Jeder könne etwas für mehr Beschäftigung in Deutschland tun, schrieb Bundesverbraucherschutzministerin Renate Künast Anfang August in der „Bild am Sonntag“. „Er muss sich nur überlegen, wo die Produkte hergestellt sind, die er kauft“. Babypuppen kämen aus China, Strampler aus der Türkei, Turnschuhe aus Vietnam. „Das gibt es alles auch von deutschen Herstellern“, hatte die Grünen-Politikerin erklärt.
Von Seiten der Wirtschaft wurde der Aufruf zum Kauf deutscher Produkte heftig kritisiert. Dabei wurde auf die volkswirtschaftlichen Folgen hingewiesen, die ein Boykott deutscher Produkte im Ausland haben würde. Zudem sei der Ruf nach national orientiertem Kaufverhalten angesichts der Vielzahl von ausländischen Vorprodukten in deutschen Waren vollkommen unsinnig. Den von Verbandsvertretern geäußerten Vorwurf der „Bauernfängerei“ wies Künast in Folge energisch zurück. Sie habe nicht zu einem Boykott ausländischer Produkte aufgerufen, sondern auf den Zusammenhang zwischen Kaufentscheidungen und Arbeitsplätzen hingewiesen. Mit der Kaufentscheidung schließlich bestimme der Konsument auch, unter welchen Bedingungen und zu welchen Umwelt- und Sozialstandards etwas hergestellt werde.
Der „Sächsischen Zeitung“ sagte Künast wenige Tage später, dass die Schuld an der Abwanderung von Jobs auch bei denjenigen zu suchen sei, die aus Preisbewusstsein billigere, im Ausland produzierte Waren kaufen. „Die Geiz-ist-geil Mentalität … macht viele Arbeitsplätze kaputt“. Wenn sich diese Haltung weiter durchsetze, werde bald überhaupt nichts mehr in Deutschland produziert. Es hätte dann laut Künast auch keinen Sinn mehr, „hier Erdbeeren oder Wein anzupflanzen“.
Mit Blick auf die Produktpalette des deutschen Gartenbaus sollte ein solcher Aufruf eigentlich überflüssig sein. Schließlich hat die einheimische Produktion mit ihren hohen Umwelt-, Verbraucherschutz- und Sozialstandards alle Trümpfe auf ihrer Seite. Gütezeichen und Prüfsiegel sollen das Vertrauen der Verbraucher in die Qualität und Sicherheit der Produkte stärken und dem Erzeuger Erlösvorteile durch höhere Preise sichern.
Seit mehr als 35 Jahren hat sich der Absatzfonds auf die Fahnen geschrieben, die Wettbewerbsfähigkeit und die Erlössituation der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft zu verbessern. Eine der Hauptaufgaben des Absatzfonds ist es, durch Werbemaßnahmen landwirtschaftliche Produkte in das Bewusstsein der Verbraucher und des Handels zu bringen, um dadurch die Nachfrage zu steigern. Leider scheinen die jahrelangen Bemühungen des Absatzfonds von geringem Erfolg gekrönt zu sein.
Die positiven Auswirkungen des Konsums einheimischer Produkte auf Umwelt, Wirtschaft und Klima fielen leider dem hitzigen Schlagabtausch zum Opfer
Tim Jacobsen
Schwarze Schafe innerhalb der Gartenbaubranche tun ein Übriges, den Vertrauensvorsprung, den deutsche Erzeugnisse bei manchem Verbraucher genießen, wettzumachen. Erschreckend an der vieldiskutierten Untersuchung zur Pestizidbelastung bei deutschem Beerenobst war weniger die Gesamtbelastung der Früchte sondern die Verwendung nicht zugelassener Spritzmittel. Dies deutet auf ein fehlendes Unrechtsbewusstsein oder mangelhaftes Fachverständnis hin. Nicht weiter verwunderlich führt dies beim Verbraucher zu dem Trugschluss, genauso gut Importware in den Einkaufskorb legen zu können, da ja auch bei einheimischer Ware vieles im Argen zu sein scheint. Immerhin – und dies ist für den Verbraucher an der Warentheke leicht zu überprüfen – ist die Importware auf den ersten Blick oftmals günstiger.
Die positiven Auswirkungen des Konsums einheimischer Produkte auf Umwelt, Wirtschaft und Klima fielen leider dem hitzigen Schlagabtausch zum Opfer, der den Äußerungen Künasts folgte. In der öffentlichen Diskussion weitgehend unbeachtet blieben deshalb beispielsweise die durch den heutzutage üblichen Transport landwirtschaftlicher Produkte entstehenden enormen externen Kosten. Diese Kosten, die nicht vom Verursacher sondern von der Allgemeinheit getragen werden, könnten durch eine Einfuhrreduktion landwirtschaftlicher Produkte und relativ kurze Transportwege deutlich gesenkt werden.
Dies haben Prof. Dr. Friedrich Schneider und Michael Holzberger vom Institut für Volkswirtschaftslehre der Universität Linz am Beispiel Österreich gezeigt. Über einen deutlichen Beitrag zur Umwelt- und Klimaschonung hinaus würde bei einer Einfuhrreduktion landwirtschaftlicher Produkte samt gleichzeitiger Kompensation durch einheimische Produkte ein deutlicher Zuwachs des regionalen Bruttoinlandprodukts erzielt werden. Laut den Autoren der Studie wäre neben deutlichen Wohlfahrtsgewinnen auch ein ausgeprägter positiver regionaler Beschäftigungseffekt zu erwarten.
Allerdings verzichten die Autoren darauf, Wege aufzuzeigen, wie diese Einfuhrreduktion bewerkstelligt werden könnte. Es lässt sich nur schwer beurteilen, wie das Ausland auf entsprechende staatlich initiierte Vorstöße reagieren würde. Indes ist die Lösung ja auch gar nicht so kompliziert: Haben nicht wir es nicht alle bei jedem Einkauf in der Hand, durch die Wahl einheimischer Produkte zum Klima- und Umweltschutz beizutragen? Zugleich könnten wir dafür Sorge tragen, dass die Wertschöpfung in den Bereichen Gartenbau und Landwirtschaft wieder vermehrt in unserem eigenen Land erzielt wird. Schließlich lassen sich nur so bestehende Arbeitsplätze sichern und gleichzeitig neue Arbeitsgelegenheiten schaffen.
Man mag Renate Künast Populismus in Zeiten des Wahlkampfs vorwerfen. Dennoch spricht ihr Appell einen großen Missstand unserer Zeit an. Nur noch ein Zehntel der vom Durchschnittsverbraucher monatlich getätigten Aufwendungen wird für Lebensmittel ausgegeben, was die gesellschaftliche Wertschätzung dieser Produkte widerspiegelt. Die Frage ist berechtigt, warum kaum ein Haushalt bereit ist, mit einer in den meisten Fällen kaum spürbaren Erhöhung dieses Anteils Verantwortung für die Zukunft zu übernehmen.
Tim Jacobsen
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