Ziffern alleine erzählen meistens nicht die ganze Geschichte: wer beispielsweise liest, dass die Niederlande nach Brasilien der größte Nettoexporteur von Agrarprodukten sind, kommt schnell auf den Gedanken, dass dies den europäischen Exportsubventionen für Milch, Getreide und Zucker zu verdanken wäre. Schließlich hat sich in vielen Köpfen die Idee festgesetzt, dass die europäische Agrarwirtschaft nur dank einer mehr oder weniger großzügigen Brüsseler Subventionspolitik überleben könne.
In Wahrheit wird der weitaus größte Teil der niederländischen Agrarexporte mit Produkten erwirtschaftet, die überhaupt nicht in Anmerkung für Subventionen kommen. Kaum jemand wird vermuten, dass niederländische Unternehmen beispielsweise die Exportmärkte für Kokosöl (68 %), Cashewnüsse (64 %), Kakaobutter (55 %) und –puder (54 %) dominieren. Schon vorstellbarer ist, dass Muscheln mit 51 % Weltexportmarktanteil zu den 15 stärksten Exportprodukten der Niederlande zählen. Niemanden überraschen wird die Tatsache, dass niederländische Schnittblumenexporte in einer Größenordnung von knapp 3 Mrd. € einen Exportmarktanteil von 84 % erreichen. Ähnlich stellt sich die Situation bei Blumenzwiebeln dar.
Bereits heute hat jeder dritte LKW, der auf den Straßen unseres westlichen Nachbarlandes unterwegs ist, Agrarprodukte geladen
Tim Jacobsen
Obwohl in Europa die staatlichen Ausgaben für Landwirtschaft nur 0,5 % des gesamteuropäischen Bruttosozialproduktes und damit weniger als ein Hundertstel der Summe aller Staatsausgaben ausmachen, sind die Zahlungen aus Brüssel mit Sicherheit aber auch keine vernachlässigbare Größe.
Stellt man den Anteil Subventionen, den einzelne Länder aus dem Gesamttopf erhalten, dem Anteil der einzelnen Länder am gesamteuropäischen Produktionswert gegenüber, fällt auf, dass das als Agrarsubventionsempfänger verschriene Italien zwar 13,1 % der gesamteuropäischen Subventionen für den Agrarbereich bezieht, allerdings auch 15,2 % des gesamteuropäischen Agrarproduktionswertes erwirtschaftet.
Bei Frankreich hält sich der Anteil Subventionen mit dem Anteil Produktionswert noch genau die Waage (12,6 %), bei Spanien (13,7 % zu 13,1 %) genauso wie bei Deutschland (15,7 % zu 14,5 %) dreht sich das Zünglein allerdings bereits in Richtung Subvention. Einziger deutlicher Ausreißer bei diesem innereuropäischen Vergleich sind mit einem Verhältnis von 7 % zu 2,6 % die Niederländer.
Die Niederlande, immerhin eines der am dichtesten besiedelten Länder der Welt, erzielten im Jahr 2005 allein mit Agrarprodukten einen Exportüberschuss in Höhe von 22,6 Mrd. €. Während der Flächenstaat Deutschland Nettoimporteur von Agrarprodukten ist, werden in den Niederlanden fast drei Viertel des Außenhandelssaldos in Höhe von 31,5 Mrd. € mit Agrarprodukten bestritten.
Obwohl von dieser Entwicklung auch Bereiche fernab der Landwirtschaft profitieren, sind dem Wachstum der Bedeutung der Niederlande als Drehscheibe des internationalen Handels mit Agrarprodukten allerdings Grenzen gesetzt: Bereits heute hat jeder dritte LKW, der auf den Straßen unseres westlichen Nachbarlandes unterwegs ist, Agrarprodukte geladen.
Tim Jacobsen
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