Kaum jemand merkte, als die deutschen Erdölvorkommen vor über 30 Jahren ihren Förderhöhepunkt erreichten. Schließlich war Öl zu dieser Zeit auf dem Weltmarkt keineswegs Mangelware. Erst die politisch motivierte Drosselung der Erdölfördermengen Anfang der Siebziger Jahre gab einen Eindruck davon, wie eine Welt ohne Erdöl aussehen könnte. Während gegen Ende des Ölembargos die Förderhähne einfach wieder weiter aufgedreht wurden und heute allenfalls noch die Sommerzeit an die durch die gestiegenen Ölpreise ausgelöste Wirtschaftskrise erinnert, könnte uns schon bald eine Ölkrise drohen, die nicht nur an vier Sonntagen den Verkehr zum Erliegen bringen wird.
Es liegt in der Natur endlicher Vorräte, dass diese zwangsläufig irgendwann zur Neige gehen. Unter Experten findet sich dann auch niemand, der bezweifelt, dass es nach Überschreiten des so genannten Peak Oils im Zuge fallender Fördermengen bei unverändert starker Nachfrage zu massiven Preiserhöhungen kommen wird. Die einzig diskussionswürdige Frage scheint zu sein, wann dies der Fall sein wird. Manche prognostizieren das Erreichen der maximalen Erdölfördermenge für das Jahr 2010; andere vermuten, sie wurde 2007 bereits erreicht. Aufgrund der derzeit relativ unsicheren Datenlage und einer Vielzahl von Einflussfaktoren geologischer und wirtschaftlicher Natur wird das globale Überschreiten des Ölfördermaximums erst Jahre nach dessen Eintreten mit Sicherheit festgestellt werden können.
Stark steigende Preise an den Rohstoffbörsen machen deutlich, dass wir nicht nur beim Öl den Gürtel sehr schnell sehr viel enger schnallen müssen
Tim Jacobsen
Im Deutschland der siebziger Jahre beendete der Anstieg des Ölpreises von drei auf fünf Dollar pro Barrel die goldenen Jahre des Wirtschaftswunders. Da Erdöl in einer schier unglaublichen Vielzahl von Stoffen vorkommt und in allen Bereichen des modernen Lebens direkt oder indirekt eingesetzt wird, lassen sich sehr schwer genaue Prognosen erstellen, wo sich die Verknappung von Erdöl in welcher Form bemerkbar machen wird. Durch die Abhängigkeit der Landwirtschaft vom Öl ist es allerdings mehr als wahrscheinlich, dass es zu einer Situation kommen wird, in der nicht nur wirtschaftliche Probleme auftreten, sondern sich auch die Hungerproblematik drastisch verschärfen wird.
Seit der so genannten Grünen Revolution stieg die weltweite Getreideproduktion um mehr als das Zweieinhalbfache, ohne dass sich die Anbaufläche wesentlich verändert hätte. Dies ist größtenteils auf den Einsatz fossiler Energieträger in Form von Düngemitteln, Pestiziden, dieselbetriebener Bewässerung sowie motorisierter Landwirtschaft zurückzuführen.
Synthetische Düngemittel werden seit Beginn des 20. Jahrhunderts zur Produktionssteigerung eingesetzt. Ihre Herstellung verbraucht große Mengen an Energie. So benötigen die USA jährlich allein für die Düngemittelherstellung ungefähr 100 Mio. Barrel Öl, also mehr als die weltweite Tagesproduktion. Deutschland verbraucht jährlich etwa 30 Mio. Barrel Öl zur Herstellung von Düngemitteln. Ähnliches gilt für Pflanzenschutzmittel. Durch anhaltend billiges Öl entstand zudem über die Jahre ein System der Nahrungsmittelverteilung über weite Strecken, das in einer Zeit teuren Öls nicht mehr funktionieren wird.
Hervorgerufen durch eine beispiellose Produktionssteigerung auf der Basis von billigem Öl war die Ära des Erdöls bisher von kontinuierlicher Landflucht begleitet. Während um 1800 75 % der deutschen Bevölkerung von der Landwirtschaft lebten, nahm dieser Prozentsatz bis zum Jahr 2006 auf unter 3 % ab. Es ist wenig wahrscheinlich, dass ein solch kleiner Bevölkerungsanteil in der Zukunft in der Lage sein wird, ohne den Einsatz billigen Öls für ausreichend Nahrung zu sorgen. Neben dem Aspekt schwindender Energiemengen für die Getreideproduktion wird sich für die Ärmsten der Armen zudem besonders der zunehmende Anbau von so genannten Treibstoffpflanzen negativ auswirken.
Es bedarf schon eines gewissen Zynismus, dieser unausweislich scheinenden Entwicklung noch etwas Positives abgewinnen zu wollen. Wenn allerdings nicht mehr Öl gefördert werden kann, kann auch nicht mehr Öl verbrannt werden. Und wenn nicht mehr Öl verbrannt werden kann, kann auch der CO2-Gehalt der Luft aufgrund des Verbrauchs fossiler Ressourcen nicht mehr überproportional ansteigen. Wäre es dann nicht besser, die Mittel, die jetzt in die Risikobewertung des Szenarios Klimawandel gesteckt werden, für die Bewältigung eines der großen Probleme der Zukunft zu verwenden? Schließlich ist Erdöl nur der Anfang. Stark steigende Preise an den Rohstoffbörsen machen deutlich, dass wir nicht nur beim Öl den Gürtel sehr schnell sehr viel enger schnallen müssen.
Tim Jacobsen
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