweltbewusste Verbraucher, hat der viel zitierte peruanische Bio-Spargel seinen Teil zu einem Umdenken auf Konsumentenseite beigetragen und die Biobranche insgesamt dem Anschein nach in eine Sinnkrise geführt.

Produkte aus der Region versprechen im Vergleich zu Ökoprodukten mit langen Transportwegen nicht nur ein erhöhtes Maß an Authentizität und ökologischer Nachhaltigkeit, sondern eben auch einen Verbleib der Wertschöpfung in der Region. Bei all der gegenwärtigen Begeisterung über das Erstarken regionaler Vertriebskonzepte sollte aber nicht vergessen werden, dass Regionalität beileibe nicht der einzige Weg ist, Mehrwert zu generieren.

Tim Jacobsen

Wege in die Zukunft

Deutschland ist größter Milchproduzent der EU. Nahezu jeder dritte landwirtschaftliche Betrieb erzeugt hierzulande Milch. Die Milchpreise bestimmen das Bild, dass die Medien in der Öffentlichkeit von der Landwirtschaft zeichnen. Fast täglich kann man hören und lesen: Die Lage auf dem deutschen Milchmarkt ist ernst.

Mancher Gärtner wäre allerdings froh gewesen, hätte er letztes Jahr wenigstens das Betriebsergebnis eines durchschnittlichen Milchviehbetriebes erreicht. Und die Prognosen sind düster: Folgen auf das nur in Teilbereichen überhaupt positiv abgeschlossene 2009 ein paar bessere Jahre, können die Betriebe wieder Reserven aufbauen, heißt es. Bleiben diese besseren Jahre aus, wird ein Teil der Betriebe notgedrungen aufgeben müssen.

Prunkbauten in den deutschen Hansestädten legen Zeugnis ab vom Reichtum der großen Reedereien zu Beginn des 19ten Jahrhunderts. Als in den 20er Jahren ein Aufkommen des Luftverkehrs zu beobachten war, schafften es nur wenige Reeder, ihr Geschäftsmodell den neuen Möglichkeiten anzupassen. Der Name Lufthansa verweist noch stets an die Weitsicht zweier norddeutscher Reeder.

Als die Digitalisierung Einzug in den Alltag hielt, stellte sie das Geschäftsmodell von Plattenfirmen in Frage. Mit Feldzügen gegen Raubkopierer wurde letztendlich erfolglos versucht, das Unausweichliche aufzuschieben. Heutzutage kann man auf Sellaband Musik kaufen, die noch nicht einmal aufgenommen worden ist, und gleichzeitig verdienen Bands mit Livekonzerten mehr als mit dem Verkauf von Musikträgern.

Im Agrarbereich verlief die Entwicklung gegenläufig. Anders als in der Musikindustrie, entfernten sich Produktion und Verbraucher in den letzten Jahrzehnten zusehends voneinander. Die Ursachen hierfür sind in der Professionalisierung der Nahrungsmittelkette zu suchen, die auf gesellschaftliche Entwicklungen wie beispielsweise die zunehmende Verstädterung einspielte.

Einfach so weiterzumachen wie bisher, ist aus Produzentensicht keine Lösung

Tim Jacobsen

Nicht wenige Planspiele, die derzeit unternommen werden, um aus der Preismisere herauszufinden, gehen in die Richtung, den Abstand zwischen Produzenten und Konsumenten erneut zu verkleinern. Manche meinen, klassisches Marketing und damit einhergehend der Aufbau von Marken könne den Gartenbau retten. Die Kosten hierfür sind jedoch immens – und geht das Konzept nicht auf, ist das Geld verloren. Andere suchen die Lösung in breiter angelegten Strategien, die die Verbraucher vom Mehrwert der jeweiligen Produkte überzeugen sollen.

Bei Erdbeeren könnte dies Geschmack sein, bei Mandarinen, dass Kernlosigkeit mehr ist als nur ein Versprechen. Die Liste ließe sich endlos fortsetzen, allerdings ist der Kundenkreis, der Wertigkeit auch beim Einkauf an der Frischetheke obenan stellt, demgegenüber sehr überschaubar. Einen ähnlich überschaubaren Kundenkreis, aber große Strahlkraft könnte die Einrichtung so genannter Bauernmärkte haben: Modern ausgestattete Läden mitten in der Stadt, in denen es ein Komplettangebot von Frisch- und weiterverarbeiteten Produkten ohne falsche Romantik direkt vom Produzenten zu fairen Preisen zu kaufen gibt.

Einfach so weiterzumachen wie bisher, ist aus Produzentensicht keine Lösung – zu mindest so lange es keine gefühlte oder echte Versorgungsknappheit auf dem Markt gibt. Auch nationale Alleingänge im Sinne einer Reduktion von Anbauflächen oder der Vernichtung von Ernteprodukten würden am Marktgefüge nur wenig ändern. Dafür sind die Frachtraten für den Import von Produkten aus den Mittelmeeranrainerstaaten schlichtweg zu günstig. Gedankenspiele wie eine grenzübergreifende Bündelung des europäischen Warenangebots werden nicht nur angesichts verschiedenster nationalstaatlicher Interessen voraussichtlich nur schwer umsetzbar sein.

Zielführender könnte da schon die Etablierung kettenübergreifender Strukturen in bis vor kurzem noch unvorstellbaren Ausmaßen sein, wie sie beispielsweise im Fleischbereich zu beobachten ist. Allerdings können auch im Fleischbereich Schlagwörter wie ausgefeiltes Qualitätsmanagement und hohe Transparenz nicht darüber hinweg täuschen, dass Kostenführerschaft in einem Wettkampf des Fressen oder Gefressenwerdens letztendlich immer nur auf Kosten der Produzenten möglich ist.

Tim Jacobsen

Preisbildung auf dem Prüfstand: Niederländisches Kartellamt legt Untersuchungsbericht vor

Fast genauso einfach, wie dem Lebensmitteleinzelhandel vorzuwerfen, für das in vielen Fällen ruinöse Preisniveau verantwortlich zu sein, ist es, zu überprüfen, ob sich diese Vorwürfe auch mit Zahlen belegen lassen.

Gewinnt zum Beispiel eine Supermarktkette durch Fusion oder erfolgreiche Verdrängung eines Mitkonkurrenten an Marktmacht hinzu, stärkt das ihre Verhandlungsposition gegenüber dem Großhandel. Hat der Großhändler dem nun nichts entgegenzusetzen, muss er bei gleichbleibender Nachfrage und unveränderten Konsumentenpreisen einen Teil seiner Marge an den Supermarkt abtreten.

Kommt es zu einer Missernte und kann diese nicht durch Importe ausgeglichen werden, stärkt das die Verhandlungsposition der Produzenten: Schließlich wird dann bei unverändertem Preisniveau eine konstante Nachfrage auf ein begrenztes Angebot treffen. Produzenten können also Preise realisieren, die deutlich über ihren Produktionskosten liegen. Auch der Großhandel muss dann den Supermärkten höhere Preise in Rechnung stellen. Die Supermärkte wiederum werden versuchen, diese Preise an die Konsumenten weiterzugeben, wodurch dann allerdings auch die Nachfrage sinken und sich ein neuer Gleichgewichtspreis einstellen wird.

Die reine Marktlehre besagt, dass Preisschwankungen bei Obst und Gemüse hauptsächlich durch Schwankungen der Produktpreise auf Erzeugerebene zustande kommen

Tim Jacobsen

Veränderungen im Nachfrageverhalten können aber auch andere Ursachen haben. Wird beispielsweise der gesundheitsfördernde Aspekt des Verzehrs eines für eine bestimmte Anbauregion typischen Gemüses in einer Fernsehsendung besonders hervorgehoben, werden als Folge davon die Supermärkte die Preise für dieses Produkt anziehen. Gleichzeitig werden sie versuchen, über den Großhandel möglichst große Mengen dieses Produktes zu bevorraten. Kein Wunder, wird nun auch der Großhandel versuchen, möglichst viel dieser Ware umzuschlagen, was den Produzenten wiederum erlaubt, dafür mehr in Rechnung zu stellen.

Die reine Marktlehre besagt, dass Preisschwankungen bei Obst und Gemüse hauptsächlich durch Schwankungen der Produktpreise auf Erzeugerebene zustande kommen, da davon ausgegangen werden kann, dass die sonstigen Kosten sowohl auf Ebene des Großhandels als auch des Lebensmitteleinzelhandels relativ konstant sind. Werden Preissenkungen oder -erhöhungen nun verzögert oder nur zu einem bestimmten Teil an Konsumenten bzw. Produzenten weitergegeben, sprechen Ökonomen von asymmetrischer Preisanpassung.

Auf Drängen des gärtnerischen Berufsstandes untersuchte das niederländische Pendant zum Bundeskartellamt, die Nederlandse Mededingingsautoriteit (NMA), ob es in den Niederlanden Anzeichen solcher asymmetrischer Preisanpassungen im Lebensmittelbereich gibt, die Beleg für eine Übervorteilung sein könnten. Zumindest für den Zeitraum der Jahre 2005 bis 2008 gab die NMA nun Ende letzten Jahres Entwarnung. Die Wettbewerbswächter konnten in ihren Untersuchungen keine Anzeichen für ein Preisdiktat des Lebensmitteleinzelhandels finden.

Anders, als von so manchem vermutet, sind es laut NMA nach wie vor die Produzentenpreise, die den größten Einfluss auf die Konsumentenpreise haben. Die Wettbewerbshüter räumen ein, dass die Preise im Einzelhandel ein Vielfaches der Produzentenpreise ausmachen. Die Schuld hierfür suchen sie jedoch nicht beim Einzelhandel, vielmehr entstehe laut NMA ein Großteil dieser Kosten auf Ebene des Großhandels. Im Sinne des eigenen Betriebsergebnisses könne der Großhandel daraus allerdings nur wenig Nutzen ziehen: Die größten relativen Gewinnspannen würden produktabhängig entweder der Einzelhandel oder die Produzenten selbst einstreichen.

Eines der Produkte, das die Wettbewerbshüter in ihre Untersuchungen miteinbezogen, waren Äpfel der Sorte `Elstar´. Die Antwort des NMA-Vorsitzenden Pieter Kalbfleisch auf die Frage, ob die gegenwärtige Preismisere bei `Elstar´-Äpfeln nicht vielleicht doch Beweis dafür sein könnte, dass nicht alles mit rechten Dingen zugeht, stieß nicht nur den betroffenen Obstbauern sauer auf: „Zur Marktwirtschaft gehören nun einmal Verlierer.“

Rabobank Westland Geschäftsführer Fred van Heyningen schätzt, dass mehr als die Hälfte der niederländischen Unterglasbetriebe in finanziellen Schwierigkeiten verkehrt und rund ein Viertel eigentlich Konkurs anmelden müsste. Dennoch werde die Rabobank auch diesen Betrieben durch den Winter helfen, so van Heyningen. Schließlich bestehe die nicht ganz unbegründete Hoffnung, dass das Jahr 2010 mit besseren Preisen für positive Betriebsergebnisse sorgen könnte.

Tim Jacobsen

Die weiteren Aussichten: heiter bis wolkig

Ein Kilogramm Zwiebeln kostet den Supermarkt im Einkauf gegenwärtig um die zwei Cent. Dennoch kosten die günstigsten Zwiebeln im Supermarkt immer noch an die 0,89 € pro kg. Anfang Oktober wurden Tomaten aus dem Unterglasanbau zu Kilogrammpreisen von 0,15 € gehandelt. Im Supermarkt gab es sie hingegen nur selten unter 2 €. Auch bei knapp 2 €, die eine Packung Kartoffelchips kostet, erhält der Bauer weniger als zwei Cent. Die Frage drängt sich also geradezu auf, ob Verpackungs- und Fertigungsprozesse tatsächlich solch hohe Aufschläge rechtfertigen.

Drei Entwicklungen macht der Niederländer Dick Veerman dafür verantwortlich, dass die Supermärkte heutzutage die Spielregeln bestimmen, Weiterverarbeiter kurz gehalten und Bauern dazu gezwungen werden, unter kostendeckenden Preisen zu verkaufen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg musste die Agrarpolitik in den westlichen Staaten für möglichst niedrige Lebensmittelpreise sorgen, um so der allgemeinen Ökonomie auf die Sprünge zu helfen. Um den Absatz von Autos, Elektronikartikeln oder Kleidung zu fördern, wurde Veermann zufolge mit Hilfe von Subventionen und Marktbarrieren ein System geschaffen, in dem Landwirte viel zu viel an vollkommen identischen Produkten erzeugen. Der spätere Wegfall der Subventionen führte dann dazu, dass sich die Landwirte auf einmal in einer für sie ungewohnten Konkurrenzsituation wiederfanden. Überleben konnte nur, wer größer wurde und vor allem billiger produzierte als sein Berufskollege.

Dazu kommt, dass Supermärkte nicht mit Margen bezogen auf einzelne Artikel kalkulieren, sondern sich überlegen, wie viel von der gesamten Einkaufssumme beim Supermarkt verbleiben sollte. Ihr Produktspektrum teilt sich deshalb ein in Lockangebote, Grundversorgung und renditeträchtige Artikel. Bier, Kaffee und andere Markenartikel werden oftmals unter kostendeckendem Preis angeboten, dieser Verlust wird dann aber von den Gewinnen in anderen Bereichen mehr als wettgemacht. Auffallend dabei ist laut Veerman, dass Gewinne hauptsächlich in den Obst- und Gemüseabteilungen und an den Fleisch- und Wursttheken erzielt werden. In den Bereichen also, die der landwirtschaftlichen und gärtnerischen Urproduktion am nächsten stehen.

Wenn nun aber Einkäufer statt zwei vier Cent pro Kilogramm Zwiebeln bezahlen würden, würde das weder für eine Preisexplosion im Supermarkt noch für das Anheizen der Inflationsrate sorgen

Tim Jacobsen

Selbst mit den unter maximalem Kostendruck industriell hergestellten Lebensmitteln ist es schwierig, Gewinn zu erzielen. Deshalb seien auch die Lebensmittelgiganten geradezu dazu gezwungen, Produkte zu entwickeln, die streng genommen nichts kosten, an der Supermarktkasse dennoch für große Umsätze sorgen. Veerman bezweifelt angesichts der vielen dicken Menschen, dass Gesundheitsclaims beispielsweise etwas anderes sind, als der Versuch, Produkte mit wenig Inhalt zu maximalen Renditen an den Mann bringen zu können.

Veerman gibt zu, dass es wenig sinnvoll ist, diese Zustände zu beklagen, schließlich hätten sich die Dinge nun einmal so entwickelt. Dies sollte jedoch nicht davon abhalten, darüber nachzudenken, was es eigentlich bedeutet, wenn die Produzenten der Macht der Einkäufer nichts mehr entgegenzusetzen haben. Gibt es denn in Almeria nur transport- und lagerstabile Erdbeeren mit fadem Geschmack, wie es das Supermarktangebot diesen Frühling glauben machen wollte? Nein, auch in Almeria gibt es Erdbeeren in Spitzenqualität. Nur fanden die Einkäufer anscheinend, dass die Qualität der importierten Erdbeeren gut genug ist für den deutschen Konsumenten.

Könnte denn nun ein streng regulierter Markt für Entlastung auf dem Obst- und Gemüsemarkt sorgen, wie das gegenwärtig viel zitierte Beispiel der kanadischen Milchviehhalter glauben machen will? Der gleichbleibend hohe kanadische Milchpreis von umgerechnet 50 ct pro Liter ist allerdings teuer erkauft. Schließlich führte der künstlich stabil gehaltene Milchpreis nicht nur zu ineffizienten Produktionsstrukturen, die Kosten der Quote sorgten zudem genau für das, was eigentlich verhindert werden sollte: Kahlschlag und Strukturwandel.

Wenn nun aber Einkäufer statt zwei vier Cent pro Kilogramm Zwiebeln bezahlen würden, würde das weder für eine Preisexplosion im Supermarkt noch für das Anheizen der Inflationsrate sorgen. Insofern sind Forderungen nach einem fairen Miteinander durchaus berechtigt. Allerdings ist es noch gar nicht so lange her, da gab es allerorten regionale Produkte, die zu nachhaltig existenzsichernden Preisen angeboten wurden. Damit war dann aber Schluss, als das so genannte moderne Leben Einzug hielt: die Milch wurde nicht mehr in der Flasche direkt bis an die Haustür geliefert, dem Obst- und Gemüseladen an der Ecke wurde der Rücken gekehrt, die Eier nicht mehr auf dem Markt gekauft, und wer kann es sich heutzutage überhaupt noch leisten, in ein Fleischereifachgeschäft zu gehen?

Ganz schön unverschämt, die Preise.

Tim Jacobsen

Entscheidungen treffen, flexibel bleiben

Gibt es auf Youtube einen Film über das was Sie machen? Wissen Sie, womit Sie Ihren Mitarbeitern eine Freude bereiten können? Und wann haben Sie sich zum letzten Mal mit dem Abnehmer eines Ihrer Produkte unterhalten?

Unzusammenhängend wie diese Fragen auf den ersten Blick auch erscheinen mögen, sind sie allesamt Teil eines Fragenkataloges, der am Ende eines von der niederländischen Rabobank initiierten Projektes namens `De wereld van Jip´ stand. Was aber hat nun diese niederländische Kunstperson Jip mit Ihnen zu tun? Um es kurz zu machen: eigentlich alles. Auch Jip lebt in einer Welt, die niemals stillsteht.

Anders als bei seinem Urgroßvater Cor endet Jips Welt nicht am eigenen Betriebstor. Anders als noch sein Großvater Kees dient er nicht seine ganze Ware der Versteigerung an. Und anders als sein Vater, sucht er sein Glück nicht in einer Gruppe Gleichgesinnter. Als Jip 2013 den Betrieb übernimmt, bestimmen Trends und Hypes in viel größerem Umfang das Einkaufsverhalten als heutzutage. Jips Abkehr von der Kostpreisstrategie, wie sie noch sein Vater durchaus erfolgreich verfolgte, ist dabei auch eine Antwort auf die Verschiebungen im weltweiten Marktgeflecht, die sich im ersten Jahrzehnt des 21ten Jahrhunderts abzuzeichnen begannen.

Jips Antwort auf die unternehmerischen Herausforderungen der Zukunft ist dabei nur eine von vielen möglichen Antworten auf die Frage aller Fragen: „wie verändert sich die Welt und was hat das für Auswirkungen auf mich und meinen Betrieb?“

Indirekt profitieren konnte Jip von den Auswirkungen der Globalisierung. Je näher all das kommt, was fernab passiert, umso mehr suchen die Menschen nach Sicherheiten, die sie glauben in dem zu finden, was aus ihrer Nähe stammt. Regionale Produkte mit einem erkennbaren Absender können dabei ihren emotionalen Mehrwert ausspielen.

Was kann man noch glauben, wenn jeder alles über das Internet verbreiten kann? Und was bleibt übrig von Intimsphäre, wenn jeder Einkauf genauestens analysiert wird? Dieselbe Technik hilft aber auch dabei, positive Botschaften zu verbreiten. Und die Menschen wollen keine anonymen Produkte mehr, sondern ein gutes Gefühl, eine schöne Geschichte.

„Wie verändert sich die Welt und was hat das für Auswirkungen auf mich und meinen Betrieb?“

Jip

In dem Maße, in dem die Gesellschaft pluriformer, multikultureller und diverser wird, nimmt die Suche nach Identität und Herkunft zu. Öffentliche Trauerveranstaltungen beim Tod berühmter Persönlichkeiten, Schleier und Kopftuch im öffentlichen Raum und die ausschweifenden Feiern bei Siegen der eigenen Nationalmannschaft verdeutlichen dies. Wo jetzt noch der Fokus auf uniformen Qualitäten liegt, werden in wenigen Jahren Unterscheidbarkeit, Authentizität, Ehrlichkeit über den Erfolg von Produkten entscheiden. Das Massenprodukt wird nicht verschwinden, aber seine Bedeutung wird abnehmen.

Die genannten Beispiele sind Bausteine, aus denen die Zukunft aufgebaut sein könnte. Was fehlt, ist der Zement, um diese Bausteine zusammenzufügen. Die eigentliche Herausforderung liegt also darin, an den einzelnen Fragmenten vorbeizuschauen. Dann wird ein größeres Ganzes sichtbar.

Bisher sind Neuerungen im Gartenbau hauptsächlich technischer Art. Diese führen im Regelfall zu einer Verringerung der Produktionskosten. Snackgemüse, die Wiederentdeckung verlorengegangen geglaubter Kulturen oder die Entstaubung vergessen geglaubter Obst- und Gemüsesorten sind Beispiele für neue Ideen, die vielleicht ihren Teil dazu beitragen, Kostenreduktion als Allheilmittel abzulösen. Der Billigste zu sein wäre dann nicht mehr das Alleinseligmachende. Die Rechnung geht allerdings nur auf, wenn Mehrwert beim Konsumenten dann auch etwas anderes bedeutet als günstige Preise.

Starre Produktionsketten werden in ein paar Jahren wahrscheinlich ihre beste Zeit hinter sich haben. Sie machen Platz für flexible, dynamische Formen der Zusammenarbeit. Während in starren Produktionsketten jeder eine genau definierte Funktion zu erfüllen hat, haben nun ständig wechselnde Partner miteinander zu tun.

Die Lebensdauer von Produkten wird kurz sein und die Anforderungen an den Umweltschutz und die korrekte Beantwortung sozialer Fragestellungen groß. Ethische und soziale Verantwortbarkeit werden Lebensmittelsicherheit und Umweltbewusstsein als Leuchttürme in der Konsumwelt ablösen. Die Begriffe Wasserverbrauch, Food und Flower miles werden sich mit Bedeutung füllen.

In diesem Spannungsfeld wird es für die Unternehmer unerlässlich sein, den eigenen Standpunkt zu bestimmen und Position zu beziehen. Jeder Unternehmer wird dabei die Rolle suchen, die am Besten zu ihm passt. Dem einen passt die Rolle als so genannter Innovator. Ein anderer wird sein Glück in der Massenproduktion suchen. Die Entscheidung für eine bestimmte Betriebsgröße wird zukünftig stärker in Langzeitstrategien eingebunden sein. Groß wird dabei nicht unbedingt gut, genauso wenig, wie klein nicht unbedingt schlecht sein wird.

Entscheidend wird aber sein, dass Unternehmer bewusst wählen, Entscheidungen treffen, und dabei trotzdem flexibel bleiben.

Tim Jacobsen

Hinter dem Hügel ist noch nicht über den Berg

Als Griechenland im Jahr 1981 der Europäischen Gemeinschaft beitrat, wurde dies begleitet von Befürchtungen, ein Kollaps der Sozialsysteme in den reicheren Ländern Europas stünde unmittelbar bevor. Aber selbst als Portugal und Spanien im Jahr 1986 der EG beitraten, kam es weder zu massiven Völkerwanderungen, noch geriet unser Sozialsystem übermaßen unter Druck. Untersuchungen der Fremdarbeiterströme vom 2. Weltkrieg bis in die 1980er Jahre zeigten, dass während der wirtschaftliche Abstand zwischen den armen und reichen Ländern Europas über die Jahre hinweg ungefähr gleich blieb, die Wanderbewegungen von anderen Faktoren als Gehaltsunterschieden allein abhängig waren.

Das Beispiel Italien zeigt, dass die große Emigrationswelle zwischen den Jahren 1960 und 1970 nicht in eine Periode des wirtschaftlichen Abschwungs fiel, sondern in die Zeit der Industrialisierung Italiens. Auch Spaniens Emigrationswelle zwischen den Jahren 1960 und 1974 fiel in einen Zeitraum, in dem Spanien die größten Wachstumsraten Europas verzeichnete. Ähnliches gilt für Portugal in den 1970ern und Griechenland in den 1960ern. Der Wunsch, zur Einkommensmaximierung der eigenen Heimat den Rücken zu kehren scheint also mit steigendem Wohlstand zuzunehmen – wahrscheinlich auch, weil Haushalte dadurch überhaupt erst finanziell in die Lage versetzt werden, über Emigration nachzudenken.

Im Laufe der wirtschaftlichen Weiterentwicklung der Herkunftsländer scheint es dann jedoch stets minder verlockend, das eigene Land zu verlassen. Dies ist nicht weiter verwunderlich: Die Arbeitsmarktsituation im Herkunftsland entspannt sich, politische und gesellschaftliche Strukturen gewinnen an Stabilität und nicht zuletzt steigt mit den Pro-Kopf-Einkommen auch die gefühlte Lebensqualität. Ab einem Pro-Kopfjahreseinkommen von $ 3500 scheint der Anreiz, wegzugehen, deutlich abzunehmen und unter 30 % kaufkraftbereinigtem Lohnunterschied zwischen Herkunfts- und Bestimmungsland macht sich kaum mehr jemand auf die Reise.

Der Wunsch, zur Einkommensmaximierung der eigenen Heimat den Rücken zu kehren scheint also mit steigendem Wohlstand zuzunehmen

Tim Jacobsen

Auch das Beispiel EU-Osterweiterung zeigt, dass es bei starkem wirtschaftlichem Wachstum und institutionellen Verbesserungen trotz hoher Lohnunterschiede nicht zwangsläufig zu Migrations-schüben kommt. Nicht unterbewertet werden sollten in diesem Zusammenhang die Maßnahmen, die die Europäische Union den Beitrittsländern vor ihrer Aufnahme in die europäische Gemeinschaft abverlangt. Mittel des Strukturfonds helfen zudem beim Aufbau der Binnenwirtschaft, was wiederum den Inlandskonsum erhöht, ausländisches Kapital anzieht, die Nachfrage nach Arbeitskräften steigert und vor allem auch zukünftiges Wachstum verheißt.

Deshalb kann auch die bei uns gegenwärtig geführte Diskussion allenfalls Symptome lindern, die Ursache für das zunehmende Missverhältnis zwischen dem Angebot und der Nachfrage nach Saisonarbeitskräften kann sie nicht aus der Welt schaffen.

Aber auch wenn die viel diskutierten Freizügigkeitsregelungen die Konkurrenz unter den Bestimmungsländern noch zusätzlich verschärft haben, besitzen die deutschen Gärtner dennoch im Buhlen um osteuropäische Saisonarbeitskräfte einen Wettbewerbsvorteil, wie die Entwicklung Portugals beweist:

Zum Zeitpunkt des EG-Beitritts Portugals betrug das dortige kaufkraftbereinigte Pro-Kopfbruttosozialprodukt die Hälfte dessen Deutschlands. Mit zunehmendem Wohlstand zeigte es sich, dass permanente Auswanderung im Laufe der Jahre von so genannter zirkulärer Migration ersetzt wurde. Portugiesen verließen ihr Land also nur mehr für überschaubare Zeiträume, um anderswo für mehr Geld zu arbeiten. Und obwohl in den letzten Jahrzehnten das Reisen stets günstiger wurde, zog es die Menschen mehr und mehr in geographische und kulturelle Nähe zu ihrem Heimatland.

Tim Jacobsen

Wer hätte geahnt, dass Gift so lecker ist?

Hätte die amtliche schwedische Lebensmittelüberwachungsbehörde Livsmedelsverket Ende April 2002 lediglich gemeldet, dass es ihr dank einer neuartigen Nachweismethode gelang, die chemische Verbindung Acrylamid in Lebensmitteln nachzuweisen, hätte das wahrscheinlich außer in Wissenschaftskreisen erst einmal niemand weiter bekümmert. Da die Behörde jedoch die Öffentlichkeit direkt über das Auffinden einer als potentiell krebserregend eingestuften Substanz in Pommes frites, Knäckebrot, Kartoffelchips, Cornflakes und Kaffeepulver informierte, schlug die Meldung große Wellen.

Selbst die Berichterstattung in den seriöseren deutschen Tageszeitungen konnte sich dem Rummel um die Kohlenstoff-Stickstoffverbindung nicht entziehen. Schlagzeilen wie „Acrylamid in Lebensmitteln: Schlimmer als Nitrofen- und Hormonskandal“ in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung beispielsweise machten Verbraucher glauben, dass in heimischen Friteusen der Tod lauere.

Obwohl die schwedische Warnmeldung zu diesem Zeitpunkt wissenschaftlich weder untermauert noch widerlegt werden konnte, sah sich die Politik unter Zugzwang gesetzt. Da es keine Grundlage für die Festlegung eines Grenzwertes gab, erfand das damals unter grüner Federführung stehende Verbraucherschutzministerium kurzerhand eine „Signalwert“ genannte Messgröße. Dazu wurden die verschiedenen Lebensmittel in Warengruppen eingeteilt. In diesen Warengruppen wurden dann die 10 % der am stärksten mit Acrylamid belasteten Produkte ermittelt. Das am wenigsten belastete Produkt dieser stark belasteten Produktgruppe galt fortan als Messlatte, an der sich die Lebensmittelproduzenten orientieren sollten.

Umfragen zeigten, dass knapp ein Jahr nach der schwedischen Sensationsmeldung den Deutschen das Acrylamid bereits wieder ziemlich egal war. Dies schlug sich auch in der Berichterstattung nieder. Während die Frankfurter Allgemeine Zeitung Anfang 2003 noch „Bundesinstitut: Keine Entwarnung bei Acrylamid“ titelte, versuchte sie sich im Herbst 2004 mit „Ist die Bratwurst gesünder als ihr Ruf“ an einer Ehrenrettung des Genusses. Im November 2004 brach sie mit einem „Kekse und Kirchen“ überschriebenen Artikel endgültig mit der auflagensteigernden Acrylamid-Sensationshascherei.

Zu diesem Zeitpunk machte gerade der Vorwurf von „Foodwatch“-Aktivisten die Runde, die Bundesregierung gefährde wegen ihres Nicht-Handelns im Bezug auf Acrylamid vorsätzlich die Gesundheit der Bevölkerung. Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ hatte diese Vorwürfe publikumswirksam aufgegriffen und warnte seine Leser zur besten Vorweihnachtszeit, dass „gerade die Naschereien zu den Festtagen den Deutschen gefährlich werden könnten“.

„Ist die Bratwurst gesünder als ihr Ruf?“

Frankfurter Allgemeine Zeitung

Bereits damals war jedem, der sich für das Thema interessierte, klar, dass eine gänzlich acrylamidfreie Ernährung technisch kaum möglich ist, will man nicht gänzlich auf die Erhitzung von Lebensmitteln verzichten. Der Autor von „Kekse und Kirchen“ versuchte dann auch gar nicht, in der Sache selbst zu argumentieren.

Um den Medienzirkus um das Acrylamid zu entlarven, bemühte er eine Meldung, die er einer im gleichen Zeitraum erschienenen Ausgabe des Nachrichtenmagazins „Der Focus“ entnahm. Demnach sei wegen der Abgase der brennenden Kerzen die Luft in Kirchen „stark mit krebserregenden Substanzen belastet“. Schadstoffbelastungen „wie an einer täglich von 45 000 Autos befahrenen Straße“ herrschten „oft“ in Kirchen.

Ob und wie stark Risiken in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden, hängt oftmals von Umständen ab, die mit dem mutmaßlichen Risiko selbst nicht unbedingt in Einklang stehen müssen. Auch nach 2002 konnte kein zusätzliches Krebsrisiko durch den Verzehr acrylamid-haltiger Lebensmittel nachgewiesen werden. Genauso wenig allerdings, wie es bisher gelang, ein solches gänzlich auszuschließen.

Die amtlichen Signalwerte haben sich in den letzten fünf Jahren kaum verändert. Nach wie vor gibt es Beobachtungswerte, die deutlich über den Signalwerten liegen. Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass in einem hochsensiblen Bereich wie der Produktion von Nahrungsmitteln Kleines große Wellen schlagen kann.

Tim Jacobsen

Vom Regen in die Traufe: Schreckgespenst Arbeitskräftemangel

Weitaus nachhaltiger als durch nicht beerntete Erdbeerfelder oder ins Laub geschossene Spargeläcker könnte der deutsche Gartenbau in nicht allzu ferner Zukunft durch einen Mangel an qualifizierten Arbeitskräften Schaden erleiden. Sinkende Ausbildungszahlen im grünen Bereich setzten einen Teufelskreislauf in Gang, in Folge dessen Bildungseinrichtungen für den Gartenbau geschlossen wurden, was wiederum dazu führte, dass jungen Leuten die Wahl gärtnerischer Berufe zusätzlich unattraktiv erschien. In manchen Bereichen übersteigt heute bereits die Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften das Angebot deutlich.

Der fortschreitende Strukturwandel im Gartenbau und die technische Weiterentwicklung tun ihr Übriges dazu, die Nachfrage nach hochqualifiziertem Personal weiter ansteigen zu lassen. Dabei geht es nicht unbedingt nur um Arbeitskräfte mit gärtnerischem Hintergrund. Allerdings steht der Gartenbau mit anderen Wirtschaftsbereichen in Konkurrenz um die klügsten Köpfe und hat dabei nicht immer das beste Blatt auf der Hand. Es tut dringend Not, in der Selbstdarstellung des Gartenbaus die Dynamik des Sektors deutlich voran zu stellen. Nur wenn die Anziehungskraft des Gartenbaus als Arbeitgeber zunimmt, kann die Abwärtsspirale durch Arbeitskräftemangel gestoppt werden.

Weitergehende Mechanisierung wird schwere Arbeiten zwar vereinfachen, der Kampf um Arbeitskräfte wird aber auch im Niedriglohnbereich mit deutlich schärferen Waffen gefochten werden

Tim Jacobsen

Gründe für Flächenausweitung oder Produktionsintensivierung gibt es viele. Die Folgen dieser Entwicklung sind jedoch stets die Gleichen. Arbeitsprozesse werden schwerer durchschaubar, Personalführung und innerbetriebliche Organisation nehmen einen größeren Stellenwert ein. Mitarbeiter spezialisieren sich, Aufgaben werden verteilt. Mit den gestiegenen Ansprüchen wächst auch die Verantwortung jedes Einzelnen. Der Fort- und Weiterbildung von Mitarbeitern sollte deshalb gerade vor dem Hintergrund rückläufiger Ausbildungszahlen mehr Platz eingeräumt werden.

Dies sollte nicht zuletzt auch aus Eigennutz des Unternehmers geschehen. Schließlich wird der formalen Qualifikation der Mitarbeiter im Rahmen von Qualitätszertifizierungsprozessen wie QS, QS-GAP, Eurep Gap oder BRC eine besondere Bedeutung zugemessen. Erstaunlicherweise nehmen deutsche Arbeitnehmer im europaweiten Vergleich Weiterbildungsmaßnahmen nur in äußerst geringem Ausmaß in Anspruch.

Die demographische Entwicklung wiederum trägt bereits heute spürbar dazu bei, dass die Mitarbeiter in den Betrieben im Schnitt älter werden. Mit dem Ausscheiden altgedienter Mitarbeiter aus den Betrieben in Zukunft wird auch ein Großteil des zuvor vorhandenen Wissens verloren gehen. Es ist dringend an der Zeit, Strukturen zu etablieren, die diesen Erfahrungsschatz sichern. Dies kann nur über die frühzeitige Einbindung junger Mitarbeiter in Entscheidungsprozesse funktionieren. Die verstärkte Bindung von Mitarbeitern an die Unternehmen sollte deshalb höchste Priorität besitzen.

Ein wichtiger Teil der unternehmerischen Tätigkeit ist die Personalführung. Konsequenz im Anleiten von Mitarbeitern sorgt dafür, dass jeder seinen Fähigkeiten entsprechend beschäftigt wird. Der Selektion und dem Anwerben von Mitarbeitern wird in Zukunft noch mehr Aufmerksamkeit zukommen. In größeren Betrieben liegt die Leitung bereits heute oftmals in Händen von Managern, die teilweise weit entfernt vom Produktionsprozess stehen. In diesen Betrieben wird der Produktionsfaktor Arbeit weniger als Kostenpunkt gesehen, sondern als strategische Gestaltungsmöglichkeit.

Um in Zukunft als Betrieb konkurrenzfähig zu bleiben und gleichzeitig ein attraktiver Arbeitgeber zu sein, werden neben Rahmenbedingungen wie der Lohnstruktur und Arbeitszeitmodellen auch soziale Aspekte und nicht zuletzt die Arbeitsumstände eine wichtige Rolle spielen. Der Kommunikation zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmerseite wird in Zukunft ebenfalls mehr Platz eingeräumt werden. Der Typ Boss, der alles kann und alles in der Hand hat, ist angesichts vielfältigster Anforderungen heutzutage ein nicht mehr zeitgemäßes Auslaufmodell.

Der Anteil der Lohnkosten an den Produktionskosten ist von Kultur zu Kultur und von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich. Über den ganzen Gartenbau hinweg betragen sie durchschnittlich ein Drittel. Daran wird sich auch in Zukunft voraussichtlich wenig ändern. Weitergehende Mechanisierung wird schwere Arbeiten zwar vereinfachen, der Kampf um Arbeitskräfte wird aber auch im Niedriglohnbereich mit deutlich schärferen Waffen gefochten werden. Patentrezepte dafür gibt es keine. Einmal in Gedanken die Seiten zu wechseln, könnte aber den Unterschied ausmachen.

Tim Jacobsen

Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los

Wohl kaum ein niederländischer Unterglasgärtner konnte die Sylvesternacht des Jahres 2001 unbeschwert genießen. Zu ungewiss war zu dieser Zeit, wie sich die Liberalisierung des Energiemarktes auf den Erdgaspreis auswirken würde. Ähnlich ängstlich blicken derzeit viele deutsche Obst- und Gemüsebauern in die Zukunft – fraglich scheint, ob in Zukunft noch jemand da sein wird, der die Arbeit auf den Feldern erledigen will.

„Mittlerweile geht es sogar soweit, dass versucht wird, den Eindruck zu erwecken, die Senkung des Energieverbrauchs im niederländischen Unterglasgartenbau sei eine Sache von nationalem Interesse“

Arie Oskam

Gefühlte 40 % niedriger waren bis zum Neujahrstag 2002 die Energiekosten jenseits des orangefarbenen Schlagbaums. Spuren dieser Subventionspolitik sind fünf Jahre später noch allerorts anzutreffen. Viele Betriebe produzieren mit relativ altertümlicher, wenig umweltfreundlicher Technik Massenprodukte wie Tomaten, Paprika und Gurken.

Dies führte zu der eigentlich paradoxen Situation, dass viele Unterglasgärtner in den Niederlanden keinen Spielraum für Investitionen sehen, obwohl Sektorvertreter in regelmäßigen Abständen Rekordergebnisse vermelden.

Kein Wunder, dass auch in den Niederlanden seit einiger Zeit die Rufe nach unterstützenden Maßnahmen von Seiten des Staates immer lauter werden. Der niederländische Agrarökonom Professor Arie Oskam kann darüber jedoch nur den Kopf schütteln: „Mittlerweile geht es sogar soweit, dass versucht wird, den Eindruck zu erwecken, die Senkung des Energieverbrauchs im niederländischen Unterglasgartenbau sei eine Sache von nationalem Interesse“.

Den wahren Schuldigen für die auch seiner Meinung nach durchaus beklagenswerte Situation, in der sich der Gartenbausektor derzeit befindet, hat Oskam just in der jahrelangen Sonderstellung des Gartenbaus ausgemacht. Aus volkswirtschaftlicher Sicht sei es doch grober Unfug gewesen, die Herstellung von Exportprodukten über günstige Energiepreise zu subventionieren.

In den Jahren, in denen der Produktionsfaktor Energie im Überfluss verfügbar war, wurde die Chance verspielt, den Sektor marktwirtschaftlich zu orientieren, so Oskam. Es gelang weder, ein bestimmtes Preisniveau zu etablieren, noch das Produktspektrum zukunftsträchtig auszurichten.

Ein Mangel an Arbeitskräften in Sektoren wie der Landwirtschaft und dem Hotel- und Gaststättenbereich führte Ende der Achtziger Jahre trotz allgemein hoher Arbeitslosigkeit in Deutschland zu einer Lockerung des 1973 in Kraft getretenen Anwerbestopps für ausländische Arbeitnehmer. Bilateral vereinbarte Beschäftigungsmöglichkeiten für Angehörige ehemaliger Ostblockstaaten hatten zum Ziel, diese Staaten bei der marktwirtschaftlichen Umgestaltung ihrer Wirtschaftssysteme zu unterstützen.

In der Landwirtschaft und dem Gartenbau konnten ab 1991 ausländische Saisonarbeitskräfte für maximal drei Monate pro Kalenderjahr zur Überbrückung eines vorübergehenden Arbeitskräftebedarfs eingesetzt werden.

Von dieser Möglichkeit wurde in Folge stärker Gebrauch gemacht, als manchem Politiker lieb war. So kam es, dass 1997 erstmals Eckpunkte für die Zulassung von Saisonarbeitnehmer festgeschrieben wurden. Die betroffenen Betriebe konnten fortan nur noch 85 % der Anzahl der 1996 als Saisonarbeitskräfte tätigen Osteuropäer beschäftigen.

Aufgrund von Ausnahmeregelungen, die bei Betriebsumstrukturierungen und –erweiterungen zum Tragen kamen, stiegen in den Folgejahren die Vermittlungszahlen noch einmal deutlich an. Die mit der Einschränkung eigentlich beabsichtigte Entlastung des einheimischen Arbeitsmarktes blieb aus – bereits damals war unzumutbar ein Argument, das sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer ins Feld führten.

Da die offizielle Statistik nicht die Anzahl tatsächlich erfolgter Grenzübertritte ausweist, sondern lediglich Vermittlungszahlen auf Jahresbasis aufführt, übersteigt die Anzahl von Niedriglohnbeschäftigungsverhältnissen in diesem Zeitraum sehr wahrscheinlich die offiziell genannten 350 000 bei weitem.

Während in Deutschland in den letzten fünf Jahren die Anbaufläche von arbeitsintensiven Kulturen wie Erdbeeren und Spargel stark ausgeweitet wurde, konnten im selben Zeitraum Betriebe in unseren Nachbarländern Frankreich, Belgien, Niederlande und Dänemark nur sehr eingeschränkt auf Saisonarbeitskräfte aus Niedriglohnländern zurückgreifen.

Unternehmerisch zu handeln bedeutet, günstige Wettbewerbsfaktoren zum eigenen Vorteil zu nutzen. Unternehmerisch zu handeln bedeutet allerdings auch, rechtzeitig die Weichen neu zu stellen.

Die schärfsten Kritiker einer Modernisierung des niederländischen Unterglasgartenbaus mit Hilfe von Steuergeldern sind unter den Betriebsinhabern zu finden, die aus eigenem Antrieb erfolgreich den Sprung in die Zeit nach der Liberalisierung des Energiemarktes geschafft haben.

Tim Jacobsen

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