"Now, here, you see, it takes all the running you can do, to keep in the same place. If you want to get somewhere else, you must run at least twice as fast as that!"

Autor: juetim (Seite 8 von 17)

Seit dem erfolgreichen Abbruch einer wissenschaftlichen Karriere lebt und arbeitet Tim Jacobsen gemeinsam mit Frau, Familie, Goldfischen und Katze in Bonn

Solidarität darf nicht bröckeln

Auf seiner virtuellen Parlamentsweltreise besuchte der ukrainische Präsident Ende März die niederländischen Volksvertreter. Auch in Den Haag warb Wolodymyr Selenskyj für einen sofortigen EU-Importstopp für fossile russische Energieträger. Pikantes Detail der anschließenden Diskussion war, dass die Niederlande selbst zwar auf dem größten europäischen Erdgasfeld sitzen, sich aufgrund zahlreicher Bergschäden und des daraus resultierenden politischen Drucks im Jahr 2014 dazu verpflichtet haben, die Erdgasförderung rundum Groningen bis spätestens 2028 auslaufen zu lassen.

Ein Stück weiter landeinwärts kamen ebenfalls am 31. März 2022 auf Einladung von Wageningen University & Research (WUR) Experten des Auswärtigen Dienstes, der Kyiv School of Economics, der OECD, sowie ein vor Ort direkt betroffener Landwirt virtuell zusammen, um die Auswirkungen der russischen Invasion zu diskutieren. Zum Auftakt erinnerte WUR-Präsidentin Louise Fresco daran, dass es bei der Diskussion von kurz- oder auch langfristigen Effekten nicht allein um ökonomische Fragestellungen gehen könne, da naturgemäß jede Menge Emotion im Spiel sei, es aber Aufgabe der Wissenschaft sei, „einen kühlen Kopf zu bewahren“.

Kees Huizinga war von seinem Bauernhof mitten in der Kornkammer der Ukraine zugeschaltet. Er berichtete von Raketeneinschlägen und Zerstörung, fehlendem Treibstoff, Mangel an Pflanzenschutz-, Düngemitteln sowie Arbeitskräften und erinnerte daran, dass es, wenn im Frühjahr 2022 die Felder nicht bestellt werden können, die Frage nicht sein wird, wie viel weniger geerntet werden wird, sondern dann erst 2023 überhaupt wieder etwas geerntet werden kann. Und wenn 2023 die Felder nicht bestellt werden können, dann erst 2024 die nächste Chance kommt.

Alternativen für den derzeit durch die Blockade der ukrainischen Seehäfen unterbundenen Warenfluss ins Ausland konnte Huizinga auch mittelfristig nicht entdecken: Die unterschiedliche Spurweite der ukrainischen Eisenbahn zum Rest des europäischen Schienennetzes stelle einen Engpass dar, der angesichts der riesigen Exportmengen auch nicht mit LKW-Transporten substituiert werden kann. Und während Kriegsartefakte wie Geschoßreste, Raketenteile und verminte Felder eher kurzfristig ein Problem sein werden, wird mittel- und langfristig die zerbombte Infrastruktur das größere Problem sein.

Von den Silos und Lägern der Landhändler sei Huizinga zufolge kaum mehr etwas übrig, von den großen Treibstofftanks und Kühlhäusern wären allenfalls noch Fundamente zu sehen. Den Krieg sofort zu stoppen, sei die einzig mögliche Lösung. Angesichts von Huizingas Sarkasmus´, dass niemand Futter brauche, wenn es keine Tiere mehr zu füttern gibt und auch niemand Diesel nötig habe, wenn es nichts mehr zu transportieren gibt, fiel es schwer, den von Fresco geforderten kühlen Kopf zu bewahren, zumal die weiteren Aussichten alles andere als rosig sind:

Denn, und darin waren sich die Panellisten einig, die eigentliche Zeitenwende könnte darin bestehen, dass in Zukunft die Rohstoffkarte noch viel öfter Trumpf sein und eine Art eiserner Vorhang dann nicht politische Systeme trennen wird, sondern diejenigen, die sich auf der moralisch sauberen Seite befinden, von denjenigen, die Zugang zu günstiger Energie, Dünger und Nahrungsmitteln haben – wobei die letztgenannten Beispiele nahezu beliebig austauschbar mit anderen strategisch wichtigen Gütern sind. Leere Regale in unseren Supermärkten zeugen davon, dass im Wettstreit zwischen Solidarität und Rationalität nicht immer das Gemeinwohl gewinnt.

Tim Jacobsen

Prunus serrulata `Amanogawa´ kurz vor der Vollblüte

Bis Ende der 80er Jahre ähnelte die Bonner Altstadt einem in die Jahre gekommenen Handwerkerviertel. Im Zuge einer umfassenden Stadteilsanierung wurden nicht nur historische Fassaden erneuert und der Verkehr beruhigt; mit dem Ziel, die Wohnqualität im Viertel zu verbessern, wurden auch Straßen und Hinterhöfe begrünt. Die Japanischen Blütenkirschen am Wegesrand sollten dabei einen besonderen Farbakzent setzen. Dass die rosa Blüten einst zum Publikumsmagneten und Markenzeichen der Bundesstadt werden würden, konnte seinerzeit niemand ahnen. Der Kälteeinbruch zum Wochenende hat den Aufgang der Blüten noch einmal leicht verzögert, bis spätestens Anfang Mai wird der Blütentraum dann allerdings mit Sicherheit ein Ende haben.

Tim Jacobsen

Die weiteren Aussichten: schwierig

Machte die Coronapandemie aus gut 83 Mio. Fussballtrainern ebenso viele Virologen, mutet die Ukrainekrise derzeit an wie ein Crashkurs in Agrarökonomie. Allzu schwierig scheint das Ganze ja nicht zu sein: wird den Fischern der Schiffsdiesel zu teuer, bleiben sie – wie gerade geschieht – im Hafen und warten auf bessere Zeiten. Wird den Mästern das Futter zu teuer, wird einfach nicht aufgestallt und können die Gärtner die Heizkosten nicht mehr bezahlen, bleiben die Gewächshäuser leer. Mit dieser Wette auf die Zukunft lässt sich zwar kurzfristig verhindern, dass mit den Verkaufserlösen nicht einmal mehr die Gestehungskosten gedeckt werden, mittelfristig stehen jedoch Liefer- und Abnahmeverpflichtungen im Weg und langfristig könnten sich Abnehmer neue Bezugsquellen suchen. Eine Wette mit ungewissem Ausgang also, zumal die Gemeinkosten wie das Vorhalten der Produktionsinfrastruktur stets weiter auflaufen. Im Ackerbau ist das Ganze dann noch ein bisschen komplizierter, da im Spätsommer nur geerntet werden kann, was spätestens im Frühjahr ausgesät wurde.

Leere Mehl- und Speiseölregale in den Supermärkten implizieren mit ihrem ungewohnten Anblick die Frage, ob denn die Lebensmittelversorgung hierzulande eigentlich grundsätzlich sichergestellt ist. Die Studienlage hierzu ist zwar eher dünn, in ihrer Aussage aber eindeutig: Im Jahr 2008 bestand der europäische Ernährungssektor einen Stresstest, den das niederländische Landwirtschaftsministerium durchführen ließ: Es konnte kein Szenario simuliert werden, das die Lebensmittelversorgung in Europa grundsätzlich in Bedrängnis gebracht hätte. Neben ausreichend innereuropäischen Produktionskapazitäten wurde Europa auch genug Kaufkraft attestiert, notfalls auf dem Weltmarkt einkaufen zu können. Als erfolgreich bewältigte Krisen wurde neben der Trockenheit des Jahres 2003 auch die Katastrophe von Tschernobyl im Jahr 1986 angeführt. Lediglich der Wegfall von Soja könnte die Fleischindustrie in Bedrängnis bringen.

Eine Studie des niederländischen Landwirtschaftsthinktanks LEI mit dem vielsagenden Titel „Price and prejudice: why are food prices so high?“ kam 2012 im Wesentlichen zu einem ähnlichen Schluss. Zwar könnte im Krisenfall der ökonomische Schaden hoch sein, eine echte Gefahr stellt er jedoch nicht dar. Drei Jahre später kommen die Autoren eines Foodsecure Working Paper zu dem Schluss, dass grundsätzlich selbst im Katastrophenfall im reichen Europa niemand verhungern müsse, wenn auch ärmere Bevölkerungsschichten im Fall der Fälle „nicht immer genug Geld für eine gesunde und abwechslungsreiche Diät haben werden“. Nach 2015 wird die Studienlage zum Thema Lebensmittelsicherheit dann äußerst dünn, es gibt aber kaum einen Grund dafür, zu denken, dass sich die Lage 2022 grundsätzlich von der sieben Jahre zuvor unterscheidet. Selbst die Covid-Pandemie als letzte große Herausforderung für den Lebensmittelsektor hat, anders als befürchtet, keine allzu große Spuren hinterlassen.

Der Langzeittrend für Agrarrohstoffpreise belegt ab dem Allzeitpreishoch Mitte der Siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts stetig sinkende Preise. Lediglich in den Jahren 2007 und 2008 stiegen die Preise für Zucker, Getreide, Ölsaaten und Milchprodukte leicht an, eine Folge schlechter Bevorratung, Störungen auf der Angebotsseite, sehr hohen Brennstoffpreisen und der zunehmenden Biospritproduktion. 2009 fielen die Preise erst auf ihr altes Niveau zurück, stiegen 2010 und 2011 dann aber wieder an, auch hier eine Folge schlechter Ernten, geringer Vorräte und der Tank- oder Tellerdiskussion. Auch im Schatten der Covid-Pandemie zogen die Preise wieder leicht an, was sich relativ einfach erklären lässt: Die Preise für Rohöl kennen seit April 2020 nur eine Richtung, und zwar die nach oben, genauso wie die Preise für Gas.

Seit spätestens Januar 2021 gilt das auch für Kunstdünger. Der Einmarsch Russlands in die Ukraine hat diese Entwicklung noch einmal beschleunigt, seit der Ankündigung Russlands, keine Düngemittel mehr exportieren zu wollen, spielen die Preise aufgrund der fast schon Markt beherrschenden Position Russlands verrückt. Welche Auswirkungen die hohen Düngemittelpreise tatsächlich haben werden, lässt sich Ende Februar noch nicht absehen. Experten gehen davon aus, dass die Versorgung unserer Landwirte für die nun beginnende Saison weitgehend sichergestellt ist, spannend wird es dann im nächsten Jahr, empfindliche Preiserhöhungen scheinen unvermeidlich. Auf Konsumentenebene sind diese Preissteigerungen derzeit noch kaum zu spüren, auch auf der Ebene der verarbeitenden Industrie sind diese Preissteigerungen noch nicht angekommen, erst mit einiger Verzögerung werden diese dann beim Endverbraucher ankommen.

Die große Volatilität der Preise für landwirtschaftliche Produkte beweist, dass die Märkte nur selten im Gleichgewicht sind und leicht aus der Balance gebracht werden können. Kleine Fehlmengen können genauso wie geringe Überschüsse für enorme Preiseffekte sorgen. Dies ist auch eine Folge der zwangsläufig relativ stabilen Nachfrage nach Nahrungsmitteln und sich der aufgrund der Vorlaufzeiten jeweils nur mit einiger Verzögerung anpassenden Angebotsmengen – zwischen Aussaat und Ernte steht nun einmal die Wachstumsperiode. Nicht vergessen werden sollte auch, dass Regionen wie Europa oder die nordamerikanische Freihandelszone mit dem Handel innerhalb ihrer Regionen für Ausgleich sorgen können, Länder wie Bangladesch oder Nigeria jedoch auf Importe angewiesen sind. FAOSTAT-Daten zeigen, dass der Anteil der Ukraine an der weltweiten Getreideproduktion mit rund 2 % relativ gesehen überschaubar ist. Ein Wegfall dieser Getreidemengen muss also nicht zwangsläufig eine Katastrophe bedeuten. Dennoch reagieren die Märkte mit großen Aufschlägen, Hamsterkäufe und generelle Unruhe im Markt spielen dabei eine Rolle.

Agrarökonomen messen mit den Stocks-to-use ratios die Höhe des Verschleppungsbestands für eine bestimmte Ware als Prozentsatz der Gesamtnutzung oder etwas anschaulicher ausgedrückt: das Mengenverhältnis von Vorräten zu Jahresverbrauchsmengen. In den Preisrallyes der Jahre 2007 und 2008 lagen diese bei Getreide und Mais zwischen 15 und 18 %. 20 % wird unter Ökonomen als Minimumwert für eine Pufferwirkung von Vorräten auf die Preisbildung angesehen. Für Futtergetreide liegt die Stocks-to-use ratio FAO-Zahlen zufolge derzeit bei 23 %, für Weizen bei 37 %. Eigentlich sollte es also für Preispanik keinen Grund geben. Exportbeschränkungen, wie sie Argentinien, Serbien, Indonesien und der EU-Mitgliedsstaat Ungarn zuletzt verkündet haben, sorgen in der allgemein aufgeheizten Stimmung allerdings für weitere Unruhe. Nur eines scheint derzeit sicher: hohe Preise werden zu Produktionsanpassung führen, auch 2009 und 2012 sanken die Getreidepreise wieder.

Eurostat-Zahlen belegen, dass wir Europäer im Großen und Ganzen Selbstversorger sind, mit kleinen Einschränkungen bei tropischen Früchten, Kaffee, Tee und den Ölsaaten, zu denen auch Soja gezählt wird – sowie den natürlichen Fetten und Ölen, wozu das Palmöl gerechnet wird. Selbst wenn nun also manche Produkte wie Sonnenblumenöl auch in Europa knapp werden, stellt dies auf Verbraucherebene keine unmittelbare Bedrohung dar, da grundsätzlich vielerlei Alternativen zu diesen Produkten verfügbar sind. Anders die Lage in der Tiermast: Sonnenblumen sind eine wichtige Eiweißquelle in Futtermitteln. Zur bedarfsgerechten Fütterung gehören neben Mais, Raps, Rübensamen, Roggen und Sonnenblumenkernen auch Protein-Hochkonzentrate wie Sojapresskuchen. Fehlen diese, können Mittelproteine wie Erbsen diese nicht ersetzen. Zwar ließen sich auch die seit Beginn der Ukrainekrise ausbleibenden Futtermittelexporte aus der Ukraine mit Hilfe des Weltmarkts substituieren, der Teufel steckt dabei allerdings im Detail.

Rückstandshöchstmengen und die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln, die in der EU nicht zugelassen sind, erschweren die Substitution der Futtermittel aus der Ukraine. Produktspezifikationen wie frei von genetisch veränderten Organismen machen insbesondere den Öko-Landwirten das Leben zusätzlich schwer, die gerade erst eingeführte vollständige Biofütterung könnte ein Ding der Unmöglichkeit werden. Auch den Abschied vom Palmöl möchte eigentlich niemand rückgängig machen, genauso wenig wie das Abholzen der Regenwälder zum Anbau von Soja befürworten. Die Diskussion um die Aufrechterhaltung von Standards in Kriegszeiten wird ähnlich spannend werden wie die um die Fort- oder Aussetzung der Reformbestrebungen unserer Gemeinsamen Agrarpolitik. Es scheint kaum vorstellbar, dass sich die Ziele des Green Deals wie die Reduktion der Aufwandmengen von Pflanzenschutzmitteln um die Hälfte oder die Reduktion des Einsatzes synthetischer Dünger um ein Fünftel in irgendeiner Form bis zum Jahr 2030 verwirklichen lassen.

Schließlich gibt es ja nicht nur uns Europäer auf diesem Planeten, die, mehr oder weniger reich, auf jeden Fall auf soziale Sicherungsnetze bauen können. Die Preise für Rohstoffe, Energie und Düngemittel werden weiter steigen, der Wegfall der ukrainischen Exporte wird die Versorgungslage in Ländern wie Ägypten, der Türkei, Indonesien, Bangladesch, Nigeria und Jemen weiter unter Druck setzen. Zumal die Getreideernte in den USA und Kanada nicht den Erwartungen entsprach, Argentinien zur Inflationsbekämpfung Exportbeschränkungen einführte und in Australien logistische Probleme den Export behindern. Anfang März wurden in Duisburg mit einem gemeinsamen Spatenstich offiziell die Bauarbeiten zur Errichtung des größten Hinterlandfrachtterminals Europas eingeleitet. In den Duisburg Gateway Terminals sollen ab 2023 wöchentlich mehr als 100 Güterzüge aus China abgefertigt werden und dafür sorgen, dass Ost und West näher zusammen wachsen. Die Zugstrecke ist seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine am 24. Februar 2022 unterbrochen.

Tim Jacobsen

Mehr als hundert Jahre später

Im Alter von 22 Jahren zog Arthur Donald Gristwood in einen Krieg, der im angelsächsischen Sprachbereich später als „The Great War“ in die Geschichtsbücher einging. Es war niemand geringerer als Herbert George Wells, der Gristwood nach Ende des Ersten Weltkriegs dazu ermutigte, seine Erlebnisse literarisch zu verarbeiten. Mit dem im Jahr 1927 erschienenen „The Somme“ gab Gristwood den zeitgenössischen Kritiken zufolge knapp einer Million gefallener Soldaten des British Empires erstmals eine Stimme.

Seine Beschreibung Frankreichs als ein „verwüstetes Land, das einer Mondlandschaft gleicht: leblos, trocken und verflucht“ soll Jahre später John Ronald Reuel Tolkien, der selbst auch an der Schlacht an der Somme teilnahm, zur literarischen Ausgestaltung Mordors, des Reichs des bösen Saurons in „The Lord of the Rings“, inspiriert haben.

Es war aber nicht das Artilleriefeuer allein, das eine Schneise der Verwüstung quer durch Europa hinterließ. Es war die Übernutzung der Wälder, die wesentlich zur Entwaldung großer Landstriche beitrug – und ein bis heute sichtbares Mahnmal ist. Nach dem Ersten Weltkrieg erklärte die französische Regierung aufgrund der Vielzahl von Blindgängern und der hohen Schwermetall- und Arsenbelastung das belgisch-französische Grenzgebiet zwischen Lille und Nancy als „Zone Rouge“ für weitgehend unbewohnbar.

Es war wahrscheinlich die noch nie da gewesene Monstrosität des Ersten Weltkrieges, die dazu geführt hat, dass die damaligen Kollateralschäden an Natur und Umwelt bis heute wissenschaftlich unterbelichtet geblieben sind. Forstmonokulturen und Bombenkrater stehen im Nordosten Frankreichs allerdings auch mehr als hundert Jahre später heute noch sinnbildlich für sichtbare und unsichtbare Spuren, die „The Great War“ über das menschliche Leid hinaus hinterlassen hat.

Dass die Ukraine als Kornkammer Europas gilt, liegt an den Lössablagerungen aus der letzten Eiszeit. Trockene Sommer und kalte Winter sorgten im Lauf der Jahrtausende dafür, dass sich verhältnismäßig viel Humus im Boden anreichern konnte und sich so die für die Ukraine typischen Schwarzerdeböden entwickelten. Die jährlichen Niederschlagsmengen liegen zwischen 350 und 400 mm, die Durchschnittstemperaturen im Juli bei 20 °C – insgesamt also äußerst gute Bedingungen für die landwirtschaftliche Nutzung.

Gemeinsam mit Russland stellt die Ukraine beim für die Lebensmittelproduktion besonders wichtigen Weizen knapp ein Drittel des gesamten Weltmarktangebots – und genau diese Dominanz wird nun zum Problem. Ob die Aussaattermine für das Sommergetreide eingehalten werden können oder ob zumindest die auch im Sommer anstehende Ernte des Wintergetreides abgefahren und dann zu den Häfen am Schwarzen Meer transportiert, dort verladen und verschifft werden kann, ist mehr als ungewiss.

Was passiert, wenn Russland zukünftig tatsächlich nur noch willfährige Länder mit Getreide beliefert? Und was passiert, wenn die 32 Mio. ha Ackerland in der Ukraine mittel- oder gar langfristig aus der Produktion fallen? Von den mehr als 60 Mio. t Getreide, die in der Ukraine produziert werden, geht die Hälfte in den Export. Nur eines scheint derzeit sicher: Wie immer werden die Ärmsten der Armen die Gekniffenen sein. António Guterres´ „Wirbelsturm des Hungers“ könnte also schon bald apokalyptische Realität werden.

Tim Jacobsen

Gemeinsam mit Russland stellt die Ukraine beim für die Lebensmittelproduktion besonders wichtigen Weizen knapp ein Drittel des gesamten Weltmarktangebots – und genau diese Dominanz wird nun zum Problem

Tim Jacobsen

Fünfzig Jahre später

Im März fand in Brüssel ein vielbeachtetes Symposium zur Elektromobilität statt, im März 1972 wohlbemerkt: Renault führte dort strombetriebene Kleinwagen vor, Mercedes Benz einen elektrischen Lieferwagen. Im Juni wird der FC Bayern mit einem 5:1 über den FC Schalke im neu eröffneten Münchner Olympiastadium deutscher Fußballmeister; im September folgt dort auf das verheißungsvolle „Let the games begin“ von Ende August ein „The Games must go on“ als Antwort auf die Tragödie.

Ein anderer französischer Kleinwagen, der eigentlich viel zu früh aus dem Straßenbild verschwundene R5, debütiert im Frühjahr 1972 auf dem Genfer Autosalon und steht bis heute symbolisch für klassenlose Automobilität. Das andere Ende der automobilen Leistungsskala markiert im Herbst 1972 Porsches 911 Carrera, mit 240 km/h Spitzengeschwindigkeit das seinerzeit schnellste Serienauto in Deutschland.

Willy Brandt übersteht erst das konstruktive Misstrauensvotum, um knapp ein halbes Jahr später mit der Vertrauensfrage Neuwahlen auszulösen, bei denen die SPD dann zum ersten und für die folgenden 26 Jahre letzten Mal CDU und CSU in der Wählergunst überflügelt. Mit dem TGV rast 1972 erstmals ein Hochgeschwindigkeitszug durch Frankreich, ein Prototyp des Überschallflugzeugs Concorde begibt sich auf eine Verkaufstour einmal rund um die Welt.

Seinerzeit muss eine Art „alles ist möglich“ in der Luft gehangen haben: David Bowies „Ziggy Stardust“ erscheint, bei Hewlett Packard gibt es erstmals PCs zu kaufen und in Washington den Vorläufer des Internets zu bewundern. Gleichzeitig gab es aber auch damals schon Anzeichen dafür, dass die Party nicht ewig weitergehen würde. Ähnlich wie der Terror in der Rückschau die Fröhlichkeit der Münchner Spiele überschattet, ist 1972 auch das Jahr, in dem der Club of Rome mit „Grenzen des Wachstums“ erstmals Klimawandel zum Thema macht.

1972 wurde auch das World Trade Center eröffnet. Der Legende nach litt der Architekt an Höhenangst und verpasste deshalb den beiden rund 400 m hohen Türmen die charakteristisch schmalen Fenster, was den Twin Towers den Ruf einer Kathedrale der Globalisierung einbrachte. Der 11. September 2001 leitete eine Zeitenwende ein, mit der nun bevorstehenden Invasion der Ukraine wünscht man sich zurück in den Beginn des Plastikzeitalters, als die Technizität der Sechziger Jahre von den warmen Farbtönen zu Beginn der Siebziger abgelöst wurde.

Der große Wurf blieb aus – aber lieber einen kleinen als gar keinen

Es ist zum Mäusemelken: wurde mit Corona mehr als offensichtlich, dass das Konzept Innenstädte irgendwie dringend sanierungsbedürftig ist, gab es gewissermaßen als Antwort auf nicht gestellte Fragen ein Finanzpaket zur Betonierung des Fußgängerzonensta­tusquos. Beweisen Starkregenereignisse mit ihren verheerenden Folgen, dass irgendwie irgendetwas getan werden muss, um die Folgen des Klimawandels vielleicht doch noch etwas angenehmer zu gestalten, scheint die einzig politisch zündende Idee, mit Hilfe von Elektroautos den Verkehrsinfarkt in die Zukunft retten zu wol­len. Will sich die CDU personell erneuern, melden sich ausschließ­lich Kandidaten, die selbst in ihrer Jugend höchstwahrscheinlich nicht unbedingt einen Flair von Erneuerung und Aufbruch verbrei­tet haben. Moppert dann die CSU, dass Bayern nicht äquivalent zu seinem Stimmanteil in der Regierung vertreten ist, geht einem auf einmal Andreas Scheuer nicht mehr aus dem Kopf.

So wirkt dann das „Mehr Fortschritt wagen“ der Ampelkoalition zumindest ein kleines bisschen wie ein Befreiungsschlag. Wahr­scheinlich stand bei so manchem Journalistenkollegen auf dem Weihnachtswunschzettel, zumindest einmal im Leben eine Frage von Olaf Scholz mit einem knappen Ja oder Nein beantwortet zu bekommen; im ganzen Nebelkerzendickicht ist aber die insge­samt geräuschlose Regierungsbildung eine Leistung, die auf einen eher problemlösungsorientierten Ansatz unseres neuen Kanzlers verweist. Dass dann im ganzen Hin und Her keiner der als Schreckgespenster an die Wand gemalten Kandidaten das Rennen um das Bundeslandwirtschaftsministerium machte, sondern ausgerechnet der sich selbst mit „anatolischer Schwa­be“ charakterisierende Cem Özdemir, ging in Zeiten, in denen ungestraft mit Fackeln an Wohnhäusern von Politikern aufmar­schiert wird, dann schon fast unter.

Bei bisher jeder Erhöhung des Mindestlohns wurde nicht mehr oder weniger als der Untergang des Abendlandes befürchtet – ganz so schlimm ist es dann Gottseidank bei allen sechs bisherigen Erhöhungsrunden nicht gekommen. Natürlich ist der Sprung von 9,82 € auf 12 statt der geplanten 10,45 € im zweiten Halbjahr 2022 eine Hausnummer. Und auch wenn diesbezüglich noch nichts beschlossen ist, wird sich die SPD die Butter nicht mehr vom Brot nehmen lassen.

Ganz ausverhandelt ist auch von der Leyens Green Deal nicht. Und da wird es streng genommen dann um einiges fitzeliger, schließlich steht mit Farm to Fork mittel- und langfristig deutlich mehr als „nur“ ein abermals erhöhter Lohnkostenanteil, so schmerzlich im Einzel- und ärgerlich in jedem Fall der auch sein mag, ins Haus. Der Green Deal könnte ans Eingemachte gehen.

Und da könnten sich angesichts amtlich verordneter Flächenstilllegungen und dem Aus vieler Pflanzenschutzmittel hierzulan­de sowie sich häufender Wetterkapriolen allerorten, der Importpolitik Chinas, der Biotreibstoffstrategie Nordamerikas und den Exportrestriktionen Russlands ganz neue Allianzen zwischen Verbraucher und Landwirten bilden: steigt die Inflation infolge gestiegener Lebensmittelpreise in heute kaum vorstellbare Grö­ßenordnungen, wird sich schnell die Frage stellen, wie viel Umweltschutz wir als Gesellschaft wollen und wie viel Umweltschutz wir auch dem nicht so wohlhabendem Rest der Welt gegenüber ethisch und moralisch verantworten können.

Wir machen aus technologischem auch gesellschaftlichen Fortschritt … wo Fortschritt entsteht, muss er auch gelebt werden


Aus den Seiten 15 und 22 des Koalitionsvertrags des Bündnisses für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit

Und spätestens dann wäre der Realo vom Bündnis 90/die Grünen als ausgewiesener Brückenbauer in seinem Element und könnte vielleicht sogar die in sein Boot holen, denen es nicht staatsmännisch genug erscheint, als Minister mit dem Fahrrad die Ernennungsurkunde beim Bundespräsidenten im Schloss Bellevue abzuholen um den Stau der Panzerlimousinen zu umfahren. In die Höhle des Löwen gesprungen ist auch Prof. Dr. Karl Wilhelm Lauterbach. Und kämpft seitdem mindestens an zwei Fronten: zum einen gegen das Virus in all seinen Varianten, zum anderen gegen so genannte virale Inhalte: Untersuchungen zeigten, dass dem Anstieg des medizinisch messbaren pandemi­schen Geschehens jeweils ein Anstieg der Verbreitung von Infor­mationen aus zweifelhaften Quellen vorausging.

Einziger Lichtblick der Mitte März 2021 im Fachjournal Cell veröffentlichten „Conversations“ war, dass mit zunehmend schlim­mer Lage dann die Vernunft wieder einzusetzen scheint und eher klassische Nachrichtenquellen wieder mehr in den Fokus rücken. Das ist leicht erklärbar, schließlich lässt sich die Pandemie sinnvol­ler Weise nur leugnen, solange niemand aus dem Freundes- und Familienkreis schwer daran erkrankt – auch wenn es Fälle geben soll, in denen Menschen selbst über ihr Ableben auf der Intensiv­station hinaus ihrer Überzeugung treugeblieben sind. Leicht erklä­ren lässt sich auch, warum sich Menschen zweifelhaften Informa­tionsquellen zuwenden: Ängste lassen sich abbauen, indem Insti­tutionen als Sündenböcke verunglimpft werden, gleichzeitig scheint es menschlich, zu denken, dass es andere eher als einen selbst erwischt und am Allereinfachsten kompensieren lässt sich Hilflosigkeit mit dem Glauben an Heilsversprechen.

In der gleichen Ausgabe von Cell gab es übrigens auch „Neue Ansätze für die Impfstoffentwicklung“, einen Beitrag zu „Antiviralen Mitteln mit gemeinsamen Angriffszielen gegen hochpathogene Viren“, etwas zu „Biokraftstoffen für eine nachhaltige Zukunft“ und einen Artikel über „Genom-Engineering für die Verbesserung von Nutzpflanzen und die Landwirtschaft der Zukunft“. Soll noch einer sagen, dass Wissenschaft das Problem und nicht die Lösung ist.

Zuschauen, entspannen, nachdenken

„Gunda“, der vorerst letzte Filmstreich von Wiktor Kossakowski ist ein Film, der nicht nur, aber vielleicht besonders gut auch in die Weihnachtszeit passt, denn zunächst heißt es einmal durchhalten: minutenlange Studien vom Schwein, später auch vom Huhn und vom Rind sind auch für für Agrarthemen aufgeschlossene Menschen kein täglich Brot. Und während die Tiere einfach nur Tiere sind, werden sie unter unserer Beobachtung langsam zu Individuen. Fast wie im richtigen Leben gibt es augenscheinliche Verlierer, während die Gewinner das tun, was Gewinner auch im richtigen Leben gerne tun, nämlich allen anderen tüchtig auf die Nerven zu gehen.

Der hochauflösenden Schwarz-Weiß-Kamera bleibt kein Detail verborgen, gesprochen wird nicht, alle Sinne beschränken sich auf das Sehen. Nichts wird erklärt, nicht Freiland- gegen Massentierhaltung ausgespielt. Die Szenen spielen nicht in heutzutage gängigen Stallanlagen, die Tiere leben eher so, wie es früher vielleicht einmal üblich war. Nach rund eineinhalb Stunden Tierdoku kündigen dann Traktorengeräusche den ersten Auftritt von Menschen an. Und schon wird aus dem streckenweise etwas längenbehafteten Film eine Begegnung mit der sehr existentiellen Frage danach, woher das Steak auf dem Teller eigentlich kommt – was dann ja eher wieder in die Osterzeit passen würde.

Tim Jacobsen

Stimmungskiller Black Friday

Mit „meet onsite again“ macht Ende November die Messe Berlin noch Appetit auf ihr für Anfang Februar 2022 geplantes Paradepferd Fruit Logistica. Das heiß ersehnte „Face-to-Face“ bringt natürlich so seine Tücken mit sich, und so häufen sich die Pressemitteilungen der Messeveranstalter, in denen, wenn nicht sowieso gleich zur ultima ratio – der Absage – gegriffen wird, zumindest die Zugangsbeschränkungen in immer engerer Taktung verschärft werden.

Gepaart mit Inzidenzen in vor einem Jahr noch unvorstellbaren Höhen und einer Hospitalisierungsrate, die derzeit ebenfalls nur eine Richtung kennt, scheint zumindest eine Reiserücktrittsversicherung für den Fall der Fälle dringend angeraten. Es wird wahrscheinlich nicht ohne ein kleines Wunder gehen, sollen die geplanten Großveranstaltungen in Essen, Berlin und Friedrichshafen tatsächlich anschließen an die superpositiven Messeerfahrungen, die viele von uns zuletzt noch in Aalsmeer, Visselhövede oder Karlsruhe machen durften.

War es früher nur vor Gericht und auf hoher See, dass einem zumindest im Sprichwort die Kontrolle über das eigene Wohl und Wehe von größeren Mächten aus der Hand genommen wurde, sind es nun die Infektionszahlen, die einen Großteil unseres Miteinanders quasi fernsteuern. Ein Blick in die Krankenhäuser genügt, um einen die Alternativlosigkeit möglicher Absagen klaglos akzeptieren zu lassen. Lassen Sie uns dennoch auf das Beste hoffen!

Die Zeiten werden härter

Im Sondierungspapier der uns wahrscheinlich zukünftig Regierenden wurde die eine und andere Klippe elegant umschifft. So soll der Kohleausstieg „idealerweise“ vorgezogen und die „Entwicklung intelligenter Systemlösungen für den Individualverkehr“ lediglich unterstützt werden. Unterstützt werden soll auch die Landwirtschaft, und zwar dabei, „einen nachhaltigen, umwelt- und naturverträglichen Pfad einzuschlagen“. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln soll auf das „notwendige Maß“ beschränkt und Pflanzen „so geschützt werden, dass Nebenwirkungen für Umwelt, Gesundheit und Biodiversität vermieden werden“. Tacheles dagegen dann beim generellen Tempolimit – das es nicht geben wird – und bei der Erhöhung des Mindestlohns – die tatsächlich kommen wird. Mit zwölf Euro Stundenlohn scheint die SPD eines ihrer zentralen Wahlkampfthemen durchgesetzt zu haben.

Sollte der Mindestlohn eigentlich erst zum Sommer 2022 auf über zehn Euro steigen, so könnte er unter Umgehung der Mindestlohnkommission nun handstreichartig um ziemlich genau ein Viertel erhöht werden. Auch wenn das vereinbarte Stillschweigen über Details noch nicht gebrochen wurde, so ist klar, dass zuallervorderstunderst Betriebe mit einem hohen Lohnkostenanteil die Düpierten sein werden, ganz vorneweg dabei einmal mehr unsere Gärtnerinnen und Gärtner.

Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass Handel und Verbraucher die daraus resultierenden Preisaufschläge einfach so akzeptieren werden. Es ist genauso unwahrscheinlich, dass ein höherer Mindestlohn bei uns Strahlkraft auf das europäische Mindestlohngefüge haben wird. Sollten an der Peripherie Europas ähnliche Verhältnisse gelten wie bei uns, müssten die Mindestlöhne dort nicht um ein Viertel erhöht, sondern in etwa vervierfacht werden. Und selbst dann wären wir von einer Produktionsvollkostenrechnungswaffengleichheit noch immer weit entfernt; ausgeblendet würde außerdem, dass zwar für viele Menschen die Reise an der EU-Außengrenze zu Ende ist, Warenströme aus aller Welt diese jedoch unbeanstandet passieren dürfen.

Welche Auswirkungen Störungen an diesem fein austarierten System haben können, lässt sich derzeit in Großbritannien beobachten. Auch die Eidgenossen konnten den Strukturwandel in ihrer Landwirtschaft allenfalls verlangsamen, aufhalten lässt er sich auch in der Alpenrepublik nicht. Und so ist es dann nur auf den ersten Blick verwunderlich, wenn, wie zuletzt wieder einmal auf dem Global Berry Congress eine Absatzjubelmeldung die nächste jagt – und gleichzeitig die Produktionsflächen im eigenen Land dies nicht widerspiegeln sondern vielmehr rückläufig sind.

Es ist keine einheimische Ware, die da vermehrt über den Tresen geht. Gleichzeitig wird aber auch nur deshalb so viel abgesetzt, da durch das höhere Warenangebot die Preise entsprechend gefallen sind. Der vielzitierte und –diskutierte Eimer voll mit Blaubeeren zum Schleuderpreis ist in Wahrheit dann auch eher ein Menetekel: Allzu lange wird sich unser produktionstechnischer Vorsprung nicht mehr halten lassen, Him- und Brombeeren werden folgen, wenn sie dies nicht bereits schon getan haben. Und das Dumme ist: die genannten Beerenarten stehen mehr oder weniger als Platzhalter für welches Produkt dann auch.

Du hast keine Chance – aber nutze sie!

Herbert Achternbusch

Und so wurde beim Global Berry Congress munter über den ganzen Erdball gehüpft: werden in Spanien die Arbeitskräfte knapp und geht im Süden Marokkos das Wasser zur Neige – warum dann nicht gleich auf nach Südafrika? Sieht man das Ganze nur global genug, verschwinden auch die Unterschiede zwischen Serbien, Rumänien und der Ukraine. Künstliche Intelligenz hilft bei der Standortwahl: Beerenanbau in Indien für China – kein Problem, das Knowhow ist exportier- sowie skalierbar und Kapital, das auf Verzinsung wartet, gibt es genug.

Niemand kann abschätzen, wie Klimawandel, fragile Lieferketten, steigende Energie- und Rohstoffpreise, die Verfügbarkeit natürlicher Ressourcen, der weltweit zunehmende Protektionismus, Digitalisierung und E-commerce sowie die allgegenwärtigen logistischen Herausforderungen und der Arbeitskräftemangel die Handelswelt der Zukunft verändern werden. Vielleicht sogar mehr denn je scheint derzeit alles möglich. Und dann ist es zwar so, dass einer der diesjährigen Nobelpreise an drei Nordamerikaner vergeben wurde, die der Wirtschaftswissenschaft die Augen dafür geöffnet haben, dass auch das wahre Leben Möglichkeiten zuhauf bietet, Ursache-Wirkungsbeziehungen zu erkennen.

Dass sie in einer ihrer berühmtesten Arbeiten zeigten, dass die Einführung eines Mindestlohns nicht zwangsläufig zu erhöhter Arbeitslosigkeit führt, bedeutet aber nicht, wie die Laureaten selbst bereitwillig einräumen, dass das überall und jederzeit so sein muss. Anders dann die Faktenlage beim ebenfalls Nobelpreis-dekorierten ehemaligen Direktor des Deutschen Klimarechenzentrums. Klaus Hasselmanns wissenschaftliche Leistung war nichts weniger, als eine Methode zu entwickeln, die bereits zu einer Zeit, als dies wirklich noch niemand hören wollte, unmissverständlich belegte, dass niemand außer wir selbst am Klimawandel schuld sind.

Tim Jacobsen

Wenn einer eine Reise tut …

Mit dem Fahrrad auf dem Weg von Regensburg an die Südspitze des Gardasees müssen nicht nur einige Alpenpässe bezwungen werden, mindestens genauso herausfordernd ist es, die jeweils geltende Coronaregelgebung zu befolgen:

Lautet das Kommando beim ersten Zwischenstopp diesseits der deutsch-österreichischen Grenze sowohl in der Gastronomie als auch im Hotel noch „Halt, erst Maske und Zertifikat oder ich schieße“, wird es hinter dem Achensee dann deutlich entspannter.

Nach mittlerweile mehr als achtzehn Monaten fühlt es sich zwar etwas seltsam an, ohne Maske im Hotel oder auch im Restaurant unterwegs zu sein, die Gewöhnung setzt in Erinnerung an vergangene Zeiten aber verlässlich und schnell wieder ein.

Etwas, was dem leidigen Einmalhandschuhzwang am Frühstücksbuffet etwas weiter nördlich hoffentlich nie vergönnt sein wird. Da zeigt wohl jede und jeder gern das Impfzertifikat.

Südtirol dann mit Maske unter der Nase, keinen Handschuhen  und Zertifikatfreiheit. Einmal über den großen Berg in der Lombardei rutschen die Masken tiefer, Zertifikate interessieren immer noch nicht, dafür wird das Frühstück in staatstragender Strenge zwangsserviert, ein paar Kilometer weiter südlich mahnt dann wiederum nur noch ein Schild an der Wand die Verwendung nicht vorhandener Einweghandschuhe an und Buffet ist wieder Buffet.

Gänzlich entspannt dann das südliche Norditalien: Maske halbhoch und fast schon als lässiges Modeaccessoire, und nicht einmal für den Pool braucht es einen Erlaubnisschein. Mehr Europa der Regionen lässt sich in sechs Tagen nicht erleben.

Tim Jacobsen

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