"Now, here, you see, it takes all the running you can do, to keep in the same place. If you want to get somewhere else, you must run at least twice as fast as that!"

Schlagwort: Innovation Saisonarbeitskräfte Effizienzsteigerung Europa GAP

Der große Wurf blieb aus – aber lieber einen kleinen als gar keinen

Es ist zum Mäusemelken: wurde mit Corona mehr als offensichtlich, dass das Konzept Innenstädte irgendwie dringend sanierungsbedürftig ist, gab es gewissermaßen als Antwort auf nicht gestellte Fragen ein Finanzpaket zur Betonierung des Fußgängerzonensta­tusquos. Beweisen Starkregenereignisse mit ihren verheerenden Folgen, dass irgendwie irgendetwas getan werden muss, um die Folgen des Klimawandels vielleicht doch noch etwas angenehmer zu gestalten, scheint die einzig politisch zündende Idee, mit Hilfe von Elektroautos den Verkehrsinfarkt in die Zukunft retten zu wol­len. Will sich die CDU personell erneuern, melden sich ausschließ­lich Kandidaten, die selbst in ihrer Jugend höchstwahrscheinlich nicht unbedingt einen Flair von Erneuerung und Aufbruch verbrei­tet haben. Moppert dann die CSU, dass Bayern nicht äquivalent zu seinem Stimmanteil in der Regierung vertreten ist, geht einem auf einmal Andreas Scheuer nicht mehr aus dem Kopf.

So wirkt dann das „Mehr Fortschritt wagen“ der Ampelkoalition zumindest ein kleines bisschen wie ein Befreiungsschlag. Wahr­scheinlich stand bei so manchem Journalistenkollegen auf dem Weihnachtswunschzettel, zumindest einmal im Leben eine Frage von Olaf Scholz mit einem knappen Ja oder Nein beantwortet zu bekommen; im ganzen Nebelkerzendickicht ist aber die insge­samt geräuschlose Regierungsbildung eine Leistung, die auf einen eher problemlösungsorientierten Ansatz unseres neuen Kanzlers verweist. Dass dann im ganzen Hin und Her keiner der als Schreckgespenster an die Wand gemalten Kandidaten das Rennen um das Bundeslandwirtschaftsministerium machte, sondern ausgerechnet der sich selbst mit „anatolischer Schwa­be“ charakterisierende Cem Özdemir, ging in Zeiten, in denen ungestraft mit Fackeln an Wohnhäusern von Politikern aufmar­schiert wird, dann schon fast unter.

Bei bisher jeder Erhöhung des Mindestlohns wurde nicht mehr oder weniger als der Untergang des Abendlandes befürchtet – ganz so schlimm ist es dann Gottseidank bei allen sechs bisherigen Erhöhungsrunden nicht gekommen. Natürlich ist der Sprung von 9,82 € auf 12 statt der geplanten 10,45 € im zweiten Halbjahr 2022 eine Hausnummer. Und auch wenn diesbezüglich noch nichts beschlossen ist, wird sich die SPD die Butter nicht mehr vom Brot nehmen lassen.

Ganz ausverhandelt ist auch von der Leyens Green Deal nicht. Und da wird es streng genommen dann um einiges fitzeliger, schließlich steht mit Farm to Fork mittel- und langfristig deutlich mehr als „nur“ ein abermals erhöhter Lohnkostenanteil, so schmerzlich im Einzel- und ärgerlich in jedem Fall der auch sein mag, ins Haus. Der Green Deal könnte ans Eingemachte gehen.

Und da könnten sich angesichts amtlich verordneter Flächenstilllegungen und dem Aus vieler Pflanzenschutzmittel hierzulan­de sowie sich häufender Wetterkapriolen allerorten, der Importpolitik Chinas, der Biotreibstoffstrategie Nordamerikas und den Exportrestriktionen Russlands ganz neue Allianzen zwischen Verbraucher und Landwirten bilden: steigt die Inflation infolge gestiegener Lebensmittelpreise in heute kaum vorstellbare Grö­ßenordnungen, wird sich schnell die Frage stellen, wie viel Umweltschutz wir als Gesellschaft wollen und wie viel Umweltschutz wir auch dem nicht so wohlhabendem Rest der Welt gegenüber ethisch und moralisch verantworten können.

Wir machen aus technologischem auch gesellschaftlichen Fortschritt … wo Fortschritt entsteht, muss er auch gelebt werden


Aus den Seiten 15 und 22 des Koalitionsvertrags des Bündnisses für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit

Und spätestens dann wäre der Realo vom Bündnis 90/die Grünen als ausgewiesener Brückenbauer in seinem Element und könnte vielleicht sogar die in sein Boot holen, denen es nicht staatsmännisch genug erscheint, als Minister mit dem Fahrrad die Ernennungsurkunde beim Bundespräsidenten im Schloss Bellevue abzuholen um den Stau der Panzerlimousinen zu umfahren. In die Höhle des Löwen gesprungen ist auch Prof. Dr. Karl Wilhelm Lauterbach. Und kämpft seitdem mindestens an zwei Fronten: zum einen gegen das Virus in all seinen Varianten, zum anderen gegen so genannte virale Inhalte: Untersuchungen zeigten, dass dem Anstieg des medizinisch messbaren pandemi­schen Geschehens jeweils ein Anstieg der Verbreitung von Infor­mationen aus zweifelhaften Quellen vorausging.

Einziger Lichtblick der Mitte März 2021 im Fachjournal Cell veröffentlichten „Conversations“ war, dass mit zunehmend schlim­mer Lage dann die Vernunft wieder einzusetzen scheint und eher klassische Nachrichtenquellen wieder mehr in den Fokus rücken. Das ist leicht erklärbar, schließlich lässt sich die Pandemie sinnvol­ler Weise nur leugnen, solange niemand aus dem Freundes- und Familienkreis schwer daran erkrankt – auch wenn es Fälle geben soll, in denen Menschen selbst über ihr Ableben auf der Intensiv­station hinaus ihrer Überzeugung treugeblieben sind. Leicht erklä­ren lässt sich auch, warum sich Menschen zweifelhaften Informa­tionsquellen zuwenden: Ängste lassen sich abbauen, indem Insti­tutionen als Sündenböcke verunglimpft werden, gleichzeitig scheint es menschlich, zu denken, dass es andere eher als einen selbst erwischt und am Allereinfachsten kompensieren lässt sich Hilflosigkeit mit dem Glauben an Heilsversprechen.

In der gleichen Ausgabe von Cell gab es übrigens auch „Neue Ansätze für die Impfstoffentwicklung“, einen Beitrag zu „Antiviralen Mitteln mit gemeinsamen Angriffszielen gegen hochpathogene Viren“, etwas zu „Biokraftstoffen für eine nachhaltige Zukunft“ und einen Artikel über „Genom-Engineering für die Verbesserung von Nutzpflanzen und die Landwirtschaft der Zukunft“. Soll noch einer sagen, dass Wissenschaft das Problem und nicht die Lösung ist.

Die Zeiten werden härter

Im Sondierungspapier der uns wahrscheinlich zukünftig Regierenden wurde die eine und andere Klippe elegant umschifft. So soll der Kohleausstieg „idealerweise“ vorgezogen und die „Entwicklung intelligenter Systemlösungen für den Individualverkehr“ lediglich unterstützt werden. Unterstützt werden soll auch die Landwirtschaft, und zwar dabei, „einen nachhaltigen, umwelt- und naturverträglichen Pfad einzuschlagen“. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln soll auf das „notwendige Maß“ beschränkt und Pflanzen „so geschützt werden, dass Nebenwirkungen für Umwelt, Gesundheit und Biodiversität vermieden werden“. Tacheles dagegen dann beim generellen Tempolimit – das es nicht geben wird – und bei der Erhöhung des Mindestlohns – die tatsächlich kommen wird. Mit zwölf Euro Stundenlohn scheint die SPD eines ihrer zentralen Wahlkampfthemen durchgesetzt zu haben.

Sollte der Mindestlohn eigentlich erst zum Sommer 2022 auf über zehn Euro steigen, so könnte er unter Umgehung der Mindestlohnkommission nun handstreichartig um ziemlich genau ein Viertel erhöht werden. Auch wenn das vereinbarte Stillschweigen über Details noch nicht gebrochen wurde, so ist klar, dass zuallervorderstunderst Betriebe mit einem hohen Lohnkostenanteil die Düpierten sein werden, ganz vorneweg dabei einmal mehr unsere Gärtnerinnen und Gärtner.

Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass Handel und Verbraucher die daraus resultierenden Preisaufschläge einfach so akzeptieren werden. Es ist genauso unwahrscheinlich, dass ein höherer Mindestlohn bei uns Strahlkraft auf das europäische Mindestlohngefüge haben wird. Sollten an der Peripherie Europas ähnliche Verhältnisse gelten wie bei uns, müssten die Mindestlöhne dort nicht um ein Viertel erhöht, sondern in etwa vervierfacht werden. Und selbst dann wären wir von einer Produktionsvollkostenrechnungswaffengleichheit noch immer weit entfernt; ausgeblendet würde außerdem, dass zwar für viele Menschen die Reise an der EU-Außengrenze zu Ende ist, Warenströme aus aller Welt diese jedoch unbeanstandet passieren dürfen.

Welche Auswirkungen Störungen an diesem fein austarierten System haben können, lässt sich derzeit in Großbritannien beobachten. Auch die Eidgenossen konnten den Strukturwandel in ihrer Landwirtschaft allenfalls verlangsamen, aufhalten lässt er sich auch in der Alpenrepublik nicht. Und so ist es dann nur auf den ersten Blick verwunderlich, wenn, wie zuletzt wieder einmal auf dem Global Berry Congress eine Absatzjubelmeldung die nächste jagt – und gleichzeitig die Produktionsflächen im eigenen Land dies nicht widerspiegeln sondern vielmehr rückläufig sind.

Es ist keine einheimische Ware, die da vermehrt über den Tresen geht. Gleichzeitig wird aber auch nur deshalb so viel abgesetzt, da durch das höhere Warenangebot die Preise entsprechend gefallen sind. Der vielzitierte und –diskutierte Eimer voll mit Blaubeeren zum Schleuderpreis ist in Wahrheit dann auch eher ein Menetekel: Allzu lange wird sich unser produktionstechnischer Vorsprung nicht mehr halten lassen, Him- und Brombeeren werden folgen, wenn sie dies nicht bereits schon getan haben. Und das Dumme ist: die genannten Beerenarten stehen mehr oder weniger als Platzhalter für welches Produkt dann auch.

Du hast keine Chance – aber nutze sie!

Herbert Achternbusch

Und so wurde beim Global Berry Congress munter über den ganzen Erdball gehüpft: werden in Spanien die Arbeitskräfte knapp und geht im Süden Marokkos das Wasser zur Neige – warum dann nicht gleich auf nach Südafrika? Sieht man das Ganze nur global genug, verschwinden auch die Unterschiede zwischen Serbien, Rumänien und der Ukraine. Künstliche Intelligenz hilft bei der Standortwahl: Beerenanbau in Indien für China – kein Problem, das Knowhow ist exportier- sowie skalierbar und Kapital, das auf Verzinsung wartet, gibt es genug.

Niemand kann abschätzen, wie Klimawandel, fragile Lieferketten, steigende Energie- und Rohstoffpreise, die Verfügbarkeit natürlicher Ressourcen, der weltweit zunehmende Protektionismus, Digitalisierung und E-commerce sowie die allgegenwärtigen logistischen Herausforderungen und der Arbeitskräftemangel die Handelswelt der Zukunft verändern werden. Vielleicht sogar mehr denn je scheint derzeit alles möglich. Und dann ist es zwar so, dass einer der diesjährigen Nobelpreise an drei Nordamerikaner vergeben wurde, die der Wirtschaftswissenschaft die Augen dafür geöffnet haben, dass auch das wahre Leben Möglichkeiten zuhauf bietet, Ursache-Wirkungsbeziehungen zu erkennen.

Dass sie in einer ihrer berühmtesten Arbeiten zeigten, dass die Einführung eines Mindestlohns nicht zwangsläufig zu erhöhter Arbeitslosigkeit führt, bedeutet aber nicht, wie die Laureaten selbst bereitwillig einräumen, dass das überall und jederzeit so sein muss. Anders dann die Faktenlage beim ebenfalls Nobelpreis-dekorierten ehemaligen Direktor des Deutschen Klimarechenzentrums. Klaus Hasselmanns wissenschaftliche Leistung war nichts weniger, als eine Methode zu entwickeln, die bereits zu einer Zeit, als dies wirklich noch niemand hören wollte, unmissverständlich belegte, dass niemand außer wir selbst am Klimawandel schuld sind.

Tim Jacobsen

Stillstand bedeutet Rückschritt

Die Vorschauen auf die Fachmessen dieses Jahres vermitteln den Eindruck, als ob Produktivität und Effizienz Vokabeln seien, die erst seit kurzem Eingang in den Wortschatz der Gärtner gefunden hätten. Kostenreduzierung, Zeitersparnis und eine effiziente und verantwortungsvolle Bewirtschaftungsweise scheinen heutzutage zwar unabdingbarer denn je, wenn der eigene Betrieb auf nationalen und internationalen Märkten konkurrenzfähig bleiben soll. Aber war das streng genommen nicht schon immer so?

Wer erinnert sich heute noch daran, dass zu Beginn der fünfziger Jahre kaum die Versorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln gesichert war? Ziel der Gemeinsamen Agrarpolitik der europäischen Staaten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war es zunächst, die Produktivität der landwirtschaftlichen und gärtnerischen Produktion zu steigern. Neben einer ausreichenden Versorgung der Verbraucher und einer Stabilisierung der Märkte sollten Effizienz- und Produktivitätssteigerungen auch dazu dienen, ausreichende Einkommen in Landwirtschaft und Gartenbau zu sichern. Allerdings widersprach die Zielvorgabe der Belieferung der Verbraucher mit Lebensmittel zu angemessenen Preisen dem Ziel, den Produzenten, die an hohen Preisen zugunsten ihrer Einkommen interessiert sind, eine angemessene Lebenshaltung zu gewährleisten.

Butterberg und Milchsee waren Schlagwörter, die den Erfolg einer Politik kennzeichneten, die zu Effizienzsteigerung anhielt. Als Folge des Anstiegs der Produktivität wurde der Abbau von Überschüssen landwirtschaftlicher Produkte zu einem der zentralen Themen der europäischen Agrarpolitik. Die Änderung der politischen Rahmenbedingungen führte dazu, dass in denjenigen Betrieben, die das so genannte Höfesterben überlebten, intensiv über teils einschneidende Veränderungen nachgedacht werden musste, um weiterhin bestehen zu können.

Freuen wir uns auf Neuheiten, Ideen, Anregungen und Impulse, aber auch auf fachlichen Austausch und, nicht zu vergessen, Ermutigung, wo sie Not tut

Tim Jacobsen

Eine der großen Herausforderungen der Landwirtschaft des 19. Jahrhundert bestand darin, eine schnell wachsende Bevölkerung zu versorgen. Dass dies nicht nur gelang, sondern die Qualität der Ernährung erheblich gesteigert wurde, gehört zu den großen Leistungen des 19. Jahrhunderts. Bis etwa um die Jahrhundertwende war die wirtschaftliche Situation für die Landwirtschaft im Allgemeinen relativ günstig, danach verschlechterte sie sich nach und nach. Dies lag vorrangig daran, dass die deutsche Landwirtschaft sich plötzlich Konkurrenten gegenüber sah.

Wichtige Impulse gingen dabei von den USA aus. Nach dem Ende der Sezessionskriege wurden die Anbauflächen für Getreide erheblich ausgedehnt. Da es aber an ausreichend Arbeitskraft fehlte, gab es schon früh eine im Vergleich zu Deutschland viel stärkere Tendenz zur Mechanisierung, was wiederum zu einer erhöhten Produktivität führte. Für die steigenden Produktionsmengen gab es in den USA bald keinen ausreichenden Markt mehr. Mit dem Ausbau des amerikanischen Schienennetzes und des Aufkommens der atlantischen Dampfschifffahrt drängte amerikanisches, bald aber auch russisches und indisches Getreide auf den deutschen Markt

Darauf war die Landwirtschaft in Deutschland wenig vorbereitet. Erst mit der massiven Abwanderung vieler Landarbeiter zur Jahrhundertwende setzte eine stärkere Mechanisierung auf den landwirtschaftlichen Gütern ein. Der abnehmende Stellenwert des Agrarsektors im Laufe des industriellen Strukturwandels entspricht dabei einem allgemeinen volkswirtschaftlichen Entwicklungstrend, wie er in den meisten Industriestaaten in den letzten zwei Jahrhunderten zu beobachten war.

Dabei wird jedoch gerne übersehen, dass das Wachstum der landwirtschaftlichen Produktivität gleichzeitig auch Vorraussetzung für diese Entwicklung war. Zum einen musste eine wachsende Bevölkerung ausreichend ernährt werden, zum anderen mussten Arbeitskräfte aus der Landwirtschaft freigesetzt werden um an der Industrialisierung teilnehmen zu können. Überhaupt konnten erst die Wohlstandssteigerungen dank der Produktivitätszunahme die Voraussetzung für eine vermehrte Nachfrage nach industriellen Gütern schaffen.

Laut einer aktuellen Einschätzung des Bundestages handelt es sich bei Landwirtschaft und Gartenbau um einen leistungsfähigen und innovationsfreundlichen Sektor mit erheblicher volkswirtschaftlicher Relevanz, mehr noch, um einen Kernbereich der deutschen Wirtschaft. Die Steigerung der Bruttowertschöpfung im Agrarsektor lag in den vergangenen Jahren deutlich höher als in vielen anderen Branchen. Wahrscheinlich stellt das Agrobusiness sogar den Sektor der deutschen Wirtschaft mit der höchsten Produktivitätssteigerung dar. Es liegt an der Politik, dem Impulsgeber Landwirtschaft die bestmöglichen Rahmenbedingungen zu geben – und so einen unverzichtbaren Beitrag zu mehr Wachstum; Innovation und Arbeitsplätzen zu leisten.

Ende August zeichnete Renate Künast drei Preisträger mit dem Innovationspreis Gartenbau aus. Der mit insgesamt 10 000 € dotierte Preis wird seit 1997 an Unternehmen verliehen, die durch ihr Beispiel andere zum Nachahmen anspornen. Die diesjährigen Auszeichnungen wurden für Innovationen im Bereich der Pflanzenzüchtung, der Gewächshaustechnik und der überbetrieblichen Absatzkooperation vergeben. „Ich bin immer wieder erstaunt und erfreut über den Ideenreichtum im Gartenbau“, so die damalige Verbraucherschutzministerin bei der Preisverleihung.

Fortschritte in der Züchtung neuer Sorten, leistungsstärkere Pflanzenschutzmittel und verbesserte Produktionsmethoden sorgen im Gartenbau für stetigen Wandel. Elektronische Datenverarbeitung und Informationstechnologien veränderten viele Bereiche grundlegend. Drahtlose Datenübertragung und Positionierungstechniken werden auch in Zukunft dabei helfen, optimale Strategien mit bestmöglicher Präzision zu entwickeln. Moderne Landtechnik ist bodenschonend und kraftstoffsparend – weniger denn je stellen Umweltschutz und gärtnerische Produktion einen Gegensatz dar.

Blicken wir also mit Spannung auf den Messeherbst und freuen wir uns auf Neuheiten, Ideen, Anregungen und Impulse, aber auch auf fachlichen Austausch und, nicht zu vergessen, Ermutigung, wo sie Not tut.

Tim Jacobsen

Wer, wenn nicht wir?

Jeder könne etwas für mehr Beschäftigung in Deutschland tun, schrieb Bundesverbraucherschutzministerin Renate Künast Anfang August in der „Bild am Sonntag“. „Er muss sich nur überlegen, wo die Produkte hergestellt sind, die er kauft“. Babypuppen kämen aus China, Strampler aus der Türkei, Turnschuhe aus Vietnam. „Das gibt es alles auch von deutschen Herstellern“, hatte die Grünen-Politikerin erklärt.

Von Seiten der Wirtschaft wurde der Aufruf zum Kauf deutscher Produkte heftig kritisiert. Dabei wurde auf die volkswirtschaftlichen Folgen hingewiesen, die ein Boykott deutscher Produkte im Ausland haben würde. Zudem sei der Ruf nach national orientiertem Kaufverhalten angesichts der Vielzahl von ausländischen Vorprodukten in deutschen Waren vollkommen unsinnig. Den von Verbandsvertretern geäußerten Vorwurf der „Bauernfängerei“ wies Künast in Folge energisch zurück. Sie habe nicht zu einem Boykott ausländischer Produkte aufgerufen, sondern auf den Zusammenhang zwischen Kaufentscheidungen und Arbeitsplätzen hingewiesen. Mit der Kaufentscheidung schließlich bestimme der Konsument auch, unter welchen Bedingungen und zu welchen Umwelt- und Sozialstandards etwas hergestellt werde.

Der „Sächsischen Zeitung“ sagte Künast wenige Tage später, dass die Schuld an der Abwanderung von Jobs auch bei denjenigen zu suchen sei, die aus Preisbewusstsein billigere, im Ausland produzierte Waren kaufen. „Die Geiz-ist-geil Mentalität … macht viele Arbeitsplätze kaputt“. Wenn sich diese Haltung weiter durchsetze, werde bald überhaupt nichts mehr in Deutschland produziert. Es hätte dann laut Künast auch keinen Sinn mehr, „hier Erdbeeren oder Wein anzupflanzen“.

Mit Blick auf die Produktpalette des deutschen Gartenbaus sollte ein solcher Aufruf eigentlich überflüssig sein. Schließlich hat die einheimische Produktion mit ihren hohen Umwelt-, Verbraucherschutz- und Sozialstandards alle Trümpfe auf ihrer Seite. Gütezeichen und Prüfsiegel sollen das Vertrauen der Verbraucher in die Qualität und Sicherheit der Produkte stärken und dem Erzeuger Erlösvorteile durch höhere Preise sichern.

Seit mehr als 35 Jahren hat sich der Absatzfonds auf die Fahnen geschrieben, die Wettbewerbsfähigkeit und die Erlössituation der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft zu verbessern. Eine der Hauptaufgaben des Absatzfonds ist es, durch Werbemaßnahmen landwirtschaftliche Produkte in das Bewusstsein der Verbraucher und des Handels zu bringen, um dadurch die Nachfrage zu steigern. Leider scheinen die jahrelangen Bemühungen des Absatzfonds von geringem Erfolg gekrönt zu sein.

Die positiven Auswirkungen des Konsums einheimischer Produkte auf Umwelt, Wirtschaft und Klima fielen leider dem hitzigen Schlagabtausch zum Opfer

Tim Jacobsen

Schwarze Schafe innerhalb der Gartenbaubranche tun ein Übriges, den Vertrauensvorsprung, den deutsche Erzeugnisse bei manchem Verbraucher genießen, wettzumachen. Erschreckend an der vieldiskutierten Untersuchung zur Pestizidbelastung bei deutschem Beerenobst war weniger die Gesamtbelastung der Früchte sondern die Verwendung nicht zugelassener Spritzmittel. Dies deutet auf ein fehlendes Unrechtsbewusstsein oder mangelhaftes Fachverständnis hin. Nicht weiter verwunderlich führt dies beim Verbraucher zu dem Trugschluss, genauso gut Importware in den Einkaufskorb legen zu können, da ja auch bei einheimischer Ware vieles im Argen zu sein scheint. Immerhin – und dies ist für den Verbraucher an der Warentheke leicht zu überprüfen – ist die Importware auf den ersten Blick oftmals günstiger.

Die positiven Auswirkungen des Konsums einheimischer Produkte auf Umwelt, Wirtschaft und Klima fielen leider dem hitzigen Schlagabtausch zum Opfer, der den Äußerungen Künasts folgte. In der öffentlichen Diskussion weitgehend unbeachtet blieben deshalb beispielsweise die durch den heutzutage üblichen Transport landwirtschaftlicher Produkte entstehenden enormen externen Kosten. Diese Kosten, die nicht vom Verursacher sondern von der Allgemeinheit getragen werden, könnten durch eine Einfuhrreduktion landwirtschaftlicher Produkte und relativ kurze Transportwege deutlich gesenkt werden.

Dies haben Prof. Dr. Friedrich Schneider und Michael Holzberger vom Institut für Volkswirtschaftslehre der Universität Linz am Beispiel Österreich gezeigt. Über einen deutlichen Beitrag zur Umwelt- und Klimaschonung hinaus würde bei einer Einfuhrreduktion landwirtschaftlicher Produkte samt gleichzeitiger Kompensation durch einheimische Produkte ein deutlicher Zuwachs des regionalen Bruttoinlandprodukts erzielt werden. Laut den Autoren der Studie wäre neben deutlichen Wohlfahrtsgewinnen auch ein ausgeprägter positiver regionaler Beschäftigungseffekt zu erwarten.

Allerdings verzichten die Autoren darauf, Wege aufzuzeigen, wie diese Einfuhrreduktion bewerkstelligt werden könnte. Es lässt sich nur schwer beurteilen, wie das Ausland auf entsprechende staatlich initiierte Vorstöße reagieren würde. Indes ist die Lösung ja auch gar nicht so kompliziert: Haben nicht wir es nicht alle bei jedem Einkauf in der Hand, durch die Wahl einheimischer Produkte zum Klima- und Umweltschutz beizutragen? Zugleich könnten wir dafür Sorge tragen, dass die Wertschöpfung in den Bereichen Gartenbau und Landwirtschaft wieder vermehrt in unserem eigenen Land erzielt wird. Schließlich lassen sich nur so bestehende Arbeitsplätze sichern und gleichzeitig neue Arbeitsgelegenheiten schaffen.

Man mag Renate Künast Populismus in Zeiten des Wahlkampfs vorwerfen. Dennoch spricht ihr Appell einen großen Missstand unserer Zeit an. Nur noch ein Zehntel der vom Durchschnittsverbraucher monatlich getätigten Aufwendungen wird für Lebensmittel ausgegeben, was die gesellschaftliche Wertschätzung dieser Produkte widerspiegelt. Die Frage ist berechtigt, warum kaum ein Haushalt bereit ist, mit einer in den meisten Fällen kaum spürbaren Erhöhung dieses Anteils Verantwortung für die Zukunft zu übernehmen.

Tim Jacobsen