„Nicht schon wieder“ wird sich so mancher wohl gedacht haben, als in den Medien über Wochen hinweg kaum ein anderes Thema diskutiert wurde als die Frage, wer wohl bei der auch offiziell Kanzlerduell genannten Fernsehdiskussion zwischen der Amtsinhaberin und ihrem Herausforderer besser abschneiden wird. Auch Wochen später steht eigentlich nur eines fest: wahlentscheidend werden die 90 Minuten wohl nicht gewesen sein. Wie schon 2005 und 2009 wurde auch dieses Jahr live aus den Studios in Berlin Adlershof gesendet. Und wie auch 2009 fand dieses Jahr in sowohl zeitlicher als auch räumlicher Nähe zum Kanzlerduell ein Zukunftskongress Gartenbau statt. War das Ziel 2009 noch der Gartenbau 2020, sollten 2013 bereits Visionen für die Zeit bis 2030 entwickelt werden.
Um es kurz zu machen: in zumindest dieser Hinsicht verfehlten die Organisatoren das Klassenziel. Was ihnen jedoch sehr wohl gelang, und dafür gebührt ihnen zu Recht vollstes Lob und bester Dank, ist, mit dem so genannten Bericht der Forschergruppe zum Zukunftskongress Gartenbau die bisher umfassendste Zusammenstellung der Rahmenbedingungen und zukünftigen Herausforderungen des deutschen Gartenbausektors vorgelegt zu haben – selbst wenn, wie in Berlin bemängelt wurde, für die gärtnerische Praxis durchaus relevante „Details“ wie etwa das Streitthema Pflanzenschutz nicht ausreichend berücksichtigt wurden.
Zwei Jahre Vorbereitungszeit waren dem Bericht vorausgegangen. Zwei Jahre, in denen in Umfragen, einem Internetportal, diversen Workshops und weiteren Treffen der „Forschungsbegleitenden Arbeitsgruppe“ Antworten auf die Leitfrage gesucht wurden, welche Szenarien für die zukünftige Entwicklung des Gartenbaus vorstellbar sind.
Zukunftskongress 2.0: Wissenschaftlich fundiert hellsehen
Tim Jacobsen
Diese Diskussion fand jedoch leider nicht den breiten Widerhall, den man ihr gerne gewünscht hätte: kaum jemand verirrte sich in das Diskussionsportal im Internet; auch die Expertentreffen fanden abgeschieden genug statt, um bei der eigentlich auf den Bericht der Forschergruppe aufbauenden Diskussion im Rahmen des Zukunftskongresses in Berlin dann in vielen Punkten doch wieder bei null beginnen zu müssen. Auch, da sich nicht alle Teilnehmer im Vorfeld intensiv genug mit der Diskussionsgrundlage auseinandersetzten.
So glich die Diskussion in vielerlei Hinsicht dem Kanzlerduell: Eine häufig unmoderierte Aneinanderreihung hauptsächlich gegenwartsbezogener Aussagen. Vielleicht war ja einfach nur das Themenspektrum eine Nummer zu groß geraten – schließlich sollte kein Zukunfts-Aspekt unbeachtet bleiben. Vielleicht fehlten aber auch die Jungen, über deren Zukunft ja eigentlich diskutiert werden sollte. Vielleicht mangelte es aber auch nur an einer für eine solche Diskussion eigentlich benötigten Gesprächskultur: So lange jeder Aussage droht, schubladenartig als zu banal oder emotional aufgeladen disqualifiziert zu werden, kann wohl keine Diskussion mit visionärem Anspruch aufkommen.
So wurde am Ende viel über die geringe Attraktivität der grünen Branche als Arbeitgeber oder das für Produzenten oftmals unbefriedigende Leistungs-/Preisverhältnis geredet. Wobei sich die sprichwörtliche Katze dann natürlich schnell in den Schwanz beißt: können die Löhne nicht steigen, da die Produktpreise so niedrig liegen und könnte vielleicht nicht doch generische Werbung all diesen Problemen den Garaus machen? Diskussionen also, für die es nicht unbedingt einen zweiten Zukunftskongress gebraucht hätte. Obwohl der Vorschlag, Warenmengen künstlich dadurch zu verknappen, indem das so genannte dritte Drittel der Betriebe von der Produktion ausgeschlossen wird, durchaus etwas Visionäres hatte – nur vielleicht nicht ganz zur Gegenwart passte.
Dass es dem Gartenbausektor angesichts der zukünftigen Herausforderungen nicht bang sein muss, betonte Ilse Aigner in ihrer Videobotschaft eingangs der zweitägigen Veranstaltung. Die Initiatorin der „Zukunftsstrategie Gartenbau“ ließ keine Zweifel daran aufkommen, dass der gärtnerische Berufsstand dank seiner ausgeprägten Innovationsfreude und hohen Einsatzbereitschaft in der Lage sein wird, die Zukunft zu meistern. Es lässt sich vorzüglich darüber spekulieren, wie die Diskussionen verlaufen wären, hätte mit einer größeren Anzahl von Unternehmern tatsächlich ein repräsentatives Spiegelbild des Berufsstandes im Publikum gesessen.
Tim Jacobsen
Neueste Kommentare