"Now, here, you see, it takes all the running you can do, to keep in the same place. If you want to get somewhere else, you must run at least twice as fast as that!"

Kategorie: Gemüse (Seite 6 von 6)

Wenn sogar billig nicht mehr billig genug ist

Was den Verbraucher freut, wird für die Produzenten zunehmend zum Problem. Nur um die Milch geht es dabei schon lange nicht mehr. Auch bei Fleisch, Teigwaren, Pflanzenöl, Reis, Tiefkühlpizzen, Limonaden und Säften purzeln die Preise auf breiter Front. Fünf Preissenkungsrunden seit Jahresbeginn sind Zeugen eines gnadenlosen Preiskampfes, der den Lebensmittelhandel seit dem Zusammenbruch der landwirtschaftlichen Märkte im Sommer letzten Jahres in Atem hält.

Für die Discounter werden die unerwünschten Nebenwirkungen des hausgemachten Preisverfalls dabei zunehmend selbst zum Problem. Vier Monate in Folge wurden nun bereits rückläufige Umsatzzahlen gemeldet. Es zeigt sich, dass die Discounter mit ihren Prognosen, sie werden zu den Gewinnern der Krise zählen, nicht unbedingt richtig lagen. Nicht nur bieten Preissenkungen anscheinend nur wenig Anreiz, mehr als unbedingt nötig einzukaufen, auch der verstärkte Zustrom von Käufern, die Discounter bisher gemieden hatten, konnte die allgemeine Kaufzurückhaltung nicht wettmachen.

Nach Gründen dafür, dass die Verbraucher auch angesichts nie da gewesener Preise nicht in Freudentaumel ausbrechen, braucht nicht lange gesucht werden. Immer mehr Menschen bekommen die Wirtschaftskrise am eigenen Leib zu spüren. Firmenpleiten und Entlassungen sind keine reinen Schreckgespenster mehr. Und auch unter denen, die noch Arbeit haben, wächst die Angst davor, sie zu verlieren. Gekauft wird nur noch, was für die nächsten Tage gebraucht wird – Vorratshaltung wäre sowieso angesichts stets sinkender Preise ökonomisch wenig sinnvoll.

Es ist jedoch wenig wahrscheinlich, dass die Discounter letztendlich als Verlierer aus der Krise hervorgehen werden. Schlimmstenfalls wird ihr Umsatzrückgang zu Gewinneinbussen führen. Schließlich reichen sie den wachsenden Druck einfach an ihre Lieferanten weiter. Wenn deren Einnahmen nun allerdings kaum mehr reichen, die Produktionskosten zu decken, legt dies den Schluss nahe, dass das Schlimmste noch lange nicht überstanden ist.

Vorratshaltung wäre sowieso angesichts stets sinkender Preise ökonomisch wenig sinnvoll

Tim Jacobsen

Auf staatliche Unterstützung wie die Autobauer können die Lebensmittelproduzenten allerdings auch in Zukunft nicht setzen. Eine Abwrackprämie für mehrere Tage altes, durchaus noch verzehrsfähiges Obst oder Gemüse wird sich wohl kaum durchsetzen lassen – auch wenn im Sinne der Volksgesundheit der direkte Verzehr von Frischprodukten durchaus wünschenswert wäre.

Die Zukunft wird zeigen, ob das durch den Preiskampf der Discounter angefachte und durch die Preispolitik anderer Ketten weiter verbreitete Feuer tatsächlich in einem Flächenbrand enden wird. Die Gemüseerzeuger müssen zum Saisonstart auf schmerzhafte Weise erfahren, was Wetterkapriolen, Angebotsdruck und Preiskampf im Handel für Folgen haben. Die Aufforderungen zur Qualitätssicherung, zur Wahrung der sozialen Standards oder zur Nachhaltigkeit wirken vor dem Hintergrund dieses Preiskampfes fast wie leere Worthülsen.

Es sind mit Sicherheit jedoch nicht nur wahlkampftaktische Überlegungen, wenn nun manche Politiker Konjunkturprogramme für die Lebensmittelbranche fordern. Schließlich finden in der Landwirtschaft samt ihrer vor- und nachgelagerten Bereiche weit mehr Menschen ihr Auskommen als beispielsweise in der Autoindustrie.

Tim Jacobsen

Auch mal fünf gerade sein lassen

Die Uniformität perfekt arrangierter Früchte einer im Supermarkt erworbenen Schale Blaubeeren inspirierte den kanadischen Erfolgsautors Douglas Coupland zu einem melancholisch angehauchten Ausflug in vergangene Zeiten, den er in einer pointierten Kurzgeschichte beschreibt. Nicht nur erscheint es ihm, als ob Obst und Gemüse früher viel intensiver geschmeckt hätten, er glaubt auch entdeckt zu haben, dass die Früchte seiner Jugend untereinander viel verschiedener waren.

Um den zivilisatorischen Erfolg, den die Versorgung des Frischmarktes mit qualitativ hochwertigen und einheitlich nach Güteklassen sortierten Früchten zweifelsohne darstellt zu beschreiben, bemüht Coupland einen zu mindest auf den ersten Blick unpassenden Vergleich. Mit „Hitlerberries“ umschreibt er die Eigenschaften der von ihm erworbenen Früchte, die sich zwar der äußeren Form nach ordentlich in Reih und Glied präsentieren, letztendlich aber inhaltslos seien.

Unsere Wahrnehmung der modernen, technisierten Welt wird von scheinbar objektiven Maßstäben dominiert. Alles, was messbar ist, kann dabei als Norm dienen. Bei den Wahlen zur Miss World beispielsweise sind dies relativ eindeutige Kriterien: einen Meter zweiundsiebzig sollten die Kandidatinnen überragen, weder jünger als siebzehn noch älter als vierundzwanzig sein und ihr Brust-, Taillen- und Beckenumfang sollte tunlichst die weiblichen Gardemaße 90-60-90 treffen. Das Ermitteln eines Wertes durch quantitativen Vergleich der Messgröße mit einer Einheit, sagt allerdings nichts darüber aus, wie sinnvoll dieser Wert tatsächlich ist.

Alles, was messbar ist, kann als Norm dienen. Bei den Wahlen zur Miss World beispielsweise sind dies relativ eindeutige Kriterien

Tim jacobsen

Viele Lebensmittel, die wir tagtäglich zu uns nehmen, sehen aus, als ob sie direkt aus einer Fabrik kämen, obwohl sie nie eine Fabrik von innen gesehen haben. Naturprodukte wie Obst und Gemüse werden von Gesetzes wegen seit Ende der siebziger Jahre strengen Gleichmäßigkeitskriterien hinsichtlich des Ursprungs, der Sorte, des Handelstyps, der Güteklasse, Entwicklung und Reife, Färbung und Größe unterworfen. Toleranzen geben dabei nur wenig Spielraum. Vielen Gärtnern ist diese Fixation auf äußerliche Makellosigkeit schon lange ein Dorn im Auge, fällt wegen gestiegener Anforderungen nicht immer öfter ein Großteil der mühsam produzierten Ware durch die Maschen der Qualitätssicherungsvorschriften.

Optische Unbedenklichkeit ist Trumpf, die inneren Werte von Lebensmitteln zählen nur noch, wenn diese mit künstlich konstruierten Zusatzstoffen aufwändig aufgepeppt wurden und ein langes Leben trotz übermäßigen Konsums von Genussgütern versprächen.

Die englische Supermarktkette Waitrose brach Mitte Juni dieses Jahres mit dieser aus Gärtnersicht fatalen Entwicklung und erweiterte im Alleingang das traditionelle Produktspektrum im Frischebereich um eine bisher nur aus dem Porzellan-, Mode- und Möbelbereich bekannte Produktkategorie: Obst und Gemüse mit kleinen Fehlern. Mit dem Obst und Gemüse „zweiter Klasse“ will die Supermarktkette laut eigenen Angaben ihre Kunden darauf aufmerksam machen, dass Obst und Gemüse nicht aussehen muss wie aus dem Bilderbuch, um gut zu schmecken.

Der Kilopreis für die normalerweise aussortierte Ware liegt deutlich unter dem für Standardprodukte. Den Endverbrauchern wird das Obst und Gemüse als Rohware zur Weiterverarbeitung angepriesen. Waitrose schlägt mit dem Vorstoß zwei Fliegen mit einer Klappe: zum einen soll den Gärtnern geholfen werden, einen größeren Anteil der von ihnen erzeugten Produkte vermarkten zu können, zum anderen soll das Angebot budgetorientiertes Klientel in die Filialen locken.

Eine von Friends of the Earth durchgeführte, unlängst veröffentlichte Befragung hatte ans Tageslicht gebracht, dass viele Gärtner in Großbritannien befürchteten, den stetig steigenden Qualitätsansprüchen der Supermärkten nicht mehr gerecht werden zu können. Oftmals bleibt Ware ungeerntet, weil damit laut Einschätzung der Gärtner sowieso kein Blumentopf zu gewinnen wäre. Unangenehmer Beigeschmack dieser Entwicklung ist es laut Friends of the Earth, dass Gärtner durch rigide Vorgaben eher dazu verleitet würden, mehr statt weniger Pflanzenschutzmittel zu verwenden.

Wäre denn wirklich soviel verloren, wenn die nächste Miss World wieder ausschauen würde, wie es die meisten Missen auf der World halt nun einmal so tun: Nicht makellos präsentiert, sondern in einem vernünftigen Verhältnis zwischen Aufwand und Wirkung?

Tim Jacobsen

Wir sind Gartenbau

Im Spannungsfeld zwischen der Produktion von markttauglichem Gemüse und ökologischen Anforderungen taucht regelmäßig das medienwirksame Schlagwort „Gift-Cocktail“ auf. Fast scheint es, als ob auf Gemüse bald ein Warnhinweis ähnlich den Rauchwarenverpackungen angebracht werden müsste und in Restaurants spezielle gemüsefreie Zonen eingerichtet werden sollten.

Nur jeder Dritte Jugendliche stimmt der Aussage zu, dass Bio-Äpfel ein Naturprodukt sind. Bei Tiefkühlspinat ist es sogar nur noch jeder Zwanzigste. Über die Hälfte der befragten Jugendlichen wissen nicht, dass Rosinen ursprünglich einmal an einem Weinstock hingen. Eine Entschuldigung vorzuweisen haben höchstens bayerische Kinder – der Volksmund nennt getrocknete karamellisierte Weintrauben dort süße Fliegen.

Am Himmelfahrtswochenende machten sich die beiden Niederländer Hans van den Bosch und Jan Kohlhaas auf ins niedersächsische Bückeburg, um Gemüse zu verkaufen. Van den Bosch freut sich über die durchweg positiven Erfahrungen, die er dabei gemacht hat. „Dreizehn Jahre zuvor wurden unsere Wasserbomben noch belächelt – heute fragen die Menschen, warum es unsere Produkte nicht überall zu kaufen gibt.“

Auch Rob Baan hat im niederländischen Unterglasanbaugebiet Westland Schwierigkeiten, offene Positionen in seinem Unternehmen zu besetzen. „Die Kinder meiner Mitarbeiter helfen bei uns aus. So werden sie bereits früh mit dem Gedanken vertraut, dass eine Karriere im Gartenbau nichts Ehrenrühriges an sich hat, sondern im Gegenteil die Tür zu einem äußerst facettenreichen Berufsbild öffnet.“

Pflanzenzüchtung ist ein globales Geschäft, was für die daran Beteiligten eine große Anzahl Flugstunden bedeutet. „Wenn es sich hin und wieder ergibt, dass ich Business Class fliege, freue ich mich jedes Mal schon auf den Augenblick, an dem das Gespräch bei der eigenen beruflichen Tätigkeit landet. Gärtner zu sein, assoziieren die meisten mit Schmutzrändern unter den Fingernägeln und weniger mit Unternehmertum“, erzählt Garry Grüber.

„Dreizehn Jahre zuvor wurden unsere Wasserbomben noch belächelt – heute fragen die Menschen, warum es unsere Produkte nicht überall zu kaufen gibt“

Hans van den Bosch

Ähnliche Erfahrungen macht auch Tom Kuipers. Im seit einigen Wochen öffentlich zugänglichen Demonstrationsgewächshaus in Emsbüren sind nicht wenige Besucher überrascht davon, auf welch hohem technischem Niveau heutzutage die Produktion von Schnittblumen, Topfpflanzen, Obst und Gemüse stattfindet.

Die Beispiele offenbaren, dass es nicht gut bestellt ist um das Image des Gartenbaus und seiner Produkte. Sozialwissenschaftler wie Dr. Rainer Brämer haben dafür folgende Erklärung: Große Bevölkerungsteile wissen so gut wie nichts mehr über die Produktion von Nahrungsmitteln und wollen davon auch nichts wissen. Die Natur übernimmt in einer moralisierten Überhöhung pseudoreligiöse Funktionen, die sich besonders im Umfeld eines infantilen Verständnisses von Naturschutz manifestieren. Zwar werde die Aufzucht von Tieren und Pflanzen generell bejaht, schließlich würden die daraus resultierenden Produkte ja auch bereitwillig konsumiert, die Produktionsebene werde dabei erstaunlicherweise aber stets diffamiert, so Brämer. Ohne Verständnis für die Notwendigkeit von Naturnutzung kann auch das Nachhaltigkeitspostulat nicht begriffen werden. Nur ein Viertel der befragten Jugendlichen verstehen unter Nachhaltigkeit, dass sie ihren Müll trennen sollen. Über die Hälfte denkt dagegen, dass nachhaltig zu handeln bedeute, keinen Müll in die Natur zu werfen.

Die angeführten Beispiele lassen aber erahnen, dass es möglich ist, in kürzester Zeit viel zu bewegen. Die Tage, in denen Wasserbomben aus dem niederländischen Westland boykottiert wurden, währten nicht lange. Der in den letzten Jahren beobachtbare Siegeszug der niederländischen Supermarktkette Albert Heijn beruht zum großen Teil auf einer Geschäftsstrategie, die dem mit Regionalprodukten bestückten Frischebereich innerhalb des gesamten Sortimentes eine zentrale Rolle zuweist. Dabei wird genau der Fehler umgangen, den die Rabobank in ihrem unlängst erschienen Bericht World of Vegetables als großen Hemmschuh für eine weitere Entwicklung des nordeuropäischen Gartenbaus ansieht: zu viele Handelsstufen zwischen Produzent und Konsument verhindern eine klare Positionierung der einheimischen Produktion.

Die genannten Beispiele beweisen auch, dass keine noch so üppig finanzierte Imagekampagne vermag, was der persönliche Kontakt möglich macht. Nicht nur Hans van den Bosch, Jan Kohlhaas, Rob Baan, Garry Grüber und Tom Kuipers können Werbung für den Gartenbau und seine Produkte machen. Wir alle, die wir in der einen oder anderen Weise mit dem Gartenbau verknüpft sind, sind aufgerufen, Farbe zu bekennen und Werbung in eigener Sache zu betreiben. Qualitativ hochwertige Ware, wie sie bei uns unter Einhaltung strenger Umwelt- und Sozialstandards produziert wird, sollte nicht mit Zertifikaten beworben werden. Einheimische Ware sollte vermarktet werden als das, was sie ist: ein hervorragendes Produkt, das nicht nur gesund ist, sondern vor allem auch hervorragend schmeckt und deshalb täglich mehrmals auf dem Speisezettel zu finden sein sollte.

Tim Jacobsen

Bioanbau darf Ökologie nicht vernachlässigen

Lange Zeit besaß der Anbau von Obst und Gemüse nach ökologischen Richtlinien den Ruf, dem Verlangen einiger weniger nach Erzeugnissen aus naturnäherer Produktion zu entsprechen. Die angebotenen Produkte boten einen für traditionelle Supermarktkunden oftmals ungewohnten Anblick. Trotz großer äußerer Makel fand die Ware ihre Abnehmer. Die Frage, ob nach ökologischen Richtlinien produziertes Obst und Gemüse tatsächlich besser schmeckt oder gesünder sei, konnte von der Wissenschaft nie gänzlich geklärt werden. Neben dem subjektiven Empfinden wurde diese Frage durch weltanschauliche Prägung entschieden. Noch bis vor wenigen Jahren kannten Konsumenten und Produzenten von Bioprodukten einander meist persönlich. Das Vertrauensverhältnis zwischen Produzent und Verbraucher ersetzte weitgehend jegliche Gütesiegel. Der Ökobauer wirkte nicht zuletzt auch dadurch glaubhaft, dass er im Vergleich zu seinen konventionell produzierenden Kollegen einen vermeintlich schwereren Weg gewählt hatte. Dabei stand für die Konsumenten stets außer Zweifel, dass die Produktion neben den Richtlinien des jeweiligen Anbaukonzeptes auch hochstehenden sozialen Maßstäben gerecht wurde. Nicht von ungefähr waren viele Integrationsprojekte im Bereich des ökologisch wirtschaftenden Garten- und Landbaus angesiedelt. Auf die Idee, weder der Jahreszeit noch der Region angepasste Produkte als ökologisch besonders sinnvolle Alternative zu vermarkten, kam bis vor einigen Jahren niemand. Genauso wenig, wie zu jener Zeit gefordert worden wäre, dass Ökoprodukte ähnlich makellos wie ihre konventionellen Entsprechungen zu sein hätten.

Anders stellt sich die Situation heutzutage dar. Mit der Schaffung eines Produktstandards jenseits der Vorgaben der einzelnen Verbände setzte eine politisch gewollte Ausweitung der Ökoproduktion ein. Diese „Banalisierung“ der Ökoproduktion hatte zum Ergebnis, dass sich die Anforderungen an die innere und äußere Qualität der biologisch erzeugten Produkte heute kaum mehr von der konventionellen Produktion unterscheiden. Der durch anfängliche Überproduktion hervorgerufene Preisverfall im Biosegment läutete einen Strukturwandel ein, der dazu führte, dass ganzheitliche Ansätze immer mehr von rein betriebswirtschaftlichen Überlegungen verdrängt wurden.

Wie schon in der Vergangenheit wurden die Forderungen nach einem höheren Preisniveau für Ökoprodukte damit begründet, dass der Bioanbau gegenüber dem konventionellen Anbau in vielerlei Hinsicht benachteiligt ist. Der Hauptunterschied zur Argumentationsweise früherer Jahre bestand allerdings darin, dass statt Mindererträgen nun die erhöhte Intensität des Einsatzes von Produktionsfaktoren in den Mittelpunkt gerückt wurde. Diese Erhöhung war nötig, um den gestiegenen Ansprüchen an Bioware gerecht zu werden. Drei Beispiele aus dem Kernobstanbau sollen verdeutlichen, wie im Zuge dieser Entwicklung die Ökologie im Bioanbau immer mehr in das Hintertreffen geriet.

Eine ganze Menge gewonnen wäre bereits, wenn beispielsweise für den Bioanbau besonders geeignete Sorten leichter absetzbar wären und der Speiseplan der Endverbraucher wieder verstärkt auf regionale und saisonale Besonderheiten Rücksicht nehmen würde

Tim jacobsen

Zur Insektenbekämpfung werden im Bioanbau Pflanzenextrakte verwendet. Das Wirkstoffgemisch Pyrethrum beispielsweise wird aus den getrockneten Blütenköpfen verschiedener Chrysanthemenarten gewonnen. Die geringe Stabilität der Hauptwirkstoffe des Kontaktgiftes und die auch trotz der Produktion in Drittweltländern hohen Herstellungskosten stehen einem ökonomisch sinnvollen Einsatz in Gartenbau und Landwirtschaft entgegen. Für die breite Verwendung im Pflanzenschutz wurden deshalb synthetische Verbindungen mit analogem Wirkungsmechanismus entwickelt. Da diese vergleichsweise stabilen und dadurch länger wirksamen „Generika“ im Bioanbau nicht verwendet werden dürfen, verursacht die Insektenbekämpfung im Bioanbau ein Vielfaches an Kosten. Deutlich günstiger im Vergleich zur konventionellen Produktion kommen im Bioanbau die Mittel zur Bekämpfung der Pilzkrankheiten. Kupfersulfat war vor über 120 Jahren bereits Bestandteil der „Bordelaise pulpe“ – fast scheint es, als ob sich seit der ersten Pflanzenschutzmittelempfehlung der Menschheitsgeschichte wenig getan hätte: Auskristallisierter reiner Schwefel und Kupferverbindungen sind im Bioanbau noch stets die Mittel der Wahl. Mit den Abhandlungen zum Pro und Contra des Einsatzes von Kupferionen als Pflanzenschutzmittel lassen sich mittlerweile Bibliotheken füllen. Gerne übersehen wird dabei, dass wegen der geringen Effizienz der Mittel die Anwendung ebenfalls vergleichsweise häufig zu erfolgen hat. Eine Vielzahl von Herstellern bietet mittlerweile Hackgeräte an, die sich in einer noch vor kurzem für unvorstellbar gehaltenen Geschwindigkeit und Präzision des Problems Unkraut im Kernobstanbau annehmen. Allerdings muss auch im Falle der Unkrautbekämpfung der Einsatz aufwändiger Maschinerie in vergleichsweise kurzen Intervallen erfolgen – mit einer entsprechenden Belastung der ökologischen Gesamtbilanz.

Mit Sicherheit gibt es Anbaugebiete, in denen aufgrund naturgegebener Wettbewerbsvorteile Schadinsekten, Pilzinfektionen oder Unkrautdruck keine Unlösbarkeiten darstellen. In Regionen jedoch, in denen die Gärtner unter Zuhilfenahme des im konventionellen Anbau zur Verfügung stehenden Waffenarsenals bereits Schwierigkeiten haben, den Anforderungen des Marktes genüge zu tun, kann eine Aufrechterhaltung der Bioproduktion oder eine Produktionsumstellung nur zu Lasten der Umwelt erfolgen – auch wenn sie sich dank gegenwärtig hoher Erzeugerpreise finanziell rechnen sollte.

Das Blatt, die Ökobilanz und die Gewinn-und-Verlustrechnung der Betriebe wenden sich, sobald der Lebensmitteleinzelhandel und dessen verlängerter Arm, die Verbraucher, bereit wären, Produkten aus dem biologischen Anbau Zugeständnisse einzuräumen. Dabei müssten noch nicht einmal Abstriche bei der Produktqualität gemacht werden. Eine ganze Menge gewonnen wäre bereits, wenn beispielsweise für den Bioanbau besonders geeignete Sorten leichter absetzbar wären und der Speiseplan der Endverbraucher wieder verstärkt auf regionale und saisonale Besonderheiten Rücksicht nehmen würde. Es ist unbestreitbar ein Verdienst der ehemaligen Bundesregierung, den Bioanbau aus seinem Nischendasein geholt zu haben. Es liegt an der jetzigen Bundesregierung, die Weichen für eine sinnvolle Weiterentwicklung des derzeit einzigen Wachstumssegments der deutschen Ernährungswirtschaft zu stellen.

Tim Jacobsen

Stillstand bedeutet Rückschritt

Die Vorschauen auf die Fachmessen dieses Jahres vermitteln den Eindruck, als ob Produktivität und Effizienz Vokabeln seien, die erst seit kurzem Eingang in den Wortschatz der Gärtner gefunden hätten. Kostenreduzierung, Zeitersparnis und eine effiziente und verantwortungsvolle Bewirtschaftungsweise scheinen heutzutage zwar unabdingbarer denn je, wenn der eigene Betrieb auf nationalen und internationalen Märkten konkurrenzfähig bleiben soll. Aber war das streng genommen nicht schon immer so?

Wer erinnert sich heute noch daran, dass zu Beginn der fünfziger Jahre kaum die Versorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln gesichert war? Ziel der Gemeinsamen Agrarpolitik der europäischen Staaten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war es zunächst, die Produktivität der landwirtschaftlichen und gärtnerischen Produktion zu steigern. Neben einer ausreichenden Versorgung der Verbraucher und einer Stabilisierung der Märkte sollten Effizienz- und Produktivitätssteigerungen auch dazu dienen, ausreichende Einkommen in Landwirtschaft und Gartenbau zu sichern. Allerdings widersprach die Zielvorgabe der Belieferung der Verbraucher mit Lebensmittel zu angemessenen Preisen dem Ziel, den Produzenten, die an hohen Preisen zugunsten ihrer Einkommen interessiert sind, eine angemessene Lebenshaltung zu gewährleisten.

Butterberg und Milchsee waren Schlagwörter, die den Erfolg einer Politik kennzeichneten, die zu Effizienzsteigerung anhielt. Als Folge des Anstiegs der Produktivität wurde der Abbau von Überschüssen landwirtschaftlicher Produkte zu einem der zentralen Themen der europäischen Agrarpolitik. Die Änderung der politischen Rahmenbedingungen führte dazu, dass in denjenigen Betrieben, die das so genannte Höfesterben überlebten, intensiv über teils einschneidende Veränderungen nachgedacht werden musste, um weiterhin bestehen zu können.

Freuen wir uns auf Neuheiten, Ideen, Anregungen und Impulse, aber auch auf fachlichen Austausch und, nicht zu vergessen, Ermutigung, wo sie Not tut

Tim Jacobsen

Eine der großen Herausforderungen der Landwirtschaft des 19. Jahrhundert bestand darin, eine schnell wachsende Bevölkerung zu versorgen. Dass dies nicht nur gelang, sondern die Qualität der Ernährung erheblich gesteigert wurde, gehört zu den großen Leistungen des 19. Jahrhunderts. Bis etwa um die Jahrhundertwende war die wirtschaftliche Situation für die Landwirtschaft im Allgemeinen relativ günstig, danach verschlechterte sie sich nach und nach. Dies lag vorrangig daran, dass die deutsche Landwirtschaft sich plötzlich Konkurrenten gegenüber sah.

Wichtige Impulse gingen dabei von den USA aus. Nach dem Ende der Sezessionskriege wurden die Anbauflächen für Getreide erheblich ausgedehnt. Da es aber an ausreichend Arbeitskraft fehlte, gab es schon früh eine im Vergleich zu Deutschland viel stärkere Tendenz zur Mechanisierung, was wiederum zu einer erhöhten Produktivität führte. Für die steigenden Produktionsmengen gab es in den USA bald keinen ausreichenden Markt mehr. Mit dem Ausbau des amerikanischen Schienennetzes und des Aufkommens der atlantischen Dampfschifffahrt drängte amerikanisches, bald aber auch russisches und indisches Getreide auf den deutschen Markt

Darauf war die Landwirtschaft in Deutschland wenig vorbereitet. Erst mit der massiven Abwanderung vieler Landarbeiter zur Jahrhundertwende setzte eine stärkere Mechanisierung auf den landwirtschaftlichen Gütern ein. Der abnehmende Stellenwert des Agrarsektors im Laufe des industriellen Strukturwandels entspricht dabei einem allgemeinen volkswirtschaftlichen Entwicklungstrend, wie er in den meisten Industriestaaten in den letzten zwei Jahrhunderten zu beobachten war.

Dabei wird jedoch gerne übersehen, dass das Wachstum der landwirtschaftlichen Produktivität gleichzeitig auch Vorraussetzung für diese Entwicklung war. Zum einen musste eine wachsende Bevölkerung ausreichend ernährt werden, zum anderen mussten Arbeitskräfte aus der Landwirtschaft freigesetzt werden um an der Industrialisierung teilnehmen zu können. Überhaupt konnten erst die Wohlstandssteigerungen dank der Produktivitätszunahme die Voraussetzung für eine vermehrte Nachfrage nach industriellen Gütern schaffen.

Laut einer aktuellen Einschätzung des Bundestages handelt es sich bei Landwirtschaft und Gartenbau um einen leistungsfähigen und innovationsfreundlichen Sektor mit erheblicher volkswirtschaftlicher Relevanz, mehr noch, um einen Kernbereich der deutschen Wirtschaft. Die Steigerung der Bruttowertschöpfung im Agrarsektor lag in den vergangenen Jahren deutlich höher als in vielen anderen Branchen. Wahrscheinlich stellt das Agrobusiness sogar den Sektor der deutschen Wirtschaft mit der höchsten Produktivitätssteigerung dar. Es liegt an der Politik, dem Impulsgeber Landwirtschaft die bestmöglichen Rahmenbedingungen zu geben – und so einen unverzichtbaren Beitrag zu mehr Wachstum; Innovation und Arbeitsplätzen zu leisten.

Ende August zeichnete Renate Künast drei Preisträger mit dem Innovationspreis Gartenbau aus. Der mit insgesamt 10 000 € dotierte Preis wird seit 1997 an Unternehmen verliehen, die durch ihr Beispiel andere zum Nachahmen anspornen. Die diesjährigen Auszeichnungen wurden für Innovationen im Bereich der Pflanzenzüchtung, der Gewächshaustechnik und der überbetrieblichen Absatzkooperation vergeben. „Ich bin immer wieder erstaunt und erfreut über den Ideenreichtum im Gartenbau“, so die damalige Verbraucherschutzministerin bei der Preisverleihung.

Fortschritte in der Züchtung neuer Sorten, leistungsstärkere Pflanzenschutzmittel und verbesserte Produktionsmethoden sorgen im Gartenbau für stetigen Wandel. Elektronische Datenverarbeitung und Informationstechnologien veränderten viele Bereiche grundlegend. Drahtlose Datenübertragung und Positionierungstechniken werden auch in Zukunft dabei helfen, optimale Strategien mit bestmöglicher Präzision zu entwickeln. Moderne Landtechnik ist bodenschonend und kraftstoffsparend – weniger denn je stellen Umweltschutz und gärtnerische Produktion einen Gegensatz dar.

Blicken wir also mit Spannung auf den Messeherbst und freuen wir uns auf Neuheiten, Ideen, Anregungen und Impulse, aber auch auf fachlichen Austausch und, nicht zu vergessen, Ermutigung, wo sie Not tut.

Tim Jacobsen

Wer, wenn nicht wir?

Jeder könne etwas für mehr Beschäftigung in Deutschland tun, schrieb Bundesverbraucherschutzministerin Renate Künast Anfang August in der „Bild am Sonntag“. „Er muss sich nur überlegen, wo die Produkte hergestellt sind, die er kauft“. Babypuppen kämen aus China, Strampler aus der Türkei, Turnschuhe aus Vietnam. „Das gibt es alles auch von deutschen Herstellern“, hatte die Grünen-Politikerin erklärt.

Von Seiten der Wirtschaft wurde der Aufruf zum Kauf deutscher Produkte heftig kritisiert. Dabei wurde auf die volkswirtschaftlichen Folgen hingewiesen, die ein Boykott deutscher Produkte im Ausland haben würde. Zudem sei der Ruf nach national orientiertem Kaufverhalten angesichts der Vielzahl von ausländischen Vorprodukten in deutschen Waren vollkommen unsinnig. Den von Verbandsvertretern geäußerten Vorwurf der „Bauernfängerei“ wies Künast in Folge energisch zurück. Sie habe nicht zu einem Boykott ausländischer Produkte aufgerufen, sondern auf den Zusammenhang zwischen Kaufentscheidungen und Arbeitsplätzen hingewiesen. Mit der Kaufentscheidung schließlich bestimme der Konsument auch, unter welchen Bedingungen und zu welchen Umwelt- und Sozialstandards etwas hergestellt werde.

Der „Sächsischen Zeitung“ sagte Künast wenige Tage später, dass die Schuld an der Abwanderung von Jobs auch bei denjenigen zu suchen sei, die aus Preisbewusstsein billigere, im Ausland produzierte Waren kaufen. „Die Geiz-ist-geil Mentalität … macht viele Arbeitsplätze kaputt“. Wenn sich diese Haltung weiter durchsetze, werde bald überhaupt nichts mehr in Deutschland produziert. Es hätte dann laut Künast auch keinen Sinn mehr, „hier Erdbeeren oder Wein anzupflanzen“.

Mit Blick auf die Produktpalette des deutschen Gartenbaus sollte ein solcher Aufruf eigentlich überflüssig sein. Schließlich hat die einheimische Produktion mit ihren hohen Umwelt-, Verbraucherschutz- und Sozialstandards alle Trümpfe auf ihrer Seite. Gütezeichen und Prüfsiegel sollen das Vertrauen der Verbraucher in die Qualität und Sicherheit der Produkte stärken und dem Erzeuger Erlösvorteile durch höhere Preise sichern.

Seit mehr als 35 Jahren hat sich der Absatzfonds auf die Fahnen geschrieben, die Wettbewerbsfähigkeit und die Erlössituation der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft zu verbessern. Eine der Hauptaufgaben des Absatzfonds ist es, durch Werbemaßnahmen landwirtschaftliche Produkte in das Bewusstsein der Verbraucher und des Handels zu bringen, um dadurch die Nachfrage zu steigern. Leider scheinen die jahrelangen Bemühungen des Absatzfonds von geringem Erfolg gekrönt zu sein.

Die positiven Auswirkungen des Konsums einheimischer Produkte auf Umwelt, Wirtschaft und Klima fielen leider dem hitzigen Schlagabtausch zum Opfer

Tim Jacobsen

Schwarze Schafe innerhalb der Gartenbaubranche tun ein Übriges, den Vertrauensvorsprung, den deutsche Erzeugnisse bei manchem Verbraucher genießen, wettzumachen. Erschreckend an der vieldiskutierten Untersuchung zur Pestizidbelastung bei deutschem Beerenobst war weniger die Gesamtbelastung der Früchte sondern die Verwendung nicht zugelassener Spritzmittel. Dies deutet auf ein fehlendes Unrechtsbewusstsein oder mangelhaftes Fachverständnis hin. Nicht weiter verwunderlich führt dies beim Verbraucher zu dem Trugschluss, genauso gut Importware in den Einkaufskorb legen zu können, da ja auch bei einheimischer Ware vieles im Argen zu sein scheint. Immerhin – und dies ist für den Verbraucher an der Warentheke leicht zu überprüfen – ist die Importware auf den ersten Blick oftmals günstiger.

Die positiven Auswirkungen des Konsums einheimischer Produkte auf Umwelt, Wirtschaft und Klima fielen leider dem hitzigen Schlagabtausch zum Opfer, der den Äußerungen Künasts folgte. In der öffentlichen Diskussion weitgehend unbeachtet blieben deshalb beispielsweise die durch den heutzutage üblichen Transport landwirtschaftlicher Produkte entstehenden enormen externen Kosten. Diese Kosten, die nicht vom Verursacher sondern von der Allgemeinheit getragen werden, könnten durch eine Einfuhrreduktion landwirtschaftlicher Produkte und relativ kurze Transportwege deutlich gesenkt werden.

Dies haben Prof. Dr. Friedrich Schneider und Michael Holzberger vom Institut für Volkswirtschaftslehre der Universität Linz am Beispiel Österreich gezeigt. Über einen deutlichen Beitrag zur Umwelt- und Klimaschonung hinaus würde bei einer Einfuhrreduktion landwirtschaftlicher Produkte samt gleichzeitiger Kompensation durch einheimische Produkte ein deutlicher Zuwachs des regionalen Bruttoinlandprodukts erzielt werden. Laut den Autoren der Studie wäre neben deutlichen Wohlfahrtsgewinnen auch ein ausgeprägter positiver regionaler Beschäftigungseffekt zu erwarten.

Allerdings verzichten die Autoren darauf, Wege aufzuzeigen, wie diese Einfuhrreduktion bewerkstelligt werden könnte. Es lässt sich nur schwer beurteilen, wie das Ausland auf entsprechende staatlich initiierte Vorstöße reagieren würde. Indes ist die Lösung ja auch gar nicht so kompliziert: Haben nicht wir es nicht alle bei jedem Einkauf in der Hand, durch die Wahl einheimischer Produkte zum Klima- und Umweltschutz beizutragen? Zugleich könnten wir dafür Sorge tragen, dass die Wertschöpfung in den Bereichen Gartenbau und Landwirtschaft wieder vermehrt in unserem eigenen Land erzielt wird. Schließlich lassen sich nur so bestehende Arbeitsplätze sichern und gleichzeitig neue Arbeitsgelegenheiten schaffen.

Man mag Renate Künast Populismus in Zeiten des Wahlkampfs vorwerfen. Dennoch spricht ihr Appell einen großen Missstand unserer Zeit an. Nur noch ein Zehntel der vom Durchschnittsverbraucher monatlich getätigten Aufwendungen wird für Lebensmittel ausgegeben, was die gesellschaftliche Wertschätzung dieser Produkte widerspiegelt. Die Frage ist berechtigt, warum kaum ein Haushalt bereit ist, mit einer in den meisten Fällen kaum spürbaren Erhöhung dieses Anteils Verantwortung für die Zukunft zu übernehmen.

Tim Jacobsen

Nachhaltige Entwicklung geht vor kurzfristigen Profit

Die Diskussion um die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Gartenbaus erreichte in der Auseinandersetzung über die Sozialabgabensätze polnischer Saisonarbeitskräfte und dem Wiederaufflackern der Energiekostendiskussion ihren vorläufig letzten Höhepunkt. Dieser Streitfrage zugrunde liegt die Überzeugung, dass niedrige Produktionskosten gemeinhin als entscheidender Wettbewerbsvorteil auf Märkten mit untereinander weitgehend austauschbaren Produkten angesehen werden. Aufgrund der verschärften Konkurrenzsituation im europäischen Binnenmarkt führen als ungleich empfundene Wettbewerbsbedingungen dann auch schnell zu Forderungen nach staatlichen Eingriffen und ausgleichenden wirtschaftspolitischen Maßnahmen.

Eine ausschließlich an Kostensenkung interessierte Unternehmens- und Wirtschaftspolitik greift dabei jedoch auf lange Sicht zu kurz. Schließlich behaupten sich nord- und mitteleuropäische Gärtner trotz eigentlich ungünstiger Voraussetzungen seit vielen Jahren im internationalen Wettbewerb. Die Außenhandelsbilanzen unserer Nachbarländer Belgien, Niederlande und Dänemark unterstreichen dies. Diese weisen trotz eines deutlichen Lohngefälles in Richtung Süd- und Osteuropa, trotz nicht unbedingt vorteilhafter klimatischer Bedingungen und trotz unterschiedlicher Verfügbarkeit von Produktionsfaktoren zum Teil deutliche Exportüberschüsse für gartenbauliche Produkte aus. Während die Außenhandelsbilanz des Exportweltmeisters Deutschlands für alle Sparten des Gartenbaus negativ ist, werden aus Dänemark Zierpflanzen, aus Belgien Obst und Gemüse und aus den Niederlanden Zierpflanzen, Baumschulartikel und Gemüse in großem Umfang exportiert.

Dabei gewährt das politische Klima auch in unseren Nachbarländern den Gärtnern keinen besonderen Schutz. Belgische und niederländische Betriebe beispielsweise haben beim Erwerb von Flächen mit starker Konkurrenz aus Industrie und Wohnungsbau zu kämpfen. Betriebe in den Beneluxstaaten und Dänemark können zudem in weit geringerem Ausmaß als ihre deutschen Nachbarn auf Saisonarbeitskräfte aus Billiglohnländern zurückgreifen. Niederländische Gärtner haben genauso wie ihre dänischen Kollegen oftmals strengere Umweltauflagen zu erfüllen als ihre deutschen Kollegen. Die liberale Wirtschaftspolitik Dänemarks führte dazu, dass sich dänische Gärtner von ihrer Regierung zeitweise regelrecht im Stich gelassen gefühlt haben.

Vor diesem Hintergrund kann der deutsche Gartenbau mit Zuversicht in die Zukunft blicken.

Tim Jacobsen

Die hohe Konkurrenzfähigkeit der gartenbaulichen Produktion in Mittel- und Nordeuropa lässt sich also weder durch eine besonders günstige Faktorkostenstruktur noch durch staatliche Unterstützungsmaßnahmen erklären. Die Gründe für die gute Wettbewerbsposition der gartenbaulichen Produktion müssen also auch jenseits eines Vergleichs von Produktionskosten gesucht werden.

Ein Blick über unsere Landesgrenzen in Richtung Osten macht nur allzu deutlich, dass die Betriebsgrößen in den meisten Beitrittsländern von den entsprechenden Optimalwerten oft noch weit entfernt sind. Dazu kommt, dass in Osteuropa zum Teil deutliche infrastrukturelle Defizite bestehen und zudem Vermarktungsstrukturen wenig ausgebildet sind. Der Wettbewerbsvorteil, den gut geölte und perfekt aufeinander abgestimmte Wertschöpfungsketten im direkten Vergleich dazu bieten können, liegt auf der Hand.

Der große Nutzen von Wertschöpfungsketten lässt sich dabei nur teilweise mit der Beseitigung von Reibungsverlusten begründen. Neben einer Orientierung an den Bedürfnissen der Kunden spielt vor allem die Innovationsfreude auf Seite der beteiligten Unternehmen eine große Rolle. Diese schlägt sich in kreativem und zukunftsorientiertem unternehmerischen Handeln nieder. Wie das Beispiel der Niederlande zeigt, behaupten sich vor allem diejenigen Produktionsstandorte im Wettbewerb, die gewisse gemeinsame Merkmale aufweisen. Neben einer Mindestanzahl von Betrieben und einer wettbewerbsfähigen Größe spielen vor allem gute infrastrukturelle Einrichtungen bei der Entwicklung dieser Gartenbauzentren eine wichtige Rolle. Dies beginnt bei guten Verkehrsanbindungen und schließt nicht zuletzt auch ein kompetentes Versuchs- und Beratungswesen mit ein, das bei der Entwicklung und Einführung neuer Produkte hilft.

Vor diesem Hintergrund kann der deutsche Gartenbau mit Zuversicht in die Zukunft blicken. Neben gut entwickelten Vermarktungsstrukturen können die deutschen Betriebe beispielsweise von einem großflächig ausgebauten Beratungswesen profitieren. In allen Bereichen stehen noch gut ausgebildete Fachkräfte zur Verfügung. Zudem braucht die infrastrukturelle Ausstattung der gärtnerischen Zentren Deutschlands den direkten Vergleich mit den Nachbarländern nicht zu scheuen. Wie wäre es sonst auch möglich, dass trotz allen Wettbewerbsnachteilen gut ein Drittel der auf dem deutschen Markt umgesetzten Blumen und Zierpflanzen aus einheimischer Produktion stammt? Für den Bereich Obst liegt der Selbstversorgungsgrad Deutschlands immerhin bei knapp einem Fünftel. Und nur geringfügig weniger als die Hälfte des in Deutschland konsumierten Gemüses wird schließlich im eigenen Land produziert.

Wettbewerbsgleichheit in der gärtnerischen Produktion kann es nicht geben. Zu verschieden sind die natürlichen Voraussetzungen in den einzelnen Ländern. Es ist Aufgabe der Politik, darüber zu wachen, dass durch nationale Alleingänge innerhalb Europas keine künstliche Wettbewerbsverzerrung entsteht. Vielmehr aber als durch eine europaweite Harmonisierung der Sozialabgabensätze bei Saisonarbeitskräften wäre dem deutschen Gartenbau jedoch gedient, wenn staatlicherseits ein verlässliches Umfeld für unternehmerisches Handeln geschaffen würde. Die Häufung von im Einzelnen nicht immer nachvollziehbaren Entscheidungen und politischen Richtungswechseln ließen viele Gärtner ratlos zurück und tragen zu einem insgesamt wenig innovationsfreundlichen Klima bei.

Tim Jacobsen

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