Es dauerte bis in den tiefsten Winter, bevor sich die 80 Jagscheinaspiranten, die sich Anfang September des vergangenen Jahres zum Kursbeginn im Duisdorfer Berufskolleg einfanden, auch einmal ohne Masken von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden. Waren es im Regelschulbetrieb die allgemeinen Hygienevorschriften, die das dauerhafte Tragen einer Mundnasenbedeckung verlangten, waren es am Schießstand in Bad Neuenahr dann die Sicherheitsbestimmungen, die das Tragen einer solchen verboten.
Bevor Mitte Januar für so manchen zum ersten Mal im Leben das Kommando „Feuer frei“ anstand, folgte in mindestens genauso vielen Fällen in den ersten Kurswochen erst einmal die große Ernüchterung. Irgendwie war es ja klar, dass das „grüne Abitur“ nicht umsonst zu haben sein wird, dass es aber tatsächlich bedeuten würde, dem Sozialleben für das kommende Dreivierteljahr weitgehend Lebewohl zu sagen, wurde dem einen früher, dem anderen später bewusst.
Die ganz harten setzten darauf, mit Hilfe von etwas großzügiger geplantem Urlaub und dem Vertrauen auf die eigene Auffassungsgabe und Konzentrationsfähigkeit die dreiteilige Prüfung meistern zu können. Angesichts der gemeinsamen Buchbestellung, die neben dem Neunhundertseiter Krebs auch das zehnbändige Standardwerk Heintges umfasste – dazu kamen je nach Wunsch auch Lernkärtchen, Fachzeitschriften und Internetportalzugang – konnte einem allerdings schon etwas mulmig werden.
Informationen zum Kursangebot der Jägerschaft Bonn e.V. lassen sich unter https://www.js-bonn.de/jaeger-werden/ abrufen
Ernüchternd dann auch die Auswertung der eigenen Antworten auf die Fragen eines „hätten Sie es gewusst“ einer einschlägigen Fachzeitschrift zu Kursbeginn. Um nicht in Endzeitstimmung zu verfallen, blieb nur die Hoffnung, dass in dieser Ausgabe wohl besonders schwierige Fragen gestellt worden waren. Nachdem dann allerdings die Erfolgsquote in der nächsten Ausgabe nicht wesentlich höher lag, wurde einmal mehr deutlich, dass zwar der Prüfungstermin schon feststand, die Prüfungsreife aber noch harter Arbeit bedurfte.
Es war zwar zugegebenermaßen mitunter penetrant und auch etwas nervig, wenn Lehrgangsleiter Herman Vreden seine Mails mit Hinweisen auf anstehende Termine mit den Worten „ich hoffe, dass ich Euch gerade beim Lernen störe“ einleitete, erinnerte aber im sonstigen Berufs- und Familientohuwabohu daran, dass der Countdown unaufhaltsam läuft. Und so wurden die Jagdbücher treue Begleiter, fuhren mit auf Familienbesuch nach Berlin, durften im Winter die Alpen aus der Nähe sehen und an Ostern auch einmal Strandluft schnuppern.
Termine gab es zuhauf: Zur Doppelstunde Theorie am Dienstag- und Mittwochabend kamen sonntags die Reviergänge dazu, ab Januar jeweils am Samstag die Schießausbildung. Ab und an sollte man dann auch schon einmal an einer Drückjagd teilnehmen, und je näher der Prüfungstermin rückte, umso mehr häuften sich die Wiederholungsabende. Obendrauf dann noch die Lerngruppe. Denn auch an diesem Punkt vertrauten wir blind auf den Rat des Lehrgangleiters: „Einzelgänger werden es schwer haben“.
Auch wenn mit Sicherheit jeder der Kursteilnehmer auf irgendeinem Gebiet riesengroße Expertise hatte und stundenlang aus dem Nähkästchen plaudern konnte, ist es doch etwas anderes, fünf oder zehn Minuten sinnstiftendes zu Mardern, Dachsen und Luchsen, Haubentauchern, Waldschnepfen und Meeresenten von sich zu geben und Fragen zu beantworten. Noch dazu, wo das jagdbare Wild dann letztendlich nur einen kleinen Teil des Lernstoffs darstellt, mindestens genauso wichtig ist der Rest der schier unerschöpflichen Fauna und Flora.
Haar- und Federwild, Naturschutz, Land- und Waldbau lagen dann vielleicht denjenigen besser, die dann wiederum bei Wildhege und –schadensverhütung, Jagdrecht, Waffenkunde, dem Jagdbetrieb oder den-hunden, den Wildkrankheiten oder der -brethygiene mehr Probleme hatten. Und wer sich auf dem Schießstand mit „dem laufenden Keiler“ schwer tat, zeigte dann vielleicht Begabung für das Tontaubenschießen oder den kleinkalibrigen Schuss auf ein nicht bewegtes Ziel in 100 m Entfernung. Und da keines dieser Themen weniger wichtig als ein anderes war, blieb nur, sich auch für wesensferne Sachgebiete zu begeistern.
Bei wie vielen die Begeisterung dann tatsächlich bis zum Ende vorgehalten hat, lässt sich abschließend erst nach der Nachprüfung im September berichten. Fielen der schriftlichen Prüfung, die im Ratssaal des Bonner Stadthauses ähnlich wie das Zentralabitur zeitgleich mit dem Rest Nordrhein-Westfalens abgehalten wurde, nur wenige Jagdscheinaspiranten zum Opfer, stieg die Durchfallquote bei der abschließenden mündlich-praktischen Prüfung im Bonner Haus der Natur im Anschluss an die Schießprüfung beträchtlich.
Tim Jacobsen
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