Einmal mehr bewahrheitet sich dieses Jahr, dass ein früher Erntebeginn nicht zwangsläufig zu einem erfolgreichen Saisonstart führt. So gab es unter den deutschen Spargelproduzenten wahrscheinlich niemanden, dem zu Jahresbeginn beim Blick in den Kalender nicht auch der Gedanke gekommen wäre, dieses Jahr doch einmal verstärkt vom Ostergeschäft profitieren zu können. Nur dass dann die späten Ernten in Griechenland und Spanien samt den Rekordimporten aus Peru auf eine mitteleuropäische Wetterlage stießen, die angesichts sommerhafter Temperaturen zum kalendarischen Frühlingsbeginn hierzulande für einen Turbostart in die Spargelernte sorgte, hatte wohl niemand geahnt. Genauso wenig wie, dass die Verbraucher nur langsam in Spargellaune kamen.
Schlimmer noch bei den Salaten: Hier traf das südeuropäische Saisonende auf die erste einheimische Freilandware. Damit nicht genug, blockierten Salate aus dem nordwesteuropäischen Unterglasanbau zusätzlich Absatzwege. Da halfen auch keine Feiertage: seit Mitte April befinden sich die Salatpreise im Sturzflug. Anfang April noch freudig begrüßt, wird die lang anhaltende Großwetterlage dabei zunehmend zum Fluch: Zu den ohnehin im Vergleich zum Vorjahr erneut gestiegenen Produktionskosten gesellen sich noch die teilweise beträchtlich hohen finanziellen und personellen Aufwendungen für den kaum zu deckenden Bewässerungsbedarf. Für diese Jahreszeit ungewöhnlich wird angesichts des Angebotüberhangs so mancher erntereife Schlag bereits untergepflügt.
Auch die weiteren Aussichten scheinen alles andere als rosig. Schließlich hat der letzte Sommer bewiesen, dass künstliche Beregnung immer nur die zweitbeste Lösung sein kann und extreme Witterungssituationen zwangsläufig einen Schatten auf den weiteren Saisonverlauf werfen. Aber auch der von vielen herbeigesehnte Temperatursturz wäre keine Lösung. Denn gerade auch bei kühlerer Witterung könnten Salate schnell zur Mangelware werden und der dann entstehende Nachfrageüberhang den Markt noch weiter aus dem Gleichgewicht bringen.
Wohl dem, der sein Geld nicht mit den ersten Sätzen verdienen muss, könnte man nun meinen. Wie falsch man damit allerdings liegt, wird einem spätestens dann klar, wenn man bedenkt, dass die normalerweise erst im Spätsommer zur niederbayerischen Gurkenernte anrückenden Saisonarbeitskräfte dieses Jahr bereits im Mai kamen: Ungewöhnlich niedrige Temperaturen hatten in der ersten Maihälfte zu teils dramatischen Ausfällen in den Gurkenkulturen gesorgt, die nun mühsam per Hand nachgesät werden mussten.
Immerhin können die Kollegen an Isar, Vils und Donau noch versuchen zu retten, was zu retten ist, werden sich die Meckenheimer Obstbauern denken. Schließlich führten ohne die anhaltende Trockenheit eigentlich kaum erklärbare Frostschäden Anfang Mai in der Voreifel zu teilweise existenzbedrohenden Ausfällen bei Äpfel und Birnen. Auch aus dem Land Brandenburg, der Pfalz, Rheinhessen, Württemberg und Franken werden Frostschäden gemeldet. Besonders betroffen sind neben dem Kernobst Erdbeeren, Kirschen und Rebstöcke.
„´Vorsorglich bis auf weiteres Tomaten, Salatgurken und Blattsalate insbesondere in Norddeutschland nicht roh zu verzehren“
Empfehlung Des das Robert-Koch-Instituts am 25.5.2011
Und als wäre das alles nicht schon schlimm genug, wurde in den Online-Medien am Abend des 21. Mai 2011 erstmals über Ursachen für das verstärkte Auftreten schwerer bakterieller Durchfallerkrankungen in Norddeutschland spekuliert. Wurde zu Beginn die Schuld noch bei den üblichen Verdächtigen wie mangelnder Hygiene, Rohmilchverzehr oder bakterienverseuchtem Rindfleisch gesucht, rückten einen Tag später Obst und Gemüse in den Fokus der Epidemiologen. Von da ab war es nur noch ein kleiner Sprung hin zu reißerischen Verzehrswarnungen, denen man ab dem 23.5.2011 kaum noch entkommen konnte und die bei Kantinen- und Supermarktkunden gleichermaßen zu einem Rohkostboykott führten.
Ungewollt markierte das Robert-Koch-Institut am 25.5.2011 den bisherigen Höhepunkt dieser Entwicklung. Verschiedene Presseagenturen deuteten die Empfehlung des Bundesinstituts „vorsorglich bis auf weiteres Tomaten, Salatgurken und Blattsalate insbesondere in Norddeutschland nicht roh zu verzehren“ um in ein „Tomaten, Salatgurken und Blattsalate aus Norddeutschland“. Da half es dann wenig, dass im Laufe des 26.05.2011 Import-Gurken aus Spanien als Träger des Erregers dingfest gemacht werden konnten. Der Appetit war den Verbrauchern da bereits vergangen.
Tim Jacobsen
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