Nachrichten zur Wettbewerbslage

"Now, here, you see, it takes all the running you can do, to keep in the same place. If you want to get somewhere else, you must run at least twice as fast as that!"

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Der Untergang des Abendlandes wurde noch einmal aufgeschoben

Kaum wird irgendwo ein Tempolimit angedeutet, stehen in Deutschland gefühlt 80 Mio. Menschen auf dem Rastplatz der Empörung. Rauchverbot im Wirtshaus? Freiheitsentzug! Zuckersteuer? Diktatur!

Dabei hat die neue Vorschrift oft noch gar nicht das Licht der Welt erblickt, da ist die Stimmung schon schlimmer als im WhatsApp-Chat einer Kleingartenanlage während der Maulwurfssaison. Aber Achtung, liebe Empörungsweltmeister:

Eine an prominenter Stelle veröffentlichte Studie (DOI: 10.1073/pnas.2409907122) zeigt nun, dass der große Aufschrei meist so kurzlebig ist wie Neujahrsvorsätze. Der Widerstand gegen neue Vorschriften ist oft nicht mehr als der sprichwörtliche Sturm im Wasserglas. Irgendwie ja auch logisch: Keiner wird die Revolution ausrufen, nur weil er im Restaurant nicht mehr quarzen darf.

Wenn Menschen plötzlich Prinzipien haben, heißt das in der Fachsprache Reaktanz. Übersetzt bedeutet dies, dass jemand etwas nicht tun darf, was er sowieso nie gemacht hat und sich darüber ärgert, es dann auch in Zukunft niemals machen zu können, bspw. eben mit 250 Sachen über den Highway zu fliegen.

Die Wissenschaftler haben fast 50 000 EU-Bürger befragt und mit weiteren 5000 Testpersonen experimentiert – alles für die große Erkenntnis: Nach der Einführung „böser“ Regeln sind die Leute im Allgemeinen schnell wieder eher tiefenentspannt. In Ländern mit Rauchverbot zum Beispiel war die Ablehnung teilweise geringer als in Ländern ohne.

Was lernen wir daraus? Wenn eine Regel kommt, denken alle erst: „Was verliere ich?“ Aber sobald die Regel da ist, merken viele: „Huch, gar nicht so schlimm. Vielleicht sogar sinnvoll?“

Tim Jacobsen

Alle Jahre wieder

Die Japanische Zierkirsche steht wie kein zweiter Baum für Frühlingserwachen, sie kündigt wärmere Temperaturen sowie längere Tage an und bringt dabei mehr Menschen um den Verstand als Schneeglöckchenwahn, Narzissenblüte und Tulpenhype zusammengenommen.

Das rosa Blütenglück, das sich Anfang April in der Bonner Altstadt wieder einmal von seiner überbordensten Seite zeigt, versetzt Massen in Verzückung, führt zu Straßensperrungen und genervten Anwohnern.

Hanami und Sakura sind die beiden Worte, die beim Verständnis des Phänomens hilfreich sein können: Sakura, die „Blüte der Kirschen“, also sinnbildlich das Erwachen der Natur nach der Kälte des langen Winters, löst Hanami aus, was übersetzt nichts anderes als „Blüten betrachten“ heißt, nur geht es in Zeiten des Internets natürlich schon lange nicht mehr nur um „sehen“, sondern vor allem um „gesehen werden“.

Im Schlossgarten Schwetzingen, am Berliner Mauerweg mit seinen 1000 Kirschbäumen, dem Magdeburger Holzweg, im Hiroshima-Hain in Hannover, in den Witzenhausener Streuobstwiesen oder im Berchtesgadener Kurgarten: es gibt wahrscheinlich kein Foto mehr, das nicht schon gemacht ist.

Anders als in eher weitläufigen Umgebungen sind in den Straßenschluchten entlang der Bonner Heer- und Dorotheenstraße die Zierkirschen dann aber tatsächlich nicht nur fröhlich stimmende rosa Farbkleckse, sondern wenig später dann auch das einzige Grün weit und breit.

Tim Jacobsen

True crime, das unter die Haut geht

Es ist noch gar nicht so lange her, dass in Kleinanzeigen der landwirtschaftlichen Wochenblätter philippinische Frauen offensiv als Ausweg aus der Einsamkeit so manchem bäuerlichen Wohnzimmers beworben wurden. Chris de Stoop meldete sich bei einem dieser Vermittler, sein Debütroman „Ze zijn zo lief, meneer“ handelt von einer internationalen Frauenhändlerbande und hatte nicht nur in Belgien so manche Gesetzesverschärfung und das Ende dieses Businessmodells zur Folge. Es folgten Bücher über das Drogenmilieu, Sexarbeiterinnen, Jihadisten, den Völkermord in Ruanda, Bootsflüchtlinge und die Coronapandemie.

Immer wieder richtet sich sein Blick aber auch auf die Dinge direkt vor seiner Haustür und immer wieder handeln diese Geschichten dann vom Kampf der Kleinen gegen die Großen, von Tradition und Moderne, von Ohnmacht und Ausgeliefertsein. In „De Bres“ erlebt de Stoop aus erster Reihe, wie in seiner Heimat ganze Dörfer der Ausweitung des Antwerpener Hafens weichen müssen und Felder zum letzten Mal bestellt werden.

In dem auch auf Deutsch erschienen „Dit is mijn hof” kehrt de Stoop nach einer Reihe von Schicksalsschlägen auf den leerstehenden elterlichen Hof zurück und wird Zeuge davon, wie abermals bester landwirtschaftlicher Grund und Boden geopfert wird, dieses Mal um Platz für „neue Natur“ zu machen. „Het boek Daniel“ handelt von Jugendlichen, die nichts mit sich selbst anzufangen wissen, und der Ermordung von de Stoops Onkel Daniel, der auf seinem Vierkanthof eigentlich keiner Fliege etwas zu leiden getan hat.

Mit Mord und Totschlag, Brandstiftung und finsteren Machenschaften geht es auch in de Stoops neuestem Roman weiter. Der titelgebende „De Damiaanhoeve“ ist Schauplatz eines Verbrechens, das auch sieben Jahre später nicht aufgeklärt ist. Zwar reimt sich „jeder gewinnt mit Kies“ nicht so schön wie im flämischen Original, schnell wird einem aber schnell klar, dass wahrscheinlich nur diejenige mit der Abbaugenehmigung wirklich vom Kiesabbau profitiert.

Wenn sich dann manche querstellen und einige am Ende vielleicht sogar recht bekommen und als Einzige ihren Hof weiter bewohnen dürfen, trägt das zur dörflichen Harmonie nicht unbedingt bei. Auch wenn die Sympathien klar verteilt sind, macht de Stoop aus höchstwahrscheinlich unschuldig Verdächtigten keine Unschuldslämmer, was letztendlich die Schilderung dessen, was Verdacht und Gerüchte mit einem machen, umso eindrücklicher gestaltet. 240 Seiten kosten 23,99 €.

Tim Jacobsen

Alles torffrei … oder was? Zu Besuch bei Patzer Erden

Es gab einmal eine Zeit – und die ist streng genommen noch gar nicht so lange her – da waren Substrate noch grundsätzlich Erden und Substrathersteller hatten wenig mehr als aufbereiteten Waldboden im Angebot. Und so war es dann wahrscheinlich alles andere als ein Zufall, dass der aus Thüringen stammende Erdenproduzent Paul Patzer nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs im hessisch-bayerischen Grenzgebiet ein neues zu Hause fand, denn Wald gibt es, wo Rhön und Spessart aufeinandertreffen, genug.

Klar gab es seinerzeit auch schon Torf, der aber wurde in Moorgebieten hauptsächlich zum Heizen oder als Einstreu im Stall verwendet. Gärtner produzierten in mit Komposten und Stalldung veredelten Lauberden, bis, nun ja, Anton Fruhstorfer 1934 in Weihenstephan erst zum Geschäftsführer des Torfhumusdienstes ernannt wurde, ihm 1943 dann ein Patent auf „durchgefrorenen Schwarztorf“ und zwei Jahre später schließlich eines für die von ihm erfundene „Einheitserde“ erteilt wurde.

Am Anfang stand die Einheitserde

Mit dem Bad Zwischenahner Rezeptvorschlag für ein Kultursubstrat auf der Basis von Torf, Ton, Kalk und der Zugabe von Nährstoffen schlug 1952 dann gewissermaßen für die kommenden Jahrzehnte dem Ende von dem wieder so modern gewordenen „torffrei“ im Gartenbau die Stunde. Pauls Söhne Herbert und Erich, Namensgeber für die Gebr. Patzer KG bekamen den Zuschlag für die Verkaufsgebiete Bayern und Baden-Württemberg und produzierten fortan im osthessischen Jossa „Einheitserde“.

Zupass kam dabei, dass der Produktionsstandort nicht nur Mitten im Wald lag, sondern auch einen Bahnanschluss hatte und die Geomorphologie vor Ort äußerst abwechslungsreich ist. Der Torf kam mit der Bahn, auch heute lässt sich der Schienenverlauf auf dem einem Bahnsteig nicht ganz unähnlich schmalen, rund einen Kilometer langen Betriebsgelände erahnen.

Es war nicht weit bis zur Tongrube und auch heute noch wird einmal im Jahr der Oberboden auf der Tonlagerstätte für zwei Wochen auf die Seite geräumt, genügend Ton für das kommende Jahr 20 km weit in das Erdenwerk gefahren und anschließend hüben wie drüben wieder zugedeckt. Traditionell werden dafür die heißesten und trockensten Tage des Jahres ausgesucht, denn in Verbindung mit Wasser ähnelt die Konsistenz des Naturprodukts eher Schmierseife.

Der Ton macht das Substrat

Dem Ton fällt im Gewächshaus des Gärtners genauso wie im Blumentopf auf der Fensterbank im weiteren Verlauf die fast alles entscheidende Rolle zu: bringt der Torf oder auf gut modern die Holzfaser Struktur ins Substrat, sorgt der Tonanteil für eine ausgeglichene Wasser- und Nährstoffversorgung. Der Ton ist das Bindeglied zwischen den einzelnen Substratbestandteilen. Dabei ist Ton alles andere als gleich Ton, wie Leiter Fachhandel & Export Christian Günther weiß.

Das in der eigenen Tongrube abgebaute Dreischichtmineral Montmorillonit passt nicht nur dank seines pH-Werts von 5,5 sehr gut für die Substratproduktion, auch, was die Ionenaustauschkapazität und die Wasserspeicherfähigkeit angeht, ist der naturbelassene und naturfeucht eingelagerte Ton eigentlich unschlagbar. Denn anders als das in vielen Erdenwerken verwendete Tonmehl setzt sich der mit den Fasern in einem ersten Schritt vermischte frische Ton im weiteren Kulturverlauf nicht ab.

Was für die Gartenbau-Profis gerade gut genug ist, wollen natürlich auch die Amateure gerne haben und so wurde Mitte der Fünfziger Jahre bereits die erste Anlage für Kleinpackungen in Betrieb genommen, heutzutage halten sich der Absatz an den Produktionsgartenbau und an den Fachhandel in etwa die Waage.

Unter Herwig Patzers Ägide fällt die Einführung der unter Gärtnern auch heute noch wohlbekannten Einheitserde ED73 in genau diesem Jahr, möglich wurde sie durch die Erfindung des Langzeitdüngers Plantosan. Einmal Fußballweltmeister später gilt das Waldsterben in den 1980er Jahren allgemein als einer der Wegbereiter für den Aufstieg der Partei „Die Grünen“, gleichzeitig kann ihre Etablierung auch als Ausdruck eines insgesamt kritischeren Blicks auf den Umgang mit unseren natürlichen Ressourcen gelesen werden.

Ökobewegung führt zum Umdenken

Bemerkbar machte sich dies auch daran, dass Abbaugenehmigungen stets kritischer hinterfragt wurden und es sich abzuzeichnen begann, dass Torf als Rohstoff für die Substratproduktion langfristig zumindest nicht mehr in der gewohnten Form zur Verfügung stehen könnte. Der Einheitserde Werkverband reagierte, brachte 1990 mit der GS90 ein Substrat mit einem Torfanteil von nur noch 60 % auf den Markt, Substrate der Produktlinie Eurohum brachten es dank „natürlich, nachwachsender, heimischer Rohstoffe“ auf einen Anteil von nur noch 40 %.

Mit der frux Öko-Blumenerde bewies Patzer dann im Jahr 1992, dass auch in kommerziell verfügbaren Substraten nicht unbedingt Torf enthalten sein muss, gewissermaßen eine Umkehr der Ausgangslage von nur knapp vierzig Jahren zuvor, als die frux-Kleinpackungen Hobbygärtnern erstmals ein Torfsubstrat bescherten. Der Fall des Eisernen Vorhanges änderte dann erneut die Ausgangslage. Auf einmal stand auch das Baltikum als Rohstofflieferant bereit.

Die Substratindustrie ließ sich das nicht zweimal sagen und von Torfersatz war lange nichts mehr zu hören, bis 2015 auf der Pariser Weltklimakonferenz ein letzter Versuch unternommen wurde, die drohende Klimaerwärmung auf weniger als zwei Grad zu reduzieren. Angela Merkel forderte nach ihrer Rückkehr die einzelnen Fachministerien dazu auf, zu überprüfen, welchen Anteil sie jeweils zur Reduktion des CO2-Ausstoßes beitragen könnten.

Das Pariser Abkommen

Im 2016 beschlossenen Klimaschutzplan 2050 tauchte dann erstmals der Schutz der Moore zum Erhalt wichtiger CO2-Senken auf und schnell gab es kaum eine Gärtnerveranstaltung mehr, in der nicht die von der großen Koalition beschlossenen Torfreduktionsstrategie gleichgesetzt worden wäre mit dem Ausverkauf des Abendlandes. Bis zum Ende der Dekade soll laut Klimaschutzprogramm 2030 im Erwerbsgartenbau ein weitgehender Ersatz von Torf stattfinden, im Hobbybereich soll ab 2026 vollständig auf Torf verzichtet werden.

Mit Stephan Patzer hatte zu dieser Zeit bereits die vierte Generation im Sinntal das Ruder übernommen. Vielleicht, weil er ja nun einmal in einer sehr waldreichen Region groß geworden war; vielleicht, weil torfreduziert oder sogar torffrei schon immer ein Patzerthema war oder vielleicht auch einfach nur, weil er sich als angehender Vater stärker mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigte, hatte er im Jahr 2015 die erste von mittlerweile vier Holzfaseranlagen in Betrieb genommen.

Das Holz dafür stammt aus einem wenige Kilometer entfernt gelegenen Palettenwerk. Nach dem Entrinden der Stämme bleiben immer Randbretter über, aus denen sich keine Paletten bauen lassen, diese werden in die gewünschte Chipgröße zerkleinert, aus denen dann mithilfe der Extruder Holzfasern gewonnen werden, die dann wiederum in verschiedene Fraktionen sortiert gemeinsam mit dem sowieso vorhandenen Ton den Ausgangsstoff für die Substratpro- und Torfreduktion darstellen.

Sortimentsneuaufstellung in Orange, Blue und Red

2020 wurde aus den Gebrüdern Patzer im Namen Patzer Erden, gleichzeitig wurden die „Patzer Erden“ neben den Einheitserden in das Sortiment aufgenommen. Mit den Farben Orange, Blue und Red wurden die verschiedenen Substratvarianten leicht wiedererkennbar als torfbasierend, mindestens 50 % torfreduziert und mindestens 70 % torfreduziert gekennzeichnet, dazu noch Green als organisch vegan gedüngte Erde für den ökologischen Landbau.

Knapp dreißig Jahre nach der frux Öko-Blumenerde kam 2021 dann auch wieder ein komplett torffreies Biosubstrat für Endverbraucher auf den Markt – mit dem kleinen, aber feinen Unterschied, dass dieses Mal seiner Zeit nicht weit voraus war, sondern genau passte in eine gesellschaftliche Grundstimmung, in der, auch als Folge der Coronapandemie manche Konsumentscheidung hinterfragt wurde und zumindest für kurze Zeit „Geiz ist geil“ in Vergessenheit geriet.

So gab es auf einmal in manchen Gartencentern Erde unverpackt zum Selbstabfüllen, andere nahmen gleich die ganzen torfhaltigen Substrate aus dem Sortiment. Und der ehemalige „Revisionsverband der Westkaufgenossenschaften“, heute eher bekannt unter Rewe Group, hatte ja auch schon Jahre zuvor angekündigt, ab 2025 keine torfhaltigen Produkte mehr verkaufen zu wollen.

Und sie dreht sich doch

Ein Blick in die Super-, Bau- und Heimwerkermärkte des Touristik- und Handelsunternehmens beweist, dass weder das Pflanzensortiment unter der Selbstverpflichtung gelitten hätte, noch gab es Berichte über Proteste von Konsumenten, die unbedingt ihr Torfsubstrat zurück hätten haben wollen. Christian Günther weiß noch von einem anderen Beispiel zu berichten, in dem die gärtnerische Praxis mit ihrer Innovationskraft eine Antwort auf sich verändernde Rahmenbedingungen gefunden hat.

Zwar exportiere Patzer Erden nicht selbst Substrate nach England, da dies infolge des Brexits einen unvergleichbar hohen bürokratischen Aufwand bedeute, über Baumschulen, die ins Vereinigte Königreich exportieren, würden aber gleichwohl Patzers torffreie Substrate auf die Insel gelangen, nur dann eben gewissermaßen in Begleitung von Pflanze und Topf. Die Hashtags #PeatFreeHeroes und #PeatVillains geben einen Eindruck davon, wie die Diskussion dort geführt wird.

Aber auch die Vielzahl von Projekten hierzulande, die infolge des Klimaschutzprogramms 2030 angestoßen wurden, kommen zu keinem anderen Schluss: Von sehr wenigen Spezialanwendungen wie den Presstöpfen für die Anzucht abgesehen, gibt es außer dem „haben wir schon immer so gemacht“ kein Argument dafür, dass Torf unbedingt Bestandteil von Substraten sein muss.

Noch nicht ganz am Ziel

Damit schließt sich dann auch wieder der Kreis zu den frühen Neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts, in denen viele Doktor- und Diplomarbeiten zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen waren. Über die ganze Branche hinweg schätzt Günther, dass die Substrate im Jahr 2025 im Hobbybereich noch zu etwa 50 % aus Torf bestehen, bis 2030 könnte der Torfanteil auf rund 30 % sinken. Im Profigartenbau bestehen die Substrate derzeit noch zu rund 80 % aus Torf, bis 2030 könnte dieser Anteil auf 70 % zurückgehen.

Sein eigenes Unternehmen sieht er dem Ziel des kompletten Torfverzichts schon wesentlich näher. Von derzeit 30 % werde der Torfanteil in den Hobbysubstraten bis 2030 auf 10 % zurückgehen, bei den Profisubstraten von derzeit 50 % auf 30 %. Das Ganze stehe und falle allerdings mit der Zuverlässigkeit der Rohstoffversorgung.

Wenn der Suezkanal blockiert ist oder Schiffe wegen des Beschusses von Huthi-Rebellen um das Kap der guten Hoffnung fahren müssen, zahle sich aus, nicht auf Kokosprodukte sondern auf Holzfasern, Substratkomposte und Rindenhumus aus eigener Produktion gesetzt zu haben. Aber auch mit regional erzeugten Rohstoffen ist nicht immer alles planbar: lautet die politische Vorgabe wie bspw. Anfang des Jahrhunderts Holzpellets statt Erdgas, dann stellt das auch langjährige Geschäftsbeziehungen auf die Probe.

Der Aufwand steigt

Und dann ist da ja auch noch das kleine Detail, dass es unvergleichbar aufwendiger ist, ein torffreies Substrat zu produzieren, als Torf mit Ton und ein paar Nährstoffen zu mischen. Günther zeigt dies anschaulich an zwei Gläsern, in denen jeweils schichtweise übereinander die einzelnen Komponenten zu sehen sind. Torffrei bedeutet ganz einfach, dass verschiedenste Zutaten aufeinander abgestimmt gemeinsam dann ein dem gewohnten Torfsubstrat ebenbürtiges Ergebnis liefern müssen.

Dafür braucht es jede Menge technisches und gartenbauliches Knowhow. Oder wie Günther es formuliert: die Schere zwischen den Qualitäten der verschiedenen Substratanbieter wird zukünftig weiter auseinandergehen, je größer der Anteil an Torfersatz sein wird. Denn, und das fasst es vielleicht am allerbesten zusammen: „Es steckt nicht nur viel drin, es steckt auch viel dahinter.“

Eine Menge Platz braucht es auch, wie beim Besuch am Produktionsstandort in Sinntal Jossa schnell deutlich wird. Beziehungsweise eine Menge mehr Platz, wie an den Aussiedlungsplänen von Patzer Erden deutlich wird. Ab 2027 sollen die torffreien Substrate in Schildeck auf der bayerischen Seite der Bundesländergrenze produziert werden.

Neues Mitglied der „Erdschöpfungskette“

Das hat nicht nur für die Beschäftigten den Vorteil, das Überangebot an katholischen Feiertagen in Bayern für sich in Anspruch nehmen zu können, das Ganze wird dank der Autobahnauffahrt Wildflecken auch den Verkehr innerorts entlasten. Während der Saison sind doch schnell Tag für Tag 50 vollbeladene LKW Richtung Kunden unterwegs – und wo viel rausgeht, muss natürlich auch einiges rein, was die Belastung schnell verdoppelt.

Der größte Vorteil des Neubaus wird Günther zufolge aber sein, dass endlich genug Platz sein wird für all die verschiedenen Fraktionen, aus denen torffreie Substrate bestehen. Reichten zu Beginn der Torfsubstratära im Prinzip zwei Beschicker, können es heutzutage fast gar nicht genug sein: allein die Holzfasern werden in grob, fein, mittel fraktioniert, um dann eben ein möglichst gut auf den Einsatzzweck zugeschnittenes Substrat beim Kunden abliefern zu können.

Fährt heute Alfred, das bei jungen und alten Betriebsbesuchern gleichermaßen beliebte Fotomotiv, mit dem Radlader wegen des dem Talverlauf folgenden Betriebsgeländes unzählige Male zwischen den Vorratsschüttungen und der eigentlichen Substratmischanlage hin und her, wird künftig die Anlage von außen beschickt werden, was nicht nur einiges an Kilometern sparen wird, sondern auch die Arbeitsabläufe deutlich vereinfachen.

Drei Standorte sorgen für kurze Lieferwege

Derzeit ist die kleinstmögliche Bestellmenge einer genau nach Wunsch gefertigten Substratmischung 15 m3, für abgesackte Ware gilt das Doppelte. Der allergrößte Teil der ausgelieferten Ware wird gewissermaßen frisch auf Bestellung angefertigt.

Da es von den Beschickern direkt auf das Förderband vorbei an Düngedosierern, Befeuchtern und was es sonst noch so alles gibt über verschiedene Mischvorrichtungen bis hin zur Absackanlage, dem Jumbobalebefüller oder dem Förderband für die lose Befüllung geht, kann in Jossa kontinuierlich produziert werden.

Der Vorteil der vielen Produktvarianten, die in Altengronau und Jossa noch fertig im Palettenlager stehen, ist, dass bei einer Bestellung dann schnell auch noch andere Artikel, egal ob für den Profi- oder Hobbybereich oder den Galabau, hinzugefügt werden können. Die beiden Sinntal-Standorte werden noch ergänzt von Buchenberg und Warngau im Süden der Republik und Gubkow Richtung Ostsee.

Tim Jacobsen

Liebe Kollegen von der schönen Zeitung

Irgendwann in den Tagen seit Mittwoch letzter Woche ist der FAZ bedauerlicherweise verloren gegangen, wofür ich sie eigentlich immer bewunderte. Aus einem Blatt mit vielen Meinungen ist eine Meinung auf vielen Blättern geworden. Natürlich hat Friedrich Merz Recht, wenn er, wie gerade eben in Bonn, die Verfehlungen in der Energiepolitik, die Migrationspolitik der letzten Jahre, oder das Großmachtstreben Russlands kritisiert. Streng genommen fußen aber alle diese Entwicklungen auf Entscheidungen, die in 16 Jahren CDU-Kanzlerschaft getroffen wurden. Ich würde mich sehr freuen, wenn meine Morgenlektüre auch angesichts eines derzeit alternativlos erscheinenden Kanzlerkandidaten von vorauseilender Hofberichterstattung Abstand nehmen könnte.

Beste Grüße nach Frankfurt

Tim Jacobsen

Fame, Famer, Fell

Mit um die 650 Mio. Follower lag im Januar cristiano an der Spitze der Instacharts, mehr oder weniger dicht gefolgt von leomessi. Auf Platz 13 dann taylorswift, in etwa gleichauf mit unseren Kollegen von natgeo. Mit gut 22 Mio Follower spielt SZA dann zwar „nur“ in der Liga von lena, der Top drei der deutschen Instaberühmtheiten, dass sie u.a. aber auch an der Seite von Kendrick Lamar die Halbzeitpause des diesjährigen Super Bowl musikalisch untermalte, unterstreicht, dass Musik-Superstar wohl eher noch untertrieben ist.

Es soll sogar Menschen geben, die keine Mühen scheuen und weite Reisen unternehmen, um einmal im Leben ihrem Idol nahe zu sein. Ende Januar präsentierte sich SZA nun in gelber Bikini-Hose und grün-weißem Trikot im Retro-Stil, soweit gerade nicht weiter ungewöhnlich auf der Socialmediaplattform – denn solche Sport-Shirts liegen gerade absolut im Trend. Doch den Fans stach sofort die Aufschrift auf dem Adidas-Trikot ins Auge. In großen Buchstaben steht dort: „Zaun – Garten – und Landschaftsbau Manfred Fell Heinsberg“ (https://www.instagram.com/p/DFV-E-GIG1l/?img_index=1).

„Dieser Gartenverein hat gratis Promo des Jahres bekommen“, heißt es in einem Kommentar. „Aber woher hat sie Manfreds T-Shirt?“, lautet ein weiterer. Manfred Fell ist selbst überrascht über seine neu erlangte Berühmtheit. „Die ersten Nachrichten kamen bei meinem Sohn an und wir waren zusammen unterwegs und dann ging es quasi in einem durch“, erzählt er dem Sender RTL. Das Trikot sei Anfang der 90er-Jahre für die Fußball-Betriebs-Mannschaft hergestellt worden.

Auch Sohn Frederic kann nur über die Trikot-Reise rätseln und nimmt an, „dass es durch einen Retro- oder Secondhand-Shop den weiten Weg genommen hat“. Der Gartenbaubetrieb mit den acht Mitarbeitern freue sich über die unerwartete Aufmerksamkeit, so Manfred Fell weiter. Dass die ihm neue Aufträge einbringt, glaubt er aber eher nicht. „Da muss man realistisch bleiben.“ Er habe sich mittlerweile aber einige Lieder von SZA angehört, „schöne, gut anhörbare Musik“, findet er.

Tim Jacobsen

Gute Stimmung auf dem Möhrenforum 2025

Streng genommen hätte rein rechnerisch 2025 das achte Möhrenforum stattfinden müssen. Eine Pandemie sowie eine Möhrenforumssommeredition später war es dann aber tatsächlich erst Nummer sieben, die uns ins zwar nicht verschneite, aber dennoch leicht angepuderzuckerte Leverkusen brachte, genauer gesagt mitten rein ins Herz des deutschen Triplechampions.

Denn die Baumeister der Bayarena hatten inmitten der Nordtribüne, Heim der Ultras und sonstigen Diehard-Fans des Fußballbundesligateams mit dem Weltkonzern im Namen extra eine kleine Logenreihe ausgespart, die an Tagen ohne Spielbetrieb vom rheinländischen Ableger der im Stadionrund befindlichen, kurz vor Weihnachten allerdings in Konkurs gegangenen Hotelkette für Tagungsveranstaltungen genutzt wird.

Und so passten die gut 80 Teilnehmer samt dem Auftritt unserer Platinsponsoren Bayer, Basf, Bejo, Escarda, Hazera und Rijk Zwaan dann auch gerade so in den Tagungssaal mit Blick auf das Allerheiligste, den Leverkusener Rasen, der im Rahmen der den ersten Veranstaltungstag beschließenden Stadionführung, die nichts weniger als den Headgreenkeeper aufbot, nicht nur in Augenschein genommen, sondern auch betreten werden konnte. Ein Umstand, der unseren Stadionführer zum Kommentar verleitete, dass er dies in mehr als zehn Jahren wenn überhaupt nur einmal erlebt hätte.

Aber auch wenn die Geschichte des Möhrenforums mittlerweile fast eineinhalb Jahrzehnte umfasst, waren nicht nur die Sponsoren aus der Saatgutindustrie seit 2011 als zuverlässige und unverzichtbare Partner alle Jahre wieder mit an Bord, auch ein knappes Viertel der Teilnehmer hätte für einen lückenloses Teilnahmenachweis eigentlich eine Ehrennadel verdient gehabt. Wir werden diese zur zehnten Auflage des Möhrenforum in voraussichtlich sechs Jahren dann nachreichen.

Und was mit der Bayarena unweit des Bayer-Kreuzes, immerhin der größten Leuchtreklame weltweit begann, fand dann mit dem zweiten Veranstaltungstag sein Ende am Sitz der Crop Science Division der Bayer AG in Monheim am Rhein. Maren Schlichting-Nagel und Judith Imnadze-Wehr stellten, orchestriert von Heinz Breuer und Tim Pauli, im Rahmen einer Führung über das weitläufige Werksgelände die Bereiche Substanzlogistik, Insektizide, Applikationstechnik sowie das SeedGrowth Center vor.

Am Nachmittag zuvor gab es noch das eine und andere zu erleben, und damit ist nicht unbedingt nur das Workoutangebot von Jerrek Tebling gemeint, das den eher technisch gehaltenen zweiten Vortragsblock vom eher Pflanzenschutz-orientierten ersten Teil mit den beiden Möhrenkoryphäen Frank Uwihs und Gerd Sauerwein trennte. Bei Christoffel den Herder waren dann schon mehr Traktoren und Holzkisten zu sehen, bei Daniel Pitton flogen die Möhren im wahrsten Sinne des Wortes durch die Sortierung und Judith Dittrich machte vor der Kaffeepause noch Appetit auf den Möhrendreiteiler des Arbeitskreises Möhren.

Muhammed Sidi ließ, während der Stadionrasen trotz früh einsetzender Dämmerung noch hell erleuchtet war, keine Zweifel daran aufkommen, dass Escardas Laser-basierte Unkrautbekämpfungslösung schlichtweg unübertroffen ist. Jeroen Veldman schickte seine Odd.Bot-Flotte auf den Weg und Lena Pollul sowie Tim Boenigk wagten zwar keinen Blick in die Kristallkugel, attestierten der laufenden Möhrensaison für sowohl Bio- als auch konventionelle Ware allerdings ein durchschnittliches Preisniveau mit einem sehr stabilen Preisniveau über den Herbst und leichten Preisaufschlägen – die hoffentlich einen Trend eingeleitet haben, der sich weiter fortsetzt!

Tim Jacobsen

Wie alles mit allem zusammenhängt: Revolutioniert Dyson auch den Erdbeeranbau oder will er nur Steuern sparen?

Im November 2024 kündigte die neu gewählte Labour Regierung an, die Befreiung von der Erbschaftssteuer für landwirtschaftliche Betriebe ab einer Million Pfund aufheben zu wollen, , was zu Massenprotesten im gesamten Königreich führte. 32 Jahre zuvor war die Übertragung von landwirtschaftlichen Betrieben zwischen den Generationen unter dem konservativen John Major- zum Schutz der Ernährungssicherheit von der Steuer befreit worden. Die neue Regelung soll im April 2026 in Kraft treten und sieht eine Erbschaftssteuer von 20 % auf Beträge über diesem Schwellenwert vor.

Die Landwirte führen ins Feld, dass sie zwar reich an Vermögen, aber arm an Bargeld seien, was zu einer Situation führe, in der Erben Ackerland verkaufen müssten, um ihren Steuerpflichten nachkommen zu können. Befürworter der Änderung argumentieren damit, dass wohlhabende Privatpersonen Ackerlandkaufen, um der Erbschaftssteuer zu entgehen. Regierungsangaben zufolge würde die Maßnahme etwa 27 % der landwirtschaftlichen Betriebe im Vereinigten Königreich (ungefähr 56700 landwirtschaftliche Betriebe) betreffen.

Wütend machten die Steuerpläne der Labour-Regierung auch Staubsauger-Milliardär James Dyson, der sich als einer der schärfsten Kritiker der neuen Erbschaftsteuer auf Landwirtschafts- und andere Familienbetriebe hervorgetan hat. Als „bösartig“ bezeichnete Dyson die Budgetpläne von Finanzministerin Rachel Reeves in einem Gastkommentar in der „Times“. „Kein Unternehmen kann Reeves’ zwanzigprozentigen Steuer-Zugriff über­leben“, schimpfte er. Nicht weniger als den „Tod des Unternehmertums“ siehe er kommen.

Dass der 77 Jahre alte Unternehmer und Erfinder sich so sehr für die Steuerbelastung der Bauern interessiert, könnte auch daran liegen, dass er selbst eines der größten Landwirtschaftsunternehmen des Vereinigten Königreichs zusammengekauft hat. Besonders in Lincolnshire im Nordosten Englands, wo es sehr gute Böden gibt, sowie in Somerset im Südwesten hat er im vergangenen Jahrzehnt große Flächen erworben.

Insgesamt fast 15000 ha Land gehören der Dyson Farming Ltd. Damit ist der Mann, der mit der Erfindung von Hightech-Staubsaugern, Hände- und Haartrocknern zum fünfreichsten Briten aufstieg, inzwischen auch unter den fünf größten Produzenten für Getreide, Bohnen und Kartoffeln des Landes angekommen. Neben den klassischen Ackerbaukulturen baut Dyson auch Erdbeeren im großen Stil an. Auf seiner Farm in Lincolnshire wachsen mehr als eine Million Erdbeerpflanzen in Gewächshäusern, die mit LED-Lichtern beleuchtet werden.

Die Gewächshäuser mit insgesamt mehr als 100000 m2 Fläche sind hoch technisiert. So erspähen Roboter des Start-ups Dogtooth aus Cambridgeshire mit optischen Sensoren die reifen, roten Früchte. Ein Greifarm pflückt und legt sie in Kisten. Alles ist so weit automatisiert wie nur möglich. Dank des Einsatzes von UV-Licht kommen so gut wie keine Fungizide zum Einsatz. Rund 1250 t Erdbeeren sind der Lohn der Mühen. Der Bioabfall wird in großen Faultürmen vergoren, und das daraus entstehende Gas und die Wärme wird für die Beheizung der Treibhäuser genutzt.

Mehr als 140 Mio. Pfund hat Dyson nach eigenen Angaben in den vergangenen Jahren in die Modernisierung seiner gleichnamigen Faming Limited investiert. Und er plant Großes, auch wenn der ausgewiesene Gewinn von fünf Millionen Pfund angesichts der großen Investitionen eher mäßig scheint Kritiker werfen ihm (und anderen Promi-Landwirten wie Jeremy Calrkson) vor, sie wollten mit ihren Farmen lediglich Steuern sparen. Dyson weist dies zurück.

Bei dem angenommenen Wert seiner Farmaktivitäten in Höhe von gut 600 Millionen Pfund und möglichen rund 120 Millionen Pfund Erbschaftsteuer fällig, haben seinen Beteuerungen, die Investitionen in die Landwirtschaft dienten garantiert nicht dem Zweck, Erbschaftsteuer zu vermeiden, zumindest einen Beigeschmack. Zumal der dreifache Vater und sechsfache Großvater vor fünf Jahren auch bereits seine nach Singapur verlegt hatte – auch dies selbstredend nicht aus steuerlichen Gründen.

Die Motivation für sein Engagement in der Landwirtschaft sei eine andere, beteuert Dyson. Er wolle helfen, moderne Technologien und nachhaltige Anbaumethoden zu etablieren sowie dazu beitragen die Lebensmittelqualität und Versorgungssicherheit insgesamt zu verbessern. Der Absolvent des Londoner Royal College of Art hatte sich ab den Siebzigern in technische Erfindungen und Konstruktionen vergraben und ließ sich dabei von Fehl- und Rückschlägen nicht entmutigen.

Seine ersten Ideen wie das Transportboot Sea Truck floppten, ebenso die eigenwillige Konstruktion einer Schubkarre, die nicht auf einem Rad, sondern auf einer Kugel rollen sollte. Auch der Wasser-Quad wurde kein Erfolg. Erst mit dem effizienten Hightech-Staubsauger, der ohne Beutel (und später ohne Stromkabel) auskommt, gelang Dyson der Durchbruch. Angeblich hat er in fünf Jahren 5127 Prototypen gebaut, bis ihn das Ergebnis endlich befriedigte. In dieser Zeit war die Familie knapp bei Kasse, sie lebten vom Gehalt von Dysons Frau, einer Kunstlehrerin.

Auch die Markteinführung war schwierig. Da die britische Industrie abwinkte, ging Dyson nach Japan. Schließlich wurde der Staubsauger ein globaler Markterfolg. „Der Dyson“ ist inzwischen ein Haushaltsname, mehr als zehn Millionen Briten nutzen ihn. In den meisten Ländern hat die Firma einen Marktanteil von mehr als zwanzig Prozent, in Deutschland sind Dyson-Staubsauger beliebter als die heimischen Marken Miele und Bosch. Immer neue Modelle designen Dysons Ingenieure im Forschungs- und Entwicklungszentrum in Malmesbury, Südengland.

Verglichen mit den Hightech-Produkten in Dysons Sortiment, die in den jeweiligen Produktkategorien oft Marktbeherrschend wurden, scheint der Konkurrenzkampf im Erdbeergeschäft vergleichsweise hart. Dysons Erdbeeren, die er über die Supermarktketten Sainsbury’s und Marks & Spencer verkauft werden, liegen preislich am obersten Ende. Künftig soll mit mehr Union-Jack die britische Herkunft noch stärker hervorgehoben werden. Einblick in das Hightechgewächshaus gewährt https://tinyurl.com/4prt9ty3.

Tim Jacobsen

Wissenschaft, die Wissen schafft

Was sich nach Klamauk und Schabernack anhört, könnte durchaus ernste Konsequenzen haben: Forschende der Universitäten Bath, Aachen und Frankfurt beobachteten 192 Stunden lang das Kaufverhalten von insgesamt 3810 Kunden – und das an einem winzig-kleinen, oftmals übersehenen Teil der Obsttheke von Rewe-Märkten. Und zwar genau an der Stelle, an der es einzelne Bananen zu kaufen gibt.

Wurden diese Bananen mit einem Mitleid-erweckenden „Wir sind traurige Singles und möchten gekauft werden“ angepriesen, steigerte dies den Absatz gegenüber vermeintlich glücklichen und auch so beschilderten Single-Bananen um mehr als die Hälfte. Damit könnten die Bananen ein Vorbild sein für alle Singles, egal ob Mensch oder pflanzlichen Ursprungs. Das Betonen der eigenen Imperfektionen könnte, anders als auf den einschlägigen Vermittlungsportalen üblich, die eigene Attraktivität zumindest wissenschaftlich belegt noch einmal deutlich steigern.

Und was für Chancen tun sich damit dann erst im Geschäft mit allem was blüht und verblüht auf? Dass es für verderbliche Ware auch noch ganz andere Möglichkeiten zur Wertschöpfung gibt, bewies unlängst Maurizio Cattelans Banane, die mit Klebeband an der Wand, mit „Comedian“ als Titel und damit als Kunstwerk ausgewiesen für knapp 6 Mio. € den Besitzer wechselte. Immerhin gut 3 % des jährlichen Gesamtumsatzes mit Bananen in Deutschland.

Tim Jacobsen

Am Zentralfriedhof ist Stimmung

Vor etwas mehr als 150 Jahren, genau genommen am 1. November 1874 wurde Jakob Zelzer als einer der Ersten von mittlerweile mehr als drei Millionen Verstorbenen auf dem Wiener Zentralfriedhof bestattet. Der „neue“ Friedhof, nach mehreren Ausweitungen mit zweieinhalb Quadratkilometern immerhin der zweitgrößte Europas, war dabei schon immer etwas anders: nicht nur war er der erste seiner Art, der nicht von der Kirche betrieben wurde, er ist mit Sicherheit auch der erste Friedhof überhaupt, der Kultstatus erlangte und das lag nicht nur, aber auch an Wolfgang Ambros’ Lied „Es lebe der Zentralfriedhof“, das 1975 erschien.

Heutzutage ist der Zentralfriedhof ist eine Art begehbares Geschichtsbuch, eine Architekturausstellung, Schaubühne vergangener Größe und vergänglicher Würde, ein Spiegel gesellschaftlicher Veränderungen und ein Ort der Ruhe, Erholung und Besinnung – die nur von den auf dem benachbarten Flughafen Schwechat startenden und landenden Flugzeugen gestört wird. Gegen Gebühr kann man mit dem Auto auf den Friedhof, ein Elektrobus dreht seine Runden, am gemächlichsten geht es mit dem Fiaker.

E-Bikes können ausgeliehen werden, Jogger auf ausgewiesenen Strecken entlang der Gräber an ihrer Ausdauer arbeiten und, wir sind ja in Wien, nach Konditorei und Würstelbuden muss auch nicht lange gesucht werden. Klar, gibt es ein Bestattungsmuseum innerhalb der Friedhofsmauern und natürlich haben die Friedhofsgärtner auch einen eigenen Souvenirladen, T-Shirts mit dem Aufdruck „irgendwann bleib i dann durt“ sind noch die eher weniger makabren Mitbringsel. Es wurden 170 Tier- und 200 Pflanzenarten gezählt, bis in die Achtziger Jahre gab es einen eigenen Jagdverein und gegen Gebühr kann auf Freiflächen gegärtnert werden.

Reiseführer verweisen auf das prominente Gräberfeld. Nicht nur an Allerheiligen stehen Busse vor den Eingängen. Der Touristenandrang ist so groß, dass Fremdenführer eine Akkreditierung brauchen. Der Promifaktor zieht: Die Gräber von Ludwig van Beethoven, Franz Schubert, Udo Jürgens, Falco oder dem Karikaturisten Manfred Deix fehlen auf keiner Besichtigungstour.  330 000 Gräber gibt es hier, dazu kommen noch einmal 220 000 Gräber im restlichen Wien. Mit deren Verwaltung sind bei der Friedhöfe Wien GmbH 380 Leute beschäftigt.

Sie wachen auch über die Einhaltung der 29-seitigen Bestattungsanlagenverordnung. Die definiert, wann ein Grab ein Grab ist, und legt fest, dass ein Sarg nicht länger als 2,12 m, eine Urne nicht höher als 35 cm sein darf. Österreichs größtes Krematorium, ein Begräbnisort für Haustiere, eine Gärtnerei und eine Steinmetzwerkstatt gehören ebenfalls zur Friedhöfe Wien GmbH. Zuletzt setzte der Betrieb samt Beerdigungszweig 17,4 Mio. € um. Vor gut zwanzig Jahren hielt auch im Wiener Zentralfriedhof die Marktwirtschaft Einzug:

Das jahrhundertealte Monopol der „Bestattung Wien“ wurde aufgehoben. Seit 2002 bieten auch private Unternehmen ihre Dienste um „a schöne Leich“ an. „A schöne Leich“ ist in Wien dabei gleichbedeutend mit einem würdevollen Begräbnis. Dafür sorgen die „Pompfüneberer“, also die Bestatter. Ihr Name leitet sich von einem Unternehmen aus dem 19. Jahrhundert ab, das als „Entreprise des pompes funèbres“ in die Geschichte einging. Über die Toten heißt es dann, dass „sie den 71er genommen haben“. Die Straßenbahnlinie 71 verkehrt zwischen Börsegasse und Wiener Zentralfriedhof.

Tim Jacobsen

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