Was anderswo und zwar durchaus in sehr vielen Teilen der Welt heute noch gang und gäbe ist, ist auch bei uns noch gar nicht so lange her: Landwirtschaft als eine Plackerei von früh bis spät mit insgesamt eher ungewissem Ausgang. Und so setzt einen das Filmplakat zu Hans Steinbichlers Verfilmung von Robert Seethalers Bestseller „Ein ganzes Leben“ auf die falsche Fährte, schließlich geht es darin eben nicht um die darauf abgebildete Schönheit der Berge oder ein dem entschlossenen Gesichtsausdruck des Hauptdarstellers entsprechendes alpinistische Rekordstreben, sondern eher ziemlich genau eher um das Gegenteil davon. Oder wie Regisseur Hans Steinbichler die Wahl der die Panoramen beschneidenden Kameraperspektive erklärt: Es sei ein relativ neues Phänomen, dass der Blick in den Bergen nach oben gehe. Schließlich seien von oben seit jeher eher die Unglücke herabgekommen – dagegen hätte im direkten Blickfeld vor einem die nie enden wollende Arbeit gelegen.

Wie ein Koffer wird die Hauptfigur Andreas Egger im Film in dieser Bergwelt abgestellt. Wir dürfen ihm dabei zusehen, wie er trotz Entbehrungen, Schicksals- und anderen –schlägen ein kleines Stück vom Glück findet, nur um es kurz darauf wieder zu verlieren. Er erlebt die Elektrifizierung seines Tals, überlebt Krieg und Gefangenschaft, hilft unter Einsatz seines Lebens dabei, die Berge touristisch zu erschließen und hat wahrlich allen Grund, am Ende seines Lebens müde zu sein. Dennoch, und das macht diesen Film gerade in der Weihnachtszeit so außergewöhnlich sehenswert, resümiert er sein Leben am Ende: „Wenn ich nicht so müde wäre, könnte ich lachen vor reinem Glück.“ Auf die Frage, was denn Seethaler von dem Ganzen halte, antwortete Steinbichler, dass bei der Premiere drei Tage zuvor Seethaler eben genau dies gefragt wurde und er darauf geantwortet hätte, dass er wohl als Einziger den Film nicht gesehen habe.

Tim Jacobsen