"Now, here, you see, it takes all the running you can do, to keep in the same place. If you want to get somewhere else, you must run at least twice as fast as that!"

Kategorie: Ukraine

Gute Stimmung auf dem Möhrenforum 2025

Streng genommen hätte rein rechnerisch 2025 das achte Möhrenforum stattfinden müssen. Eine Pandemie sowie eine Möhrenforumssommeredition später war es dann aber tatsächlich erst Nummer sieben, die uns ins zwar nicht verschneite, aber dennoch leicht angepuderzuckerte Leverkusen brachte, genauer gesagt mitten rein ins Herz des deutschen Triplechampions.

Denn die Baumeister der Bayarena hatten inmitten der Nordtribüne, Heim der Ultras und sonstigen Diehard-Fans des Fußballbundesligateams mit dem Weltkonzern im Namen extra eine kleine Logenreihe ausgespart, die an Tagen ohne Spielbetrieb vom rheinländischen Ableger der im Stadionrund befindlichen, kurz vor Weihnachten allerdings in Konkurs gegangenen Hotelkette für Tagungsveranstaltungen genutzt wird.

Und so passten die gut 80 Teilnehmer samt dem Auftritt unserer Platinsponsoren Bayer, Basf, Bejo, Escarda, Hazera und Rijk Zwaan dann auch gerade so in den Tagungssaal mit Blick auf das Allerheiligste, den Leverkusener Rasen, der im Rahmen der den ersten Veranstaltungstag beschließenden Stadionführung, die nichts weniger als den Headgreenkeeper aufbot, nicht nur in Augenschein genommen, sondern auch betreten werden konnte. Ein Umstand, der unseren Stadionführer zum Kommentar verleitete, dass er dies in mehr als zehn Jahren wenn überhaupt nur einmal erlebt hätte.

Aber auch wenn die Geschichte des Möhrenforums mittlerweile fast eineinhalb Jahrzehnte umfasst, waren nicht nur die Sponsoren aus der Saatgutindustrie seit 2011 als zuverlässige und unverzichtbare Partner alle Jahre wieder mit an Bord, auch ein knappes Viertel der Teilnehmer hätte für einen lückenloses Teilnahmenachweis eigentlich eine Ehrennadel verdient gehabt. Wir werden diese zur zehnten Auflage des Möhrenforum in voraussichtlich sechs Jahren dann nachreichen.

Und was mit der Bayarena unweit des Bayer-Kreuzes, immerhin der größten Leuchtreklame weltweit begann, fand dann mit dem zweiten Veranstaltungstag sein Ende am Sitz der Crop Science Division der Bayer AG in Monheim am Rhein. Maren Schlichting-Nagel und Judith Imnadze-Wehr stellten, orchestriert von Heinz Breuer und Tim Pauli, im Rahmen einer Führung über das weitläufige Werksgelände die Bereiche Substanzlogistik, Insektizide, Applikationstechnik sowie das SeedGrowth Center vor.

Am Nachmittag zuvor gab es noch das eine und andere zu erleben, und damit ist nicht unbedingt nur das Workoutangebot von Jerrek Tebling gemeint, das den eher technisch gehaltenen zweiten Vortragsblock vom eher Pflanzenschutz-orientierten ersten Teil mit den beiden Möhrenkoryphäen Frank Uwihs und Gerd Sauerwein trennte. Bei Christoffel den Herder waren dann schon mehr Traktoren und Holzkisten zu sehen, bei Daniel Pitton flogen die Möhren im wahrsten Sinne des Wortes durch die Sortierung und Judith Dittrich machte vor der Kaffeepause noch Appetit auf den Möhrendreiteiler des Arbeitskreises Möhren.

Muhammed Sidi ließ, während der Stadionrasen trotz früh einsetzender Dämmerung noch hell erleuchtet war, keine Zweifel daran aufkommen, dass Escardas Laser-basierte Unkrautbekämpfungslösung schlichtweg unübertroffen ist. Jeroen Veldman schickte seine Odd.Bot-Flotte auf den Weg und Lena Pollul sowie Tim Boenigk wagten zwar keinen Blick in die Kristallkugel, attestierten der laufenden Möhrensaison für sowohl Bio- als auch konventionelle Ware allerdings ein durchschnittliches Preisniveau mit einem sehr stabilen Preisniveau über den Herbst und leichten Preisaufschlägen – die hoffentlich einen Trend eingeleitet haben, der sich weiter fortsetzt!

Tim Jacobsen

Beruf Gärtner. Der Zukunft gewachsen

Die Älteren unter uns können sich noch erinnern: am ersten Tag des Jahres 2000 drohte der Weltuntergang, weil überfleißige Programmierer übersehen hatten, dass mitunter ja auch einmal ein Jahrtausendwechsel anstehen könnte. Danach entwickelte sich das Jahr 2030 zum neuen Sehnsuchtsziel und so verabschiedeten die Vereinten Nationen noch im Jahr 2015 eine Agenda 2030, wohlwissend oder besser hoffend, dass in 15 Jahren eine Menge passieren kann.

Zur Halbzeit Richtung 2030 war das Fazit dann allerdings mehr als ernüchternd: angesichts von Kriegen, Pandemien, der Erderwärmung und einem augenscheinlich viel zu oft fehlenden politischem Willen werden wir wohl keines der darin formulierten 17 Ziele auch nur annähernd erreichen.

Dringend Zeit für eine neue Messlatte und da wir uns ja gerade mit Riesenschritten in Richtung stille Zeit und dem dazu gehörenden „wünsch Dir was“ begeben, wollen wir uns einmal in das fern klingende, in Wahrheit aber auch nur 300 Ausgaben des Gartenbau-Profis entfernte Jahr 2050 begeben. Steilvorlage könnte das „Maßnahmenpaket Zukunft“ sein, dass „der Gartenbau“ gewissermaßen als erledigte Hausaufgabe im Frühjahr 2024 „der Politik“ überreichte.

Allerdings krankt das Maßnahmenpaket, wie schon der Zukunftskongress zwei Jahre zuvor, daran, dass die Zukunft selbst darin etwas zu kurz kommt. Zugegebenermaßen ist das mit der Zukunft und wie sie aussehen wird, ja auch so eine Sache. So wie wir heute Gewächshäuser aus den1980er Jahren zuweilen belächeln, werden wir im Jahr 2050 wahrscheinlich auf Produktionsstätten schauen, die heute den Stand der Technik markieren. „Aus einer anderen Zeit“, „am falschen Fleck“ und überhaupt „von Innovation kaum was zu sehen“, könnte unser Urteil dann lauten.

Wobei es auch 2050 noch diejenigen geben wird, die das ganze moderne Zeug verteufeln und einfach nur in Ruhe ihr Ding machen wollen, genauso wie es auch diejenigen geben wird, denen alles gar nicht schnell genug gehen kann und die gedanklich schon wieder ein Vierteljahrhundert weiter sind.

Und natürlich ahnten auch die Dinosaurier nicht, dass ausgerechnet ein Asteroideneinschlag ihrer Vorherrschaft ein Ende bereiten könnte – genauso wenig war Ende Oktober der Wahlausgang in den USA absehbar oder hätte vorweihnachtlicher Frieden die Brandherde des Nahen Ostens, des Ostchinesischen Meers, in Myanmar, Ost- und Westafrika oder der Ukraine gelöscht.

Dennoch könnte es durchaus so sein, dass sich der Produktionsgartenbau bis 2050 in eine wahrhaft nachhaltige Richtung entwickelt. Dies sowohl was die finanziellen Aussichten als auch was die heute bereits vielfach diskutierten Nachhaltigkeitsaspekte wie Klimaresilienz und dem Anforderungskatalog des in Zukunft noch deutlich wichtiger werdenden Prädikats „gut für Mensch und Umwelt“ angeht.

Anzeichen hierfür sind im hier und jetzt bereits erkennbar: Nahrungsmittelskandale werden auch in Zukunft nicht ausbleiben und das Insektensterben wird über kurz oder lang zu einer deutlichen Abnahme von Wildvögelpopulationen führen – zwei der Entwicklungen, die zu einem endgültigen Gesinnungswandel weg von „Geiz ist geil“ beitragen könnten. Eher aktivistisch veranlagte Grundbesitzer könnten (wie bspw. bereits in Dänemark zu beobachten ist) zunehmend strikte Bedingungen an die Art der Bodennutzung stellen.

Produzenten und Konsumenten nähern sich nach Jahren der Entfremdung wieder an, ihr Schulterschluss sorgt dafür, dass die Gesetze des Marktes ein Stück weit ausgehebelt werden. Auch wenn Energie in Zukunft tatsächlich ohne Preiskärtchen verfügbar sein könnte, wird die Konkurrenz in den klassischen Handelskanälen nicht unbedingt kleiner, da die heutzutage noch aus produktionstechnischer etwas rückständigen Standorte aufholen werden.

Angesichts strengerer Regelauslegung zugunsten von Umwelt und Klima werden Flächenausweitungen eher ein Geschäftsmodell der Vergangenheit sein und Formen der solidarischen Landwirtschaft eher der Regelfall werden. Gleichzeitig könnte es aus einer ganz anderen Ecke zu einem Nachfrageschub kommen:

Wenn Prävention immer wichtiger wird und die Gesundheits-Apps Burger verbieten, steigt zwangsläufig der Obst- und Gemüseverbrauch. Ähnlich wie schon beim CO2-Fußabdruck wird das True Cost Accounting bei Nahrungsmitteln gang und gäbe. Block Chain-Technologie sorgt für Transparenz; Zucker, Alkohol und all die anderen schönen Dinge werden schlimmer besteuert als Zigaretten heutzutage.

Mit diesem Geld wird ein Gesundheitsfonds eingerichtet, der dann wiederum die Folgen des übermäßigen Konsums allem Ungesundens kostenmäßig auffängt. Big Data sorgt für individualisierte Diätpläne und eine Vielzahl strategischer und organisatorischer Allianzen sorgt dafür, dass die Unterschiede zwischen Eigentümer, Stakeholder, Produzent und Konsument verschwimmen, genauso wie die zwischen Gartenbau, Tierhaltung und Ackerbau, der Anzucht von Algen, Pilzen und Insekten.

Technologischer Fortschritt sorgt für die Wiedergewinnung von Nährstoffen, Durchbrüche in der Gentechnik optimieren die Fotosynthese. Bodengebundene Produktionsverfahren gibt es kaum noch und dann haben wir es ja noch gar nicht darüber gehabt, welchen Einfluss Künstliche Intelligenz in Kombination mit Robotik und Prozessautomatisierung auf unser Leben in 25 Jahren haben könnten.

Tim Jacobsen

Wie alles mit allem zusammenhängt

Man könnte meinen, es liegt ein Fluch auf dem Zwiebelforum: nach der Erstausgabe 2014 ging es mehr oder weniger direkt vom Bonner GSI an die russische Riviera zu den Olympischen Winterspielen, die wiederum nur den Deckmantel für die Annektion der Krimhalbinsel darstellten. Womit nun leider auch der Krieg in der Ostukraine ziemlich genau sein Zehnjähriges hat.

2018 sorgte Orkantief Friederike passend zum Veranstaltungsbeginn in Peine für Verwüstung und Chaos in Deutschland. 2020 ging es ins Haus am Weinberg nach St. Martin – dort gab es einen der letzten spektakulären Sonnenaufgänge zu sehen, bevor es dann für uns alle „ab in den Lockdown“ hieß.

Aus dem Zweijahresrhythmus wurde kurzerhand ein Vierjahresrhythmus. 2024 war dann zwar die von Rukwied ausgerufene Wut-Woche gerade passend zu Veranstaltungsbeginn zu Ende gegangen, als wollte der Wettergott das Ganze aber nicht auf sich sitzen lassen, schüttelte Frau Holle, was vom Himmel ging und sorgte im wenig Winter-erprobten Rheinland für garantiert-nicht-Genehmigungs-pflichtige Entschleunigung.

Grund genug, ein bisschen wütend zu sein, hätten wir eigentlich alle: Stiftung Warentest rechnet vor, dass der CO2-Steueranteil an Benzin, Diesel, Heizöl und Erdgas zu Jahresbeginn um rund 50 % gestiegen ist. Von dem im Koalitionsvertrag angekündigten „sozialen Kompensationsmechanismus“ fehlt jedoch jede Spur, interessanter Weise genauso wie von einem Aufschrei in der Bevölkerung.

Die OECD attestiert der deutschen Durchschnittsfamilie die zweithöchste Abgabenlast aller OECD-Staaten. Nicht verwunderlich, sollten die Haushaltsdaten dann auch eigentlich gar nicht so schlecht sein, und liegen relativ zur Wirtschaftsleistung dann auch tatsächlich deutlich über denjenigen vom letzten Vorpandemiejahr. Wohin das ganze liebe Geld versickert, lässt sich je nach politischer Gesinnung unterschiedlich interpretieren und ausschlachten.

In all dem Gehupe und dem ganzen Trubel der zweiten Januarwoche ist nicht nur ein bundesweiter dreitägiger Bahnstreik komplett untergegangen, sondern auch, dass nicht nur Landwirte Leidtragende der Sparbeschlüsse waren, die von einem unzurecht zum Buhmann gemachten Bundesverfassungsgericht angeordnet wurden. Auch das Strompreispaket, das die Reduzierung der Stromsteuer für das gesamte produzierende Gewerbe auf das europarechtlich zulässige Mindestmaß bedeutet hätte, fiel dem Rotstift zum Opfer.

Die Verdoppelung der Netzengelte macht bei Haushaltskunden ein paar Dutzend Euro aus, bei industriellen Mittelständlern sind das schnell ein paar Hunderttausend Euro. Auch Gießereien und Verzinker, Kunststoff-, Metall- und Stahlverarbeiter stehen im Wettbewerb mit Unternehmen aus Ländern, in denen nicht nur der Strompreis deutlich niedriger ist. Höfesterben heißt im Rest der Wirtschaft Konkurs und Privatinsolvenz.

Hier eine leerstehende Werkhalle, dort die eine und andere Stellenstreichung werden Zeugnis davon ablegen, dass zumindest im Fall der Strompreise der Markt funktioniert hat: das auch durch den Atomausstieg verknappte Angebot führte und führt zu steigenden Preisen. Davon nicht ganz losgelöst sollte die Diskussion sein, ob der Netzausbau genauso wie der Ausbau der Erneuerbaren wirklich über den Strompreis finanziert werden muss.

Die DZ Bank prognostizierte Anfang Januar einen Rückgang der Anzahl landwirtschaftlicher Betriebe in Deutschland von derzeit 256 000 auf 100 000 im Jahr 2040. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg gab es noch 1,8 Mio. Bauernhöfe, im Jahr 1960 zählte das damalige Bundesgebiet rund 1,5 Mio. landwirtschaftliche Betriebe. Bis 1980 halbierte sich diese Zahl, in den folgenden 20 Jahren sank sie noch einmal um fast die Hälfte auf rund 450 000 im Jahr 2000 – und das trotz fünf neuer Bundesländer. Gab es zu Beginn von Angela Merkels Regierungszeit noch knapp 400 000 landwirtschaftliche Betriebe waren es 2021 nur noch gut 260 000.

Ob letztendlich die Kluft zwischen Stadt und Land im Laufe der „Woche der Wut“ etwas kleiner geworden ist, wird sich zeigen müssen. Zu oft schon hätten diejenigen, die diesen Winter wieder einmal am Straßenrand Beifall klatschten, die Gelegenheit gehabt, im Alltag auf die Jagd nach dem ultimativen Supermarktschnäppchen zu verzichten und durch ihr Konsumverhalten Wertschätzung zum Ausdruck zu bringen.

Was auf jeden Fall im Gedächtnis bleiben wird, ist eine erneute Verrohung des Debattentons: neben „ohne Bauern gibt es keinen Jungbäuerinnenkalender“ gab es eben auch die Anschuldigung unseres Bauernpräsidenten, im Berliner Regierungsviertel habe noch nie jemand geschwitzt oder gearbeitet. Und schon baumelten die Ampeln an Galgen.

Tim Jacobsen

Hoffnung in Sicht?

In den letzten Wochen gab es manchmal Tage, da habe ich mir beim zu Bett gehen gedacht: Eigentlich ganz gut, dass heute wieder einmal keiner eine Atombombe gezündet hat. So richtig Spaß macht das alles nicht mehr und da passt dann ganz gut zum allgemeinen Stimmungsbild, dass der allerletzte Coronaschreck Höllenhund heißt.

Zwar schreitet die Legalisierung von Marihuana mit Riesenschritten voran, ob das dann aber helfen wird, die Energiepreis-heiß-gelaufenen Gemüter zu kühlen, bleibt fraglich und so doppel-wummst Bazooka-Kanzler Scholz munter vor sich hin. Ähnlich wie beim Tankrabatt und dem Neuneuroticket geht die Bundesregierung irgendwie davon aus, dass wir irgendwann einmal wieder eingelassen werden ins Energiepreisparadies.

Fluktuationen an den Energiemärkten gab es zwar schon immer und wird es sicherlich auch in Zukunft geben, Prognosen, die eine Wiederannäherung an das Preisniveau vor dem 24.02.2022 vorhersagen, haben allerdings einen dermaßen hohen Seltenheitswert, dass sie begierig von den Medien aufgegriffen werden, da in der allgemeinen Aufregung auf alles geklickt wird, was nur ein Fünkchen Hoffnung verspricht.

Aber auch unsere zukünftigen Handelspartner sind nicht ohne und können rechnen. Ist dann der Oktober eigentlich viel zu warm, stauen sich die Schiffe an den LNG-Terminals und auf einmal sind zwar die Erdgaspreise sogar negativ, aber die Krise noch lange nicht vorbei.

Derweil wachsen die Schuldenberge und der Schatten, der auf zukünftige Generationen fällt, wird länger und länger. Und sollten 20 °C plus Anfang November eigentlich Alarmsignal genug sein, braucht es Sekundenkleber, befahrene Straßen, Tomatensuppe, Kartoffelbrei und Gemäldegalerien, um auf das eigentliche Drama, das sich gar nicht so im Verborgenen abspielt, aufmerksam zu machen.

Ein Teil des Hamburger Hafens geht an China; auch Schröder wischte seinerzeit ministerielle Bedenken beiseite und trug wesentlich zur jetzigen misslichen Lage bei. Parteikollegin Esken löscht ihr Twitterprofil, da ihr die missliebige Kommentierung zu viel wurde.

Noch einmal 192100 Schuss Munition, zwei Überwasserdrohnen, vier Panzerhaubitzen und zwei Mehrfachraketenwerfer gingen in der vorletzten Oktoberwoche an die Ukraine und selbst wenn der Vergleich hinken mag: Im September 2022 wurden weltweit allein rund 192700 Personenkraftwagen der Marke Mercedes-Benz verkauft, das macht mehr als 6400 Autos am Tag.

An der Antwort auf die Frage, wie das nun alles weitergehen soll, zerbrechen sich gerade so einige den Kopf: Steinmeier stimmte Deutschland zuletzt auf „raue Jahre“ ein, die Friedensdividende sei aufgebraucht – neben der unilateralen Abrüstung Deutschlands meinte er damit wahrscheinlich auch die Jahr für Jahr zuverlässig erzielten Exportrekordüberschüsse, die wir neben dem deutschen Ingenieursgeist vor allem auch Putins Billigenergie zu verdanken hatten.

Blenden wir einmal kurzfristige Effekte aus, die im Einzelfall tragische Schicksale mit sich bringen werden, gehen Agrarökonomen im Allgemeinen davon aus, dass der Einfluss des Krieges in der Ukraine auf das Wohl und Wehe der Landwirtschaft hierzulande überschaubar bleibt. Dies liegt vor allem daran, dass Agrarexporte weitgehend von den Sanktionen ausgenommen sind, der Welthandel also auch zukünftig Preisausschläge abpuffern wird und wir zudem kaum abhängig von ukrainischen Agrarexporten sind.

Der viel diskutierte Anbau von Ackerkulturen auf Stilllegungsflächen wird nach Ansicht der Experten alles andere als Kriegs-entscheidend sein – dies liegt nicht zuletzt aber auch in der Natur der Sache, da diese Flächen ja auch nicht umsonst stillgelegt wurden. Ob die EU-Hilfsfonds über kurzfristige Entlastung hinaus auch mittelfristig Wirkung zeigen, ist derzeit noch nicht abschätzbar. Wissenschaftlich belegbar ist dagegen ein mittelfristiges Einpendeln der Energiepreise auf etwa 20 % über dem Preisniveau vor der russischen Ukraineinvasion.

Und da gilt es dann doch einmal etwas genauer hinzuhören, schließlich steigen nicht nur die Diesel-, Benzin-, Gas- und Strompreise. Dünger, Agrarchemie und eigentlich so gut wie alles andere wird teurer. Allerdings werden den Analysten zufolge auch die Preise für Agrarprodukte und Nahrungsmittel steigen, was zum einen auf Produzentenseite zwar den Preisanstieg auffangen könnte, zum anderen aber über die Preisinflation bei Nahrungsmitteln dann negative Effekte auf die Wirtschaftsdaten haben wird.

Spannend wird sein, zu sehen welche Auswirkungen die EU-weit wenig einheitlichen Energiepreisbremsen auf den Ernährungssektor und damit auch den Gartenbau in den jeweiligen Ländern haben werden. Die Niederländer beispielsweise haben zumindest bisher relativ konsequent den Kurs verfolgt, über Preissignale Anreize zum Energiesparen setzen und zum Umstieg auf alternative Energiequellen animieren zu wollen. Wie lange der frischgebackene Agrarminister dort dem Druck standhält bleibt abzuwarten.

Verfahrener dann die Situation bei uns. So gut wie alle W-Fragen scheinen unbeantwortet, was das die drei Wohltaten-und-Entlastungspakete der Bundesregierung in Bezug auf den Gartenbau angeht: Wenn Topfbasilikum im Gewächshaus subventioniert werden soll, warum dann nicht auch Schnittrosen unter Glas? Der derzeit noch im Bundeslandwirtschaftsministerium tätige potentielle Nachfolger Kretschmanns bleibt, wie zuletzt auch beim Zukunftskongress in Berlin, in seinen Aussagen mehr als nur vage.

Vielleicht hat er aber auch nur die uns nachfolgenden Generationen im Blick. Das wäre ehrenhaft – nur sagen sollte er es halt dann auch.

Tim Jacobsen

Die weiteren Aussichten: schwierig

Machte die Coronapandemie aus gut 83 Mio. Fussballtrainern ebenso viele Virologen, mutet die Ukrainekrise derzeit an wie ein Crashkurs in Agrarökonomie. Allzu schwierig scheint das Ganze ja nicht zu sein: wird den Fischern der Schiffsdiesel zu teuer, bleiben sie – wie gerade geschieht – im Hafen und warten auf bessere Zeiten. Wird den Mästern das Futter zu teuer, wird einfach nicht aufgestallt und können die Gärtner die Heizkosten nicht mehr bezahlen, bleiben die Gewächshäuser leer. Mit dieser Wette auf die Zukunft lässt sich zwar kurzfristig verhindern, dass mit den Verkaufserlösen nicht einmal mehr die Gestehungskosten gedeckt werden, mittelfristig stehen jedoch Liefer- und Abnahmeverpflichtungen im Weg und langfristig könnten sich Abnehmer neue Bezugsquellen suchen. Eine Wette mit ungewissem Ausgang also, zumal die Gemeinkosten wie das Vorhalten der Produktionsinfrastruktur stets weiter auflaufen. Im Ackerbau ist das Ganze dann noch ein bisschen komplizierter, da im Spätsommer nur geerntet werden kann, was spätestens im Frühjahr ausgesät wurde.

Leere Mehl- und Speiseölregale in den Supermärkten implizieren mit ihrem ungewohnten Anblick die Frage, ob denn die Lebensmittelversorgung hierzulande eigentlich grundsätzlich sichergestellt ist. Die Studienlage hierzu ist zwar eher dünn, in ihrer Aussage aber eindeutig: Im Jahr 2008 bestand der europäische Ernährungssektor einen Stresstest, den das niederländische Landwirtschaftsministerium durchführen ließ: Es konnte kein Szenario simuliert werden, das die Lebensmittelversorgung in Europa grundsätzlich in Bedrängnis gebracht hätte. Neben ausreichend innereuropäischen Produktionskapazitäten wurde Europa auch genug Kaufkraft attestiert, notfalls auf dem Weltmarkt einkaufen zu können. Als erfolgreich bewältigte Krisen wurde neben der Trockenheit des Jahres 2003 auch die Katastrophe von Tschernobyl im Jahr 1986 angeführt. Lediglich der Wegfall von Soja könnte die Fleischindustrie in Bedrängnis bringen.

Eine Studie des niederländischen Landwirtschaftsthinktanks LEI mit dem vielsagenden Titel „Price and prejudice: why are food prices so high?“ kam 2012 im Wesentlichen zu einem ähnlichen Schluss. Zwar könnte im Krisenfall der ökonomische Schaden hoch sein, eine echte Gefahr stellt er jedoch nicht dar. Drei Jahre später kommen die Autoren eines Foodsecure Working Paper zu dem Schluss, dass grundsätzlich selbst im Katastrophenfall im reichen Europa niemand verhungern müsse, wenn auch ärmere Bevölkerungsschichten im Fall der Fälle „nicht immer genug Geld für eine gesunde und abwechslungsreiche Diät haben werden“. Nach 2015 wird die Studienlage zum Thema Lebensmittelsicherheit dann äußerst dünn, es gibt aber kaum einen Grund dafür, zu denken, dass sich die Lage 2022 grundsätzlich von der sieben Jahre zuvor unterscheidet. Selbst die Covid-Pandemie als letzte große Herausforderung für den Lebensmittelsektor hat, anders als befürchtet, keine allzu große Spuren hinterlassen.

Der Langzeittrend für Agrarrohstoffpreise belegt ab dem Allzeitpreishoch Mitte der Siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts stetig sinkende Preise. Lediglich in den Jahren 2007 und 2008 stiegen die Preise für Zucker, Getreide, Ölsaaten und Milchprodukte leicht an, eine Folge schlechter Bevorratung, Störungen auf der Angebotsseite, sehr hohen Brennstoffpreisen und der zunehmenden Biospritproduktion. 2009 fielen die Preise erst auf ihr altes Niveau zurück, stiegen 2010 und 2011 dann aber wieder an, auch hier eine Folge schlechter Ernten, geringer Vorräte und der Tank- oder Tellerdiskussion. Auch im Schatten der Covid-Pandemie zogen die Preise wieder leicht an, was sich relativ einfach erklären lässt: Die Preise für Rohöl kennen seit April 2020 nur eine Richtung, und zwar die nach oben, genauso wie die Preise für Gas.

Seit spätestens Januar 2021 gilt das auch für Kunstdünger. Der Einmarsch Russlands in die Ukraine hat diese Entwicklung noch einmal beschleunigt, seit der Ankündigung Russlands, keine Düngemittel mehr exportieren zu wollen, spielen die Preise aufgrund der fast schon Markt beherrschenden Position Russlands verrückt. Welche Auswirkungen die hohen Düngemittelpreise tatsächlich haben werden, lässt sich Ende Februar noch nicht absehen. Experten gehen davon aus, dass die Versorgung unserer Landwirte für die nun beginnende Saison weitgehend sichergestellt ist, spannend wird es dann im nächsten Jahr, empfindliche Preiserhöhungen scheinen unvermeidlich. Auf Konsumentenebene sind diese Preissteigerungen derzeit noch kaum zu spüren, auch auf der Ebene der verarbeitenden Industrie sind diese Preissteigerungen noch nicht angekommen, erst mit einiger Verzögerung werden diese dann beim Endverbraucher ankommen.

Die große Volatilität der Preise für landwirtschaftliche Produkte beweist, dass die Märkte nur selten im Gleichgewicht sind und leicht aus der Balance gebracht werden können. Kleine Fehlmengen können genauso wie geringe Überschüsse für enorme Preiseffekte sorgen. Dies ist auch eine Folge der zwangsläufig relativ stabilen Nachfrage nach Nahrungsmitteln und sich der aufgrund der Vorlaufzeiten jeweils nur mit einiger Verzögerung anpassenden Angebotsmengen – zwischen Aussaat und Ernte steht nun einmal die Wachstumsperiode. Nicht vergessen werden sollte auch, dass Regionen wie Europa oder die nordamerikanische Freihandelszone mit dem Handel innerhalb ihrer Regionen für Ausgleich sorgen können, Länder wie Bangladesch oder Nigeria jedoch auf Importe angewiesen sind. FAOSTAT-Daten zeigen, dass der Anteil der Ukraine an der weltweiten Getreideproduktion mit rund 2 % relativ gesehen überschaubar ist. Ein Wegfall dieser Getreidemengen muss also nicht zwangsläufig eine Katastrophe bedeuten. Dennoch reagieren die Märkte mit großen Aufschlägen, Hamsterkäufe und generelle Unruhe im Markt spielen dabei eine Rolle.

Agrarökonomen messen mit den Stocks-to-use ratios die Höhe des Verschleppungsbestands für eine bestimmte Ware als Prozentsatz der Gesamtnutzung oder etwas anschaulicher ausgedrückt: das Mengenverhältnis von Vorräten zu Jahresverbrauchsmengen. In den Preisrallyes der Jahre 2007 und 2008 lagen diese bei Getreide und Mais zwischen 15 und 18 %. 20 % wird unter Ökonomen als Minimumwert für eine Pufferwirkung von Vorräten auf die Preisbildung angesehen. Für Futtergetreide liegt die Stocks-to-use ratio FAO-Zahlen zufolge derzeit bei 23 %, für Weizen bei 37 %. Eigentlich sollte es also für Preispanik keinen Grund geben. Exportbeschränkungen, wie sie Argentinien, Serbien, Indonesien und der EU-Mitgliedsstaat Ungarn zuletzt verkündet haben, sorgen in der allgemein aufgeheizten Stimmung allerdings für weitere Unruhe. Nur eines scheint derzeit sicher: hohe Preise werden zu Produktionsanpassung führen, auch 2009 und 2012 sanken die Getreidepreise wieder.

Eurostat-Zahlen belegen, dass wir Europäer im Großen und Ganzen Selbstversorger sind, mit kleinen Einschränkungen bei tropischen Früchten, Kaffee, Tee und den Ölsaaten, zu denen auch Soja gezählt wird – sowie den natürlichen Fetten und Ölen, wozu das Palmöl gerechnet wird. Selbst wenn nun also manche Produkte wie Sonnenblumenöl auch in Europa knapp werden, stellt dies auf Verbraucherebene keine unmittelbare Bedrohung dar, da grundsätzlich vielerlei Alternativen zu diesen Produkten verfügbar sind. Anders die Lage in der Tiermast: Sonnenblumen sind eine wichtige Eiweißquelle in Futtermitteln. Zur bedarfsgerechten Fütterung gehören neben Mais, Raps, Rübensamen, Roggen und Sonnenblumenkernen auch Protein-Hochkonzentrate wie Sojapresskuchen. Fehlen diese, können Mittelproteine wie Erbsen diese nicht ersetzen. Zwar ließen sich auch die seit Beginn der Ukrainekrise ausbleibenden Futtermittelexporte aus der Ukraine mit Hilfe des Weltmarkts substituieren, der Teufel steckt dabei allerdings im Detail.

Rückstandshöchstmengen und die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln, die in der EU nicht zugelassen sind, erschweren die Substitution der Futtermittel aus der Ukraine. Produktspezifikationen wie frei von genetisch veränderten Organismen machen insbesondere den Öko-Landwirten das Leben zusätzlich schwer, die gerade erst eingeführte vollständige Biofütterung könnte ein Ding der Unmöglichkeit werden. Auch den Abschied vom Palmöl möchte eigentlich niemand rückgängig machen, genauso wenig wie das Abholzen der Regenwälder zum Anbau von Soja befürworten. Die Diskussion um die Aufrechterhaltung von Standards in Kriegszeiten wird ähnlich spannend werden wie die um die Fort- oder Aussetzung der Reformbestrebungen unserer Gemeinsamen Agrarpolitik. Es scheint kaum vorstellbar, dass sich die Ziele des Green Deals wie die Reduktion der Aufwandmengen von Pflanzenschutzmitteln um die Hälfte oder die Reduktion des Einsatzes synthetischer Dünger um ein Fünftel in irgendeiner Form bis zum Jahr 2030 verwirklichen lassen.

Schließlich gibt es ja nicht nur uns Europäer auf diesem Planeten, die, mehr oder weniger reich, auf jeden Fall auf soziale Sicherungsnetze bauen können. Die Preise für Rohstoffe, Energie und Düngemittel werden weiter steigen, der Wegfall der ukrainischen Exporte wird die Versorgungslage in Ländern wie Ägypten, der Türkei, Indonesien, Bangladesch, Nigeria und Jemen weiter unter Druck setzen. Zumal die Getreideernte in den USA und Kanada nicht den Erwartungen entsprach, Argentinien zur Inflationsbekämpfung Exportbeschränkungen einführte und in Australien logistische Probleme den Export behindern. Anfang März wurden in Duisburg mit einem gemeinsamen Spatenstich offiziell die Bauarbeiten zur Errichtung des größten Hinterlandfrachtterminals Europas eingeleitet. In den Duisburg Gateway Terminals sollen ab 2023 wöchentlich mehr als 100 Güterzüge aus China abgefertigt werden und dafür sorgen, dass Ost und West näher zusammen wachsen. Die Zugstrecke ist seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine am 24. Februar 2022 unterbrochen.

Tim Jacobsen