Kaum wird irgendwo ein Tempolimit angedeutet, stehen in Deutschland gefühlt 80 Mio. Menschen auf dem Rastplatz der Empörung. Rauchverbot im Wirtshaus? Freiheitsentzug! Zuckersteuer? Diktatur!
Dabei hat die neue Vorschrift oft noch gar nicht das Licht der Welt erblickt, da ist die Stimmung schon schlimmer als im WhatsApp-Chat einer Kleingartenanlage während der Maulwurfssaison. Aber Achtung, liebe Empörungsweltmeister:
Eine an prominenter Stelle veröffentlichte Studie (DOI: 10.1073/pnas.2409907122) zeigt nun, dass der große Aufschrei meist so kurzlebig ist wie Neujahrsvorsätze. Der Widerstand gegen neue Vorschriften ist oft nicht mehr als der sprichwörtliche Sturm im Wasserglas. Irgendwie ja auch logisch: Keiner wird die Revolution ausrufen, nur weil er im Restaurant nicht mehr quarzen darf.
Wenn Menschen plötzlich Prinzipien haben, heißt das in der Fachsprache Reaktanz. Übersetzt bedeutet dies, dass jemand etwas nicht tun darf, was er sowieso nie gemacht hat und sich darüber ärgert, es dann auch in Zukunft niemals machen zu können, bspw. eben mit 250 Sachen über den Highway zu fliegen.
Die Wissenschaftler haben fast 50 000 EU-Bürger befragt und mit weiteren 5000 Testpersonen experimentiert – alles für die große Erkenntnis: Nach der Einführung „böser“ Regeln sind die Leute im Allgemeinen schnell wieder eher tiefenentspannt. In Ländern mit Rauchverbot zum Beispiel war die Ablehnung teilweise geringer als in Ländern ohne.
Was lernen wir daraus? Wenn eine Regel kommt, denken alle erst: „Was verliere ich?“ Aber sobald die Regel da ist, merken viele: „Huch, gar nicht so schlimm. Vielleicht sogar sinnvoll?“
Tim Jacobsen
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