Es muss ein bisschen das R.E.M.sche „Ende der Welt, wie wir sie kennen“ gewesen sein: vor ziemlich genau 100 Jahren führte die Hyperinflation in der Weimarer Republik ausgerechnet zu Beginn der Adventszeit zu einem Anstieg des Wechselkurses der Mark gegenüber dem US-Dollar auf das Allzeithoch von 1 : 4,2 Billionen (eine Zahl mit zwölf Nullen). Ein Ei kostete Anfang Dezember 1923 320 Mrd. Mark, 1 l Milch 360 Mrd. Mark und 1 kg Kartoffeln 90 Mrd. Mark.

Größter Profiteur seinerzeit war, ein Schelm, wer Böses dabei denkt, das Deutsche Reich, dessen Kriegsschulden mit der dann zur Inflationsbekämpfung eingeführten Renten- und späteren Reichsmark von 154 Milliarden Mark auf lediglich 15,4 Pfennige schrumpften. Auch heute profitieren eher Schulden als Vermögen von Inflation.

Mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine verdoppelten sich die entsprechenden Kennzahlen, was gleichbedeutend damit ist, dass bspw. im November 2022 der sog. Anstieg des Verbraucherpreisindexes statt wie 4,4 % im Vorjahr auf einmal 8,8 % betrug. Die Folgen dieses Anstiegs des Verbraucherpreisindexes gegenüber dem Vormonat spüren nicht nur Möbelhändler.

Ein kurzes Rechenexempel: bei einer Inflationsrate von 2 % haben Sie zwar nach zehn Jahren immer noch 1500 € auf dem Konto, damit können Sie aber nur noch für 1225 € einkaufen. Nach zwanzig Jahren ist der Gegenwert des Geldbetrages auf Ihrem Konto dann ganz von selbst fast drei-  statt vierstellig geworden, denn was sich hinter dem etwas sperrigen „Anstieg des Verbraucherpreisindexes“ verbirgt, ist auf gut deutsch gesagt einfach nur, dass alles teurer wird.

Wenn wir, wie im August 2023, also von einer gesunkenen Inflationsrate in Höhe „von nur noch“ 6,1 % sprechen, ist der Preisanstieg zwar kleiner als noch im letzten Winter, aber immer noch erheblich. Vorbei die Jahrzehnte, in denen die Preise, und dabei sollten fairerweise auch die Zinsen nicht vergessen werden, nur so vor sich hin dümpelten. Die Verbraucher stimmen mit den Füßen ab und rennen spätestens seit Februar 2022 den Discountern mehr denn je Tür und Tor ein.

Manche Markenartikler reagieren, indem sie dem Ganzen noch eines obendrauf setzen und erhöhen die Preise mehr, als dass dies der Anstieg der Produktionskosten vielleicht nahelegen würde. Wenig charmant, wird dies dann als Gierflation bezeichnet und führt, wenn die Händler das Ganze nicht mittragen und weitergeben wollen, dazu, dass es nicht Hamsterkaufbedingte Leerstellen in den Supermarktregalen gibt. Die ganz besonders pfiffigen Markenartikler lassen die Preise und Verpackungen gleich, packen aber weniger Inhalt rein.

Der Aufschrei bei den Verbraucherschützern ist dann jeweils groß, letztendlich kommt darin dann aber vielleicht auch eine von ihren Vertretern als Geschäftsgrundlage benötigte Entmündigung der Verbraucher zum Ausdruck. Die Preisschilder in den Supermärkten sind zwar noch nicht ganz so aussagekräftig wie die Packungsbeilagen von Medikamenten, einen mühelosen Preisvergleich erlauben sie jedoch allemal und spielen den Ball eigentlich zurück zu den Verbrauchern.

Schwieriger wird es dann, wenn einzelne Produktbestandteile durch billiger zu beschaffende  Rohstoffe ausgetauscht werden, Palmfett bspw. Sonnenblumenöl ersetzt – Skimpflation bedeutet gewissermaßen, dass auf die Inferiorität des Produktes zwar hingewiesen wird, aber eine Lesebrille für deren Entdeckung vonnöten ist. Es ist mit Sicherheit kein Zufall, dass bei uns die Herkunftsbezeichnungen an den Frischetheken, anders als bspw. im Vereinigten Königreich, eher dem Bereich Kleinstgedrucktes zuzuordnen sind.

Es geht auch aber ganz ohne Griff in die Trickkiste. Nach den Pandemierekordjahren war im letztjährigen Herbst Trübsalblasen angesagt für unsere Heidekrautproduzenten. Mit der Fieberkurve Gasspeicherfüllstand und teils absurden Energiepreissteigerungen waren Callunen auf den Einkaufszetteln der Verbraucher ziemlich weit nach unten und der Abverkauf sowohl unter das Niveau der Vorjahre als auch der Vorpandemiezeit gerutscht. Insbesondere die größeren Topfgrößen litten. In diesem Herbst scheint, auch um der Inflation ein Schnippchen zu schlagen, eine Invasion der relativ kleinen Töpfe bevor zu stehen.

Und dabei macht nicht nur billig, billig das Rennen, auch Duos scheinen sich im 11er Topf durchaus wohl zu fühlen und könnten am Ende die Durchschnittspreise auf ein auskömmliches Niveau hieven. Einmal mehr zeigt sich, dass das Aufeinandertreffen von Angebot und Nachfrage zu äußerst effizienten Lösungen führt. Wer hätte im letzten Herbst gedacht, dass im Frühjahr 2023 die Energieversorger nach einem winterlichen Neukundenaufnahmestopp auf einmal wieder mit Kampfpreisen werben würden?

Et hätt noch immer jot jejange

§ 3 des Kölschen Grundgesetzes

Natürlich liegt das Energiepreisniveau immer noch deutlich über dem vor Februar 2022 – bei aller Dystopie in Michael Stipes „It’s the end of the world as we know it” liegt aber gerade im Ende des Refrains Hoffnung und Ausblick zugleich: „and I feel fine“. Und wenn nicht „fine“, dann zumindest zuversichtlich.

Tim Jacobsen