"Now, here, you see, it takes all the running you can do, to keep in the same place. If you want to get somewhere else, you must run at least twice as fast as that!"

Kategorie: Klima (Seite 3 von 3)

Entscheidungen treffen, flexibel bleiben

Gibt es auf Youtube einen Film über das was Sie machen? Wissen Sie, womit Sie Ihren Mitarbeitern eine Freude bereiten können? Und wann haben Sie sich zum letzten Mal mit dem Abnehmer eines Ihrer Produkte unterhalten?

Unzusammenhängend wie diese Fragen auf den ersten Blick auch erscheinen mögen, sind sie allesamt Teil eines Fragenkataloges, der am Ende eines von der niederländischen Rabobank initiierten Projektes namens `De wereld van Jip´ stand. Was aber hat nun diese niederländische Kunstperson Jip mit Ihnen zu tun? Um es kurz zu machen: eigentlich alles. Auch Jip lebt in einer Welt, die niemals stillsteht.

Anders als bei seinem Urgroßvater Cor endet Jips Welt nicht am eigenen Betriebstor. Anders als noch sein Großvater Kees dient er nicht seine ganze Ware der Versteigerung an. Und anders als sein Vater, sucht er sein Glück nicht in einer Gruppe Gleichgesinnter. Als Jip 2013 den Betrieb übernimmt, bestimmen Trends und Hypes in viel größerem Umfang das Einkaufsverhalten als heutzutage. Jips Abkehr von der Kostpreisstrategie, wie sie noch sein Vater durchaus erfolgreich verfolgte, ist dabei auch eine Antwort auf die Verschiebungen im weltweiten Marktgeflecht, die sich im ersten Jahrzehnt des 21ten Jahrhunderts abzuzeichnen begannen.

Jips Antwort auf die unternehmerischen Herausforderungen der Zukunft ist dabei nur eine von vielen möglichen Antworten auf die Frage aller Fragen: „wie verändert sich die Welt und was hat das für Auswirkungen auf mich und meinen Betrieb?“

Indirekt profitieren konnte Jip von den Auswirkungen der Globalisierung. Je näher all das kommt, was fernab passiert, umso mehr suchen die Menschen nach Sicherheiten, die sie glauben in dem zu finden, was aus ihrer Nähe stammt. Regionale Produkte mit einem erkennbaren Absender können dabei ihren emotionalen Mehrwert ausspielen.

Was kann man noch glauben, wenn jeder alles über das Internet verbreiten kann? Und was bleibt übrig von Intimsphäre, wenn jeder Einkauf genauestens analysiert wird? Dieselbe Technik hilft aber auch dabei, positive Botschaften zu verbreiten. Und die Menschen wollen keine anonymen Produkte mehr, sondern ein gutes Gefühl, eine schöne Geschichte.

„Wie verändert sich die Welt und was hat das für Auswirkungen auf mich und meinen Betrieb?“

Jip

In dem Maße, in dem die Gesellschaft pluriformer, multikultureller und diverser wird, nimmt die Suche nach Identität und Herkunft zu. Öffentliche Trauerveranstaltungen beim Tod berühmter Persönlichkeiten, Schleier und Kopftuch im öffentlichen Raum und die ausschweifenden Feiern bei Siegen der eigenen Nationalmannschaft verdeutlichen dies. Wo jetzt noch der Fokus auf uniformen Qualitäten liegt, werden in wenigen Jahren Unterscheidbarkeit, Authentizität, Ehrlichkeit über den Erfolg von Produkten entscheiden. Das Massenprodukt wird nicht verschwinden, aber seine Bedeutung wird abnehmen.

Die genannten Beispiele sind Bausteine, aus denen die Zukunft aufgebaut sein könnte. Was fehlt, ist der Zement, um diese Bausteine zusammenzufügen. Die eigentliche Herausforderung liegt also darin, an den einzelnen Fragmenten vorbeizuschauen. Dann wird ein größeres Ganzes sichtbar.

Bisher sind Neuerungen im Gartenbau hauptsächlich technischer Art. Diese führen im Regelfall zu einer Verringerung der Produktionskosten. Snackgemüse, die Wiederentdeckung verlorengegangen geglaubter Kulturen oder die Entstaubung vergessen geglaubter Obst- und Gemüsesorten sind Beispiele für neue Ideen, die vielleicht ihren Teil dazu beitragen, Kostenreduktion als Allheilmittel abzulösen. Der Billigste zu sein wäre dann nicht mehr das Alleinseligmachende. Die Rechnung geht allerdings nur auf, wenn Mehrwert beim Konsumenten dann auch etwas anderes bedeutet als günstige Preise.

Starre Produktionsketten werden in ein paar Jahren wahrscheinlich ihre beste Zeit hinter sich haben. Sie machen Platz für flexible, dynamische Formen der Zusammenarbeit. Während in starren Produktionsketten jeder eine genau definierte Funktion zu erfüllen hat, haben nun ständig wechselnde Partner miteinander zu tun.

Die Lebensdauer von Produkten wird kurz sein und die Anforderungen an den Umweltschutz und die korrekte Beantwortung sozialer Fragestellungen groß. Ethische und soziale Verantwortbarkeit werden Lebensmittelsicherheit und Umweltbewusstsein als Leuchttürme in der Konsumwelt ablösen. Die Begriffe Wasserverbrauch, Food und Flower miles werden sich mit Bedeutung füllen.

In diesem Spannungsfeld wird es für die Unternehmer unerlässlich sein, den eigenen Standpunkt zu bestimmen und Position zu beziehen. Jeder Unternehmer wird dabei die Rolle suchen, die am Besten zu ihm passt. Dem einen passt die Rolle als so genannter Innovator. Ein anderer wird sein Glück in der Massenproduktion suchen. Die Entscheidung für eine bestimmte Betriebsgröße wird zukünftig stärker in Langzeitstrategien eingebunden sein. Groß wird dabei nicht unbedingt gut, genauso wenig, wie klein nicht unbedingt schlecht sein wird.

Entscheidend wird aber sein, dass Unternehmer bewusst wählen, Entscheidungen treffen, und dabei trotzdem flexibel bleiben.

Tim Jacobsen

Macht der Unlogik

Die Sorge der Investoren vor einem weiteren Abrutschen der Weltwirtschaft ließ die Ölpreise Mitte Oktober auf ihren niedrigsten Stand seit 13 Monaten fallen. Mit deutlich unter 75 US$ lag der Preis für diesen in 159 l-Einheiten gehandelten Energieträger unter der Hälfte des noch im Sommer dieses Jahres herrschenden Rekordpreises von fast 150 US$. Aber auch 75 US$ sind viel, zu mindest verglichen mit den Preisen von vor fünf Jahren. 2003 wurden die Erdölfässer noch für weniger als 30 US$ gehandelt. Trotz einer Verdreifachung des Preises innerhalb von fünf Jahren gilt Öl im Augenblick gerade als billig.

Würde er nicht hehre Ziele verfolgen, müsste man Dan Ariely als Schwindler bezeichnen. Er verteilt beispielsweise Vitamin-C-Tabletten an Versuchspersonen und behauptet, es handle sich dabei um ein sehr wirksames neues Schmerzmittel. Die Ergebnisse dieser Schwindeleien rechtfertigen diese auf den ersten Blick ethisch kaum vertretbaren Handlungen. Das vermeintliche Schmerzmittel lindert tatsächlich den Schmerz der Probanden. Der Versuch mit den Vitamin-C-Tabletten bringt aber nicht nur die an sich wenig neue Erkenntnis, dass Placebos eine positive Wirkung auf die Gesundheit der Patienten haben können. Ariely fügte diesem Experiment, auch eine ökonomisch bedeutsame Variante hinzu:

Die Versuchspersonen bekamen nicht nur Vitamin C als Schmerzmittel aufgeschwatzt, es wurden ihnen auch unterschiedliche Preise suggeriert. Je teurer das Vitamin-C-Schmerzmittel war, umso stärker linderte es den Schmerz der Versuchspersonen. Mit anderen Worten: Je teurer etwas ist, umso besser ist es in unserer Erwartung, und umso besser ist es auch in unserer Wahrnehmung – obwohl der Preis nicht notwendigerweise immer etwas mit der Qualität des Produktes zu tun hat.

Ariely ist einer der Gründerväter einer neuen Forschungsrichtung, die das mechanistische Menschenbild der Ökonomie mit Erkenntnissen der Psychologie verbindet. Die dabei erzielten Ergebnisse belegen, dass wir Menschen eben doch keine rationalen kalten Rechenmaschinen sind und nur wenig mit dem vielen Wirtschaftstheorien zugrunde liegenden Menschenbild des Homo Oeconomicus gemein haben. In Wirklichkeit, so Ariely, verhalten wir uns im Alltag, im Beruf und in der Liebe hochgradig irrational.

„Je teurer etwas ist, umso besser ist es in unserer Erwartung, und umso besser ist es auch in unserer Wahrnehmung“

Dan Ariely

So irrational sogar, dass diese Irrationalität vorhersehbar ist. Ariely zufolge begehen wir nicht nur immer die gleichen Fehler, sondern machen sie auch immer und immer wieder, ohne viel daraus zu lernen. Einer Gruppe von amerikanischen Studenten präsentierte Ariely mehrere Weinflaschen, einen Trackball, eine Tastatur mit Maus, ein Buch und eine Pralinenschachtel und fragte sie, wie viel sie jeweils dafür bezahlen würden. Vor Abgabe der Gebote mussten die Probanden die letzten beiden Nummern ihrer Sozialversicherungsnummer notieren und bei jedem Produkt angeben, ob sie diesen Betrag in Dollar dafür ausgeben würden.

Nur welcher vernünftige Mensch lässt sich nun von den letzten beiden Zahlen seiner Sozialversicherungsnummer beeinflussen? Das verblüffende Ergebnis: fast jeder. Die Studenten mit den höchsten Endziffern gaben signifikant höhere Gebote ab als diejenigen mit niedrigen Endziffern. Solange Kaufentscheidungen durch willkürliche Einflüsse manipuliert werden können, argumentiert Ariely, dürfe man sich nicht darauf verlassen, dass das Wechselspiel von Angebot und Nachfrage automatisch zu Marktpreisen führe, die den größten Nutzen für alle Beteiligten widerspiegelten – wie es die traditionelle Wirtschaftstheorie voraussagt.

Eindrucksvoll sind auch die Experimente, mit denen er zeigt, wie sehr sexuelle Erregung Kaufentscheidungen beeinflussen kann. Nach dem Betrachten von Fotos attraktiver Frauen waren Männer durchgängig bereit, beispielsweise deutlich mehr Geld für Geschenke auszugeben. Der Mensch neige in emotional aufgeladenen Zuständen eben zu falschen Entscheidungen, folgert Ariely. Niemand, so seine beruhigende Botschaft, sei allerdings der Macht der Unlogik hilflos ausgeliefert. Wer wachsam ist und begreife, wann und wo er sich irrational entscheide, dem könne es gelingen, vorhersehbar irrationales Handeln zu vermeiden.

Die Finanzkrise und die abflauende Weltwirtschaft haben den Ölpreis in den vergangenen dreieinhalb Monaten stetig fallen lassen. Weder die Tropenstürme Gustav und Ike und die damit verbundene erhebliche Einschränkung der Ölförderung im Golf von Mexiko noch die Rettungsmaßnahmen für die Finanzbranche konnten diesem Preisverfall Einhalt gebieten. Wie sich der Ölpreis in Zukunft weiter entwickeln wird, ist eine gute Frage, auf die es keine seriöse Antwort gibt. Schließlich gerät die Öl verbrauchende Wirtschaft erst jetzt gerade ins Schlingern.

Tim Jacobsen

Schlechte Preise, gute Preise

Gerne bestätigen wir uns gegenseitig in Umfragen, das Gute tun und das Böse lassen zu wollen. Gerne üben wir verbal Verzicht, besonders dann, wenn es darum geht, die Zerstörung der Umwelt stoppen oder all denen helfen zu wollen, denen es schlechter geht als uns. Dennoch scheint kaum jemand von uns in der Lage zu sein, der Sogwirkung zu entkommen, die Billigangebote ausüben.

Dabei braucht es nicht allzu viel Fantasie, herauszufinden, wie es denn sein kann, dass die Taxifahrt zum Flughafen heutzutage oftmals teurer ist als der Flug selbst. Stellenabbau, Niedriglöhne und die großzügige Umlage der Umweltkosten auf die Allgemeinheit machen es möglich.

Um preiswertes auch in Zukunft günstig einkaufen zu können, ruft die planmäßige Bespitzelung von Mitarbeitern kaum Empörung hervor. Auch die Verweigerung allgemein üblicher Rechte wird stillschweigend in Kauf genommen, um weiterhin zu Ladenpreisen einkaufen gehen zu können, die den Produzenten nicht nur das allerletzte abverlangen, sondern auch eine umweltgerechte Produktion in vielen Fällen weitgehend verunmöglichen.

Die Schändung von Menschenrechten finden wir entsetzlich. Auf in China produzierte Waren wollen wir allerdings allenfalls verzichten, wenn wieder einmal Schwermetalle in Kinderspielzeug nachgewiesen werden. Nur wenig unterscheidet uns also von den Strategen in den Chefetagen der Multinationals. Auch dort werden letztendlich nur Preise verglichen und im Regelfall Entscheidungen zu Gunsten des günstigsten Angebots gefällt.

Wehe aber, die Einschläge nähern sich unserer Haustür. Der Aufschrei war groß, als Anfang des Jahres mit der Schließung des Nokiawerkes in Bochum nach BenQ und Motorola der letzte Mobiltelephonhersteller Deutschland verließ und damit innerhalb weniger Monate über 10 000 Menschen ihren Arbeitsplatz verloren. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers eilte damals umgehend nach Bochum, entrüstete sich, versprach den versammelten Mitarbeitern Hilfe und geißelte den Nokia-Konzern als „Subventionsheuschrecke“.

Letztendlich unterscheidet uns allerdings nur die Höhe des Einsatzes von den Konzernlenkern international tätiger Großkonzerne, denen wir Stellenabbau und Sozialdumping vorwerfen. Schließlich drücken wir durch unser Konsumverhalten die Preise, bis als Produktionsstandort nur noch Billiglohnländer in Frage kommen. Anders als noch vor wenigen Jahren befürchtet, sind es nicht die Ausländer im Inland, die uns die Arbeit wegnehmen, sondern die Ausländer im Ausland.

Ohne Billigboom hätte es aber wahrscheinlich den Bioboom nie gegeben

Tim jacobsen

Es ist ein leichtes, die Industriepolitik der Bushadministration zu kritisieren. Allerdings sind es nicht die USA, sondern die privaten Haushalte, die in ihrer Gesamtheit in den letzten Jahren die größten Steigerungsraten beim Energieverbrauch aufweisen. Es ist ja auch nur zu einfach. Wenn uns kalt wird, schalten wir die Heizung ein und abends bleiben nur die wenigsten Zimmer dunkel. Steigen dann die Energiepreise, kommt beinahe augenblicklich eine breite Protestfront zustande, die nicht einmal vor politischen Gegensätzen Halt macht.

Fast scheint es, als ob wir das Gegenteil tun von dem, was wir zu wollen vorgeben. Seit zwei Jahren können Österreichs Konsumenten zwischen Milchprodukten aus konventioneller, ökologischer und einer so genannten fairen Produktion wählen. Von einem Erfolgsmodell zu sprechen, hieße die Realität auf den Kopf zu stellen. In Deutschland verlor im selben Zeitraum die Bio-Rakete deutlich an Fahrt. Das im letzten Halbjahr verzeichnete Ausgabenplus im Frischebereich entspricht beispielsweise nur noch in etwa der allgemeinen Preissteigerung in diesem Marktsegment.

In demselben Maße, in dem über die Jahre hinweg unser Bewusstsein für weltweite Ungerechtigkeit und die Grenzen des Wachstums wuchs, wurde es schwieriger, den Verführungen der Billiganbieter zu entkommen. Ohne Billigboom hätte es aber wahrscheinlich den Bioboom nie gegeben. Das an der einen Stelle ausgegebene muss schließlich anderenorts eingespart werden. Heutzutage wird wie beim Metzger eingekauft: neben dem Billigsten, darf es immer auch ein bisschen vom ökologisch sinnvollsten gewürzt mit einer Prise vom Besten sein.

In einer perfekten Welt gäbe es keinen Anlass, über die Höhe angemessener Erzeugerpreise zu diskutieren. Da die Welt allerdings nicht so perfekt ist und Nachhaltigkeit, Fairness und Gerechtigkeit allenfalls erstrebenswerte Ideale darstellen, bleibt als einziger Ausweg, die Kaufentscheidung emotional aufzuladen. Sollen sich die Portmonees an der Gemüsetheke weiter öffnen, wird das keine rationelle Entscheidung der Konsumenten sein. Was wir brauchen, sind professionelle Marketingkonzepte, die sowohl Konsumenten als auch die Entscheider in den Einkaufsgremien der Supermärkte ansprechen. Zu argumentieren, dass die Preise zu niedrig sind, überzeugt nur diejenigen, die das sowieso schon immer gewusst haben.

Tim Jacobsen

Der Anfang vom Ende?

Kaum jemand merkte, als die deutschen Erdölvorkommen vor über 30 Jahren ihren Förderhöhepunkt erreichten. Schließlich war Öl zu dieser Zeit auf dem Weltmarkt keineswegs Mangelware. Erst die politisch motivierte Drosselung der Erdölfördermengen Anfang der Siebziger Jahre gab einen Eindruck davon, wie eine Welt ohne Erdöl aussehen könnte. Während gegen Ende des Ölembargos die Förderhähne einfach wieder weiter aufgedreht wurden und heute allenfalls noch die Sommerzeit an die durch die gestiegenen Ölpreise ausgelöste Wirtschaftskrise erinnert, könnte uns schon bald eine Ölkrise drohen, die nicht nur an vier Sonntagen den Verkehr zum Erliegen bringen wird.

Es liegt in der Natur endlicher Vorräte, dass diese zwangsläufig irgendwann zur Neige gehen. Unter Experten findet sich dann auch niemand, der bezweifelt, dass es nach Überschreiten des so genannten Peak Oils im Zuge fallender Fördermengen bei unverändert starker Nachfrage zu massiven Preiserhöhungen kommen wird. Die einzig diskussionswürdige Frage scheint zu sein, wann dies der Fall sein wird. Manche prognostizieren das Erreichen der maximalen Erdölfördermenge für das Jahr 2010; andere vermuten, sie wurde 2007 bereits erreicht. Aufgrund der derzeit relativ unsicheren Datenlage und einer Vielzahl von Einflussfaktoren geologischer und wirtschaftlicher Natur wird das globale Überschreiten des Ölfördermaximums erst Jahre nach dessen Eintreten mit Sicherheit festgestellt werden können.

Stark steigende Preise an den Rohstoffbörsen machen deutlich, dass wir nicht nur beim Öl den Gürtel sehr schnell sehr viel enger schnallen müssen

Tim Jacobsen

Im Deutschland der siebziger Jahre beendete der Anstieg des Ölpreises von drei auf fünf Dollar pro Barrel die goldenen Jahre des Wirtschaftswunders. Da Erdöl in einer schier unglaublichen Vielzahl von Stoffen vorkommt und in allen Bereichen des modernen Lebens direkt oder indirekt eingesetzt wird, lassen sich sehr schwer genaue Prognosen erstellen, wo sich die Verknappung von Erdöl in welcher Form bemerkbar machen wird. Durch die Abhängigkeit der Landwirtschaft vom Öl ist es allerdings mehr als wahrscheinlich, dass es zu einer Situation kommen wird, in der nicht nur wirtschaftliche Probleme auftreten, sondern sich auch die Hungerproblematik drastisch verschärfen wird.

Seit der so genannten Grünen Revolution stieg die weltweite Getreideproduktion um mehr als das Zweieinhalbfache, ohne dass sich die Anbaufläche wesentlich verändert hätte. Dies ist größtenteils auf den Einsatz fossiler Energieträger in Form von Düngemitteln, Pestiziden, dieselbetriebener Bewässerung sowie motorisierter Landwirtschaft zurückzuführen.

Synthetische Düngemittel werden seit Beginn des 20. Jahrhunderts zur Produktionssteigerung eingesetzt. Ihre Herstellung verbraucht große Mengen an Energie. So benötigen die USA jährlich allein für die Düngemittelherstellung ungefähr 100 Mio. Barrel Öl, also mehr als die weltweite Tagesproduktion. Deutschland verbraucht jährlich etwa 30 Mio. Barrel Öl zur Herstellung von Düngemitteln. Ähnliches gilt für Pflanzenschutzmittel. Durch anhaltend billiges Öl entstand zudem über die Jahre ein System der Nahrungsmittelverteilung über weite Strecken, das in einer Zeit teuren Öls nicht mehr funktionieren wird.

Hervorgerufen durch eine beispiellose Produktionssteigerung auf der Basis von billigem Öl war die Ära des Erdöls bisher von kontinuierlicher Landflucht begleitet. Während um 1800 75 % der deutschen Bevölkerung von der Landwirtschaft lebten, nahm dieser Prozentsatz bis zum Jahr 2006 auf unter 3 % ab. Es ist wenig wahrscheinlich, dass ein solch kleiner Bevölkerungsanteil in der Zukunft in der Lage sein wird, ohne den Einsatz billigen Öls für ausreichend Nahrung zu sorgen. Neben dem Aspekt schwindender Energiemengen für die Getreideproduktion wird sich für die Ärmsten der Armen zudem besonders der zunehmende Anbau von so genannten Treibstoffpflanzen negativ auswirken.

Es bedarf schon eines gewissen Zynismus, dieser unausweislich scheinenden Entwicklung noch etwas Positives abgewinnen zu wollen. Wenn allerdings nicht mehr Öl gefördert werden kann, kann auch nicht mehr Öl verbrannt werden. Und wenn nicht mehr Öl verbrannt werden kann, kann auch der CO2-Gehalt der Luft aufgrund des Verbrauchs fossiler Ressourcen nicht mehr überproportional ansteigen. Wäre es dann nicht besser, die Mittel, die jetzt in die Risikobewertung des Szenarios Klimawandel gesteckt werden, für die Bewältigung eines der großen Probleme der Zukunft zu verwenden? Schließlich ist Erdöl nur der Anfang. Stark steigende Preise an den Rohstoffbörsen machen deutlich, dass wir nicht nur beim Öl den Gürtel sehr schnell sehr viel enger schnallen müssen.

Tim Jacobsen

Bioanbau darf Ökologie nicht vernachlässigen

Lange Zeit besaß der Anbau von Obst und Gemüse nach ökologischen Richtlinien den Ruf, dem Verlangen einiger weniger nach Erzeugnissen aus naturnäherer Produktion zu entsprechen. Die angebotenen Produkte boten einen für traditionelle Supermarktkunden oftmals ungewohnten Anblick. Trotz großer äußerer Makel fand die Ware ihre Abnehmer. Die Frage, ob nach ökologischen Richtlinien produziertes Obst und Gemüse tatsächlich besser schmeckt oder gesünder sei, konnte von der Wissenschaft nie gänzlich geklärt werden. Neben dem subjektiven Empfinden wurde diese Frage durch weltanschauliche Prägung entschieden. Noch bis vor wenigen Jahren kannten Konsumenten und Produzenten von Bioprodukten einander meist persönlich. Das Vertrauensverhältnis zwischen Produzent und Verbraucher ersetzte weitgehend jegliche Gütesiegel. Der Ökobauer wirkte nicht zuletzt auch dadurch glaubhaft, dass er im Vergleich zu seinen konventionell produzierenden Kollegen einen vermeintlich schwereren Weg gewählt hatte. Dabei stand für die Konsumenten stets außer Zweifel, dass die Produktion neben den Richtlinien des jeweiligen Anbaukonzeptes auch hochstehenden sozialen Maßstäben gerecht wurde. Nicht von ungefähr waren viele Integrationsprojekte im Bereich des ökologisch wirtschaftenden Garten- und Landbaus angesiedelt. Auf die Idee, weder der Jahreszeit noch der Region angepasste Produkte als ökologisch besonders sinnvolle Alternative zu vermarkten, kam bis vor einigen Jahren niemand. Genauso wenig, wie zu jener Zeit gefordert worden wäre, dass Ökoprodukte ähnlich makellos wie ihre konventionellen Entsprechungen zu sein hätten.

Anders stellt sich die Situation heutzutage dar. Mit der Schaffung eines Produktstandards jenseits der Vorgaben der einzelnen Verbände setzte eine politisch gewollte Ausweitung der Ökoproduktion ein. Diese „Banalisierung“ der Ökoproduktion hatte zum Ergebnis, dass sich die Anforderungen an die innere und äußere Qualität der biologisch erzeugten Produkte heute kaum mehr von der konventionellen Produktion unterscheiden. Der durch anfängliche Überproduktion hervorgerufene Preisverfall im Biosegment läutete einen Strukturwandel ein, der dazu führte, dass ganzheitliche Ansätze immer mehr von rein betriebswirtschaftlichen Überlegungen verdrängt wurden.

Wie schon in der Vergangenheit wurden die Forderungen nach einem höheren Preisniveau für Ökoprodukte damit begründet, dass der Bioanbau gegenüber dem konventionellen Anbau in vielerlei Hinsicht benachteiligt ist. Der Hauptunterschied zur Argumentationsweise früherer Jahre bestand allerdings darin, dass statt Mindererträgen nun die erhöhte Intensität des Einsatzes von Produktionsfaktoren in den Mittelpunkt gerückt wurde. Diese Erhöhung war nötig, um den gestiegenen Ansprüchen an Bioware gerecht zu werden. Drei Beispiele aus dem Kernobstanbau sollen verdeutlichen, wie im Zuge dieser Entwicklung die Ökologie im Bioanbau immer mehr in das Hintertreffen geriet.

Eine ganze Menge gewonnen wäre bereits, wenn beispielsweise für den Bioanbau besonders geeignete Sorten leichter absetzbar wären und der Speiseplan der Endverbraucher wieder verstärkt auf regionale und saisonale Besonderheiten Rücksicht nehmen würde

Tim jacobsen

Zur Insektenbekämpfung werden im Bioanbau Pflanzenextrakte verwendet. Das Wirkstoffgemisch Pyrethrum beispielsweise wird aus den getrockneten Blütenköpfen verschiedener Chrysanthemenarten gewonnen. Die geringe Stabilität der Hauptwirkstoffe des Kontaktgiftes und die auch trotz der Produktion in Drittweltländern hohen Herstellungskosten stehen einem ökonomisch sinnvollen Einsatz in Gartenbau und Landwirtschaft entgegen. Für die breite Verwendung im Pflanzenschutz wurden deshalb synthetische Verbindungen mit analogem Wirkungsmechanismus entwickelt. Da diese vergleichsweise stabilen und dadurch länger wirksamen „Generika“ im Bioanbau nicht verwendet werden dürfen, verursacht die Insektenbekämpfung im Bioanbau ein Vielfaches an Kosten. Deutlich günstiger im Vergleich zur konventionellen Produktion kommen im Bioanbau die Mittel zur Bekämpfung der Pilzkrankheiten. Kupfersulfat war vor über 120 Jahren bereits Bestandteil der „Bordelaise pulpe“ – fast scheint es, als ob sich seit der ersten Pflanzenschutzmittelempfehlung der Menschheitsgeschichte wenig getan hätte: Auskristallisierter reiner Schwefel und Kupferverbindungen sind im Bioanbau noch stets die Mittel der Wahl. Mit den Abhandlungen zum Pro und Contra des Einsatzes von Kupferionen als Pflanzenschutzmittel lassen sich mittlerweile Bibliotheken füllen. Gerne übersehen wird dabei, dass wegen der geringen Effizienz der Mittel die Anwendung ebenfalls vergleichsweise häufig zu erfolgen hat. Eine Vielzahl von Herstellern bietet mittlerweile Hackgeräte an, die sich in einer noch vor kurzem für unvorstellbar gehaltenen Geschwindigkeit und Präzision des Problems Unkraut im Kernobstanbau annehmen. Allerdings muss auch im Falle der Unkrautbekämpfung der Einsatz aufwändiger Maschinerie in vergleichsweise kurzen Intervallen erfolgen – mit einer entsprechenden Belastung der ökologischen Gesamtbilanz.

Mit Sicherheit gibt es Anbaugebiete, in denen aufgrund naturgegebener Wettbewerbsvorteile Schadinsekten, Pilzinfektionen oder Unkrautdruck keine Unlösbarkeiten darstellen. In Regionen jedoch, in denen die Gärtner unter Zuhilfenahme des im konventionellen Anbau zur Verfügung stehenden Waffenarsenals bereits Schwierigkeiten haben, den Anforderungen des Marktes genüge zu tun, kann eine Aufrechterhaltung der Bioproduktion oder eine Produktionsumstellung nur zu Lasten der Umwelt erfolgen – auch wenn sie sich dank gegenwärtig hoher Erzeugerpreise finanziell rechnen sollte.

Das Blatt, die Ökobilanz und die Gewinn-und-Verlustrechnung der Betriebe wenden sich, sobald der Lebensmitteleinzelhandel und dessen verlängerter Arm, die Verbraucher, bereit wären, Produkten aus dem biologischen Anbau Zugeständnisse einzuräumen. Dabei müssten noch nicht einmal Abstriche bei der Produktqualität gemacht werden. Eine ganze Menge gewonnen wäre bereits, wenn beispielsweise für den Bioanbau besonders geeignete Sorten leichter absetzbar wären und der Speiseplan der Endverbraucher wieder verstärkt auf regionale und saisonale Besonderheiten Rücksicht nehmen würde. Es ist unbestreitbar ein Verdienst der ehemaligen Bundesregierung, den Bioanbau aus seinem Nischendasein geholt zu haben. Es liegt an der jetzigen Bundesregierung, die Weichen für eine sinnvolle Weiterentwicklung des derzeit einzigen Wachstumssegments der deutschen Ernährungswirtschaft zu stellen.

Tim Jacobsen

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