"Now, here, you see, it takes all the running you can do, to keep in the same place. If you want to get somewhere else, you must run at least twice as fast as that!"

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Nach der Krise ist vor der Krise: Jetzt Kommunikationsstrukturen etablieren!

Ein bürokratisches Ungetüm namens „Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Durchführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften“ und darin enthalten eine „Beschleunigung des Meldewegs bei meldepflichtigen Infektionskrankheiten“ ist eine der wenigen konkreten Maßnahmen, die aus der Antwort der Deutschen Bundesregierung auf die Kleine Anfrage von Abgeordneten der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen nach „strukturellen und kommunikativen Konsequenzen aus der EHEC-Krise“ hervorgehen.

Viel konkreter ist dann schon der finanzielle Schaden, wie aus so gut wie allen europäischen Ländern berichtet wird: So führte beispielsweise in Belgien das Aufeinanderfolgen von anhaltender Trockenheit, EHEC-Krise und Unwetterschäden dazu, dass das durchschnittliche Betriebseinkommen in Landwirtschaft und Gartenbau im Vergleich zum ohnehin nicht üppig ausgefallenen Vorjahr nur mehr rund die Hälfte betragen wird. Dass diese Bilanz nicht noch verheerender ausfällt, ist einzig und allein der positiven Umsatzentwicklung im Bereich der tierischen Produktion zu verdanken, die in der Zahlenwelt der Statistiker einen Großteil des Umsatzrückgangs im Bereich der pflanzlichen Produktion wieder wettmacht.

„Beschleunigung des Meldewegs bei meldepflichtigen Infektionskrankheiten“

Antwort der Deutschen Bundesregierung auf die Kleine Anfrage von Abgeordneten der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen nach strukturellen und kommunikativen Konsequenzen aus der EHEC-Krise

In den Niederlanden hatte die EHEC-Krise sogar Auswirkungen auf die Tarifverhandlungen für die Beschäftigten im Obst- und Gemüsehandel. Während die Arbeitnehmerseite für einen Inflationsausgleich plädierte, verwies die Arbeitgeberseite auf eklatante Liquiditätsprobleme als Folge der EHEC-Krise. Und auch bei den Gemüsegärtnern in unserem westlichen Nachbarland sieht es alles andere als rosig aus. Die Statistiker rechnen für dieses Jahr mit einem Rückgang des Produktionswertes im niederländischen Gemüsebau um rund ein Fünftel, was immerhin etwa 375 Mio. € entsprechen wird.

Nicht viel anders die Situation in Österreich: der größte Gemüsevermarkter LGV erwartet für 2011 ein Umsatzminus von 5 %. Für LGV-Vorstand Gerald König fiel der Höhepunkt der EHEC-Krise mit dem russischen Importstop Anfang Juni zusammen: „Das hat einen katastrophalen Preisverfall ausgelöst.“ Am schlimmsten getroffen habe es dann aber gar nicht die Gurken, sondern die Tomaten. „Rispentomaten wurden teilweise um 44 Cent pro Kilo verschleudert“, kritisiert König und erklärt, dass die Folgen dieser Entwicklung noch gar nicht abzusehen sind: „Der Konsument kann ja gar kein Preisgefüge mehr haben.“

König erwartet allenfalls eine langsame Erholung des Gemüsemarktes: „Jetzt steigen die Preise zwar wieder, sie dürften aber nächstes Jahr bis zu 15 % unter dem Wert von 2010 liegen.“ Schließlich habe Russland zwar im August den Importstopp aufgehoben, sei aber in den Wochen zuvor auf Exporteure in Serbien, der Türkei und Georgien ausgewichen und dabei König zufolge auf den Geschmack gekommen. Einziger Lichtblick im Geschäftsjahr der LGV war das Premiumsegment: mit ausgewählten Tomatensorten, Minigurken, Auberginen und weiteren Spezialitäten konnte ein deutliches Umsatzplus erzielt werden.

Einen ähnlichen Ansatz verfolgte Miranda van Kester, als sie sich Ende September 2011 beim Westland Event im niederländischen Aalsmeer gewissermaßen in die Höhle des Löwen wagte. Vor den Augen und Ohren von ganz Unter-Glas-Niederlande stellte sie ihre Hypothese, „die Auswirkungen der EHEC-Krise hätten mit einer deutlichen Positionierung der Produkte abgemildert werden können“ zur Diskussion: „Nur weil die Produkte vom Konsumenten als miteinander austauschbar wahrgenommen werden, konnte während der EHEC-Krise so gut wie der gesamte niederländische Gartenbau auf einen Schlag unter Generalverdacht geraten.“

Van Kester räumt ein, dass Marketingbudgets im Gartenbau bisher kaum eine Rolle spielen. Sie weiß auch, dass die Schlagkraft der allermeisten Gartenbauunternehmen zu klein ist, um groß über Markenstrategien nachzudenken. Am Beispiel der so genannten Honingtomaatje und dem kleinen, aber feinen Siegeszug von Willem & Drees zeigte sie jedoch, dass Markenstrategien jenseits von Chiquita oder Kanzi möglich sind – ausreichend finanzielle Mittel, Einsatz und Wagemut vorausgesetzt.

Neben den 227 Mio. € an Entschädigungszahlungen stellte die Europäische Union im Rahmen des EHEC-Hilfsprogramms auch 17 Mio. € für vertrauensbildende Maßnahmen im Obst- und Gemüsebereich zur Verfügung. Es bleibt zu hoffen, dass Mitte November bei der Verteilung dieses Geldes mehr als 7 % nach Deutschland gehen – und damit der Grundstein für nachhaltig vertrauens- und damit konsumfördernde Maßnahmen gelegt wird, an deren Fortbestand auch nach Ablauf des Kampagnenzeitraums von drei Jahren keine Zweifel aufkommen.

Auf dass beim nächsten Krisenfall eine eventuell notwendige weitere Optimierung der innerbehördlichen Meldekette dann tatsächlich der einzig verbesserungswürdige Tatbestand ist.

Tim Jacobsen

Rudern gegen den Strom – David Hughes gibt Nachhilfe

All diejenigen, die Emeritus David Hughes bei der Australian Seafood Convention in Perth verpasst haben, ihn weder bei der letztjährigen Onion & Carrot Conference im englischen Peterborough noch beim World Pork Congress im benachbarten Birmingham erleben konnten und zudem auch beim Frische Forum Anfang Februar in Berlin gefehlt haben, bekommen Anfang September mit dem International Strawberry Congress im belgischen Hoogstraten eine neue Chance. Eine Chance darauf, nach Ende der Veranstaltung mit neuem Selbstbewusstsein in den Alltag zurück zu kehren.

Denn David Hughes ist so etwas wie der Dr. Feelgood des Agrar- und Ernährungssektors. Ihm gelingt es nicht nur, dank seines trockenen Humors auch äußerst ernste Themen nie aussichtslos erscheinen zu lassen, er hat immer Botschaften im Gepäck, die im wahrsten Sinne des Wortes erleuchtend wirken. Dabei ist es einigermaßen erstaunlich, dass er mit rund 90 Vorträgen im Jahr eine thematische Bandbreite abdecken kann, aus der die eingangs genannten Veranstaltungen nur einen kleinen Ausschnitt darstellen.

Erleichtert wird Hughes´ Arbeit dadurch, dass die äußeren Rahmenbedingungen in gewisser Weise für alle gleich sind. Angesichts des Auf und Abs der weltweiten Agrarmärkten macht es aus der Vogelperspektive heraus ja kaum einen Unterschied, ob es um Erdbeeren, Schweinefleisch, Meeresfrüchte oder Zwiebeln geht. So ist es beispielsweise gerade einmal zwei Jahre her, dass Menschen in Dritte-Welt-Ländern bei Protesten gegen plötzlich stark gestiegene Nahrungsmittelpreise zu Tode kamen, Vietnam den Export von Reis verbot und Argentinien den von Rindfleisch. Auch der so genannte Westen blieb seinerzeit von dieser Entwicklung nicht verschont. Mit dem Fallen des Getreidepreises löste dann allerdings auch bei uns die ausufernde Staatsverschuldung wieder den Preisanstieg bei Lebensmitteln als größte Inflationsgefahr ab.

„Vier Dollar für einen Kaffee zu bezahlen ist bescheuert“

MC DonalDs Antwort auf Starbucks

Alles, was Hughes also tun muss, ist, das jeweilige Produkt in makroökonomische Zusammenhänge einzuordnen. Mit Sätzen wie „Sie sind gesegnet, da Sie [hier bitte nun ein beliebiges Produkt einsetzen] produzieren“, verdeutlicht er seinen Zuhörern die jeweiligen produktspezifischen Vorteile. Mit Praxisbeispielen regt er darüber hinaus zum Nachdenken an. So wird die polarisierende Werbebotschaft eines Steakhouses im US-amerikanischen South Carolina mit Sicherheit nicht jedermann gleichermaßen überzeugen können: „Es gibt genug Platz für alle Geschöpfe Gottes – direkt neben dem Kartoffelpüree“.

Hughes will aber nicht nur helfen, zu verhindern, im Eifer des Gefechtes über das Ziel hinaus zu schießen, er nutzt besonders gelungene Werbebeispiele auch dafür, zu zeigen, wie es richtig geht. So traf Ende des Jahres 2008 die McDonald´s-Kampagne „Vier Dollar für einen Kaffee zu bezahlen ist bescheuert“ genau den Geist dieser Zeit und spielte perfekt ein auf sich verändernde ökonomische Voraussetzungen. Diese machten Premiumkonzepten von Kaffeehausbetreibern wie Starbucks zunehmend das Leben schwer. Der Slogan wurde dann auch medienwirksam direkt in Sichtweite des Starbucks-Hauptquartier im US-amerikanischen Seattle plakatiert.

Ähnlich wie in Fabeln stecken in Hughes´ Anekdoten tiefschürfende Weisheiten. So ist beispielsweise McDonalds unter den Systemgastronomen derzeit die große Ausnahme, weil die weltweit umsatzstärkste Fastfood-Kette ihren Marktanteil unter den gegenwärtigen schwierigen ökonomischen Bedingungen sogar noch deutlich auszubauen vermag. Dies, und das ist die eigentliche Botschaft Hughes´, gelingt aber nur, da keine andere Schnellrestaurantkette ihr Ohr näher an den Bedürfnissen und Wünschen ihrer Kunden hat.

Dies alleine sichert das unternehmerische Überleben aber noch keineswegs, wie Hughes anhand anderer Beispiele erfolgreicher Unternehmen zeigt. Zwar klingt es wie die tausendste Wiederholung, die Tatsache aber, dass Hughes bereits seit Jahren diese Schlagwörter predigt und es trotzdem immer noch auf 90 Vorträge im Jahr bringt, beweist geradezu, dass die Umsetzung dieser Ratschläge von der Theorie in die Praxis gar nicht so einfach ist: Niemals die Produktionskosten aus den Augen verlieren, ständig versuchen, die Effizienz zu steigern, eine Unternehmenskultur leben, in der Kreativität und Innovation Platz haben und dabei den Begriff Innovation nicht auf Produktinnovationen allein beschränken.

So schwierig die Umsetzung dieser Ratschläge in die Praxis auch sein mag, so banal ist letztendlich ihre Aussage. David Hughes würde wahrscheinlich auch nicht von sich behaupten, als einziger im Besitz des Steins der Weisen zu sein. Vielleicht liegt es ja daran, dass der sprichwörtliche Prophet im eigenen Land nichts gilt. Vielleicht scheitert die Umsetzung aber auch daran, dass in den oftmals mit viel Herzblut von Gartenbauverbänden, Absatzorganisationen, Forschungsanstalten und Hochschulen organisierten Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen zwar genau diese Themen problematisiert werden, aber nur selten die gärtnerische Praxis erreicht wird.

Tim Jacobsen