"Now, here, you see, it takes all the running you can do, to keep in the same place. If you want to get somewhere else, you must run at least twice as fast as that!"

Kategorie: Europa (Seite 9 von 9)

Hinter dem Hügel ist noch nicht über den Berg

Als Griechenland im Jahr 1981 der Europäischen Gemeinschaft beitrat, wurde dies begleitet von Befürchtungen, ein Kollaps der Sozialsysteme in den reicheren Ländern Europas stünde unmittelbar bevor. Aber selbst als Portugal und Spanien im Jahr 1986 der EG beitraten, kam es weder zu massiven Völkerwanderungen, noch geriet unser Sozialsystem übermaßen unter Druck. Untersuchungen der Fremdarbeiterströme vom 2. Weltkrieg bis in die 1980er Jahre zeigten, dass während der wirtschaftliche Abstand zwischen den armen und reichen Ländern Europas über die Jahre hinweg ungefähr gleich blieb, die Wanderbewegungen von anderen Faktoren als Gehaltsunterschieden allein abhängig waren.

Das Beispiel Italien zeigt, dass die große Emigrationswelle zwischen den Jahren 1960 und 1970 nicht in eine Periode des wirtschaftlichen Abschwungs fiel, sondern in die Zeit der Industrialisierung Italiens. Auch Spaniens Emigrationswelle zwischen den Jahren 1960 und 1974 fiel in einen Zeitraum, in dem Spanien die größten Wachstumsraten Europas verzeichnete. Ähnliches gilt für Portugal in den 1970ern und Griechenland in den 1960ern. Der Wunsch, zur Einkommensmaximierung der eigenen Heimat den Rücken zu kehren scheint also mit steigendem Wohlstand zuzunehmen – wahrscheinlich auch, weil Haushalte dadurch überhaupt erst finanziell in die Lage versetzt werden, über Emigration nachzudenken.

Im Laufe der wirtschaftlichen Weiterentwicklung der Herkunftsländer scheint es dann jedoch stets minder verlockend, das eigene Land zu verlassen. Dies ist nicht weiter verwunderlich: Die Arbeitsmarktsituation im Herkunftsland entspannt sich, politische und gesellschaftliche Strukturen gewinnen an Stabilität und nicht zuletzt steigt mit den Pro-Kopf-Einkommen auch die gefühlte Lebensqualität. Ab einem Pro-Kopfjahreseinkommen von $ 3500 scheint der Anreiz, wegzugehen, deutlich abzunehmen und unter 30 % kaufkraftbereinigtem Lohnunterschied zwischen Herkunfts- und Bestimmungsland macht sich kaum mehr jemand auf die Reise.

Der Wunsch, zur Einkommensmaximierung der eigenen Heimat den Rücken zu kehren scheint also mit steigendem Wohlstand zuzunehmen

Tim Jacobsen

Auch das Beispiel EU-Osterweiterung zeigt, dass es bei starkem wirtschaftlichem Wachstum und institutionellen Verbesserungen trotz hoher Lohnunterschiede nicht zwangsläufig zu Migrations-schüben kommt. Nicht unterbewertet werden sollten in diesem Zusammenhang die Maßnahmen, die die Europäische Union den Beitrittsländern vor ihrer Aufnahme in die europäische Gemeinschaft abverlangt. Mittel des Strukturfonds helfen zudem beim Aufbau der Binnenwirtschaft, was wiederum den Inlandskonsum erhöht, ausländisches Kapital anzieht, die Nachfrage nach Arbeitskräften steigert und vor allem auch zukünftiges Wachstum verheißt.

Deshalb kann auch die bei uns gegenwärtig geführte Diskussion allenfalls Symptome lindern, die Ursache für das zunehmende Missverhältnis zwischen dem Angebot und der Nachfrage nach Saisonarbeitskräften kann sie nicht aus der Welt schaffen.

Aber auch wenn die viel diskutierten Freizügigkeitsregelungen die Konkurrenz unter den Bestimmungsländern noch zusätzlich verschärft haben, besitzen die deutschen Gärtner dennoch im Buhlen um osteuropäische Saisonarbeitskräfte einen Wettbewerbsvorteil, wie die Entwicklung Portugals beweist:

Zum Zeitpunkt des EG-Beitritts Portugals betrug das dortige kaufkraftbereinigte Pro-Kopfbruttosozialprodukt die Hälfte dessen Deutschlands. Mit zunehmendem Wohlstand zeigte es sich, dass permanente Auswanderung im Laufe der Jahre von so genannter zirkulärer Migration ersetzt wurde. Portugiesen verließen ihr Land also nur mehr für überschaubare Zeiträume, um anderswo für mehr Geld zu arbeiten. Und obwohl in den letzten Jahrzehnten das Reisen stets günstiger wurde, zog es die Menschen mehr und mehr in geographische und kulturelle Nähe zu ihrem Heimatland.

Tim Jacobsen

Der Anfang vom Ende?

Kaum jemand merkte, als die deutschen Erdölvorkommen vor über 30 Jahren ihren Förderhöhepunkt erreichten. Schließlich war Öl zu dieser Zeit auf dem Weltmarkt keineswegs Mangelware. Erst die politisch motivierte Drosselung der Erdölfördermengen Anfang der Siebziger Jahre gab einen Eindruck davon, wie eine Welt ohne Erdöl aussehen könnte. Während gegen Ende des Ölembargos die Förderhähne einfach wieder weiter aufgedreht wurden und heute allenfalls noch die Sommerzeit an die durch die gestiegenen Ölpreise ausgelöste Wirtschaftskrise erinnert, könnte uns schon bald eine Ölkrise drohen, die nicht nur an vier Sonntagen den Verkehr zum Erliegen bringen wird.

Es liegt in der Natur endlicher Vorräte, dass diese zwangsläufig irgendwann zur Neige gehen. Unter Experten findet sich dann auch niemand, der bezweifelt, dass es nach Überschreiten des so genannten Peak Oils im Zuge fallender Fördermengen bei unverändert starker Nachfrage zu massiven Preiserhöhungen kommen wird. Die einzig diskussionswürdige Frage scheint zu sein, wann dies der Fall sein wird. Manche prognostizieren das Erreichen der maximalen Erdölfördermenge für das Jahr 2010; andere vermuten, sie wurde 2007 bereits erreicht. Aufgrund der derzeit relativ unsicheren Datenlage und einer Vielzahl von Einflussfaktoren geologischer und wirtschaftlicher Natur wird das globale Überschreiten des Ölfördermaximums erst Jahre nach dessen Eintreten mit Sicherheit festgestellt werden können.

Stark steigende Preise an den Rohstoffbörsen machen deutlich, dass wir nicht nur beim Öl den Gürtel sehr schnell sehr viel enger schnallen müssen

Tim Jacobsen

Im Deutschland der siebziger Jahre beendete der Anstieg des Ölpreises von drei auf fünf Dollar pro Barrel die goldenen Jahre des Wirtschaftswunders. Da Erdöl in einer schier unglaublichen Vielzahl von Stoffen vorkommt und in allen Bereichen des modernen Lebens direkt oder indirekt eingesetzt wird, lassen sich sehr schwer genaue Prognosen erstellen, wo sich die Verknappung von Erdöl in welcher Form bemerkbar machen wird. Durch die Abhängigkeit der Landwirtschaft vom Öl ist es allerdings mehr als wahrscheinlich, dass es zu einer Situation kommen wird, in der nicht nur wirtschaftliche Probleme auftreten, sondern sich auch die Hungerproblematik drastisch verschärfen wird.

Seit der so genannten Grünen Revolution stieg die weltweite Getreideproduktion um mehr als das Zweieinhalbfache, ohne dass sich die Anbaufläche wesentlich verändert hätte. Dies ist größtenteils auf den Einsatz fossiler Energieträger in Form von Düngemitteln, Pestiziden, dieselbetriebener Bewässerung sowie motorisierter Landwirtschaft zurückzuführen.

Synthetische Düngemittel werden seit Beginn des 20. Jahrhunderts zur Produktionssteigerung eingesetzt. Ihre Herstellung verbraucht große Mengen an Energie. So benötigen die USA jährlich allein für die Düngemittelherstellung ungefähr 100 Mio. Barrel Öl, also mehr als die weltweite Tagesproduktion. Deutschland verbraucht jährlich etwa 30 Mio. Barrel Öl zur Herstellung von Düngemitteln. Ähnliches gilt für Pflanzenschutzmittel. Durch anhaltend billiges Öl entstand zudem über die Jahre ein System der Nahrungsmittelverteilung über weite Strecken, das in einer Zeit teuren Öls nicht mehr funktionieren wird.

Hervorgerufen durch eine beispiellose Produktionssteigerung auf der Basis von billigem Öl war die Ära des Erdöls bisher von kontinuierlicher Landflucht begleitet. Während um 1800 75 % der deutschen Bevölkerung von der Landwirtschaft lebten, nahm dieser Prozentsatz bis zum Jahr 2006 auf unter 3 % ab. Es ist wenig wahrscheinlich, dass ein solch kleiner Bevölkerungsanteil in der Zukunft in der Lage sein wird, ohne den Einsatz billigen Öls für ausreichend Nahrung zu sorgen. Neben dem Aspekt schwindender Energiemengen für die Getreideproduktion wird sich für die Ärmsten der Armen zudem besonders der zunehmende Anbau von so genannten Treibstoffpflanzen negativ auswirken.

Es bedarf schon eines gewissen Zynismus, dieser unausweislich scheinenden Entwicklung noch etwas Positives abgewinnen zu wollen. Wenn allerdings nicht mehr Öl gefördert werden kann, kann auch nicht mehr Öl verbrannt werden. Und wenn nicht mehr Öl verbrannt werden kann, kann auch der CO2-Gehalt der Luft aufgrund des Verbrauchs fossiler Ressourcen nicht mehr überproportional ansteigen. Wäre es dann nicht besser, die Mittel, die jetzt in die Risikobewertung des Szenarios Klimawandel gesteckt werden, für die Bewältigung eines der großen Probleme der Zukunft zu verwenden? Schließlich ist Erdöl nur der Anfang. Stark steigende Preise an den Rohstoffbörsen machen deutlich, dass wir nicht nur beim Öl den Gürtel sehr schnell sehr viel enger schnallen müssen.

Tim Jacobsen

Wer hätte geahnt, dass Gift so lecker ist?

Hätte die amtliche schwedische Lebensmittelüberwachungsbehörde Livsmedelsverket Ende April 2002 lediglich gemeldet, dass es ihr dank einer neuartigen Nachweismethode gelang, die chemische Verbindung Acrylamid in Lebensmitteln nachzuweisen, hätte das wahrscheinlich außer in Wissenschaftskreisen erst einmal niemand weiter bekümmert. Da die Behörde jedoch die Öffentlichkeit direkt über das Auffinden einer als potentiell krebserregend eingestuften Substanz in Pommes frites, Knäckebrot, Kartoffelchips, Cornflakes und Kaffeepulver informierte, schlug die Meldung große Wellen.

Selbst die Berichterstattung in den seriöseren deutschen Tageszeitungen konnte sich dem Rummel um die Kohlenstoff-Stickstoffverbindung nicht entziehen. Schlagzeilen wie „Acrylamid in Lebensmitteln: Schlimmer als Nitrofen- und Hormonskandal“ in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung beispielsweise machten Verbraucher glauben, dass in heimischen Friteusen der Tod lauere.

Obwohl die schwedische Warnmeldung zu diesem Zeitpunkt wissenschaftlich weder untermauert noch widerlegt werden konnte, sah sich die Politik unter Zugzwang gesetzt. Da es keine Grundlage für die Festlegung eines Grenzwertes gab, erfand das damals unter grüner Federführung stehende Verbraucherschutzministerium kurzerhand eine „Signalwert“ genannte Messgröße. Dazu wurden die verschiedenen Lebensmittel in Warengruppen eingeteilt. In diesen Warengruppen wurden dann die 10 % der am stärksten mit Acrylamid belasteten Produkte ermittelt. Das am wenigsten belastete Produkt dieser stark belasteten Produktgruppe galt fortan als Messlatte, an der sich die Lebensmittelproduzenten orientieren sollten.

Umfragen zeigten, dass knapp ein Jahr nach der schwedischen Sensationsmeldung den Deutschen das Acrylamid bereits wieder ziemlich egal war. Dies schlug sich auch in der Berichterstattung nieder. Während die Frankfurter Allgemeine Zeitung Anfang 2003 noch „Bundesinstitut: Keine Entwarnung bei Acrylamid“ titelte, versuchte sie sich im Herbst 2004 mit „Ist die Bratwurst gesünder als ihr Ruf“ an einer Ehrenrettung des Genusses. Im November 2004 brach sie mit einem „Kekse und Kirchen“ überschriebenen Artikel endgültig mit der auflagensteigernden Acrylamid-Sensationshascherei.

Zu diesem Zeitpunk machte gerade der Vorwurf von „Foodwatch“-Aktivisten die Runde, die Bundesregierung gefährde wegen ihres Nicht-Handelns im Bezug auf Acrylamid vorsätzlich die Gesundheit der Bevölkerung. Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ hatte diese Vorwürfe publikumswirksam aufgegriffen und warnte seine Leser zur besten Vorweihnachtszeit, dass „gerade die Naschereien zu den Festtagen den Deutschen gefährlich werden könnten“.

„Ist die Bratwurst gesünder als ihr Ruf?“

Frankfurter Allgemeine Zeitung

Bereits damals war jedem, der sich für das Thema interessierte, klar, dass eine gänzlich acrylamidfreie Ernährung technisch kaum möglich ist, will man nicht gänzlich auf die Erhitzung von Lebensmitteln verzichten. Der Autor von „Kekse und Kirchen“ versuchte dann auch gar nicht, in der Sache selbst zu argumentieren.

Um den Medienzirkus um das Acrylamid zu entlarven, bemühte er eine Meldung, die er einer im gleichen Zeitraum erschienenen Ausgabe des Nachrichtenmagazins „Der Focus“ entnahm. Demnach sei wegen der Abgase der brennenden Kerzen die Luft in Kirchen „stark mit krebserregenden Substanzen belastet“. Schadstoffbelastungen „wie an einer täglich von 45 000 Autos befahrenen Straße“ herrschten „oft“ in Kirchen.

Ob und wie stark Risiken in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden, hängt oftmals von Umständen ab, die mit dem mutmaßlichen Risiko selbst nicht unbedingt in Einklang stehen müssen. Auch nach 2002 konnte kein zusätzliches Krebsrisiko durch den Verzehr acrylamid-haltiger Lebensmittel nachgewiesen werden. Genauso wenig allerdings, wie es bisher gelang, ein solches gänzlich auszuschließen.

Die amtlichen Signalwerte haben sich in den letzten fünf Jahren kaum verändert. Nach wie vor gibt es Beobachtungswerte, die deutlich über den Signalwerten liegen. Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass in einem hochsensiblen Bereich wie der Produktion von Nahrungsmitteln Kleines große Wellen schlagen kann.

Tim Jacobsen

Vom Regen in die Traufe: Schreckgespenst Arbeitskräftemangel

Weitaus nachhaltiger als durch nicht beerntete Erdbeerfelder oder ins Laub geschossene Spargeläcker könnte der deutsche Gartenbau in nicht allzu ferner Zukunft durch einen Mangel an qualifizierten Arbeitskräften Schaden erleiden. Sinkende Ausbildungszahlen im grünen Bereich setzten einen Teufelskreislauf in Gang, in Folge dessen Bildungseinrichtungen für den Gartenbau geschlossen wurden, was wiederum dazu führte, dass jungen Leuten die Wahl gärtnerischer Berufe zusätzlich unattraktiv erschien. In manchen Bereichen übersteigt heute bereits die Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften das Angebot deutlich.

Der fortschreitende Strukturwandel im Gartenbau und die technische Weiterentwicklung tun ihr Übriges dazu, die Nachfrage nach hochqualifiziertem Personal weiter ansteigen zu lassen. Dabei geht es nicht unbedingt nur um Arbeitskräfte mit gärtnerischem Hintergrund. Allerdings steht der Gartenbau mit anderen Wirtschaftsbereichen in Konkurrenz um die klügsten Köpfe und hat dabei nicht immer das beste Blatt auf der Hand. Es tut dringend Not, in der Selbstdarstellung des Gartenbaus die Dynamik des Sektors deutlich voran zu stellen. Nur wenn die Anziehungskraft des Gartenbaus als Arbeitgeber zunimmt, kann die Abwärtsspirale durch Arbeitskräftemangel gestoppt werden.

Weitergehende Mechanisierung wird schwere Arbeiten zwar vereinfachen, der Kampf um Arbeitskräfte wird aber auch im Niedriglohnbereich mit deutlich schärferen Waffen gefochten werden

Tim Jacobsen

Gründe für Flächenausweitung oder Produktionsintensivierung gibt es viele. Die Folgen dieser Entwicklung sind jedoch stets die Gleichen. Arbeitsprozesse werden schwerer durchschaubar, Personalführung und innerbetriebliche Organisation nehmen einen größeren Stellenwert ein. Mitarbeiter spezialisieren sich, Aufgaben werden verteilt. Mit den gestiegenen Ansprüchen wächst auch die Verantwortung jedes Einzelnen. Der Fort- und Weiterbildung von Mitarbeitern sollte deshalb gerade vor dem Hintergrund rückläufiger Ausbildungszahlen mehr Platz eingeräumt werden.

Dies sollte nicht zuletzt auch aus Eigennutz des Unternehmers geschehen. Schließlich wird der formalen Qualifikation der Mitarbeiter im Rahmen von Qualitätszertifizierungsprozessen wie QS, QS-GAP, Eurep Gap oder BRC eine besondere Bedeutung zugemessen. Erstaunlicherweise nehmen deutsche Arbeitnehmer im europaweiten Vergleich Weiterbildungsmaßnahmen nur in äußerst geringem Ausmaß in Anspruch.

Die demographische Entwicklung wiederum trägt bereits heute spürbar dazu bei, dass die Mitarbeiter in den Betrieben im Schnitt älter werden. Mit dem Ausscheiden altgedienter Mitarbeiter aus den Betrieben in Zukunft wird auch ein Großteil des zuvor vorhandenen Wissens verloren gehen. Es ist dringend an der Zeit, Strukturen zu etablieren, die diesen Erfahrungsschatz sichern. Dies kann nur über die frühzeitige Einbindung junger Mitarbeiter in Entscheidungsprozesse funktionieren. Die verstärkte Bindung von Mitarbeitern an die Unternehmen sollte deshalb höchste Priorität besitzen.

Ein wichtiger Teil der unternehmerischen Tätigkeit ist die Personalführung. Konsequenz im Anleiten von Mitarbeitern sorgt dafür, dass jeder seinen Fähigkeiten entsprechend beschäftigt wird. Der Selektion und dem Anwerben von Mitarbeitern wird in Zukunft noch mehr Aufmerksamkeit zukommen. In größeren Betrieben liegt die Leitung bereits heute oftmals in Händen von Managern, die teilweise weit entfernt vom Produktionsprozess stehen. In diesen Betrieben wird der Produktionsfaktor Arbeit weniger als Kostenpunkt gesehen, sondern als strategische Gestaltungsmöglichkeit.

Um in Zukunft als Betrieb konkurrenzfähig zu bleiben und gleichzeitig ein attraktiver Arbeitgeber zu sein, werden neben Rahmenbedingungen wie der Lohnstruktur und Arbeitszeitmodellen auch soziale Aspekte und nicht zuletzt die Arbeitsumstände eine wichtige Rolle spielen. Der Kommunikation zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmerseite wird in Zukunft ebenfalls mehr Platz eingeräumt werden. Der Typ Boss, der alles kann und alles in der Hand hat, ist angesichts vielfältigster Anforderungen heutzutage ein nicht mehr zeitgemäßes Auslaufmodell.

Der Anteil der Lohnkosten an den Produktionskosten ist von Kultur zu Kultur und von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich. Über den ganzen Gartenbau hinweg betragen sie durchschnittlich ein Drittel. Daran wird sich auch in Zukunft voraussichtlich wenig ändern. Weitergehende Mechanisierung wird schwere Arbeiten zwar vereinfachen, der Kampf um Arbeitskräfte wird aber auch im Niedriglohnbereich mit deutlich schärferen Waffen gefochten werden. Patentrezepte dafür gibt es keine. Einmal in Gedanken die Seiten zu wechseln, könnte aber den Unterschied ausmachen.

Tim Jacobsen

Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los

Wohl kaum ein niederländischer Unterglasgärtner konnte die Sylvesternacht des Jahres 2001 unbeschwert genießen. Zu ungewiss war zu dieser Zeit, wie sich die Liberalisierung des Energiemarktes auf den Erdgaspreis auswirken würde. Ähnlich ängstlich blicken derzeit viele deutsche Obst- und Gemüsebauern in die Zukunft – fraglich scheint, ob in Zukunft noch jemand da sein wird, der die Arbeit auf den Feldern erledigen will.

„Mittlerweile geht es sogar soweit, dass versucht wird, den Eindruck zu erwecken, die Senkung des Energieverbrauchs im niederländischen Unterglasgartenbau sei eine Sache von nationalem Interesse“

Arie Oskam

Gefühlte 40 % niedriger waren bis zum Neujahrstag 2002 die Energiekosten jenseits des orangefarbenen Schlagbaums. Spuren dieser Subventionspolitik sind fünf Jahre später noch allerorts anzutreffen. Viele Betriebe produzieren mit relativ altertümlicher, wenig umweltfreundlicher Technik Massenprodukte wie Tomaten, Paprika und Gurken.

Dies führte zu der eigentlich paradoxen Situation, dass viele Unterglasgärtner in den Niederlanden keinen Spielraum für Investitionen sehen, obwohl Sektorvertreter in regelmäßigen Abständen Rekordergebnisse vermelden.

Kein Wunder, dass auch in den Niederlanden seit einiger Zeit die Rufe nach unterstützenden Maßnahmen von Seiten des Staates immer lauter werden. Der niederländische Agrarökonom Professor Arie Oskam kann darüber jedoch nur den Kopf schütteln: „Mittlerweile geht es sogar soweit, dass versucht wird, den Eindruck zu erwecken, die Senkung des Energieverbrauchs im niederländischen Unterglasgartenbau sei eine Sache von nationalem Interesse“.

Den wahren Schuldigen für die auch seiner Meinung nach durchaus beklagenswerte Situation, in der sich der Gartenbausektor derzeit befindet, hat Oskam just in der jahrelangen Sonderstellung des Gartenbaus ausgemacht. Aus volkswirtschaftlicher Sicht sei es doch grober Unfug gewesen, die Herstellung von Exportprodukten über günstige Energiepreise zu subventionieren.

In den Jahren, in denen der Produktionsfaktor Energie im Überfluss verfügbar war, wurde die Chance verspielt, den Sektor marktwirtschaftlich zu orientieren, so Oskam. Es gelang weder, ein bestimmtes Preisniveau zu etablieren, noch das Produktspektrum zukunftsträchtig auszurichten.

Ein Mangel an Arbeitskräften in Sektoren wie der Landwirtschaft und dem Hotel- und Gaststättenbereich führte Ende der Achtziger Jahre trotz allgemein hoher Arbeitslosigkeit in Deutschland zu einer Lockerung des 1973 in Kraft getretenen Anwerbestopps für ausländische Arbeitnehmer. Bilateral vereinbarte Beschäftigungsmöglichkeiten für Angehörige ehemaliger Ostblockstaaten hatten zum Ziel, diese Staaten bei der marktwirtschaftlichen Umgestaltung ihrer Wirtschaftssysteme zu unterstützen.

In der Landwirtschaft und dem Gartenbau konnten ab 1991 ausländische Saisonarbeitskräfte für maximal drei Monate pro Kalenderjahr zur Überbrückung eines vorübergehenden Arbeitskräftebedarfs eingesetzt werden.

Von dieser Möglichkeit wurde in Folge stärker Gebrauch gemacht, als manchem Politiker lieb war. So kam es, dass 1997 erstmals Eckpunkte für die Zulassung von Saisonarbeitnehmer festgeschrieben wurden. Die betroffenen Betriebe konnten fortan nur noch 85 % der Anzahl der 1996 als Saisonarbeitskräfte tätigen Osteuropäer beschäftigen.

Aufgrund von Ausnahmeregelungen, die bei Betriebsumstrukturierungen und –erweiterungen zum Tragen kamen, stiegen in den Folgejahren die Vermittlungszahlen noch einmal deutlich an. Die mit der Einschränkung eigentlich beabsichtigte Entlastung des einheimischen Arbeitsmarktes blieb aus – bereits damals war unzumutbar ein Argument, das sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer ins Feld führten.

Da die offizielle Statistik nicht die Anzahl tatsächlich erfolgter Grenzübertritte ausweist, sondern lediglich Vermittlungszahlen auf Jahresbasis aufführt, übersteigt die Anzahl von Niedriglohnbeschäftigungsverhältnissen in diesem Zeitraum sehr wahrscheinlich die offiziell genannten 350 000 bei weitem.

Während in Deutschland in den letzten fünf Jahren die Anbaufläche von arbeitsintensiven Kulturen wie Erdbeeren und Spargel stark ausgeweitet wurde, konnten im selben Zeitraum Betriebe in unseren Nachbarländern Frankreich, Belgien, Niederlande und Dänemark nur sehr eingeschränkt auf Saisonarbeitskräfte aus Niedriglohnländern zurückgreifen.

Unternehmerisch zu handeln bedeutet, günstige Wettbewerbsfaktoren zum eigenen Vorteil zu nutzen. Unternehmerisch zu handeln bedeutet allerdings auch, rechtzeitig die Weichen neu zu stellen.

Die schärfsten Kritiker einer Modernisierung des niederländischen Unterglasgartenbaus mit Hilfe von Steuergeldern sind unter den Betriebsinhabern zu finden, die aus eigenem Antrieb erfolgreich den Sprung in die Zeit nach der Liberalisierung des Energiemarktes geschafft haben.

Tim Jacobsen

Auch mal fünf gerade sein lassen

Die Uniformität perfekt arrangierter Früchte einer im Supermarkt erworbenen Schale Blaubeeren inspirierte den kanadischen Erfolgsautors Douglas Coupland zu einem melancholisch angehauchten Ausflug in vergangene Zeiten, den er in einer pointierten Kurzgeschichte beschreibt. Nicht nur erscheint es ihm, als ob Obst und Gemüse früher viel intensiver geschmeckt hätten, er glaubt auch entdeckt zu haben, dass die Früchte seiner Jugend untereinander viel verschiedener waren.

Um den zivilisatorischen Erfolg, den die Versorgung des Frischmarktes mit qualitativ hochwertigen und einheitlich nach Güteklassen sortierten Früchten zweifelsohne darstellt zu beschreiben, bemüht Coupland einen zu mindest auf den ersten Blick unpassenden Vergleich. Mit „Hitlerberries“ umschreibt er die Eigenschaften der von ihm erworbenen Früchte, die sich zwar der äußeren Form nach ordentlich in Reih und Glied präsentieren, letztendlich aber inhaltslos seien.

Unsere Wahrnehmung der modernen, technisierten Welt wird von scheinbar objektiven Maßstäben dominiert. Alles, was messbar ist, kann dabei als Norm dienen. Bei den Wahlen zur Miss World beispielsweise sind dies relativ eindeutige Kriterien: einen Meter zweiundsiebzig sollten die Kandidatinnen überragen, weder jünger als siebzehn noch älter als vierundzwanzig sein und ihr Brust-, Taillen- und Beckenumfang sollte tunlichst die weiblichen Gardemaße 90-60-90 treffen. Das Ermitteln eines Wertes durch quantitativen Vergleich der Messgröße mit einer Einheit, sagt allerdings nichts darüber aus, wie sinnvoll dieser Wert tatsächlich ist.

Alles, was messbar ist, kann als Norm dienen. Bei den Wahlen zur Miss World beispielsweise sind dies relativ eindeutige Kriterien

Tim jacobsen

Viele Lebensmittel, die wir tagtäglich zu uns nehmen, sehen aus, als ob sie direkt aus einer Fabrik kämen, obwohl sie nie eine Fabrik von innen gesehen haben. Naturprodukte wie Obst und Gemüse werden von Gesetzes wegen seit Ende der siebziger Jahre strengen Gleichmäßigkeitskriterien hinsichtlich des Ursprungs, der Sorte, des Handelstyps, der Güteklasse, Entwicklung und Reife, Färbung und Größe unterworfen. Toleranzen geben dabei nur wenig Spielraum. Vielen Gärtnern ist diese Fixation auf äußerliche Makellosigkeit schon lange ein Dorn im Auge, fällt wegen gestiegener Anforderungen nicht immer öfter ein Großteil der mühsam produzierten Ware durch die Maschen der Qualitätssicherungsvorschriften.

Optische Unbedenklichkeit ist Trumpf, die inneren Werte von Lebensmitteln zählen nur noch, wenn diese mit künstlich konstruierten Zusatzstoffen aufwändig aufgepeppt wurden und ein langes Leben trotz übermäßigen Konsums von Genussgütern versprächen.

Die englische Supermarktkette Waitrose brach Mitte Juni dieses Jahres mit dieser aus Gärtnersicht fatalen Entwicklung und erweiterte im Alleingang das traditionelle Produktspektrum im Frischebereich um eine bisher nur aus dem Porzellan-, Mode- und Möbelbereich bekannte Produktkategorie: Obst und Gemüse mit kleinen Fehlern. Mit dem Obst und Gemüse „zweiter Klasse“ will die Supermarktkette laut eigenen Angaben ihre Kunden darauf aufmerksam machen, dass Obst und Gemüse nicht aussehen muss wie aus dem Bilderbuch, um gut zu schmecken.

Der Kilopreis für die normalerweise aussortierte Ware liegt deutlich unter dem für Standardprodukte. Den Endverbrauchern wird das Obst und Gemüse als Rohware zur Weiterverarbeitung angepriesen. Waitrose schlägt mit dem Vorstoß zwei Fliegen mit einer Klappe: zum einen soll den Gärtnern geholfen werden, einen größeren Anteil der von ihnen erzeugten Produkte vermarkten zu können, zum anderen soll das Angebot budgetorientiertes Klientel in die Filialen locken.

Eine von Friends of the Earth durchgeführte, unlängst veröffentlichte Befragung hatte ans Tageslicht gebracht, dass viele Gärtner in Großbritannien befürchteten, den stetig steigenden Qualitätsansprüchen der Supermärkten nicht mehr gerecht werden zu können. Oftmals bleibt Ware ungeerntet, weil damit laut Einschätzung der Gärtner sowieso kein Blumentopf zu gewinnen wäre. Unangenehmer Beigeschmack dieser Entwicklung ist es laut Friends of the Earth, dass Gärtner durch rigide Vorgaben eher dazu verleitet würden, mehr statt weniger Pflanzenschutzmittel zu verwenden.

Wäre denn wirklich soviel verloren, wenn die nächste Miss World wieder ausschauen würde, wie es die meisten Missen auf der World halt nun einmal so tun: Nicht makellos präsentiert, sondern in einem vernünftigen Verhältnis zwischen Aufwand und Wirkung?

Tim Jacobsen

Wir sind Gartenbau

Im Spannungsfeld zwischen der Produktion von markttauglichem Gemüse und ökologischen Anforderungen taucht regelmäßig das medienwirksame Schlagwort „Gift-Cocktail“ auf. Fast scheint es, als ob auf Gemüse bald ein Warnhinweis ähnlich den Rauchwarenverpackungen angebracht werden müsste und in Restaurants spezielle gemüsefreie Zonen eingerichtet werden sollten.

Nur jeder Dritte Jugendliche stimmt der Aussage zu, dass Bio-Äpfel ein Naturprodukt sind. Bei Tiefkühlspinat ist es sogar nur noch jeder Zwanzigste. Über die Hälfte der befragten Jugendlichen wissen nicht, dass Rosinen ursprünglich einmal an einem Weinstock hingen. Eine Entschuldigung vorzuweisen haben höchstens bayerische Kinder – der Volksmund nennt getrocknete karamellisierte Weintrauben dort süße Fliegen.

Am Himmelfahrtswochenende machten sich die beiden Niederländer Hans van den Bosch und Jan Kohlhaas auf ins niedersächsische Bückeburg, um Gemüse zu verkaufen. Van den Bosch freut sich über die durchweg positiven Erfahrungen, die er dabei gemacht hat. „Dreizehn Jahre zuvor wurden unsere Wasserbomben noch belächelt – heute fragen die Menschen, warum es unsere Produkte nicht überall zu kaufen gibt.“

Auch Rob Baan hat im niederländischen Unterglasanbaugebiet Westland Schwierigkeiten, offene Positionen in seinem Unternehmen zu besetzen. „Die Kinder meiner Mitarbeiter helfen bei uns aus. So werden sie bereits früh mit dem Gedanken vertraut, dass eine Karriere im Gartenbau nichts Ehrenrühriges an sich hat, sondern im Gegenteil die Tür zu einem äußerst facettenreichen Berufsbild öffnet.“

Pflanzenzüchtung ist ein globales Geschäft, was für die daran Beteiligten eine große Anzahl Flugstunden bedeutet. „Wenn es sich hin und wieder ergibt, dass ich Business Class fliege, freue ich mich jedes Mal schon auf den Augenblick, an dem das Gespräch bei der eigenen beruflichen Tätigkeit landet. Gärtner zu sein, assoziieren die meisten mit Schmutzrändern unter den Fingernägeln und weniger mit Unternehmertum“, erzählt Garry Grüber.

„Dreizehn Jahre zuvor wurden unsere Wasserbomben noch belächelt – heute fragen die Menschen, warum es unsere Produkte nicht überall zu kaufen gibt“

Hans van den Bosch

Ähnliche Erfahrungen macht auch Tom Kuipers. Im seit einigen Wochen öffentlich zugänglichen Demonstrationsgewächshaus in Emsbüren sind nicht wenige Besucher überrascht davon, auf welch hohem technischem Niveau heutzutage die Produktion von Schnittblumen, Topfpflanzen, Obst und Gemüse stattfindet.

Die Beispiele offenbaren, dass es nicht gut bestellt ist um das Image des Gartenbaus und seiner Produkte. Sozialwissenschaftler wie Dr. Rainer Brämer haben dafür folgende Erklärung: Große Bevölkerungsteile wissen so gut wie nichts mehr über die Produktion von Nahrungsmitteln und wollen davon auch nichts wissen. Die Natur übernimmt in einer moralisierten Überhöhung pseudoreligiöse Funktionen, die sich besonders im Umfeld eines infantilen Verständnisses von Naturschutz manifestieren. Zwar werde die Aufzucht von Tieren und Pflanzen generell bejaht, schließlich würden die daraus resultierenden Produkte ja auch bereitwillig konsumiert, die Produktionsebene werde dabei erstaunlicherweise aber stets diffamiert, so Brämer. Ohne Verständnis für die Notwendigkeit von Naturnutzung kann auch das Nachhaltigkeitspostulat nicht begriffen werden. Nur ein Viertel der befragten Jugendlichen verstehen unter Nachhaltigkeit, dass sie ihren Müll trennen sollen. Über die Hälfte denkt dagegen, dass nachhaltig zu handeln bedeute, keinen Müll in die Natur zu werfen.

Die angeführten Beispiele lassen aber erahnen, dass es möglich ist, in kürzester Zeit viel zu bewegen. Die Tage, in denen Wasserbomben aus dem niederländischen Westland boykottiert wurden, währten nicht lange. Der in den letzten Jahren beobachtbare Siegeszug der niederländischen Supermarktkette Albert Heijn beruht zum großen Teil auf einer Geschäftsstrategie, die dem mit Regionalprodukten bestückten Frischebereich innerhalb des gesamten Sortimentes eine zentrale Rolle zuweist. Dabei wird genau der Fehler umgangen, den die Rabobank in ihrem unlängst erschienen Bericht World of Vegetables als großen Hemmschuh für eine weitere Entwicklung des nordeuropäischen Gartenbaus ansieht: zu viele Handelsstufen zwischen Produzent und Konsument verhindern eine klare Positionierung der einheimischen Produktion.

Die genannten Beispiele beweisen auch, dass keine noch so üppig finanzierte Imagekampagne vermag, was der persönliche Kontakt möglich macht. Nicht nur Hans van den Bosch, Jan Kohlhaas, Rob Baan, Garry Grüber und Tom Kuipers können Werbung für den Gartenbau und seine Produkte machen. Wir alle, die wir in der einen oder anderen Weise mit dem Gartenbau verknüpft sind, sind aufgerufen, Farbe zu bekennen und Werbung in eigener Sache zu betreiben. Qualitativ hochwertige Ware, wie sie bei uns unter Einhaltung strenger Umwelt- und Sozialstandards produziert wird, sollte nicht mit Zertifikaten beworben werden. Einheimische Ware sollte vermarktet werden als das, was sie ist: ein hervorragendes Produkt, das nicht nur gesund ist, sondern vor allem auch hervorragend schmeckt und deshalb täglich mehrmals auf dem Speisezettel zu finden sein sollte.

Tim Jacobsen

Grün ist die Hoffnung – und die stirbt zuletzt

Neben der Wetterlage bestimmt in diesem Jahr auf vielen Betrieben die Risikofreudigkeit der Betriebsleiter weitgehend die Größe der Hypothek, mit der ins Frühjahr gestartet wird. Die Ausweglosigkeit, der sich mancher Betriebsleiter angesichts mangelnder, von den horrenden Energiepreisen aufgezehrten finanziellen Reserven gegenüber sieht, erinnert an die Hilflosigkeit vieler Eltern, denen es trotz bester Bemühungen nicht gelingt, ihren lautstark Unmut äußernden Nachwuchs zu beruhigen.

In beiden Beispielen kommt es zu einer enormen emotionalen Belastung aller Beteiligten, die nur in den seltensten Fällen zu einer raschen und rationalen Lösung des Problems beiträgt. Ähnlich wie bei zu Hilfe gerufenen externen Unternehmensberatern ist die Urteilsfähigkeit von Hebammen bei Hausbesuchen weitgehend ungetrübt. Ihre unverblümt geäußerten Bemerkungen gleichen oftmals orakelhaften Weisheiten, die befreiend wirken, aber auch zum Nachdenken anregen.

Zum Start der Freilandsaison dieses Jahres steht auf vielen Betrieben Schadensbegrenzung im Vordergrund. Mit kluger Einkaufspolitik, niedrigem Verbrauch oder üppig dimensionierten Reserven ließ sich zwar in Einzelfällen die Dramatik der Preisentwicklung auf dem Heizölmarkt etwas abmildern; gravierende Liquiditätsprobleme werfen jedoch vielerorts einen dunklen Schatten auf die betrieblichen Entwicklungsmöglichkeiten. Und auch wenn es gelang, sich mit einem blauen Auge ins Frühjahr zu retten, ist damit das Problem noch keineswegs gelöst. Das Rosshaar, an dem die Antwort auf die Frage nach der langfristigen Perspektive so manchen Betriebes wie das sprichwörtliche Damoklesschwert aufgehängt ist, wurde im Laufe der vergangenen Jahre wegen allzu starker Beanspruchung brüchig.

Die Energiepreise, die nicht erst seit dem erneuten Militärschlag gegen den Irak ein Eigenleben führen, haben laut Expertenmeinung ihren Höchststand noch längst nicht erreicht. Vor diesem Hintergrund muss eine innerbetriebliche Selbstanalyse erfolgen, die keine Alternativen ausspart. Es ist wenig wahrscheinlich, dass der prognostizierte Konjunkturanstieg zu einer Entspannung der Konkurrenzsituation ausgerechnet für Gartenbauprodukte führen sollte. Vielmehr muss realistischerweise mit einer nachhaltigen Verschärfung der Wettbewerbsbedingungen gerechnet werden. Ein Weiterbestand auf Kosten der Substanz kann mittel- und langfristig nur zum Gang vor den Konkursrichter führen. Auch wenn zum Saisonbeginn der nächste Winter gedanklich in weite Ferne gerückt ist, sollten Veränderungen in der Eigenkapitalstruktur des eigenen Betriebes genauestens untersucht werden. Nur so ist es möglich, zu erkennen, ob genügend Spielraum für eine selbstbestimmte Gestaltung der Zukunft bleibt.

Ähnlich klein wie der politische Einfluss ist jedoch auch die Halbwertszeit dieser Versprechen

Tim Jacobsen

In Hebammenkreisen wird allgemein beklagt, dass junge Eltern heutzutage oftmals Raubbau an sich selbst betreiben, um nicht in den Ruf zu geraten, aufgrund persönlicher Ambitionen das Wohl der Kinder hintan zu stellen. „Es bringt nichts, wenn Sie sich in einem Jahr komplett verausgaben und keine Energie mehr für das Nächste haben“ lautet eine der gängigen Standardermahnungen.

Anstatt sich mit unliebsamen Tatsachen auseinander zu setzen, wird in Gärtnerkreisen oftmals Zuflucht in internationalen Rundumschlägen gesucht. Natürlich ist es der guten Laune nicht gerade zuträglich, zu wissen, dass sowohl die französische als auch die niederländische Regierung finanzielle Extramittel bereitgestellt haben, um ihre Gärtner im Kampf gegen hohe Energiepreise zu unterstützen, während gleichzeitig die Mineralölsteuer-Rückerstattung in Deutschland von Seiten der EU-Kommission unter heftigen Beschuss gerät.

Mehr Gelassenheit im Alltag täte aber nicht nur laut unserer Hebamme dringend Not: „Auch wenn andere Eltern einen der heiß begehrten Betreuungsplätze erhalten, heißt das noch lange nicht, dass Sie sich davon unter Druck setzen lassen sollten. Über Ungerechtigkeit zu klagen, führt im schlimmsten Fall nur dazu, dass Sie sich selbst den Blick für mögliche Auswege verbauen. Sie können das Wetter nicht ändern, einen Regenschirm können Sie aber jederzeit einpacken“.

Nur wenige Betriebsleiter sehen in der Preisentwicklung für fossile Brennstoffe auf dem Weltmarkt keine existentielle Bedrohung ihres Fortbestehens. Die psychische Belastung auf vielen Betrieben ist enorm, die Stimmung gleicht oftmals einem Pulverfass. Vor diesem Hintergrund ist es wichtiger denn je, Entscheidungen zu fällen, die ohne Zaudern aus ganzem Herzen getroffen werden können.

„Wenn Sie mit irgendetwas keinen greifbaren Gegenwert erzielen können, lassen Sie lieber die Finger davon, denn gerade die eigene Kraft geht manchmal schneller zu Ende, als einem lieb ist. Solange Sie machen, wovon Sie vollkommen überzeugt sind, kann es eigentlich gar nicht schief gehen“ empfiehlt unsere Hebamme als Entscheidungskriterium bei strittigen Fragen.

Interessanterweise sind die Extrempositionen des gesellschaftlichen Diskurses, in dem sowohl Elternschaft als auch gärtnerisches Unternehmertum stehen, ähnlich verteilt. Vertreter des Neoliberalismus fordern unbeschränktes Unternehmertum und einen Rückzug des Staates aus jeglicher Fürsorgepflicht. Kritiker neoliberaler Positionen dagegen vertreten den Standpunkt, dass der Staat seine Interventionsmöglichkeiten nutzen muss, um äußerst sensible Bereiche wie die Produktion von Nahrungsmitteln und die Erziehung von Kindern in geordnete Bahnen zu lenken.

Und in noch einem Punkt sind sich Eltern und Gärtner sehr ähnlich. Obwohl sie wichtige Aufgaben in der Gesellschaft übernehmen, haben sie eine vergleichsweise kleine politische Lobby. Lob und Anerkennung, gerade von Seiten der Politik, fallen deshalb stets auf dankbaren Boden. Versprechungen, die eine rosige Zukunft verheißen, werden gierig aufgesogen. Ähnlich klein wie der politische Einfluss ist jedoch auch die Halbwertszeit dieser Versprechen.

Tim Jacobsen

Nachhaltige Entwicklung geht vor kurzfristigen Profit

Die Diskussion um die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Gartenbaus erreichte in der Auseinandersetzung über die Sozialabgabensätze polnischer Saisonarbeitskräfte und dem Wiederaufflackern der Energiekostendiskussion ihren vorläufig letzten Höhepunkt. Dieser Streitfrage zugrunde liegt die Überzeugung, dass niedrige Produktionskosten gemeinhin als entscheidender Wettbewerbsvorteil auf Märkten mit untereinander weitgehend austauschbaren Produkten angesehen werden. Aufgrund der verschärften Konkurrenzsituation im europäischen Binnenmarkt führen als ungleich empfundene Wettbewerbsbedingungen dann auch schnell zu Forderungen nach staatlichen Eingriffen und ausgleichenden wirtschaftspolitischen Maßnahmen.

Eine ausschließlich an Kostensenkung interessierte Unternehmens- und Wirtschaftspolitik greift dabei jedoch auf lange Sicht zu kurz. Schließlich behaupten sich nord- und mitteleuropäische Gärtner trotz eigentlich ungünstiger Voraussetzungen seit vielen Jahren im internationalen Wettbewerb. Die Außenhandelsbilanzen unserer Nachbarländer Belgien, Niederlande und Dänemark unterstreichen dies. Diese weisen trotz eines deutlichen Lohngefälles in Richtung Süd- und Osteuropa, trotz nicht unbedingt vorteilhafter klimatischer Bedingungen und trotz unterschiedlicher Verfügbarkeit von Produktionsfaktoren zum Teil deutliche Exportüberschüsse für gartenbauliche Produkte aus. Während die Außenhandelsbilanz des Exportweltmeisters Deutschlands für alle Sparten des Gartenbaus negativ ist, werden aus Dänemark Zierpflanzen, aus Belgien Obst und Gemüse und aus den Niederlanden Zierpflanzen, Baumschulartikel und Gemüse in großem Umfang exportiert.

Dabei gewährt das politische Klima auch in unseren Nachbarländern den Gärtnern keinen besonderen Schutz. Belgische und niederländische Betriebe beispielsweise haben beim Erwerb von Flächen mit starker Konkurrenz aus Industrie und Wohnungsbau zu kämpfen. Betriebe in den Beneluxstaaten und Dänemark können zudem in weit geringerem Ausmaß als ihre deutschen Nachbarn auf Saisonarbeitskräfte aus Billiglohnländern zurückgreifen. Niederländische Gärtner haben genauso wie ihre dänischen Kollegen oftmals strengere Umweltauflagen zu erfüllen als ihre deutschen Kollegen. Die liberale Wirtschaftspolitik Dänemarks führte dazu, dass sich dänische Gärtner von ihrer Regierung zeitweise regelrecht im Stich gelassen gefühlt haben.

Vor diesem Hintergrund kann der deutsche Gartenbau mit Zuversicht in die Zukunft blicken.

Tim Jacobsen

Die hohe Konkurrenzfähigkeit der gartenbaulichen Produktion in Mittel- und Nordeuropa lässt sich also weder durch eine besonders günstige Faktorkostenstruktur noch durch staatliche Unterstützungsmaßnahmen erklären. Die Gründe für die gute Wettbewerbsposition der gartenbaulichen Produktion müssen also auch jenseits eines Vergleichs von Produktionskosten gesucht werden.

Ein Blick über unsere Landesgrenzen in Richtung Osten macht nur allzu deutlich, dass die Betriebsgrößen in den meisten Beitrittsländern von den entsprechenden Optimalwerten oft noch weit entfernt sind. Dazu kommt, dass in Osteuropa zum Teil deutliche infrastrukturelle Defizite bestehen und zudem Vermarktungsstrukturen wenig ausgebildet sind. Der Wettbewerbsvorteil, den gut geölte und perfekt aufeinander abgestimmte Wertschöpfungsketten im direkten Vergleich dazu bieten können, liegt auf der Hand.

Der große Nutzen von Wertschöpfungsketten lässt sich dabei nur teilweise mit der Beseitigung von Reibungsverlusten begründen. Neben einer Orientierung an den Bedürfnissen der Kunden spielt vor allem die Innovationsfreude auf Seite der beteiligten Unternehmen eine große Rolle. Diese schlägt sich in kreativem und zukunftsorientiertem unternehmerischen Handeln nieder. Wie das Beispiel der Niederlande zeigt, behaupten sich vor allem diejenigen Produktionsstandorte im Wettbewerb, die gewisse gemeinsame Merkmale aufweisen. Neben einer Mindestanzahl von Betrieben und einer wettbewerbsfähigen Größe spielen vor allem gute infrastrukturelle Einrichtungen bei der Entwicklung dieser Gartenbauzentren eine wichtige Rolle. Dies beginnt bei guten Verkehrsanbindungen und schließt nicht zuletzt auch ein kompetentes Versuchs- und Beratungswesen mit ein, das bei der Entwicklung und Einführung neuer Produkte hilft.

Vor diesem Hintergrund kann der deutsche Gartenbau mit Zuversicht in die Zukunft blicken. Neben gut entwickelten Vermarktungsstrukturen können die deutschen Betriebe beispielsweise von einem großflächig ausgebauten Beratungswesen profitieren. In allen Bereichen stehen noch gut ausgebildete Fachkräfte zur Verfügung. Zudem braucht die infrastrukturelle Ausstattung der gärtnerischen Zentren Deutschlands den direkten Vergleich mit den Nachbarländern nicht zu scheuen. Wie wäre es sonst auch möglich, dass trotz allen Wettbewerbsnachteilen gut ein Drittel der auf dem deutschen Markt umgesetzten Blumen und Zierpflanzen aus einheimischer Produktion stammt? Für den Bereich Obst liegt der Selbstversorgungsgrad Deutschlands immerhin bei knapp einem Fünftel. Und nur geringfügig weniger als die Hälfte des in Deutschland konsumierten Gemüses wird schließlich im eigenen Land produziert.

Wettbewerbsgleichheit in der gärtnerischen Produktion kann es nicht geben. Zu verschieden sind die natürlichen Voraussetzungen in den einzelnen Ländern. Es ist Aufgabe der Politik, darüber zu wachen, dass durch nationale Alleingänge innerhalb Europas keine künstliche Wettbewerbsverzerrung entsteht. Vielmehr aber als durch eine europaweite Harmonisierung der Sozialabgabensätze bei Saisonarbeitskräften wäre dem deutschen Gartenbau jedoch gedient, wenn staatlicherseits ein verlässliches Umfeld für unternehmerisches Handeln geschaffen würde. Die Häufung von im Einzelnen nicht immer nachvollziehbaren Entscheidungen und politischen Richtungswechseln ließen viele Gärtner ratlos zurück und tragen zu einem insgesamt wenig innovationsfreundlichen Klima bei.

Tim Jacobsen

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