Deutschland ist größter Milchproduzent der EU. Nahezu jeder dritte landwirtschaftliche Betrieb erzeugt hierzulande Milch. Die Milchpreise bestimmen das Bild, dass die Medien in der Öffentlichkeit von der Landwirtschaft zeichnen. Fast täglich kann man hören und lesen: Die Lage auf dem deutschen Milchmarkt ist ernst.
Mancher Gärtner wäre allerdings froh gewesen, hätte er letztes Jahr wenigstens das Betriebsergebnis eines durchschnittlichen Milchviehbetriebes erreicht. Und die Prognosen sind düster: Folgen auf das nur in Teilbereichen überhaupt positiv abgeschlossene 2009 ein paar bessere Jahre, können die Betriebe wieder Reserven aufbauen, heißt es. Bleiben diese besseren Jahre aus, wird ein Teil der Betriebe notgedrungen aufgeben müssen.
Prunkbauten in den deutschen Hansestädten legen Zeugnis ab vom Reichtum der großen Reedereien zu Beginn des 19ten Jahrhunderts. Als in den 20er Jahren ein Aufkommen des Luftverkehrs zu beobachten war, schafften es nur wenige Reeder, ihr Geschäftsmodell den neuen Möglichkeiten anzupassen. Der Name Lufthansa verweist noch stets an die Weitsicht zweier norddeutscher Reeder.
Als die Digitalisierung Einzug in den Alltag hielt, stellte sie das Geschäftsmodell von Plattenfirmen in Frage. Mit Feldzügen gegen Raubkopierer wurde letztendlich erfolglos versucht, das Unausweichliche aufzuschieben. Heutzutage kann man auf Sellaband Musik kaufen, die noch nicht einmal aufgenommen worden ist, und gleichzeitig verdienen Bands mit Livekonzerten mehr als mit dem Verkauf von Musikträgern.
Im Agrarbereich verlief die Entwicklung gegenläufig. Anders als in der Musikindustrie, entfernten sich Produktion und Verbraucher in den letzten Jahrzehnten zusehends voneinander. Die Ursachen hierfür sind in der Professionalisierung der Nahrungsmittelkette zu suchen, die auf gesellschaftliche Entwicklungen wie beispielsweise die zunehmende Verstädterung einspielte.
Einfach so weiterzumachen wie bisher, ist aus Produzentensicht keine Lösung
Tim Jacobsen
Nicht wenige Planspiele, die derzeit unternommen werden, um aus der Preismisere herauszufinden, gehen in die Richtung, den Abstand zwischen Produzenten und Konsumenten erneut zu verkleinern. Manche meinen, klassisches Marketing und damit einhergehend der Aufbau von Marken könne den Gartenbau retten. Die Kosten hierfür sind jedoch immens – und geht das Konzept nicht auf, ist das Geld verloren. Andere suchen die Lösung in breiter angelegten Strategien, die die Verbraucher vom Mehrwert der jeweiligen Produkte überzeugen sollen.
Bei Erdbeeren könnte dies Geschmack sein, bei Mandarinen, dass Kernlosigkeit mehr ist als nur ein Versprechen. Die Liste ließe sich endlos fortsetzen, allerdings ist der Kundenkreis, der Wertigkeit auch beim Einkauf an der Frischetheke obenan stellt, demgegenüber sehr überschaubar. Einen ähnlich überschaubaren Kundenkreis, aber große Strahlkraft könnte die Einrichtung so genannter Bauernmärkte haben: Modern ausgestattete Läden mitten in der Stadt, in denen es ein Komplettangebot von Frisch- und weiterverarbeiteten Produkten ohne falsche Romantik direkt vom Produzenten zu fairen Preisen zu kaufen gibt.
Einfach so weiterzumachen wie bisher, ist aus Produzentensicht keine Lösung – zu mindest so lange es keine gefühlte oder echte Versorgungsknappheit auf dem Markt gibt. Auch nationale Alleingänge im Sinne einer Reduktion von Anbauflächen oder der Vernichtung von Ernteprodukten würden am Marktgefüge nur wenig ändern. Dafür sind die Frachtraten für den Import von Produkten aus den Mittelmeeranrainerstaaten schlichtweg zu günstig. Gedankenspiele wie eine grenzübergreifende Bündelung des europäischen Warenangebots werden nicht nur angesichts verschiedenster nationalstaatlicher Interessen voraussichtlich nur schwer umsetzbar sein.
Zielführender könnte da schon die Etablierung kettenübergreifender Strukturen in bis vor kurzem noch unvorstellbaren Ausmaßen sein, wie sie beispielsweise im Fleischbereich zu beobachten ist. Allerdings können auch im Fleischbereich Schlagwörter wie ausgefeiltes Qualitätsmanagement und hohe Transparenz nicht darüber hinweg täuschen, dass Kostenführerschaft in einem Wettkampf des Fressen oder Gefressenwerdens letztendlich immer nur auf Kosten der Produzenten möglich ist.
Tim Jacobsen
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