Gibt es auf Youtube einen Film über das was Sie machen? Wissen Sie, womit Sie Ihren Mitarbeitern eine Freude bereiten können? Und wann haben Sie sich zum letzten Mal mit dem Abnehmer eines Ihrer Produkte unterhalten?
Unzusammenhängend wie diese Fragen auf den ersten Blick auch erscheinen mögen, sind sie allesamt Teil eines Fragenkataloges, der am Ende eines von der niederländischen Rabobank initiierten Projektes namens `De wereld van Jip´ stand. Was aber hat nun diese niederländische Kunstperson Jip mit Ihnen zu tun? Um es kurz zu machen: eigentlich alles. Auch Jip lebt in einer Welt, die niemals stillsteht.
Anders als bei seinem Urgroßvater Cor endet Jips Welt nicht am eigenen Betriebstor. Anders als noch sein Großvater Kees dient er nicht seine ganze Ware der Versteigerung an. Und anders als sein Vater, sucht er sein Glück nicht in einer Gruppe Gleichgesinnter. Als Jip 2013 den Betrieb übernimmt, bestimmen Trends und Hypes in viel größerem Umfang das Einkaufsverhalten als heutzutage. Jips Abkehr von der Kostpreisstrategie, wie sie noch sein Vater durchaus erfolgreich verfolgte, ist dabei auch eine Antwort auf die Verschiebungen im weltweiten Marktgeflecht, die sich im ersten Jahrzehnt des 21ten Jahrhunderts abzuzeichnen begannen.
Jips Antwort auf die unternehmerischen Herausforderungen der Zukunft ist dabei nur eine von vielen möglichen Antworten auf die Frage aller Fragen: „wie verändert sich die Welt und was hat das für Auswirkungen auf mich und meinen Betrieb?“
Indirekt profitieren konnte Jip von den Auswirkungen der Globalisierung. Je näher all das kommt, was fernab passiert, umso mehr suchen die Menschen nach Sicherheiten, die sie glauben in dem zu finden, was aus ihrer Nähe stammt. Regionale Produkte mit einem erkennbaren Absender können dabei ihren emotionalen Mehrwert ausspielen.
Was kann man noch glauben, wenn jeder alles über das Internet verbreiten kann? Und was bleibt übrig von Intimsphäre, wenn jeder Einkauf genauestens analysiert wird? Dieselbe Technik hilft aber auch dabei, positive Botschaften zu verbreiten. Und die Menschen wollen keine anonymen Produkte mehr, sondern ein gutes Gefühl, eine schöne Geschichte.
„Wie verändert sich die Welt und was hat das für Auswirkungen auf mich und meinen Betrieb?“
Jip
In dem Maße, in dem die Gesellschaft pluriformer, multikultureller und diverser wird, nimmt die Suche nach Identität und Herkunft zu. Öffentliche Trauerveranstaltungen beim Tod berühmter Persönlichkeiten, Schleier und Kopftuch im öffentlichen Raum und die ausschweifenden Feiern bei Siegen der eigenen Nationalmannschaft verdeutlichen dies. Wo jetzt noch der Fokus auf uniformen Qualitäten liegt, werden in wenigen Jahren Unterscheidbarkeit, Authentizität, Ehrlichkeit über den Erfolg von Produkten entscheiden. Das Massenprodukt wird nicht verschwinden, aber seine Bedeutung wird abnehmen.
Die genannten Beispiele sind Bausteine, aus denen die Zukunft aufgebaut sein könnte. Was fehlt, ist der Zement, um diese Bausteine zusammenzufügen. Die eigentliche Herausforderung liegt also darin, an den einzelnen Fragmenten vorbeizuschauen. Dann wird ein größeres Ganzes sichtbar.
Bisher sind Neuerungen im Gartenbau hauptsächlich technischer Art. Diese führen im Regelfall zu einer Verringerung der Produktionskosten. Snackgemüse, die Wiederentdeckung verlorengegangen geglaubter Kulturen oder die Entstaubung vergessen geglaubter Obst- und Gemüsesorten sind Beispiele für neue Ideen, die vielleicht ihren Teil dazu beitragen, Kostenreduktion als Allheilmittel abzulösen. Der Billigste zu sein wäre dann nicht mehr das Alleinseligmachende. Die Rechnung geht allerdings nur auf, wenn Mehrwert beim Konsumenten dann auch etwas anderes bedeutet als günstige Preise.
Starre Produktionsketten werden in ein paar Jahren wahrscheinlich ihre beste Zeit hinter sich haben. Sie machen Platz für flexible, dynamische Formen der Zusammenarbeit. Während in starren Produktionsketten jeder eine genau definierte Funktion zu erfüllen hat, haben nun ständig wechselnde Partner miteinander zu tun.
Die Lebensdauer von Produkten wird kurz sein und die Anforderungen an den Umweltschutz und die korrekte Beantwortung sozialer Fragestellungen groß. Ethische und soziale Verantwortbarkeit werden Lebensmittelsicherheit und Umweltbewusstsein als Leuchttürme in der Konsumwelt ablösen. Die Begriffe Wasserverbrauch, Food und Flower miles werden sich mit Bedeutung füllen.
In diesem Spannungsfeld wird es für die Unternehmer unerlässlich sein, den eigenen Standpunkt zu bestimmen und Position zu beziehen. Jeder Unternehmer wird dabei die Rolle suchen, die am Besten zu ihm passt. Dem einen passt die Rolle als so genannter Innovator. Ein anderer wird sein Glück in der Massenproduktion suchen. Die Entscheidung für eine bestimmte Betriebsgröße wird zukünftig stärker in Langzeitstrategien eingebunden sein. Groß wird dabei nicht unbedingt gut, genauso wenig, wie klein nicht unbedingt schlecht sein wird.
Entscheidend wird aber sein, dass Unternehmer bewusst wählen, Entscheidungen treffen, und dabei trotzdem flexibel bleiben.
Tim Jacobsen
Neueste Kommentare