"Now, here, you see, it takes all the running you can do, to keep in the same place. If you want to get somewhere else, you must run at least twice as fast as that!"

Kategorie: Klima (Seite 2 von 3)

Der große Wurf blieb aus – aber lieber einen kleinen als gar keinen

Es ist zum Mäusemelken: wurde mit Corona mehr als offensichtlich, dass das Konzept Innenstädte irgendwie dringend sanierungsbedürftig ist, gab es gewissermaßen als Antwort auf nicht gestellte Fragen ein Finanzpaket zur Betonierung des Fußgängerzonensta­tusquos. Beweisen Starkregenereignisse mit ihren verheerenden Folgen, dass irgendwie irgendetwas getan werden muss, um die Folgen des Klimawandels vielleicht doch noch etwas angenehmer zu gestalten, scheint die einzig politisch zündende Idee, mit Hilfe von Elektroautos den Verkehrsinfarkt in die Zukunft retten zu wol­len. Will sich die CDU personell erneuern, melden sich ausschließ­lich Kandidaten, die selbst in ihrer Jugend höchstwahrscheinlich nicht unbedingt einen Flair von Erneuerung und Aufbruch verbrei­tet haben. Moppert dann die CSU, dass Bayern nicht äquivalent zu seinem Stimmanteil in der Regierung vertreten ist, geht einem auf einmal Andreas Scheuer nicht mehr aus dem Kopf.

So wirkt dann das „Mehr Fortschritt wagen“ der Ampelkoalition zumindest ein kleines bisschen wie ein Befreiungsschlag. Wahr­scheinlich stand bei so manchem Journalistenkollegen auf dem Weihnachtswunschzettel, zumindest einmal im Leben eine Frage von Olaf Scholz mit einem knappen Ja oder Nein beantwortet zu bekommen; im ganzen Nebelkerzendickicht ist aber die insge­samt geräuschlose Regierungsbildung eine Leistung, die auf einen eher problemlösungsorientierten Ansatz unseres neuen Kanzlers verweist. Dass dann im ganzen Hin und Her keiner der als Schreckgespenster an die Wand gemalten Kandidaten das Rennen um das Bundeslandwirtschaftsministerium machte, sondern ausgerechnet der sich selbst mit „anatolischer Schwa­be“ charakterisierende Cem Özdemir, ging in Zeiten, in denen ungestraft mit Fackeln an Wohnhäusern von Politikern aufmar­schiert wird, dann schon fast unter.

Bei bisher jeder Erhöhung des Mindestlohns wurde nicht mehr oder weniger als der Untergang des Abendlandes befürchtet – ganz so schlimm ist es dann Gottseidank bei allen sechs bisherigen Erhöhungsrunden nicht gekommen. Natürlich ist der Sprung von 9,82 € auf 12 statt der geplanten 10,45 € im zweiten Halbjahr 2022 eine Hausnummer. Und auch wenn diesbezüglich noch nichts beschlossen ist, wird sich die SPD die Butter nicht mehr vom Brot nehmen lassen.

Ganz ausverhandelt ist auch von der Leyens Green Deal nicht. Und da wird es streng genommen dann um einiges fitzeliger, schließlich steht mit Farm to Fork mittel- und langfristig deutlich mehr als „nur“ ein abermals erhöhter Lohnkostenanteil, so schmerzlich im Einzel- und ärgerlich in jedem Fall der auch sein mag, ins Haus. Der Green Deal könnte ans Eingemachte gehen.

Und da könnten sich angesichts amtlich verordneter Flächenstilllegungen und dem Aus vieler Pflanzenschutzmittel hierzulan­de sowie sich häufender Wetterkapriolen allerorten, der Importpolitik Chinas, der Biotreibstoffstrategie Nordamerikas und den Exportrestriktionen Russlands ganz neue Allianzen zwischen Verbraucher und Landwirten bilden: steigt die Inflation infolge gestiegener Lebensmittelpreise in heute kaum vorstellbare Grö­ßenordnungen, wird sich schnell die Frage stellen, wie viel Umweltschutz wir als Gesellschaft wollen und wie viel Umweltschutz wir auch dem nicht so wohlhabendem Rest der Welt gegenüber ethisch und moralisch verantworten können.

Wir machen aus technologischem auch gesellschaftlichen Fortschritt … wo Fortschritt entsteht, muss er auch gelebt werden


Aus den Seiten 15 und 22 des Koalitionsvertrags des Bündnisses für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit

Und spätestens dann wäre der Realo vom Bündnis 90/die Grünen als ausgewiesener Brückenbauer in seinem Element und könnte vielleicht sogar die in sein Boot holen, denen es nicht staatsmännisch genug erscheint, als Minister mit dem Fahrrad die Ernennungsurkunde beim Bundespräsidenten im Schloss Bellevue abzuholen um den Stau der Panzerlimousinen zu umfahren. In die Höhle des Löwen gesprungen ist auch Prof. Dr. Karl Wilhelm Lauterbach. Und kämpft seitdem mindestens an zwei Fronten: zum einen gegen das Virus in all seinen Varianten, zum anderen gegen so genannte virale Inhalte: Untersuchungen zeigten, dass dem Anstieg des medizinisch messbaren pandemi­schen Geschehens jeweils ein Anstieg der Verbreitung von Infor­mationen aus zweifelhaften Quellen vorausging.

Einziger Lichtblick der Mitte März 2021 im Fachjournal Cell veröffentlichten „Conversations“ war, dass mit zunehmend schlim­mer Lage dann die Vernunft wieder einzusetzen scheint und eher klassische Nachrichtenquellen wieder mehr in den Fokus rücken. Das ist leicht erklärbar, schließlich lässt sich die Pandemie sinnvol­ler Weise nur leugnen, solange niemand aus dem Freundes- und Familienkreis schwer daran erkrankt – auch wenn es Fälle geben soll, in denen Menschen selbst über ihr Ableben auf der Intensiv­station hinaus ihrer Überzeugung treugeblieben sind. Leicht erklä­ren lässt sich auch, warum sich Menschen zweifelhaften Informa­tionsquellen zuwenden: Ängste lassen sich abbauen, indem Insti­tutionen als Sündenböcke verunglimpft werden, gleichzeitig scheint es menschlich, zu denken, dass es andere eher als einen selbst erwischt und am Allereinfachsten kompensieren lässt sich Hilflosigkeit mit dem Glauben an Heilsversprechen.

In der gleichen Ausgabe von Cell gab es übrigens auch „Neue Ansätze für die Impfstoffentwicklung“, einen Beitrag zu „Antiviralen Mitteln mit gemeinsamen Angriffszielen gegen hochpathogene Viren“, etwas zu „Biokraftstoffen für eine nachhaltige Zukunft“ und einen Artikel über „Genom-Engineering für die Verbesserung von Nutzpflanzen und die Landwirtschaft der Zukunft“. Soll noch einer sagen, dass Wissenschaft das Problem und nicht die Lösung ist.

Die Zeiten werden härter

Im Sondierungspapier der uns wahrscheinlich zukünftig Regierenden wurde die eine und andere Klippe elegant umschifft. So soll der Kohleausstieg „idealerweise“ vorgezogen und die „Entwicklung intelligenter Systemlösungen für den Individualverkehr“ lediglich unterstützt werden. Unterstützt werden soll auch die Landwirtschaft, und zwar dabei, „einen nachhaltigen, umwelt- und naturverträglichen Pfad einzuschlagen“. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln soll auf das „notwendige Maß“ beschränkt und Pflanzen „so geschützt werden, dass Nebenwirkungen für Umwelt, Gesundheit und Biodiversität vermieden werden“. Tacheles dagegen dann beim generellen Tempolimit – das es nicht geben wird – und bei der Erhöhung des Mindestlohns – die tatsächlich kommen wird. Mit zwölf Euro Stundenlohn scheint die SPD eines ihrer zentralen Wahlkampfthemen durchgesetzt zu haben.

Sollte der Mindestlohn eigentlich erst zum Sommer 2022 auf über zehn Euro steigen, so könnte er unter Umgehung der Mindestlohnkommission nun handstreichartig um ziemlich genau ein Viertel erhöht werden. Auch wenn das vereinbarte Stillschweigen über Details noch nicht gebrochen wurde, so ist klar, dass zuallervorderstunderst Betriebe mit einem hohen Lohnkostenanteil die Düpierten sein werden, ganz vorneweg dabei einmal mehr unsere Gärtnerinnen und Gärtner.

Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass Handel und Verbraucher die daraus resultierenden Preisaufschläge einfach so akzeptieren werden. Es ist genauso unwahrscheinlich, dass ein höherer Mindestlohn bei uns Strahlkraft auf das europäische Mindestlohngefüge haben wird. Sollten an der Peripherie Europas ähnliche Verhältnisse gelten wie bei uns, müssten die Mindestlöhne dort nicht um ein Viertel erhöht, sondern in etwa vervierfacht werden. Und selbst dann wären wir von einer Produktionsvollkostenrechnungswaffengleichheit noch immer weit entfernt; ausgeblendet würde außerdem, dass zwar für viele Menschen die Reise an der EU-Außengrenze zu Ende ist, Warenströme aus aller Welt diese jedoch unbeanstandet passieren dürfen.

Welche Auswirkungen Störungen an diesem fein austarierten System haben können, lässt sich derzeit in Großbritannien beobachten. Auch die Eidgenossen konnten den Strukturwandel in ihrer Landwirtschaft allenfalls verlangsamen, aufhalten lässt er sich auch in der Alpenrepublik nicht. Und so ist es dann nur auf den ersten Blick verwunderlich, wenn, wie zuletzt wieder einmal auf dem Global Berry Congress eine Absatzjubelmeldung die nächste jagt – und gleichzeitig die Produktionsflächen im eigenen Land dies nicht widerspiegeln sondern vielmehr rückläufig sind.

Es ist keine einheimische Ware, die da vermehrt über den Tresen geht. Gleichzeitig wird aber auch nur deshalb so viel abgesetzt, da durch das höhere Warenangebot die Preise entsprechend gefallen sind. Der vielzitierte und –diskutierte Eimer voll mit Blaubeeren zum Schleuderpreis ist in Wahrheit dann auch eher ein Menetekel: Allzu lange wird sich unser produktionstechnischer Vorsprung nicht mehr halten lassen, Him- und Brombeeren werden folgen, wenn sie dies nicht bereits schon getan haben. Und das Dumme ist: die genannten Beerenarten stehen mehr oder weniger als Platzhalter für welches Produkt dann auch.

Du hast keine Chance – aber nutze sie!

Herbert Achternbusch

Und so wurde beim Global Berry Congress munter über den ganzen Erdball gehüpft: werden in Spanien die Arbeitskräfte knapp und geht im Süden Marokkos das Wasser zur Neige – warum dann nicht gleich auf nach Südafrika? Sieht man das Ganze nur global genug, verschwinden auch die Unterschiede zwischen Serbien, Rumänien und der Ukraine. Künstliche Intelligenz hilft bei der Standortwahl: Beerenanbau in Indien für China – kein Problem, das Knowhow ist exportier- sowie skalierbar und Kapital, das auf Verzinsung wartet, gibt es genug.

Niemand kann abschätzen, wie Klimawandel, fragile Lieferketten, steigende Energie- und Rohstoffpreise, die Verfügbarkeit natürlicher Ressourcen, der weltweit zunehmende Protektionismus, Digitalisierung und E-commerce sowie die allgegenwärtigen logistischen Herausforderungen und der Arbeitskräftemangel die Handelswelt der Zukunft verändern werden. Vielleicht sogar mehr denn je scheint derzeit alles möglich. Und dann ist es zwar so, dass einer der diesjährigen Nobelpreise an drei Nordamerikaner vergeben wurde, die der Wirtschaftswissenschaft die Augen dafür geöffnet haben, dass auch das wahre Leben Möglichkeiten zuhauf bietet, Ursache-Wirkungsbeziehungen zu erkennen.

Dass sie in einer ihrer berühmtesten Arbeiten zeigten, dass die Einführung eines Mindestlohns nicht zwangsläufig zu erhöhter Arbeitslosigkeit führt, bedeutet aber nicht, wie die Laureaten selbst bereitwillig einräumen, dass das überall und jederzeit so sein muss. Anders dann die Faktenlage beim ebenfalls Nobelpreis-dekorierten ehemaligen Direktor des Deutschen Klimarechenzentrums. Klaus Hasselmanns wissenschaftliche Leistung war nichts weniger, als eine Methode zu entwickeln, die bereits zu einer Zeit, als dies wirklich noch niemand hören wollte, unmissverständlich belegte, dass niemand außer wir selbst am Klimawandel schuld sind.

Tim Jacobsen

Freudlos, freudloser, die Grünen?

Zwar wollten die Grünen im Jahr 1998 auf ihrem Parteitag in Magdeburg den Benzinpreis gerne verdreifacht sehen, der Literpreis von fünf Mark geht jedoch auf den zu dieser Zeit amtierenden Leiter des Umweltbundesamt zurück, der zuvor auch ein generelles Tempolimit von 100 km/h gefordert hatte und sein politisches Zuhause in der liberalen Partei sah. Der Veggieday im Sommerloch des Jahres 2013 war dann ein Lehrstück für die Positionierung eines Wahlkampfthemas.

Das Einfamilienhäuserverbot und die Abschaffung von Inlandsflügen wurden zuletzt in der öffentlichen Diskussion nur noch übertroffen von der Diskussion um die Personalie des Tübinger Oberbürgermeisters. Das Wahlprogramm der Grünen hat zwar „Deutschland. Alles ist drin.“, 137 Seiten sind dann aber auch nicht beim Warten auf das Schnelltestergebnis gelesen und verdaut. Und so machen in den sozialen Medien immer wieder plakative Ausschnitte die Runde, wie so oft in der Verkürzung mit Vorsicht zu genießen.

Letzter Aufreger aus der vermeintlichen Verbotspartei ist die sog. Sustainable Event Scorecard, in der 47 Maßnahmen aufgeführt sind, mit deren Einhaltung bei der Organisation von Präsenzveranstaltungen in Berlin insgesamt 930 Punkte erzielt werden können. Ab 300 Punkten winkt ein Zuschuss von 25 € je teilnehmender Person, wird die Veranstaltung im Internet übertragen, legt die Berliner Wirtschaftssenatorin Ramona Pop noch einmal 10 € obendrauf. Vegetarische oder vegane Veranstaltungsverpflegung sichert Zusatzpunkte, Bio sowieso und 60 % des monetären Wareneinsatzes sollte aus saisonal-regionaler Produktion stammen und regional verarbeitet sein.

Trinkwasser sollte folgerichtig dann auch nur als Leitungswasser serviert werden. Soweit, so gut, dass aber in Punkt 26 der Verzicht auf Blumenschmuck zur Dekoration ebenfalls Punkte sichern kann, wirkt doch mehr als nur ein bisschen lebensfremd. 10 Mio. € stehen insgesamt parat, ausgezahlt werden soll das Geld nach erfolgter Veranstaltung und Prüfung des Verwendungsnachweises. Fünf Anträge auf Nachhaltigkeitsförderung sollen bis Mitte Mai gestellt worden sein, 17 Anträge auf Basisförderung. Ein Schelm, wer nun unkt, dass die Floristinnen und Floristen in der Hauptstadt ja eine Anschlussverwendung in der Senatsverwaltung finden könnten.

Tim Jacobsen

Bitte auch einmal fünf gerade sein lassen, liebe Kollegen

Dass es ziemlich befriedigend sein muss, sich über Steingärten lustig zu machen, lässt sich schon allein daran ablesen, dass sich auf das Posten von Gabionen oder frisch gekiesten Flächen die immer gleichen Leute wie auf Knopfdruck versichern, wie sie aus der Welt einen schöneren Ort machen würden, wenn man sie nur machen ließe. In ihrer vermeintlichen ästhetischen Überlegenheit vergessen sie dann nur schnell, dass andere Leute vielleicht einfach einen anderen Geschmack, schlichtweg andere Bedürfnisse oder finanzielle Grundvoraussetzungen haben.

Natürlich sind Steingärten in vielerlei Hinsicht nicht das Gelbe vom Ei, wenn dann die größten Empörungsschreie ausgerechnet vom Chef einer im Südwesten beheimateten Zeitschrift kommen, der im Hauptberuf Verkaufsanzeigen für Bagger und andere Gerätschaften auch zum Gabionenbau und der Flächenbekiesung bebildert – und der dann im Nebenjob Bücher über den Irrsinn derselben verfasst, dann ist das erst einmal nicht superkonsequent, aber auch nicht weiter erwähnenswert.

Und wenn man sich dann aber einmal zwei Minuten Zeit nimmt, darauf aufmerksam zu machen, dass es einfach nicht jedem vergönnt ist, im eigenen Schloss samt Park zu wohnen, dann eskaliert das ganze superschnell und als eher zurückhaltender Mensch bekommt man es dann vor allem auch schnell mit der Angst zu tun: wenn es nur ein paar Steinchen braucht, bis der Vulkan explodiert, möchte man ungern herausfinden, was passiert, wenn es wirklich einmal um etwas geht.

Tim Jacobsen

Wie könnt Ihr es wagen?

Selbst wenn die umstrittene Gerichtsentscheidung des Berliner Landgerichts noch ein juristisches Nachspiel mit immer noch ungewissem Ausgang hat, so war das erstinstanzliche Scheitern Renate Künasts einmal mehr Wasser auf die Mühlen derjenigen, die denken, dass im Internet so gut wie alles erlaubt ist. Auch Greta Thunberg geriet ziemlich schnell in unruhiges Fahrwasser, metaphorisch und wortwörtlich. So waren sich auch Teile der deutschen Politprominenz nicht zu schade dafür, Thunberg das Recht absprechen zu wollen, auf dem Klimagipfel der Vereinten Nationen sprechen zu dürfen, wenn sie nicht zuvor wenigstens den Atlantik Moses-gleich, barfuß und ohne nass zu werden durchqueren würde.

Die Unsicherheit des Establishments im Umgang mit den Forderungen der Fridays for Future-Bewegung zeigt sich dabei quer durch alle politische Lager. Lässt sich Christian Lindners Äußerung, der Klimaschutz sei eine Sache für Profis, nur als einen weiteren Schritt in Richtung politische Bedeutungslosigkeit deuten, bewies Peter Altmaier im Frühjahr zumindest den Mut, mit den protestierenden jungen Menschen Kontakt aufnehmen zu wollen. Ganz ungewollt schuf er dabei einen großen Fernsehmoment, als er vor laufender Kamera mit den Worten „Das war echt ´ne Scheißidee“ wahrscheinlich auch die Neubesetzung des Postens seines persönlichen Referentens einforderte.

Dabei hatte das Ganze doch eigentlich eine Menge Vorlauf. Und damit sind nicht nur die eineinhalb Jahre seit den ersten Schultagen nach den Sommerferien 2018 gemeint, als Thunberg erstmals, statt zur Schule zu gehen, mit einem Plakat und der Aufschrift „Skolstrejk för klimatet“ vor dem schwedischen Parlament ausharrte. Der erste Sachstandsbericht des Intergovernmental Panel on Climate Change datiert aus dem Jahr 1990 und dient als Basis für die Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen.

Vier Folgeberichte und eine Reihe von Sonderberichten wie unlängst der zu Klimawandel und Landsystemen bilden so gut wie alle in der Klimaforschung möglichen Positionen ab. Als im Jahr 1995 in Berlin die erste UN-Klimakonferenz stattfand, war Lindner übrigens genauso alt wie Thunberg heutzutage ist. Anfang Dezember stand die mittlerweile 25. UN-Klimakonferenz an. Von der ganzen Problematik überrascht zu sein oder wie unsere Kanzlerin Angela Merkel einen Weckruf nötig zu haben, klingt ein bisschen nach Donald Trump, der Thunbergs Auftritt auf dem UN-Klimagipfel in New York mit den Worten kommentierte, dass sie doch wie ein nettes Mädchen wirke, auf das glücklicherweise eine hoffnungsvolle Zukunft warte.

Zeit zu handeln“ hieß das Motto der 25. UN-Klimakonferenz. Herausgekommen ist dabei herzlich wenig

Tim Jacobsen

Als Thunberg gemeinsam mit 15 Kinder aus der ganzen Welt Ende September beim UN-Kinderrechtsausschuss eine Individualbeschwerde gegen Argentinien, Brasilien, Frankreich, die Türkei und Deutschland als die sowohl historisch als auch aktuell größten Emittenten von Treibhausgasen einlegte, hielt Merkel, ganz Physikerin, mit dem technischen Fortschritt, der uns retten wird, dagegen und ihr französischer Kollege Emanuel Macron entschuldigte seine Tatenlosigkeit mit dem Verweis auf diejenigen, die es Klima-mäßig noch viel schlimmer treiben. Natürlich ist Politik nicht schwarz und weiß, was aber zu denken gibt, ist, dass die Politik auf dieses Thema keine Antwort zu finden scheint.

Die allgemeine Kommentierung des unlängst zumindest in Teilen beschlossenen Klimapakets in den Medien lässt sich mit einem „die große Koalition traut sich und den Bürgern nicht mehr viel zu“ zusammenfassen; gleichzeitig rückt das Erreichen der Klimaziele bis zum Jahr 2030 in immer weitere Ferne. Im Jahr 2030 wird Merkel ihren 76. Geburtstag feiern, Trump seinen 84. und Thunberg wird dann gerade 27 Jahre alt sein. Bei den Protesten der Fridays for Future-Bewegung geht es immer auch darum, dass diejenigen, die zukünftig die Folgen der heute getroffenen Entscheidungen zu tragen haben, nicht diejenigen sind, die heute die Entscheidungen treffen.

Klar, war das bei den Rockern, Hippies, 68ern, Punkern und Ravern auch nicht viel anders. Aber während die einen ein patriarchalisch geprägtes Geschlechterbild vorleben wollten, die anderen freie Liebe predigten, die dritten gerne mehr Bürgerrechte für alle haben wollten, während die nächsten fanden, dass Provokation für sich genommen als Ziel ja auch schon vollkommen ausreicht und die Technoszene das expressive rauschartige Tanzen als glückseligmachend empfahl, liegt die Problemlage bei der Fridays for Future-Bewegung anders: es geht ihnen nicht um ein wie-dann-auch-besseres Leben; nein: für die jungen Menschen geht es gewissermaßen um Leben und Tod. Besser als alles andere verdeutlichen das die Zahlen: mit Anbeginn der Industrialisierung im 18. Jahrhundert stieg der Meeresspiegel um zwei Zentimeter, im 19. Jahrhundert dann schon um sechs Zentimeter, im 20. Jahrhundert schließlich um 19 cm, Tendenz weiter steigend.

Die Auswirkungen der schmelzenden Polkappen auf den Anstieg des Meeresspiegels wurden übrigens erstmals in dem letztes Jahr erschienenen Sonderbericht über die Ozeane und die Kryosphäre in einem sich wandelnden Klima thematisiert. Ein kleines Beispiel dafür, dass wir eigentlich alle in Thunbergs „How dare you“ einstimmen müssten: Wenn der bis zu 3000 m dicke grönländische Eisschild abzuschmelzen beginnt, sackt er zwangsläufig ab in tiefere, wärmere Höhenlagen und schmilzt dann unaufhaltsam noch schneller. Davor könnte allerdings noch die Westantarktis ihren Kipppunkt erreichen. Die Schmelzwasserströme werden voraussichtlich erst in der Meeresspiegelanstiegsprognose im Rahmen des nächsten Sachstandsberichts des IPCC eingepreist. Dann soll es auch nicht mehr um Zentimeter gehen, sondern wird mit Metern gerechnet werden.

Tim Jacobsen

Dürr, dürrer, Sommer 2018

Herrn

Im Alentejo in Südportugal erreichte die Temperatur am 1. August einen für Europa historischen Höchststand von 47,3 °C. Waren im Jahr 2003 noch hauptsächlich Norditalien, Spanien und Portugal sowie die maghrebinische Mittelmeerküste Opfer einer Omega- genannten Wetterlage, lag das für diese Wetterlagentypische große Hochdruckgebiet mit zwei flankierenden Höhentiefs im Jahr 2015 genau über Deutschland; in Bad Kitzingen konnte vor drei Jahren am 5. Juli der deutsche Allzeit-Temperaturrekord von 40,3 °C gemessen werden.

Wegen der hohen Temperaturen in Kombination mit Rekordstickoxid- und -ozonwerten mussten vor 15 Jahren nach der verhängnisvoll windstillen Nacht vom 11. auf den 12. August im Pariser Vorort Rungis sogar Kühlhallen und –transporter zu Leichenschauhäusern umfunktioniert werden; in der Retrospektive gilt Hoch Michaela mit 70 000 Toten als zweitgrößte Naturkatastrophe Europas überhaupt, nur knapp getoppt vom Messina-Erdbeben vor 110 Jahren. Der volkswirtschaftliche Schaden der Hitzewelle im Sommer 2003 soll eine Größenordnung von rund 13 Mrd. € gehabt haben.

Friedhofsgärtner räumen im Sommer 2018 sogar die Grablichter wegen der Brandgefahr ab

Tim Jacobsen

Auch das Jahr 2018 befindet sich seit geraumer Zeit auf meteorologischer Rekordjagd: die Menge an Regen, die in diesem Sommer nicht gefallen ist, übersteigt Ende Juli in manchen Regionen bereits die Werte für 2003, und der klassische Sommermonat August steht uns ja erst noch bevor. Die Trockenheit zieht sich auf den Publikationen der Wetterdienste wie ein in Alarmfarben gehaltenes Band von Irland über den Norden und Süden des Vereinigten Königsreichs, Nordfrankreich und einer gedachten Verlängerung nach Niedersachsen, die west- und östlichen Alpenausläufer, Ostdeutschland, dem tschechisch-slowakischen Grenzgebiet über weite Teile Polens bis hin nach Lettland, Weißrussland und in die Südukraine.

Vom Weltall aus relativ leicht messbar ist der von der Vegetation absorbierte Anteil der Strahlung. Setzt man diesen in Bezug zum Blattflächenindex, ermöglicht dies eine Zustandsbeschreibung der Vegetation. Flächendeckend und länderübergreifend versprach dieser Indikator schon seit Anfang Mai wenig Gutes und so werden nun auch von Nordirland bis in die baltischen Staaten und darüber hinaus Missernten gemeldet. In Dänemark werden derzeit Steuererleichterungen für Landwirte diskutiert, der Schaden soll sich auf 600 Mio. € summieren. In Schweden sind Waldbrände außer Kontrolle geraten, Lettland hat die Trockenperiode als Naturkatastrophe anerkannt und Litauen den Ausnahmezustand ausgerufen.

Polens Landwirtschaftsminister nutzte den Gedankenaustausch der EU-Landwirtschaftsminister Mitte Juli auch dazu, bei EU-Kommissar Phil Hogan wegen Finanzhilfen für die gebeutelten polnischen Bauern nachzuhören. Und unsere Politiker?

Zwischen Elektromobiltät und Luftreinhalteplänen twitterte die nordrheinwestfälische Umweltministerin nach einem Treffen mit Verbandsvertretern einen Hauch von Verständnis: „Keine Branche ist derart vom Wetter abhängig und von Wetterextremen betroffen wie die Landwirtschaft.“ Und das, obwohl ihre Parteikollegin im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft kurz zuvor noch die Landesregierungen mit Blick auf die Kompetenzverteilung zwischen Ländern und Bund in die Pflicht genommen hatte.

Im von der Dürre besonders betroffenen Mecklenburg-Vorpommern wurden mit den Randstreifen ökologische Vorrangflächen zur Futtergewinnung freigegeben, die BVVG-Pachtbeiträge bis Ende des Jahres gestundet. Mähdrescher rücken in unserem nordöstlichsten Bundesland wegen der immensen Brandgefahr vielerorts nur mit Feuerwehrbegleitung aus. In Sachsen-Anhalt wird mittlerweile das Löschwasser knapp und so manches Schwimmbad wird deswegen demnächst wohl „wegen Wassermangel geschlossen“ melden müssen.

Ende Juli sollen bei einem Treffen der Abteilungsleiter der Landesministerien die diesjährigen Witterungsschäden erhoben werden. Und dann wird sich zeigen, ob ein „Ereignis von nationalem Ausmaß“ vorliegt, bei dem dann auch der Bund ausnahmsweise Hilfen leisten kann. Ein klitzekleines Eigentor schoss Mitte Juli Joachim Rukwied bei der Vorstellung der Ersten Erntemeldung des Deutschen Bauernverbandes, als er in fast einem Atemzug beklagte, dass „eine ausreichende Versorgung der Tiere teilweise nur noch durch überregionalen Zukauf möglich ist“, dann daraus Forderungen nach Finanzhilfen für in Schwierigkeit geratene Landwirte ableitete, um kurz darauf das frisch verhandelte Freihandelsabkommen zwischen Japan und der EU zu loben, das die Exportchancen auch für Schweinefleisch vergrößern soll.

Und wie geht es mit dem Sommer weiter? Als „Sommertag“ gelten Tage, an denen Temperaturen von über 25 °C erreicht werden. Seit April hat dieses Jahr jeder Monat mehr Sommertage gehabt, als nach dem langjährigen Mittel eigentlich zu erwarten gewesen wäre – obwohl diese so genannten Klimamittel in den vergangenen Jahrzehnten nur eine Richtung kannten: nach oben. Anfang Juli war bereits die Hälfte der Anzahl Sommertage des Jahres 2003 erreicht – und es ist keinesfalls ungewöhnlich, wenn selbst im Oktober noch der eine oder andere meteorologische Sommertag dazukommt.

Tim Jacobsen

Ökologisch einwandfrei

Hinter dem etwas sperrigen Begriff der Opportunitätskosten verbirgt sich das was-wäre-wenn der Ökonomie. Und ähnlich wie im Märchen, wenn Aschenputtel trotz ausdrücklichem Verbots alleine auf den Ball des Prinzen geht oder das Mädchen in Frau Holle der Spindel hinterherspringt und erst dadurch am Grund des Brunnens das Glück entdecken kann, braucht es auch im echten Leben oftmals einiges an Leidensdruck, bevor Dinge in Bewegung geraten.

Die Fakten sind weithin bekannt: 25 Mrd. € und damit mehr als das nominale Bruttoinlandsprodukt etwa der Hälfte aller Länder weltweit haben wir Deutschen uns letztes Jahr die Erzeugung von Strom mit Hilfe von erneuerbaren Energien kosten lassen, etwa die Hälfte davon fiel allein für Solarstrom an; und das, obwohl die Sonne zum erneuerbaren Energiemix nur rund ein Viertel beiträgt.

Vergessen Sie nicht, bis zum 24. September ist nicht mehr lange hin. Mit den daran anschließenden Koalitionsverhandlungen nimmt die Diskussionsfreude unserer Volksvertreter erfahrungsgemäß schnell ab

Tim Jacobsen

Spätestens die Insolvenz der in Bonn ansässigen Solarworld machte zudem deutlich, dass es mit dem einstmals postulierten grünen Beschäftigungswunder nicht weit her sein kann: Ähnlich wie in Hochzeiten der Anlagenneuinstallation, als die heimische Produktion der Nachfrage nicht Herr werden konnte, wird wohl auch zukünftig ein Großteil der Module aus dem Ausland importiert werden müssen. Und sind die Anlagen einmal installiert, gibt es, anders als bei Windkraftanlagen beispielsweise, weder Wartungsbedarf noch Folgeaufträge.

Prof. Dr. Manuel Frondel, Leiter des Bereichs „Umwelt und Ressourcen“ am Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung, verdeutlicht die Schieflage in der gängigen Argumentation an einem absurden, nichts desto trotz einleuchtenden Argument: „Wäre Beschäftigung das oberste Ziel der Förderung grüner Technologie, gäbe es einen besseren Weg: Dann sollten hochbezahlte Rad- und Ruderprofis via vieler kleiner Generatoren den CO2-armen Strom erzeugen.“

Gleichzeitig darf man auch nicht aus den Augen verlieren, dass durch die erneuerbaren Energien zwangsläufig in der konventionellen Energieerzeugung Arbeitsplätze überflüssig wurden, vor allem auch im vor- und nachgelagerten Bereich. Dazu kommt, dass, von den so genannten stromkostenintensiven Unternehmen einmal abgesehen, Privathaushalte und Unternehmen gleichermaßen weniger Geld für Konsum und Investitionen zur Verfügung haben, was sich wiederum ebenfalls gesamtwirtschaftlich negativ bemerkbar macht.

Geld, das anders investiert hätte werden können. Zwar erreichten Bund, Länder und Kommunen letztes Jahr erstmals das bereits 1970 vereinbarte UNO-Ziel, wonach Länder 0,7 % ihres Bruttoinlandsprodukts für Entwicklungshilfe bereitstellen sollen. Allerdings gingen auch die Folgekosten des Flüchtlingszuzugs in diese Rechnung mit ein oder wie die Geschäftsführerin der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung, Renate Bähr, kommentierte: der Aufstieg Deutschlands zum „größten Empfänger seiner eigenen Entwicklungsausgaben“.

Für das Haushaltsjahr 2017 stehen dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung mit 8,5 Mrd. € etwa zwei Drittel Summe zur Verfügung, die im gleichen Zeitraum von den Stromverbrauchern aufgebracht wird, um allein die im Rahmen des Solarbooms staatlicherseits eingegangenen Verpflichtungen abzuarbeiten. Ob die Bekämpfung von Fluchtursachen nicht nur eine wesentlich honorigere, sondern auch auf sein ganz egoistisch volkswirtschaftlich sinnvollere Investition gewesen wäre, wird die Zukunft zeigen.

Statt in Solaranlagen hätte beispielsweise auch in die Entwicklung leistungsfähiger Speichertechnologie investiert werden können. Es muss nämlich gar nicht unbedingt die Brechstange in Form des großflächigen Einsatzes technisch nicht ausgereifter Technologie sein, um dieser zum Siegeszug zu verhelfen, manchmal kann auch eine kleine Ursache große Wirkung haben: Wäre niemand gestolpert, hätte niemals das giftige Apfelstück aus Schneewittchens Hals rutschen können. Und die Stromverbraucher müssten nicht Monat für Monat in rotglühenden Eisenpantoffeln tanzen. Und es ist leider alles andere als ausgeschlossen, dass diese im Zuge einer staatlich verordneten E-Mobilität demnächst noch einmal an Temperatur zulegen.

Tim Jacobsen

Alle Probleme gelöst?

Am 3. September wird es stattfinden, das fünfte deutsche Fernsehduell zwischen dem Amtsinhaber bzw. der Amtsinhaberin und der Herausforderin bzw. dem Herausforderer – wobei unsere Bundeskanzlerin dank ihrer insgesamt vierten Teilnahme an einem solchen Fernsehformat mittlerweile wahrscheinlich sogar reif für einen Eintrag im Guinness Buch der Rekorde ist. 2005, 2009 und 2013 konnte sich Dr. Angela Dorothea Merkel auf dem Weg ins Fernsehstudio zudem vermutlich ein Lächeln nicht verkneifen, schließlich brachte sie die Aufzeichnung just in den Berliner Ortsteil Adlershof, wo sie Jahre zuvor noch am Zentralinstitut für Physikalische Chemie ihre wissenschaftlichen Meriten verdient hatte.

Jeweils kurz nach dem Kanzlerduell und in unmittelbarer räumlicher Nähe dazu fand in den Jahren 2009 und 2013 jeweils auch ein so genannter Zukunftskongress Gartenbau statt. In ihrer Videobotschaft eingangs der Erstauflage forderte die damalige Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner dazu auf, eine „Strategie Gartenbau 2020“ zu formulieren. „Eine Strategie, die wir ernst meinen, die natürlich auch nach vorne blickt, und die uns attraktiv macht auch im Gespräch mit anderen Wirtschaftszweigen, Wissensgebieten und unserem Nachwuchs“, wie Mitorganisator Prof. Dr. Eckhard George es in seinen Schlussbetrachtungen formulierte. In der Folgeveranstaltung im Jahr 2013 war der Horizont dann bereits deutlich weiter gesteckt: Visionen für die Zeit bis 2030 waren gefragt. Was dabei herauskam, war mit dem sogenannten Bericht der Forschergruppe zum Zukunftskongress die bis dahin unbestritten umfassendste Zusammenstellung der Rahmenbedingungen und zukünftigen Herausforderungen für den Gartenbau.

Herrn Angela Merkels ‚Sie kennen mich‘ war 2013 wahrscheinlich wahlentscheidend. Nach abermals vier Jahren großer Koalition muss das ‚ja genau, darum‘ jeder für sich selbst interpretieren

Tim jacobsen

Hieß es 2009 noch „Forderungen an Politiker und Politik … formulieren wir leicht und gerne … Aber vielleicht sollten wir gleichzeitig auch einmal die Frage beantworten: was haben wir eigentlich der Öffentlichkeit und dem Ministerium zu bieten? Schließlich vertritt ja die Politik auch die Interessen der Bürger, unserer Kunden und der Steuerzahler. Und diese Anliegen der Gesellschaft, zum Beispiel im Klimaschutz oder einer gesunden Ernährung, sollten für uns möglichst eine Herausforderung und nicht ein Ärgernis sein“ gepaart mit der Erkenntnis „es ist wohl so, dass Wissenschaft zwar ein wichtiger Motor von Innovation sein kann, dass aber das Entdecken von neuen Wegen oder die Umsetzung neuer Ideen auch in vielen anderen Bereichen des Gartenbaus üblich und notwendig ist“, spiegelte der 2013er Bericht die Interessenlage der Teilnehmer am Kongress wieder.

Und unter den Teilnehmern fehlten nun ausgerechnet die, um die es eigentlich hätte gehen können: die Jungen, über deren Zukunft ja diskutiert hätte werden sollen. Oder die Praktiker, die ja eigentlich Nutznießer der Zukunftsstrategie Gartenbau sein sollten und die mit ihrer Innovationskraft und –freude tagtäglich dafür Sorge tragen, dass der deutsche Gartenbau wettbewerbsfähig ist und bleibt. Stattdessen wurden aus Wissenschaft und Forschung eben genau jene vier Jahre zuvor noch kritisch gesehenen „Forderungen an Politiker und Politik, insbesondere an das BMELV“ formuliert.

Von den Jungen und der gärtnerischen Praxis war auch beim unlängst, dieses Mal gut ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl, abgehaltenen HortInnova Ergebnisworkshop wenig zu sehen. Ausgehend von „aktuellen und potenziellen Problemen in der gartenbaulichen Erzeugung“ sollte dort eine „in sich kohärente Strategie erarbeitet“ werden, die mittels „Forschungsaufrufen des BMEL“ dazu beitragen soll, auch „in Zukunft einen nachhaltigen und wettbewerbsfähigen Gartenbau in Deutschland zu haben“. Kohärent war die diskutierte Strategie insofern, dass sich niemand außen vor gelassen fühlen musste – vom Steuerzahler einmal abgesehen, falls es demnächst tatsächlich Forschungsaufrufe und Zuweisungsbescheide zuhauf hageln sollte.

Wie leider auch für den 3. September zu erwarten ist, wurden beim Ergebnisworkshop hauptsächlich Aussagen an Statements gereiht – eine Pointierung, die gleichzeitig ja auch zwangsläufig eine Positionierung mit sich hätte bringen müssen, blieb weitestgehend aus. Und so war man sich wie auch bereits 2009 und 2013 schnell darüber einig, dass die Zukunft jede Menge Herausforderungen für uns Gärtner bereithält, wir denen aber im Prinzip am besten mit einem „Weiter so wie bisher“ begegnen sollten. Angela Merkels „Sie kennen mich“ war 2013 wahrscheinlich wahlentscheidend. Nach abermals vier Jahren großer Koalition muss das „ja genau, darum“ jeder für sich selbst interpretieren.

Tim Jacobsen

Mehr als nur Smalltalk: das Wetter

Jede Menge bislang weithin unbekannter Rekorde wurden dieses Jahr bereits auf mehr oder weniger publikumswirksame Weise gebrochen – wovon im 68. Lebensjahr ältester Meistertrainer Deutschlands zu werden einer der eher skurrilen Art ist. Während sich bei der Honorierung der Lebensleistung Jupp Heynckes´ auch ansonsten eher unversöhnliche Fanlager auf einen gemeinsamen Nenner einigen können, splittert sich die Stimmungslage beim Stichwort Tripel in die jeweiligen Vereinsfarben auf.

Um im Miteinander möglichen Stolpersteinen aus dem Weg zu gehen, empfiehlt es sich dann, gar nicht erst mit Fußball zu beginnen, sondern es beim Wetter zu halten. Denn bei diesem Thema sind sich garantiert alle einig: Schließlich haben sich auch mit Erreichen des meteorologischen Sommerbeginns wohl nur wenige Haushalte getraut, die Heizung auf Sommerbetrieb zu stellen – geschweige denn, dass die Heizungssteuerung von selbst merken hätte können, dass wir uns in Riesenschritten Mittsommernacht nähern.

Es war nass, es war kalt, es war dunkel und es war lange nass und kalt und dunkel. Ob nun allerdings im Mai nur das eineinhalb oder doch das Dreifache der sonst üblichen Regenmenge vom Himmel fiel – ein Fall für die Statistiken. Und war der März eigentlich wirklich der kälteste März jemals – welche Rolle spielt das eigentlich? Wie viel man auf statistische Wetterdaten geben kann, lässt sich am wetterkapriolenreichen April ablesen: ein paar fast schon sommerliche Tage zwischendurch genügten, um den April im Mittel sogar über den langjährigen Durchschnitt zu heben und damit elegant zu kaschieren, dass es an Weihnachten fast überall in Deutschland wärmer war als zu Ostern.

Keine Schuld trifft die Meteorologen. Fast wünschte man sich manchmal, dass ihre Prognosen fehlerbehafteter wären. Aber wahrscheinlich sind die derzeit vorherrschenden Wetterlagen schlichtweg zu einfach zu interpretieren, als dass man sich diesbezüglich große Hoffnungen machen könnte. Anscheinend reichen für unsere derzeitigen Tiefausläufer die 1,3 Billiarden Rechenschritte (immerhin eine Zahl mit 15 Nullen) vollkommen aus, mit denen der Computer des Deutschen Wetterdienstes unseren meteorologischen Tagesablauf abbildet.

Keine Schuld trifft die Meteorologen. Fast wünschte man sich manchmal, dass ihre Prognosen fehlerbehafteter wären

Tim JAocobsen

Wenn es allerdings so wäre, dass der Wetterbericht das Wetter und nicht das Wetter den Wetterbericht beeinflussen würde, hätten wir ganz gute Karten. Schließlich muss trotz aller Rechenpower der so genannte Meteorologe vom Dienst vor Herausgabe des Wetterberichts jeweils selbst Hand anlegen, um aus den von den Computern anhand leicht unterschiedlicher Ausgangsdaten errechneten Prognosen die wahrscheinlichste auszusuchen. Ähneln sich die Simulationsergebnisse, sind die Vorhersagen logischerweise aussagekräftiger als bei instabilen Verhältnissen.

Liegt der Meteorologe in seiner Vorhersage dann mehr als 4,5 K neben den später tatsächlich erreichten Temperaturen, wird dies als grober Fehler bewertet; bei weniger als 2,5 K Abweichung wertet der Wetterdienst die Prognose als gute Vorhersage. Bei den zweitägigen Vorhersagen der Tagesmitteltemperatur kommen die Wetterfrösche mittlerweile auf eine durchschnittliche Abweichung von nur 1,3 K, erst ab der sechstägigen Prognose wird im Mittel die 2,5 K Hürde gerissen.

Grundsätzlich sind die Wetterverhältnisse im Sommer im Vergleich zu den Wintermonaten etwas stabiler, was die Aussagekraft der Vorhersagen in diesem Zeitraum erhöht – die Übergangszeiten sind dagegen mit vergleichsweise hohen Fehlerquoten behaftet. Da die Physik, die hinter Bewölkung und Niederschlag steckt, ungleich komplexer ist als die von Druck und Wind, lässt sich Niederschlag nur schwer prognostizieren. Noch schwieriger ist es, kleinräumige Prozesse wie Windböen oder Gewitter vorherzusehen, da diese relativ leicht durch das Gitterraster des Wettermodells rutschen können.

Wie Dr. Michael Barbulescu auf dem diesjährigen Möhrenforum erläuterte, gibt es keinen Anlass, der Wettervorhersage für die nächsten drei Tage zu misstrauen, auch wenn sie regional durchaus um bis zu einem halben Tag zeitlich daneben liegen kann. Und auch auf den bis zu zehn Tage in die Zukunft weisenden Wettertrend könne man sich durchaus verlassen. Er empfahl, neben den Modellen der Wetterdienste auch die Möglichkeiten zu nutzen, die regional ansässige Wetterstationen oftmals über das Internet frei zugänglich bieten.

So lässt sich dann auch ausgiebig Zeit im Internet damit verbringen, diejenige Prognose zu finden, die am ehesten zu den eigenen Wunschvorstellungen passt, in der Hoffnung, einen kleinen meteorologischen Vorteil für sich nutzen können. Wie dieses Frühjahr allerdings beweist, können knappe Angebotsmengen, die auf eine ebenfalls zurückhaltende Nachfrage treffen, den Marktberichterstattern zufolge zu einem Preisgefüge führen, mit dem sich leben lässt, auch wenn die Erlössituation im Gemüsebau auch dieses Jahr sicher wieder nicht zu Rekordmeldungen führen wird.

Was bleiben wird, ist die Erinnerung an den an Herausforderungen wohl kaum zu überbietenden Einstieg in die Freilandsaison 2013. Und dafür gibt es keinen Eintrag ins Guinnessbuch, so verdient er auch wäre.

Tim Jacobsen

Extreme zum Saisonbeginn 2011: Auf Trockenheit und schleppenden Absatz folgt EHEC

Einmal mehr bewahrheitet sich dieses Jahr, dass ein früher Erntebeginn nicht zwangsläufig zu einem erfolgreichen Saisonstart führt. So gab es unter den deutschen Spargelproduzenten wahrscheinlich niemanden, dem zu Jahresbeginn beim Blick in den Kalender nicht auch der Gedanke gekommen wäre, dieses Jahr doch einmal verstärkt vom Ostergeschäft profitieren zu können. Nur dass dann die späten Ernten in Griechenland und Spanien samt den Rekordimporten aus Peru auf eine mitteleuropäische Wetterlage stießen, die angesichts sommerhafter Temperaturen zum kalendarischen Frühlingsbeginn hierzulande für einen Turbostart in die Spargelernte sorgte, hatte wohl niemand geahnt. Genauso wenig wie, dass die Verbraucher nur langsam in Spargellaune kamen.

Schlimmer noch bei den Salaten: Hier traf das südeuropäische Saisonende auf die erste einheimische Freilandware. Damit nicht genug, blockierten Salate aus dem nordwesteuropäischen Unterglasanbau zusätzlich Absatzwege. Da halfen auch keine Feiertage: seit Mitte April befinden sich die Salatpreise im Sturzflug. Anfang April noch freudig begrüßt, wird die lang anhaltende Großwetterlage dabei zunehmend zum Fluch: Zu den ohnehin im Vergleich zum Vorjahr erneut gestiegenen Produktionskosten gesellen sich noch die teilweise beträchtlich hohen finanziellen und personellen Aufwendungen für den kaum zu deckenden Bewässerungsbedarf. Für diese Jahreszeit ungewöhnlich wird angesichts des Angebotüberhangs so mancher erntereife Schlag bereits untergepflügt.

Auch die weiteren Aussichten scheinen alles andere als rosig. Schließlich hat der letzte Sommer bewiesen, dass künstliche Beregnung immer nur die zweitbeste Lösung sein kann und extreme Witterungssituationen zwangsläufig einen Schatten auf den weiteren Saisonverlauf werfen. Aber auch der von vielen herbeigesehnte Temperatursturz wäre keine Lösung. Denn gerade auch bei kühlerer Witterung könnten Salate schnell zur Mangelware werden und der dann entstehende Nachfrageüberhang den Markt noch weiter aus dem Gleichgewicht bringen.

Wohl dem, der sein Geld nicht mit den ersten Sätzen verdienen muss, könnte man nun meinen. Wie falsch man damit allerdings liegt, wird einem spätestens dann klar, wenn man bedenkt, dass die normalerweise erst im Spätsommer zur niederbayerischen Gurkenernte anrückenden Saisonarbeitskräfte dieses Jahr bereits im Mai kamen: Ungewöhnlich niedrige Temperaturen hatten in der ersten Maihälfte zu teils dramatischen Ausfällen in den Gurkenkulturen gesorgt, die nun mühsam per Hand nachgesät werden mussten.

Immerhin können die Kollegen an Isar, Vils und Donau noch versuchen zu retten, was zu retten ist, werden sich die Meckenheimer Obstbauern denken. Schließlich führten ohne die anhaltende Trockenheit eigentlich kaum erklärbare Frostschäden Anfang Mai in der Voreifel zu teilweise existenzbedrohenden Ausfällen bei Äpfel und Birnen. Auch aus dem Land Brandenburg, der Pfalz, Rheinhessen, Württemberg und Franken werden Frostschäden gemeldet. Besonders betroffen sind neben dem Kernobst Erdbeeren, Kirschen und Rebstöcke.

„´Vorsorglich bis auf weiteres Tomaten, Salatgurken und Blattsalate insbesondere in Norddeutschland nicht roh zu verzehren“

Empfehlung Des das Robert-Koch-Instituts am 25.5.2011

Und als wäre das alles nicht schon schlimm genug, wurde in den Online-Medien am Abend des 21. Mai 2011 erstmals über Ursachen für das verstärkte Auftreten schwerer bakterieller Durchfallerkrankungen in Norddeutschland spekuliert. Wurde zu Beginn die Schuld noch bei den üblichen Verdächtigen wie mangelnder Hygiene, Rohmilchverzehr oder bakterienverseuchtem Rindfleisch gesucht, rückten einen Tag später Obst und Gemüse in den Fokus der Epidemiologen. Von da ab war es nur noch ein kleiner Sprung hin zu reißerischen Verzehrswarnungen, denen man ab dem 23.5.2011 kaum noch entkommen konnte und die bei Kantinen- und Supermarktkunden gleichermaßen zu einem Rohkostboykott führten.

Ungewollt markierte das Robert-Koch-Institut am 25.5.2011 den bisherigen Höhepunkt dieser Entwicklung. Verschiedene Presseagenturen deuteten die Empfehlung des Bundesinstituts „vorsorglich bis auf weiteres Tomaten, Salatgurken und Blattsalate insbesondere in Norddeutschland nicht roh zu verzehren“ um in ein „Tomaten, Salatgurken und Blattsalate aus Norddeutschland“. Da half es dann wenig, dass im Laufe des 26.05.2011 Import-Gurken aus Spanien als Träger des Erregers dingfest gemacht werden konnten. Der Appetit war den Verbrauchern da bereits vergangen.

Tim Jacobsen

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