"Now, here, you see, it takes all the running you can do, to keep in the same place. If you want to get somewhere else, you must run at least twice as fast as that!"

Schlagwort: Gemeinschaftsmarketing

Ohne Gemeinschaft kein Gemeinschaftsmarketing

Vom Einspruch dreier Unternehmen der Ernährungswirtschaft gegen auf Anfang 2003 datierte Abgabenbescheide bis zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit des Absatzfondsgesetzes dauerte es sechs Jahre, danach vergingen noch einmal gut zwei Jahre bis es Mitte März dieses Jahres im Landwirtschaftsausschuss zur Entscheidung darüber kam, was mit den übrig gebliebenen Millionen des Absatzfonds passieren soll. Zwar sollen diese so genannten nicht erstatteten Mittel fortan im Rahmen des Sondervermögens der Landwirtschaftlichen Rentenbank verwaltet werden, wie hoch der Betrag aber genau ist, lässt sich noch gar nicht abschätzen, da es für die Abwicklung des Absatzfonds als so genannte rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts derzeit noch gar keine Gesetzesgrundlage gibt.

Die weitreichenden Folgen der Entscheidung der Verfassungsrichter vom 3. Februar 2009 blieben nach der kurz darauf beschlossenen Einleitung der so genannten stillen Liquidation von ZMP und CMA nicht lange verborgen. So hinterließ das Ausbleiben von Informationen zur Marktlage und –entwicklung in der ersten Hälfte des Jahres 2009 nicht nur in der Monatsschrift Spuren. Während Anfang Juni 2009 die Agrarmarkt Informations-Gesellschaft ihren Geschäftsbetrieb aufnahm und diese Lücke füllte, zerfiel das zuvor fast 40 Jahre lang unter dem Dach der CMA gebündelte Gemeinschaftsmarketing zusehends.

Schnell zeigte sich aber, was Sektfabrikant Otto Henkell und Schokoladen-Tausendsassa Ludwig Stollwerck schon Anfang des 19. Jahrhunderts wussten, als sie 2000 M für den besten Entwurf von `Illustrationen zum Zweck der Propaganda für ihre Fabrikate Schokolade bzw. Kakao und Champagner´ auslobten. Die `bildlichen Empfehlungen, zu verwenden als Zeitungsanzeigen, Plakate und illustrierte Postkarten´ der beiden Erfinder des Gemeinschaftsmarketing verfehlten nämlich ihre Wirkung nicht: Während Henkell & Co 1909 in das Wiesbadener Henkell-Schlösschen einzieht, zeugen die Exponate im Kölner Schokoladenmuseum noch heute vom wirtschaftlichen Erfolg Stollwercks.

Die weitreichenden Folgen der Entscheidung der Verfassungsrichter vom 3. Februar 2009 blieben nach der kurz darauf beschlossenen Einleitung der so genannten stillen Liquidation von ZMP und CMA nicht lange verborgen

tim jacobsen

Es gibt wohl keinen Teilbereich der Agrarwirtschaft, der nicht in den beiden Jahren nach dem CMA-Aus versucht hätte, in, wie bescheidenem Umfang auch immer, ein System des Gemeinschaftsmarketings auf die Beine zu stellen. Manche Produktgruppen erwiesen sich in dieser Hinsicht besser organisiert als andere.

Ein Blick über unsere Landesgrenzen hinaus beweist, dass es kaum ein Land in Europa gibt, in dem das generische Marketing für Agrarprodukte nicht auch irgendwie gemeinschaftlich organisiert wäre. Der Blick nach Europa beweist aber auch, dass entsprechende Organisationen keine Selbstläufer sind. So vergeht in den Niederlanden beispielsweise kaum ein Tag, an dem nicht irgendjemand aus was für Gründen auch immer die Abschaffung des Productschap-Wesens fordern würde.

Auch die altehrwürdige Sopexa blieb in den letzten Jahren von gravierenden Einschnitten nicht verschont. Dennoch warfen die Franzosen nach knapp fünf Jahrzehnten Gemeinschaftsmarketing die Flinte nicht ins Korn, sondern besannen sich auf ihre Stärken und scheinen mittlerweile sogar frisch gestärkt aus der Krise hervorgekommen zu sein. Äußerst erfolgreiche Kampagnen aus dem Vereinigten Königreich beweisen zudem, dass keine Riesenbeträge bemüht werden müssen, um viel zu bewegen – egal, ob es sich dabei nun um Blaubeeren, Möhren, Erdbeeren oder Zwiebeln handelt.

Nur wenn niemand den Anfang macht, passiert auch nichts. Hätte Jack Turner vor 50 Jahren nicht nach ersten, wenig erfolgversprechenden neuseeländischen Exportversuchen die Artikelbezeichnung kurzerhand von Chinesische Stachelbeere in Kiwifurcht geändert, wären Kiwis wahrscheinlich für immer ein Nischenprodukt geblieben. Und hätten sich die neuseeländischen Kiwianbauer im Jahr 1997 gegen die Fortführung des Gemeinschaftsmarketings unter der Fahne von Zespri™ entschieden, würden Kiwifrüchte heutzutage wahrscheinlich nicht für rund die Hälfte des neuseeländischen Obst- und Gemüseexportwertes sorgen.

So gesehen ist die Einrichtung des Pressebüros Deutsches Obst und Gemüse mit Sicherheit ein Schritt in die richtige Richtung. Und guckt man einmal, was die Kollegen vom Obst- & Gemüsebüro Holland gegenwärtig so treiben, wird einem schnell klar, dass dies auch noch lange nicht das Ende der Fahnenstange sein muss – nur: ohne Gemeinschaft bleibt von Gemeinschaftsmarketing nun einmal wenig über. Und was passiert, wenn Gemeinschaft nicht auf Überzeugung beruht, sondern vom Gesetzgeber vorgeschrieben wird, wurde am 3. Februar 2009 vor dem Bundesverfassungsgericht aktenkundig.

Tim Jacobsen

Zukunft der Productschap Tuinbouw ungewiss

Die meisten Drehbuchautoren wären wahrscheinlich überfordert, müssten sie sich eine Geschichte ausdenken, in der eine Handvoll rebellischer Gärtner aus der nicht nur geographisch regierungsfernen Provinz Nordholland innerhalb weniger Jahre die Fundamente der umsatzstärksten aller niederländischen Productschappen, der Productschap Tuinbouw (PT), ins Wanken bringt.

Rund 40 % ihres Budgets von zuletzt über 70 Mio. € steckt die öffentlich-rechtliche PT jährlich in generische Marketingmaßnahmen. Und genau an diesem Punkt setzt die Kritik an: Finanziert wird die PT nämlich über ein feingestaffeltes Abgabensystem, dem diesseits der Legalität nicht zu entkommen ist. Betriebe, die jährlich mehr als 200 000 € Abgaben an die PT entrichten, sind keine Seltenheit.

Nicht unbedingt ein Wunder, dass sich da so mancher Betriebsinhaber denkt, es wäre besser, das Marketing selbst in die Hand zu nehmen. Immerhin würde dies erlauben, genau zu den Zeiten auf den Märkten tätig zu werden, die dann auch tatsächlich von Interesse sind.

Das Bloemenbureau Holland (BBH) als einer der Nutznießer dieser Aufwendungen für Gemeinschaftsmarketing argumentiert, dass nur in Ländern, in denen die Niederlande mehr als 50 % Marktanteil haben, entsprechende Werbemaßnahmen durchgeführt würden. Und da Blumen ja keine Markenartikel seien, wäre dem BBH zufolge kollektive Reklame ganz besonders vonnöten: Schließlich müsse man die wahre Konkurrenz für Blumen ja in den Bereichen Schokolade und Parfum suchen und nicht bei Blumen aus anderen Ländern.

Worauf die Kritiker dann wiederum auf die Rolle der Niederlande als Drehscheibe des Handels mit Gartenbauprodukten verweisen. Deswegen könne man die 50 % Hürde wahrscheinlich nur in den seltensten Fällen mit Gartenbauprodukten überspringen, die auch tatsächlich aus den Niederlanden stammen. Und wenn man dann noch Schokolade und Parfums dazu rechne, komme man nie und nimmer über die 50 %-Marke.

Generische Reklame für Produkte zu machen, von denen über die Hälfte nicht aus den Niederlanden stammen, sei wenig sinnvoll, solange dafür nur die niederländischen Produzenten bezahlen, lautet ein in der Auseinandersetzung immer wiederkehrendes Motiv.

Hauptinitiator der Kritik ist die so genannte Nieuwe Vrije Agrarische Federatie (NVAF). Ihr Vorsitzender Clemens Fischer und dessen Mitstreiter verstanden es, die öffentliche Diskussion über die Zukunft des Productschap-Wesens durch großen persönlichen Einsatz, geschickte Medienarbeit und spektakuläre Aktionen in Gang zu setzen – und zu halten.

Dabei wurde nicht nur mit scharfen Worten geschossen: Das Gebäude der Productschap Tuinbouw in Zoetermeer (NL) wurde Ende Januar 2005 besetzt – von Sympathisanten, wie NVAF meldete, um jede Verantwortung für diese Aktion von sich weisen zu können. Der Hauptsitz des Kontrollorgans der Productschappen wurde am 8. März 2005 von der Außenwelt abgeschlossen und seine Zugänge besetzt. Auslöser für diese Aktion war eine am selben Tag stattfindende Parlamentsdebatte über die Zukunft der Productschappen.

Hauptinitiator der Kritik ist die so genannte Nieuwe Vrije Agrarische Federatie

Tim Jacobsen

Vorläufig letzter Höhepunkt der Auseinandersetzung um das Wohl und Wehe der Productschap Tuinbouw war eine Mitte April dieses Jahres äußerst kontrovers geführte Debatte im niederländischen Parlament, die deutlich machte, dass die althergebrachte Pro-Productschap-Mehrheit des Parlaments bröckelt und zukünftige Abstimmungen keine reine Formsache mehr sein werden.

Seit ihrer Gründung im Jahre 2004 stellen die Wortführer der NVAF in regelmäßigen Abständen die Legitimität des Vertretungsanspruchs des niederländischen Bauernverbandes LTO mit dem Verweis darauf in Frage, dass weniger als die Hälfte der agrarischen Unternehmer Mitglied in dieser berufsständischen Vertretung seien.

Mehr als auf den ersten Blick deutlich wird, zielt dieses Argument auch in Richtung Productschap: Da aus der Productschap selbst nicht ausgetreten werden kann, ist neben der Totalverweigerung der Entrichtung der parafiskalischen Abgaben der Austritt aus der LTO die einzige Möglichkeit, Unmut zu äußern.

Noch in diesem Jahr will das niederländische Parlament über die Zukunft auch der Productschap Tuinbouw entscheiden. Der Ausgang dieses Verfahrens gilt als weitgehend offen. Obwohl die kritischen Stimmen rein rechnerisch in der Mehrheit sind, wird wahrscheinlich am Ende der Abstimmung ein Kompromiss stehen. Dieser könnte zu einer weiteren Demokratisierung dieser in vielen Dingen im Verborgenen operierenden Organisation führen.

Tim Jacobsen