"Now, here, you see, it takes all the running you can do, to keep in the same place. If you want to get somewhere else, you must run at least twice as fast as that!"

Schlagwort: Klimawandel

Mehr als nur Smalltalk: das Wetter

Jede Menge bislang weithin unbekannter Rekorde wurden dieses Jahr bereits auf mehr oder weniger publikumswirksame Weise gebrochen – wovon im 68. Lebensjahr ältester Meistertrainer Deutschlands zu werden einer der eher skurrilen Art ist. Während sich bei der Honorierung der Lebensleistung Jupp Heynckes´ auch ansonsten eher unversöhnliche Fanlager auf einen gemeinsamen Nenner einigen können, splittert sich die Stimmungslage beim Stichwort Tripel in die jeweiligen Vereinsfarben auf.

Um im Miteinander möglichen Stolpersteinen aus dem Weg zu gehen, empfiehlt es sich dann, gar nicht erst mit Fußball zu beginnen, sondern es beim Wetter zu halten. Denn bei diesem Thema sind sich garantiert alle einig: Schließlich haben sich auch mit Erreichen des meteorologischen Sommerbeginns wohl nur wenige Haushalte getraut, die Heizung auf Sommerbetrieb zu stellen – geschweige denn, dass die Heizungssteuerung von selbst merken hätte können, dass wir uns in Riesenschritten Mittsommernacht nähern.

Es war nass, es war kalt, es war dunkel und es war lange nass und kalt und dunkel. Ob nun allerdings im Mai nur das eineinhalb oder doch das Dreifache der sonst üblichen Regenmenge vom Himmel fiel – ein Fall für die Statistiken. Und war der März eigentlich wirklich der kälteste März jemals – welche Rolle spielt das eigentlich? Wie viel man auf statistische Wetterdaten geben kann, lässt sich am wetterkapriolenreichen April ablesen: ein paar fast schon sommerliche Tage zwischendurch genügten, um den April im Mittel sogar über den langjährigen Durchschnitt zu heben und damit elegant zu kaschieren, dass es an Weihnachten fast überall in Deutschland wärmer war als zu Ostern.

Keine Schuld trifft die Meteorologen. Fast wünschte man sich manchmal, dass ihre Prognosen fehlerbehafteter wären. Aber wahrscheinlich sind die derzeit vorherrschenden Wetterlagen schlichtweg zu einfach zu interpretieren, als dass man sich diesbezüglich große Hoffnungen machen könnte. Anscheinend reichen für unsere derzeitigen Tiefausläufer die 1,3 Billiarden Rechenschritte (immerhin eine Zahl mit 15 Nullen) vollkommen aus, mit denen der Computer des Deutschen Wetterdienstes unseren meteorologischen Tagesablauf abbildet.

Keine Schuld trifft die Meteorologen. Fast wünschte man sich manchmal, dass ihre Prognosen fehlerbehafteter wären

Tim JAocobsen

Wenn es allerdings so wäre, dass der Wetterbericht das Wetter und nicht das Wetter den Wetterbericht beeinflussen würde, hätten wir ganz gute Karten. Schließlich muss trotz aller Rechenpower der so genannte Meteorologe vom Dienst vor Herausgabe des Wetterberichts jeweils selbst Hand anlegen, um aus den von den Computern anhand leicht unterschiedlicher Ausgangsdaten errechneten Prognosen die wahrscheinlichste auszusuchen. Ähneln sich die Simulationsergebnisse, sind die Vorhersagen logischerweise aussagekräftiger als bei instabilen Verhältnissen.

Liegt der Meteorologe in seiner Vorhersage dann mehr als 4,5 K neben den später tatsächlich erreichten Temperaturen, wird dies als grober Fehler bewertet; bei weniger als 2,5 K Abweichung wertet der Wetterdienst die Prognose als gute Vorhersage. Bei den zweitägigen Vorhersagen der Tagesmitteltemperatur kommen die Wetterfrösche mittlerweile auf eine durchschnittliche Abweichung von nur 1,3 K, erst ab der sechstägigen Prognose wird im Mittel die 2,5 K Hürde gerissen.

Grundsätzlich sind die Wetterverhältnisse im Sommer im Vergleich zu den Wintermonaten etwas stabiler, was die Aussagekraft der Vorhersagen in diesem Zeitraum erhöht – die Übergangszeiten sind dagegen mit vergleichsweise hohen Fehlerquoten behaftet. Da die Physik, die hinter Bewölkung und Niederschlag steckt, ungleich komplexer ist als die von Druck und Wind, lässt sich Niederschlag nur schwer prognostizieren. Noch schwieriger ist es, kleinräumige Prozesse wie Windböen oder Gewitter vorherzusehen, da diese relativ leicht durch das Gitterraster des Wettermodells rutschen können.

Wie Dr. Michael Barbulescu auf dem diesjährigen Möhrenforum erläuterte, gibt es keinen Anlass, der Wettervorhersage für die nächsten drei Tage zu misstrauen, auch wenn sie regional durchaus um bis zu einem halben Tag zeitlich daneben liegen kann. Und auch auf den bis zu zehn Tage in die Zukunft weisenden Wettertrend könne man sich durchaus verlassen. Er empfahl, neben den Modellen der Wetterdienste auch die Möglichkeiten zu nutzen, die regional ansässige Wetterstationen oftmals über das Internet frei zugänglich bieten.

So lässt sich dann auch ausgiebig Zeit im Internet damit verbringen, diejenige Prognose zu finden, die am ehesten zu den eigenen Wunschvorstellungen passt, in der Hoffnung, einen kleinen meteorologischen Vorteil für sich nutzen können. Wie dieses Frühjahr allerdings beweist, können knappe Angebotsmengen, die auf eine ebenfalls zurückhaltende Nachfrage treffen, den Marktberichterstattern zufolge zu einem Preisgefüge führen, mit dem sich leben lässt, auch wenn die Erlössituation im Gemüsebau auch dieses Jahr sicher wieder nicht zu Rekordmeldungen führen wird.

Was bleiben wird, ist die Erinnerung an den an Herausforderungen wohl kaum zu überbietenden Einstieg in die Freilandsaison 2013. Und dafür gibt es keinen Eintrag ins Guinnessbuch, so verdient er auch wäre.

Tim Jacobsen

Extreme zum Saisonbeginn 2011: Auf Trockenheit und schleppenden Absatz folgt EHEC

Einmal mehr bewahrheitet sich dieses Jahr, dass ein früher Erntebeginn nicht zwangsläufig zu einem erfolgreichen Saisonstart führt. So gab es unter den deutschen Spargelproduzenten wahrscheinlich niemanden, dem zu Jahresbeginn beim Blick in den Kalender nicht auch der Gedanke gekommen wäre, dieses Jahr doch einmal verstärkt vom Ostergeschäft profitieren zu können. Nur dass dann die späten Ernten in Griechenland und Spanien samt den Rekordimporten aus Peru auf eine mitteleuropäische Wetterlage stießen, die angesichts sommerhafter Temperaturen zum kalendarischen Frühlingsbeginn hierzulande für einen Turbostart in die Spargelernte sorgte, hatte wohl niemand geahnt. Genauso wenig wie, dass die Verbraucher nur langsam in Spargellaune kamen.

Schlimmer noch bei den Salaten: Hier traf das südeuropäische Saisonende auf die erste einheimische Freilandware. Damit nicht genug, blockierten Salate aus dem nordwesteuropäischen Unterglasanbau zusätzlich Absatzwege. Da halfen auch keine Feiertage: seit Mitte April befinden sich die Salatpreise im Sturzflug. Anfang April noch freudig begrüßt, wird die lang anhaltende Großwetterlage dabei zunehmend zum Fluch: Zu den ohnehin im Vergleich zum Vorjahr erneut gestiegenen Produktionskosten gesellen sich noch die teilweise beträchtlich hohen finanziellen und personellen Aufwendungen für den kaum zu deckenden Bewässerungsbedarf. Für diese Jahreszeit ungewöhnlich wird angesichts des Angebotüberhangs so mancher erntereife Schlag bereits untergepflügt.

Auch die weiteren Aussichten scheinen alles andere als rosig. Schließlich hat der letzte Sommer bewiesen, dass künstliche Beregnung immer nur die zweitbeste Lösung sein kann und extreme Witterungssituationen zwangsläufig einen Schatten auf den weiteren Saisonverlauf werfen. Aber auch der von vielen herbeigesehnte Temperatursturz wäre keine Lösung. Denn gerade auch bei kühlerer Witterung könnten Salate schnell zur Mangelware werden und der dann entstehende Nachfrageüberhang den Markt noch weiter aus dem Gleichgewicht bringen.

Wohl dem, der sein Geld nicht mit den ersten Sätzen verdienen muss, könnte man nun meinen. Wie falsch man damit allerdings liegt, wird einem spätestens dann klar, wenn man bedenkt, dass die normalerweise erst im Spätsommer zur niederbayerischen Gurkenernte anrückenden Saisonarbeitskräfte dieses Jahr bereits im Mai kamen: Ungewöhnlich niedrige Temperaturen hatten in der ersten Maihälfte zu teils dramatischen Ausfällen in den Gurkenkulturen gesorgt, die nun mühsam per Hand nachgesät werden mussten.

Immerhin können die Kollegen an Isar, Vils und Donau noch versuchen zu retten, was zu retten ist, werden sich die Meckenheimer Obstbauern denken. Schließlich führten ohne die anhaltende Trockenheit eigentlich kaum erklärbare Frostschäden Anfang Mai in der Voreifel zu teilweise existenzbedrohenden Ausfällen bei Äpfel und Birnen. Auch aus dem Land Brandenburg, der Pfalz, Rheinhessen, Württemberg und Franken werden Frostschäden gemeldet. Besonders betroffen sind neben dem Kernobst Erdbeeren, Kirschen und Rebstöcke.

„´Vorsorglich bis auf weiteres Tomaten, Salatgurken und Blattsalate insbesondere in Norddeutschland nicht roh zu verzehren“

Empfehlung Des das Robert-Koch-Instituts am 25.5.2011

Und als wäre das alles nicht schon schlimm genug, wurde in den Online-Medien am Abend des 21. Mai 2011 erstmals über Ursachen für das verstärkte Auftreten schwerer bakterieller Durchfallerkrankungen in Norddeutschland spekuliert. Wurde zu Beginn die Schuld noch bei den üblichen Verdächtigen wie mangelnder Hygiene, Rohmilchverzehr oder bakterienverseuchtem Rindfleisch gesucht, rückten einen Tag später Obst und Gemüse in den Fokus der Epidemiologen. Von da ab war es nur noch ein kleiner Sprung hin zu reißerischen Verzehrswarnungen, denen man ab dem 23.5.2011 kaum noch entkommen konnte und die bei Kantinen- und Supermarktkunden gleichermaßen zu einem Rohkostboykott führten.

Ungewollt markierte das Robert-Koch-Institut am 25.5.2011 den bisherigen Höhepunkt dieser Entwicklung. Verschiedene Presseagenturen deuteten die Empfehlung des Bundesinstituts „vorsorglich bis auf weiteres Tomaten, Salatgurken und Blattsalate insbesondere in Norddeutschland nicht roh zu verzehren“ um in ein „Tomaten, Salatgurken und Blattsalate aus Norddeutschland“. Da half es dann wenig, dass im Laufe des 26.05.2011 Import-Gurken aus Spanien als Träger des Erregers dingfest gemacht werden konnten. Der Appetit war den Verbrauchern da bereits vergangen.

Tim Jacobsen