Es gibt weltweit wahrscheinlich nur eine gute handvoll Länder, deren Nationalflagge einen eigenen Namen bekommen hat. Das Schweizerkreuz und Frankreichs Tricolore gehören genauso zu diesem erlesenen Club wie Dänemarks Dannebrog, die US-amerikanischen Stars and Stripes und der britische Union Jack. Während Eidgenossen, Franzosen und Amerikaner sich bei der Namensfindung wohl hauptsächlich von Äußerlichkeiten leiten ließen, steht bei den Dänen und Briten der einigende Charakter des Nationalsymbols im Vordergrund.
Daraus abgeleitet könnte dann schon ein Funken Wahrheit an der Behauptung sein, dass sich die Bewohner dieser Länder angeblich nicht lange mit der Frage aufhalten, warum sie denn überhaupt einheimische Erzeugnisse kaufen sollten, sondern vielmehr wissen wollen, wo es diese Produkte denn zu kaufen gibt.
Zehnjähriges Jubiläum feierte dieses Jahr der kleine rote Traktor, mit dem die Briten im Jahr 2000 das gordische Siegelwirrwarr durchhackten und für landwirtschaftliche Produkte eine einheitliche Kennzeichnung schufen, die neben einem Qualitätsversprechen auch einen Herkunftsnachweis enthält. Produkte im Wert von derzeit jährlich über 10 Mrd. £ zieren sich mittlerweile mit dem Logo, das Untersuchungen zufolge zu den bekanntesten Marken im Vereinigten Königreich gehört.
„So frisch wie nur irgendwie möglich. Das sieht man nicht nur, sondern schmeckt es vor allem“
Willem Treep und Drees Peter van den Bosch
Vielen Konsumenten soll mittlerweile allerdings national bereits schon wieder zu global geworden sein, will man den Trendforschern glauben. Anzeichen dafür, dass dahinter mehr als nur heiße Marketingluft stecken könnte, gibt es zuhauf. Internetdatenbanken, die einem beispielsweise in Belgien beim Aufspüren regionaltypischer Köstlichkeiten unterstützen, erfreuen sich großer Beliebtheit. Und die Möglichkeit, Landwirten und Gärtnern auch einmal im echten Leben von Angesicht zu Angesicht gegenüber stehen zu können, zählt mittlerweile an der Kühltheke so mancher englischen Supermarktkette zum Standardprogramm.
Ganz ohne schulmeisterhafte CO2-Fußabdrücke kommt auch die Erfolgsgeschichte von Willem Treep und Drees Peter van den Bosch aus. Statt auf Überzeugungstäter setzen die beiden Niederländer auf die Überzeugungskraft des Produktes selbst. „So frisch wie nur irgendwie möglich“ lautet ihr Geschäftsgeheimnis. „Das sieht man nicht nur, sondern schmeckt es vor allem“ heißt ihr Versprechen. Über die gesamten Niederlande verteilt, versorgen Willem&Drees gut ein Jahr nach der Geschäftsgründung bereits über 100 Supermärkte mit ihrem stark saisonal ausgerichteten Obst- und Gemüsesortiment.
Vom Produktionsbetrieb bis in den Supermarkt soll dabei kein Produkt mehr als 40 km zurücklegen müssen, Unterglas darf nicht geheizt werden und auch der Rest der selbstauferlegten Regeln wirken wie aus einer vergangenen Zeit. Aus einer Zeit wohl gemerkt, in der Zusammenarbeit auch tatsächlich noch vertrauensvolles Miteinander bedeutete. Van den Bosch selbst kennzeichnet dieses Miteinander als Dreiecksbeziehung zwischen Produzenten, Händler und Konsumenten.
Mit „Ein M regionaler“ wirbt die schweizerische Migros für ihr umfassendes Sortiment an Produkten „Aus der Region“. Das Beeindruckende dabei ist, dass in den Filialen des Lebensmittelgrossisten rund 1 400 verschiedene Artikel erhältlich sind, die dieses Label tragen. Damit hat Migros weitaus mehr Artikel regionalen Ursprungs im Sortiment, als durchschnittliche Discountketten überhaupt im Angebot haben.
Diesseits der Grenze erhielten die nordrhein-westfälischen Obst- und Gemüsebauern unlängst Schützenhilfe von der Edeka Regionalgesellschaft Rhein Ruhr: Auch deren neu geschaffene Regionalmarke „Mein Land“ setzt auf „Frisches aus der Region“. Dem Vernehmen nach sollen die Absatzzahlen belegen, dass die Kampagne vom Verbraucher gut angenommen wird. Insgesamt zwölf nordrhein-westfälische Obst- und Gemüseproduzenten stehen bei Edeka derzeit mit ihrem Namen ein für die Einhaltung des Versprechens „4 mal anders, 4 mal mehr wert“.
Paradoxerweise fällt die bessere Verfügbarkeit von Produkten aus der Region zeitlich zusammen mit dem Abflauen des Biobooms. Waren zu Anfangszeiten der Öko-Bewegung Obst, Gemüse, Milch und Fleisch aus ökologischem Anbau noch das Nonplusultra für umweltbewusste Verbraucher, hat der viel zitierte peruanische Bio-Spargel seinen Teil zu einem Umdenken auf Konsumentenseite beigetragen und die Biobranche insgesamt dem Anschein nach in eine Sinnkrise geführt.
Produkte aus der Region versprechen im Vergleich zu Ökoprodukten mit langen Transportwegen nicht nur ein erhöhtes Maß an Authentizität und ökologischer Nachhaltigkeit, sondern eben auch einen Verbleib der Wertschöpfung in der Region. Bei all der gegenwärtigen Begeisterung über das Erstarken regionaler Vertriebskonzepte sollte aber nicht vergessen werden, dass Regionalität beileibe nicht der einzige Weg ist, Mehrwert zu generieren.
Tim Jacobsen
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